Baurecht

Unwirksamkeit eines Bebauungsplanes wegen fehlenden Hinweises auf die Möglichkeit einer Einsichtnahme einer DIN-Vorschrift

Aktenzeichen  W 5 K 19.361

Datum:
14.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 2876
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 68 Abs. 1, Art. 71, Art. 81a Abs. 1
BauNVO § 1 Abs. 4 Nr. 2, § 8, § 9, § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 2
BauGB § 10 Abs. 3, § 34 Abs. 1, Abs. 3

 

Leitsatz

1. Großflächige Einzelhandelsbetriebe sind in allen anderen Gebieten außer Kerngebieten und entsprechenden Sondergebieten und damit auch in einem Industriegebiet nach § 9 BauNVO unzulässig. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Verweist eine Festsetzung im Bebauungsplan auf eine DIN-Vorschrift und ergibt sich erst aus dieser Vorschrift, unter welchen Voraussetzungen ein Vorhaben planungsrechtlich zulässig ist, muss der Plangeber sicherstellen, dass die Planbetroffenen sich auch vom Inhalt der DIN-Vorschrift verlässlich Kenntnis verschaffen können. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
3. § 11 Abs. 3 BauNVO unmittelbar nur im Gebiet eines Bebauungsplans gilt. (Rn. 51) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.    Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids des Landratsamts W. vom 1. April 2019 verpflichtet, den am 7. November 2018 beantragten Bauvorbescheid zum Umbau und zur Erweiterung des Einzelhandelsbetriebs auf dem Grundstück Fl.Nr. 2461 der Gemarkung K. (… in … K.) zu erteilen. 
II.    Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.    Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die Klage, über die gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, ist zulässig und begründet.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung des mit Bauvoranfrage vom 7. September 2018 beantragten Bauvorbescheids hinsichtlich der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit, genauer auf positive Beantwortung der von ihr gestellten Frage, ob der geplante Umbau bauplanungsrechtlich hinsichtlich Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise sowie der überbaubaren Grundstücksflächen zulässig ist (wobei die vorgenannten Kriterien unabhängig und separat zu prüfen wären). Der ablehnende Bescheid des Landratsamts W. vom 1. April 2019 erweist sich als rechtswidrig, sodass die Klägerin hierdurch in ihren Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
1. Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung ist Art. 71 Satz 1 und Satz 4 i.V.m. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO. Danach ist der Vorbescheid zu er-teilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind.
Nach Art. 71 Satz 1 BayBO ist vor Einreichung des Bauantrags auf schriftlichen Antrag des Bauherrn zu einzelnen, in der Baugenehmigung zu entscheidenden Fragen vorweg ein schriftlicher Bescheid (Vorbescheid) zu erteilen. Als feststellender Verwaltungsakt stellt der Vorbescheid im Rahmen der vom Bauherrn gestellten Fragen die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die Gegenstand der Prüfung im Baugenehmigungsverfahren sind, fest und entfaltet während seiner regelmäßigen Geltungsdauer von drei Jahren (Art. 71 Satz 2 BayBO) Bindungswirkung für ein nachfolgendes Baugenehmigungsverfahren.
Maßgeblich sind hier allein die Fragen in der Bauvoranfrage vom 7. September 2018, nämlich die, ob der geplante Umbau – also die Erweiterung der Geschossfläche auf 1.952,40 m² und der Verkaufsfläche auf 1.200,20 m² – in Bezug auf die Art der baulichen Nutzung, das Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise sowie hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksflächen bauplanungsrechtlich zulässig ist.
2. Der geplante Umbau ist in Bezug auf die Art der baulichen Nutzung bauplanungsrechtlich zulässig. Das Vorhaben ist nicht nach § 30 BauGB zu beurteilen, weil der zugrundeliegende Bebauungsplan an einem durchgreifenden Mangel leidet (hierzu unter 2.1.), maßgeblich ist vielmehr § 34 Abs. 1 BauGB, auf dessen Grundlage das Vorhaben positiv zu beurteilen ist (hierzu unter 2.2. und 2.3.).
2.1. Dem beantragten Vorhaben steht der Bebauungsplan „W … I“ der Gemeinde K … nicht entgegen. Das Baugrundstück befindet sich im Geltungsbereich des Bebauungsplans „W … I“, der ein Industriegebiet festsetzt, in dem ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb nicht zulässig ist (2.1.1.). Offen bleiben kann, ob der Bebauungsplan unwirksam ist, weil es an einer Festsetzung der Gebäudehöhe fehlt (2.1.2.) oder weil Emissionskontingente festgesetzt wurden, obwohl es an einer internen Gliederung des Baugebiets mangelt (2.1.3.). Denn der Plan ist nicht wirksam, weil ein durchgreifender Bekanntgabemangel vorliegt (2.1.4.).
2.1.1.
Das Bauvorhaben befindet sich im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans „W … I“, der hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung ein Industriegebiet nach § 9 BauNVO festsetzt. Damit sind nach § 9 Abs. 2 BauNVO zulässig Gewerbebetriebe aller Art, Lagerhäuser, Lagerplätze und öffentliche Betriebe sowie Tankstellen.
Bei dem streitgegenständlichen Vorhaben handelt es sich aber nicht um ei-ne der in § 9 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 BauNVO genannten allgemein zulässigen Nutzungen. Zwar fallen auch Einzelhandelsbetriebe unter die Gewerbebetriebe aller Art. Allerdings hat die Zulässigkeit dieser Betriebe ohne Einschränkung ihres flächenmäßigen Umfangs im Wesentlichen zur Anfügung des § 11 Abs. 3 BauNVO und zur gleichzeitigen Unzulässigkeit von Einkaufszentren und Verbrauchermärkten i.S.d. § 11 Abs. 3 BauNVO in Gewerbe- und Industriegebieten durch die ÄndVO 1968 geführt (vgl. Fickert/Fiese-ler, BauNVO, 13. Aufl. 2018, § 8 Rn. 8).
Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO 1990 sind großflächige Einzelhandelsbetriebe, die sich nach Art, Lage oder Umfang auf die Verwirklichung der Ziele der Raumordnung und Landesplanung oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht nur unwesentlich auswirken können, außer in Kerngebieten nur in für sie festgesetzten Sondergebieten zulässig. Auswirkungen im Sinne des Satzes 1 Nr. 2 sind nach § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO insbesondere schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 BImSchG sowie Auswirkungen auf die infrastrukturelle Ausstattung, auf den Verkehr, auf die Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich der in Satz 1 bezeichneten Betriebe, auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden, auf das Orts- und Landschaftsbild und auf den Naturhaushalt. Auswirkungen im Sinne des Satzes 2 sind nach § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO bei Betrieben nach Satz 1 Nr. 2 in der Regel anzunehmen, wenn die Geschossfläche 1.200 m² überschreitet. Diese großflächigen Einzelhandelsbetriebe sind also in allen anderen Gebieten außer Kerngebieten und entsprechenden Sondergebieten, und damit auch in einem Industriegebiet nach § 9 BauNVO – wie hier – unzulässig. Bei einem Einzelhandelsbetrieb (wie dem hier geplanten) mit einer Verkaufsfläche von 1.200 m² (zur Überschreitung des Schwellenwertes von 800 m² vgl. BVerwG, U.v. 24.11.2005 – 4 C 10.04 – juris Rn. 18; Köpfler in BeckOK BauNVO, Spannowsky/Hornmann/Kämper, Stand 24. Edit. 15.12.2020, § 11 Rn. 38) und einer Geschossfläche von 1.952,40 m² handelt es sich – was auch zwischen den Beteiligten unstreitig ist – um einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb mit den vg. Auswirkungen. Denn bei der geplanten Erweiterung überschreitet der Einzelhandelsbetrieb der Klägerin die Vermutungsgrenze hinsichtlich der Geschossfläche von 1.200 m² (vgl. § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO) deutlich. Die darlegungspflichtige Klägerin benennt jedoch selbst keine Tatsachen, aus denen sich ergeben könnte, dass der geplante Betrieb nach der Erweiterung nicht die in § 11 Abs. 3 Satz 1 und 2 BauNVO benannten Auswirkungen herbeiführen würde. Insgesamt ist für eine Widerlegung der Regelvermutung nichts ersichtlich, vielmehr liegt eine negative Stellungnahme der Höheren Landesplanungsbehörde vor.
2.1.2.
Es kann offenbleiben, ob der von der Klägerin vorgebrachte Einwand, der Bebauungsplan sei unter dem Aspekt unwirksam, weil nicht hinreichend bestimmt, als er Gebäudehöhen festsetze, allerdings keinen unteren Bezugspunkt, wobei zwar zu vermuten sei, dass insoweit die natürliche Geländeoberfläche gemeint sei, diese aber nicht ausreichend gegen Veränderungen gesichert sei, durchdringen kann.
Es ist unumstritten, dass zur eindeutigen Festsetzung der Höhe baulicher Anlagen im Bebauungsplan die Bestimmung des unteren und oberen Bezugspunktes unerlässlich ist; wesentlich ist immer die Bestimmtheit der Festsetzung. Die natürliche Geländeoberfläche eignet sich wegen ihrer Unbestimmtheit nicht (ohne Weiteres) als Bezugspunkt (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 139. EL August 2020, § 18 BauNVO Rn. 3a; Fickert/Fieseler, BauNVO, 13. Aufl. 2018, § 18 Rn. 3).
Unter der „natürlichen“ Geländeoberfläche (vgl. Art. 6 Abs. 3 Satz 2 BayBO 1998) ist der gewachsene Boden und die für einen längeren Zeitraum nicht durch Aufschüttungen oder Abgrabungen veränderte Oberfläche eines Grundstücks zu verstehen (vgl. BayVGH, B.v. 2.3.1998 – 20 B 97.912 – juris Rn. 13; B.v. 17.3.2003 – 2 CS 03.98 – juris Rn. 13). Der Bestimmtheit der Festsetzung steht nicht entgegen, dass das natürliche Gelände tatsächlich verändert werden kann, zumal wenn in der Planzeichnung die Höhenlinien des „Urgeländes“ dargestellt sind (vgl. BayVGH, U.v. 27.4.2010 – 1 N 08.2703 – juris Rn. 32: HessVGH, U.v. 6.3.2003 – 3 C 394/19.N – juris Rn. 33; a. A. OVG SH, U.v. 25.4.2002 – 1 K 9.01 – NVwZ-RR 2003, 98).
Es spricht einiges dafür, dass im Geltungsbereich des Bebauungsplans „W … I“ der untere Bezugspunkt auch bei tatsächlichen Veränderungen des Geländes noch bestimmbar bleibt. Denn aus Ziffer 3.1. der Begründung zu dem Bebauungsplan „W … I“ ergibt sich, dass „gemessen wird die Flucht OK. Gebäude an der Fassade zu OK vorhandenem, natürlichem Gelände an der topographischen niedrigsten Stelle“. Der Geländeaufnahmeplan als Anlage Nr. 2 zum Bebauungsplan weist derartige Höhenlinien auf einer genauen Skala mit jeweils ein- bis zweimetrigem Abstand aus, die mit der Darstellung auf der Planurkunde (Höhenlinien) harmoniert und sich auch auf diese übertragen lässt. Dies spricht maßgeblich dafür, dass die natürliche Geländeoberfläche als unterer Bezugspunkt auch bei tatsächlichen Veränderungen für alle Planbetroffenen bestimmbar bleibt.
2.1.3.
Letztlich kann diese Frage genauso offen bleiben wie die Frage, ob die Klägerin mit dem Einwand durchdringen kann, dass sich die Unwirksamkeit des Bebauungsplans „W … I“ daraus ergebe, dass dieser ein Industriegebiet und zusätzlich in allen Bereichen dieses Gebiets Schallemissionspegel festsetze und hierin nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein Verstoß gegen § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO zu sehen sei, der eine interne Gliederung des Baugebiets voraussetze.
Gemäß § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO können für die in den §§ 4 bis 9 BauNVO bezeichneten Baugebiete – und damit auch in dem hier festgesetzten Industriegebiet – im Bebauungsplan Festsetzungen getroffen werden, die das Baugebiet nach der Art der Betriebe und Anlagen und deren besonderen Bedürfnissen und Eigenschaften gliedern. Hier hat die Gemeinde K … den Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans „W … I“ aufgeteilt in zwei Bereiche, nämlich das GI 2 (in dem sich das Baugrundstück befindet) und das GI 1. Das GI 2 wird festgesetzt als ein „Industriegebiet gem. § 9 BauNVO i.V. mit § 1 Abs. 4 BauNVO 1990“, wobei zulässig sind „Betriebe und Anlagen mit einer Schallemission von LWA“ = 65 dB(A)/m² tags und 60 dB(A)/m² nachts, nach DIN 18005, 1987“. Das GI 1 ist festgesetzt als ein „Industriegebiet gem. § 9 BauNVO i.V. mit § 1 Abs. 4 BauNVO 1990“; „zulässig sind Betriebe und Anlagen mit einer Schallemission von LWA“ = 65 dB(A)/m² tags und 65 dB(A)/m² nachts, nach DIN 18005, 1987“.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in dem vom Klägerbevollmächtigten angeführten Urteil vom 7. Dezember 2017 (4 CN 7.16 – juris) entschieden, dass bei einer Festsetzung von Emissionskontingenten nach DIN 45691 für ein Baugebiet nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO das Gebiet nur dann im Sinne der Vorschrift gegliedert wird, wenn es in einzelne Teilgebiete mit verschieden hohen Emissionskontingenten zerlegt wird. Die Festsetzung eines einheitlichen Emissionskontingents für das gesamte Baugebiet sei von der Ermächtigungsgrundlage des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO nicht gedeckt. Die Vorschrift ermöglicht eine räumliche Zuteilung von Emissionsrechten, nicht aber deren das gesamte Baugebiet erfassende Beschränkung. Die Voraussetzung für eine baugebietsübergreifende Gliederung gemäß § 1 Abs. 4 Satz 2 BauNVO, dass neben dem emissionskontingentierten Gewerbegebiet noch (mindestens) ein Gewerbegebiet als Ergänzungsgebiet vorhanden ist, in welchem keine Emissionsbeschränkungen gelten (BVerwG, B.v. 18.12.1990 – 4 N 6.88 und B.v. 9.3.2015 – 4 BN 26.14; beide juris), gelte entsprechend für die interne Gliederung nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO. Mache eine Gemeinde nur von dieser Norm Gebrauch und verzichte auf eine baugebietsübergreifende Gliederung, müsse gewährleistet bleiben, dass vom Typ her nicht erheblich belästigende Gewerbebetriebe aller Art im Gewerbegebiet ihren Standort finden könnten. Das bedeute, so das Bundesverwaltungsgericht, dass es in einem „nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO intern gegliederten Baugebiet ein Teilgebiet ohne Emissionsbeschränkung oder, was auf dasselbe hinausläuft, ein Teilgebiet geben muss, das mit Emissionskontingenten belegt ist, die jeden nach § 8 BauNVO zulässigen Betrieb ermöglichen“ (BVerwG, U.v. 7.12.2017 – 4 CN 7.16 – juris Rn. 15).
Für die Gliederung eines Industriegebiets in Teilgebiete mit verschieden hohen Emissionskontingenten gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Entsprechendes. Im Kontext mit § 8 Abs. 1 BauNVO, wonach Gewerbegebiete vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben dienten, ergebe sich aus § 9 Abs. 1 BauNVO, dass die Zweckbestimmung eines Industriegebiets die Unterbringung von erheblich belästigenden Gewerbebetrieben sei. Nach oben sei der zulässige Störgrad dabei nicht begrenzt. Dem müsse die Gliederung eines Industriegebiets nach Emissionskontingenten Rechnung tragen. Sie wahre die allgemeine Zweckbestimmung des § 9 Abs. 1 BauNVO nicht und sei von § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO nicht gedeckt, wenn mit den Emissionskontingenten Gewerbebetriebe ab einem gewissen Störgrad im ge-samten Industriegebiet ausgeschlossen würden (BVerwG, B.v. 7.3.2019 – 4 BN 45.18 – NVwZ 2019, 655).
Die Kammer verkennt nicht, dass die beiden vg. Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts nicht zu den im streitgegenständlichen Bebauungsplan festgesetzten und in der DIN 18005-1 „Schallschutz im Städtebau“ zugrundegelegten flächenbezogenen Schallleistungspegeln, sondern zu den in der erst im Jahr 2006 veröffentlichten DIN 45691 „Geräuschkontingentierung“ angesprochenen Emissionskontingenten erging. Bei den sog. flächenbezogenen Schallleistungspegeln handelt es sich jedoch jedenfalls im Wesentlichen um das gleiche Instrumentarium wie bei den Emissionskontingenten (vgl. Kuchler, jurisPR-UmwR 3/2018 Anm. 1). Die Rechtsgrundlage liegt für beide Festsetzungen in § 1 Abs. 4 BauNVO, so dass auch im vorliegenden Fall die vg. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts heranzuziehen ist.
Festzuhalten bleibt, dass es innerhalb des in dem streitgegenständlichen Bebauungsplan festgesetzten Industriegebiets kein Teilgebiet ohne Emissionsbeschränkung gibt, so dass den in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts formulierten Anforderungen daher nur dann genügt wäre, wenn es ein Teilgebiet gäbe, das mit Emissionskontingenten belegt ist, die jeden nach § 9 BauNVO zulässigen Betrieb ermöglichen würden. Zu der Frage, wie hoch das Emissionskontingent sein muss, damit es die Genehmigung aller gemäß § 9 BauNVO in einem Industriegebiet zulässigen Gewerbebetriebe ermöglicht, hat sich das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 7. Dezember 2017 (4 CN 7.16 – juris) nicht geäußert. Diese Frage beantwortet auch der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. März 2019 (4 BN 45.18 – NVwZ 2019, 655) nicht (vgl. Külpmann, jurisPR-BVerwG 17/2019 Anm. 4).
Da es eine – rechtlich verbindliche – Vorgabe für Emissionskontingente, die jeden Gewerbe- oder Industriebetrieb ermöglichen, nicht gibt, wird mangels Alternativen in Rspr. und Literatur auf die Regelung in Nr. 5.2.3. der DIN 18005-1 1 („Schallschutz im Städtebau“) zurückgegriffen. Hiernach ist für den Fall, dass die Art der im Plangebiet unterzubringenden Anlagen nicht bekannt ist, für die Berechnung der in der Umgebung eines geplanten Industriegebiets ohne Emissionsbegrenzung zu erwartende Beurteilungspegel dieses Gebiet als eine Flächenschallquelle mit einem flächenbezogenen Schallleistungspegel von tags und nachts 65 dB(A) (beim Gewerbegebiet 60dB(A)) anzusetzen. Diese Werte werden nunmehr als Ansatz zur Auslegung der Forderung des Bundesverwaltungsgerichts nach einer unbeschränkten gewerblichen oder industriellen Tätigkeit angesehen (so VGH Mannheim, U.v. 6.6.2019 – 3 S 2350.15 – juris Rn. 94: „Ein anderer Ansatz ist auch für den Senat nicht zu erkennen“; Kuchler, jurisPR-UmwR 3/2018 Anm. 1; so wohl auch das OVG MV, U.v. 21.5.2019 – 3 K 13.14 – juris Rn. 57, 59: „Es kann offenbleiben, ob für eine Geräuschkontingentierung, die jeden nach § 8 BauNVO zulässigen Betrieb ermöglichen soll, von 60 dB(A) tags wie nachts auszugehen ist […]. Der Senat folgt nicht der Ansicht, es genüge für ein Industriegebiet ein Wert von 65/60 dB(A)“; offen gelassen OVG NW, U.v. 11.10.2018 – 7 D 99/17.NE – juris Rn. 52).
Da auch für die Kammer ein anderer Ansatz nicht zu erkennen ist, neigt sie der zuvor dargelegten Auffassung zu. Angesichts des Umstands, dass der Bebauungsplan „W … I“ hinsichtlich des Gebiets GI 1 die Festsetzung enthält, dass Betriebe und Anlagen mit einer Schallemission von LWA“ = 65 dB(A)/m² tags und LWA“ = 65 dB(A)/m² nachts zulässig sind, wäre davon auszugehen, dass es insoweit ein Teilgebiet gibt, das mit Emissionskontingenten belegt ist, die jeden nach § 9 BauNVO zulässigen Betrieb ermög-lichen würden. Letztlich kann diese Frage aber offenbleiben, da sich der streitgegenständliche Bebauungsplan aus den folgenden Gründen als unwirksam erweist.
2.1.4.
Der Bebauungsplan „W … I“ der Gemeinde K … leidet an einem zu seiner Unwirksamkeit führenden formellen Mangel. Denn die in Ziffer I der Festsetzungen des Bebauungsplans getroffene Regelung zum Immissionsschutz („Zulässig sind Betriebe und Anlagen mit einer Schallemission von LWA‘‘ = 65 dB(A)/m² tags und 60 dB(A)/m² nachts, nach DIN 18005, 1987) verstößt gegen die rechtsstaatlichen Anforderungen an die Verkündung einer Rechtsnorm.
Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass eine in den textlichen Festsetzungen eines Bebauungsplans in Bezug genommene DIN-Vorschrift, die bestimmt, unter welchen Voraussetzungen bauliche Anlagen im Plangebiet zulässig sind, den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Verkündung von Rechtsnormen nur dann genügt, wenn die Gemeinde sicherstellt, dass die Betroffenen von der DIN-Vorschrift verlässlich und in zumutbarer Weise Kenntnis erlangen können (vgl. z.B. BVerwG, B.v. 29.7.2010 – 4 BN 21.10 – juris Rn. 13 und B.v. 5.12.2013 – 4 BN 48.13 – juris Rn. 4; B.v. 18.8.2016 – 4 BN 24.16 – juris Rn. 7; BayVGH, U.v. 14.12.2016 – 15 N 15.1201 – juris Rn. 39; B.v. 4.11.2015 – 9 NE 15.2024 – juris Rn. 6; U.v. 28.10.2014 – 9 N 14.2326 – juris Rn. 55 f.). Das Rechtsstaatsprinzip gebietet, dass förmlich gesetzte Rechtsnormen der Öffentlichkeit in einer Weise förmlich zugänglich gemacht werden, dass die Betroffenen sich verlässlich Kenntnis von ihrem Inhalt verschaffen können. Bebauungspläne sind als Satzungen und damit förmlich gesetzte Rechtsnormen durch die Gemeinde ortsüblich bekannt zu machen (§ 10 Abs. 3 Satz 1 BauGB); im Übrigen genügt es, den Bebauungsplan mit der Begründung und der zusammenfassenden Erklärung nach § 10 Abs. 4 BauGB zu jedermanns Einsicht bereit zu halten, auf Verlangen über den Inhalt Auskunft zu geben und in der Bekanntmachung darauf hinzuweisen, wo der Bebauungsplan eingesehen werden kann (§ 10 Abs. 3 Sätze 2 und 3 BauGB). Nach der genannten Rechtsprechung stehen diese Anforderungen an die Verkündung von Rechtsnormen einer Verweisung auf nicht öffentlich-rechtliche DIN-Vorschriften in den textlichen Festsetzungen eines Bebauungsplans nicht von vornherein entgegen, und zwar auch dann nicht, wenn erst die Anwendung der DIN-Vorschrift ergibt, unter welchen Voraussetzungen ein Vorhaben im Plangebiet zulässig ist. Auch aus § 10 Abs. 3 Satz 2 BauGB ergibt sich nicht, dass der normative Inhalt eines Bebauungsplans allein aus sich selbst heraus erkennbar sein muss. Verweist eine Festsetzung im Bebauungsplan jedoch auf eine DIN-Vorschrift und ergibt sich erst aus dieser Vorschrift, unter welchen Voraussetzungen ein Vorhaben planungsrechtlich zulässig ist, muss der Plangeber sicherstellen, dass die Planbetroffenen sich auch vom Inhalt der DIN-Vorschrift verlässlich Kenntnis verschaffen können. Dies kann die Gemeinde dadurch bewirken, dass sie die in Bezug genommene DIN-Vorschrift bei der Verwaltungsstelle, bei der auch der Bebauungsplan eingesehen werden kann, zur Einsicht bereithält und hierauf in der Bebauungsplanurkunde hinweist (BVerwG, B.v. 29.7.2010 – 4 BN 21.10 – juris Rn. 13). Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob der Plangeber eine Regelung insgesamt dem Ergebnis der Anwendung der DIN-Vorschrift überlässt oder ob er zwar dem Grunde nach selbst bestimmt, welchen Anforderungen die baulichen Anlagen genügen müssen, aber erst der Verweis auf die DIN-Vorschrift ergibt, nach welchen Methoden und Berechnungsverfahren der Inhalt der Anforderungen im Einzelnen zu ermitteln ist. Denn auch im zuletzt genannten Fall können die Planbetroffenen nicht dem Bebauungsplan selbst, sondern erst dem Plan in Verbindung mit der DIN-Vorschrift entnehmen, welche Anforderungen er im Einzelnen an die Zulassung und Nutzung von Gebäuden stellt (BVerwG, B.v. 29.7.2010 – 4 BN 21.10 – juris Rn. 12).
Diesen Anforderungen entspricht der Bebauungsplan „W … I“ der Gemeinde K … nicht. Er enthält zwar Festsetzungen zu den flächenbezogenen Schallleistungspegeln nach DIN 18005 („Schallschutz im Städtebau“) und weist dort darauf hin, dass nur solche Betriebe zulässig sind, die eine Schallemission von LWA‘‘ = 65 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts einhalten. Entgegen den oben dargestellten Grundsätzen fehlt es jedoch an einem Hinweis in der ursprünglichen Bebauungsplanurkunde (vom 12.4.1988 i.d.F. vom 13.6.1990) darauf, dass diese DIN-Vorschrift bei der Verwaltungsstelle, bei der auch der Bebauungsplan eingesehen werden kann, zur Einsicht bereitgehalten wird. Auch die Bekanntmachung vom 26. Oktober 1990 im Mitteilungsblatt 14/1990 der Gemeinde K … (§ 10 Abs. 3 Satz 3 BauGB) enthält keinen solchen Hinweis (vgl. BayVGH, B.v. 4.11.2015 – 9 NE 15.2024 – juris Rn. 6 f. und U.v. 28.10.2014 – 9 N 14.2326 – juris Rn. 56 m.w.N.). Nichts Anderes gilt für die 2. Änderung des streitgegenständlichen Bebauungsplans „W … I“. Die Gemeinde K … hat weder in der Bekanntmachung vom 27. April 1993 (Mitteilungsblatt 4/1993 der Gemeinde K …) noch in der Planurkunde darauf hingewiesen, an welcher Stelle die DIN 18005 („Schallschutz im Städtebau“), die im Bebauungsplantext ebenfalls nicht im Volltext wiedergegeben wird oder diesem als Anlage beigefügt wurde, für die Betroffenen zu finden oder einzusehen ist.
Eine Ausnahme von dem og. Grundsatz könnte nur dann angenommen werden, wenn es sich um einen Verweis auf Technische Baubestimmungen (Art. 81a Abs. 1 Satz 1 BayBO) handeln würde, weil dann eine zuverlässige Kenntnisnahme von diesem Regelwerk gewährleistet wäre (vgl. VGH BW, U.v. 1.3.2012 – 5 S 1749.10 – juris Rn. 32; OVG NW, U.v. 23.6.2016 – 10 D 84/14.NE – juris Rn. 32; s.a. BayVGH, U.v. 25.10.2016 – 9 N 13.558 – juris Rn. 30). Anders als die DIN 4109 („Schallschutz im Hochbau“) wurde die DIN 18005 („Schallschutz im Städtebau“) aber nicht gemäß Art. 81a Abs. 1 Satz 1 BayBO (bzw. nach den Vorgängerregelungen in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 BayBO 1982 bzw. Art. 3 Abs. 2 Satz 1 BayBO 1994, 1998 bzw. 2018) veröffentlicht (vgl. hierzu Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr über den Vollzug des Art. 81a Abs. 1 Satz 1 der Bayerischen Bauordnung; Bayerische Technische Baubestimmungen vom 20.9.2018, AllMBl. S. 577).
2.2. Das streitgegenständliche Vorhaben bestimmt sich aufgrund der Unwirksamkeit des Bebauungsplans „W … I“ nach § 34 BauGB und ist hiernach hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung zulässig.
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des streitgegenständlichen Vorhabens bestimmt sich seiner Art nach nicht nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. §§ 8 oder 9 BauNVO, sondern nach § 34 Abs. 1 BauGB.
2.2.1.
Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einer Gebietskategorie der Baunutzungsverordnung, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art dagegen allein danach, ob es nach dieser Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre (§ 34 Abs. 2 Halbsatz 1 BauGB). Vorliegend lässt sich jedoch die Bebauung der näheren Umgebung des Bauvorhabens nicht einer Gebietskategorie der BauNVO zuordnen.
Die maßgebende nähere Umgebung reicht soweit, wie einerseits die Umgebung den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst und andererseits die Ausführung des Vorhabens sich auf die Umgebung auswirken kann (BVerwG, B.v. 11.2.2000 – 4 B 1.00 – juris Rn. 16 ff.). Die Grenze der näheren Umgebung lässt sich dabei nicht schematisch festlegen, sondern ist nach der tatsächlichen städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist (BVerwG, B.v. 28.8.2003 – 4 B 74.03 – juris Rn. 40). Zur maßstabsbildenden vorhandenen Bebauung kann dabei auch ein qualifiziert beplantes Gebiet gehören (BVerwG, B.v. 24.11.2009 – 4 B 1.09 – juris Rn. 5). Ob eine Straße insoweit eine trennende oder verbindende Wirkung hat, ist eine Frage des Einzelfalls (BayVGH, B.v. 20.9.2012 – 15 ZB 11.460 – juris Rn. 6 m.w.N.).
Gemessen an diesen Vorgaben und nach Einbeziehung der in der Akte vorhandenen Lagepläne und Luftbilder gehört zur hier maßgeblichen näheren Umgebung des Vorhabens nicht ausschließlich der südöstliche Bereich des Bebauungsplans „W … I“ (in etwa das GI 2) mit dem Baugrundstück und dem in nordöstlicher Richtung angrenzenden Grundstück Fl.Nr. 2462/1 der Gemarkung K …, das mit einem Beherbergungsbetrieb („Hotel …“) bebaut ist. Vielmehr ist auch die Bebauung südwestlich hiervon, nämlich jenseits der Straße „… …“ auf dem Grundstück Fl.Nr. 6215 der Gemarkung K …, auf dem ein Einzelhandelskomplex, bestehend aus einem Lebensmitteldiscountmarkt, einem Getränkemarkt, einer Drogerie, einer Apotheke, einer Metzgerei und einer Bäckerei, untergebracht ist, in die nähere Umgebung einzubeziehen. Einzubeziehen ist auch das nordwestlich hiervon gelegene Grundstück Fl.Nr. 6216 (Paketumschlagplatz und Bürogebäude). Dass dieser Bereich jenseits der Straße „… …“ durch den Bebauungsplan „W … II“ überplant ist, ist im Rahmen des § 34 BauGB unbeachtlich, da es hierfür allein auf die tatsächliche Bebauung im maßgeblichen Einzugsbereich ankommt.
In dieser maßgeblichen näheren Umgebung des Vorhabens lässt sich eine Zuordnung zu einer der Gebietskategorien der Baunutzungsverordnung (§ 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. §§ 2 ff. BauNVO) nicht vornehmen. Es handelt sich im Bereich des Baugrundstücks insbesondere nicht um ein (faktisches) Gewerbegebiet nach § 8 BauNVO oder um ein (faktisches) Industriegebiet nach § 9 BauNVO. Das Gebiet ist von einer heterogenen Nutzung geprägt. Ein faktisches Gewerbe- bzw. Industriegebiet (§§ 8, 9 BauNVO) scheidet wegen der beiden großflächigen Einzelhandelsbetriebe i.S. des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO (und des Beherbergungsbetriebs – „Hotel …“) aus. § 11 Abs. 3 BauNVO ist auch bei der Anwendung des § 34 Abs. 2 BauGB uneingeschränkt zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, B.v. 17.2.2009 – 4 B 4.09 – juris Rn. 9). Bei dem …L-Lebensmitteldiscountmarkt auf dem Grundstück Fl.Nr. 6215 handelt es sich um einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO (Verkaufsfläche von 935 m²). Auch die aktuell bestehende …-Filiale weist schon jetzt eine Verkaufsfläche von 860,39 m² auf und ist damit als großflächiger Einzelhandelsbetrieb zu qualifizieren (vgl. BVerwG, U.v. 24.11.2005 – 4 C 10.04 – juris Rn. 12 ff.).
Die Betriebe und Nutzungen (großflächige Einzelhandelsbetriebe, Betrieb des Beherbergungsgewerbes, Paketumschlagplatz mit Büro) bestimmen die Art der baulichen Nutzung der näheren Umgebung, da sie eine hinreichend prägende Kraft haben und keinen zu vernachlässigenden Fremdkörper darstellen. Aufgrund dieser verschiedenen Nutzungen bestimmt sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nach § 34 Abs. 1 BauGB.
Ein faktisches sonstiges Sondergebiet gibt es als solches nicht (BVerwG, U.v. 16.9.2010 – 4 C 7.10 – juris Rn. 16). Sollte es rechtlich ausnahmsweise zulässig sein, ein faktisches Sondergebiet für großflächigen Einzelhandel anzuerkennen (offengelassen: BVerwG, U.v.16.9.2010, a.a.O.), entspräche die Eigenart der näheren Umgebung wegen der vorhandenen andersartigen Gewerbebetriebe offenkundig auch diesem Gebietstyp nicht. Es handelt sich vielmehr um eine Gemengelage.
2.2.2.
In diese als Gemengelage gemäß § 34 Abs. 1 BauGB zu qualifizierende maßgebliche Umgebung fügt sich das streitgegenständliche Bauvorhaben auch hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung ein.
Hält ein Vorhaben den vorgegebenen Rahmen ein, so kann es nur aus-nahmsweise unzulässig sein, wenn es sich gegenüber der Nachbarschaft als rücksichtslos erweist. Hält ein Vorhaben den vorgegebenen Rahmen nicht ein, ergibt sich hieraus nicht zwingend und unmittelbar seine Unzulässigkeit. Das Erfordernis des Einfügens schließt nicht schlechthin aus, etwas zu verwirklichen, was es in der Umgebung bisher nicht gibt. Entspricht ein Vorhaben der Art nach nicht dem vorgegebenen Rahmen, kommt es darauf an, ob durch das Vorhaben bodenrechtlich beachtliche Spannungen begründet oder vorhandene Spannungen erhöht werden (vgl. BVerwG, U.v. 17.6.1993 – 4 C 17.91 – juris Rn. 19 und B.v. 23.7.1993 – 4 B 59.93 – juris Rn. 4).
Dabei ist bei der – hier streitigen – Frage des Einfügens nach der Art der baulichen Nutzung grundsätzlich auf die Nutzungstypen abzustellen, die die Baunutzungsverordnung umschreibt. Die besondere Nutzungsart „groß-flächiger Einzelhandel“ (§ 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO) ist eine solche typisierte Nutzungsart. Diese ist bei Betrieben des Einzelhandels gegeben, die eine Verkaufsfläche von 800 m² überschreiten (vgl. zu diesem Schwellenwert für die Großflächigkeit: BVerwG, U.v. 24.11.2005 – 4 C 10.04 – juris; Fickert/Fieseler, BauNVO, 13. Aufl. 2018, § 11 Rn. 19.3.). Ist ein solcher großflächiger Einzelhandelsbetrieb in der näheren Umgebung bereits vorhanden, so hält ein Vorhaben, das die Merkmale dieser Nutzungsart aufweist, ohne Weiteres den Rahmen ein (BVerwG, U.v. 3.4.1987 – 4 C 41.84 -juris Rn. 17; OVG NW, U.v. 29.5.2013 – 10 A 1144.11 – juris Rn. 39).
Ob das Vorhaben mit Zielen der Raumordnung im Landesentwicklungsplan oder im Regionalplan vereinbar ist, ist für das Einfügen in die Eigenart der näheren Umgebung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nicht erheblich. Auch ist die Vermutungsregel des § 11 Abs. 3 Satz 3 und 4 BauNVO für die bau-planungsrechtliche Beurteilung großflächiger Einzelhandelsbetriebe im unbeplanten Innenbereich nach § 34 Abs. 1 und 3 BauGB weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO findet bei der Prüfung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit daneben keine Anwendung und kann dem Vorhaben nicht entgegengehalten werden, da § 11 Abs. 3 BauNVO unmittelbar nur im Gebiet eines Bebauungsplans gilt (BVerwG, B.v. 12.2.2009 – 4 B 3.09 – NVwZ 2009, 779, 780; VGH BW, U.v. 11.2.2016 – 5 S 1389.14 – juris Rn. 81).
Gemessen an diesen Vorgaben fügt sich das Vorhaben der Klägerin, d.h. die Erweiterung der Verkaufsfläche des …-Lebensmitteldiscountmarktes auf 1.200,20 m² in den beschriebenen Rahmen ein, zumal der bestehende Markt bereits die Grenze zur Großflächigkeit überschreitet, daneben aber im maßgeblichen Umgriff des Baugrundstücks noch ein anderer großflächiger Einzelhandelsbetrieb vorhanden ist.
2.2.3.
Dem Bauvorhaben der Klägerin steht schließlich auch § 34 Abs. 3 BauGB nicht entgegen.
Demnach dürfen von Vorhaben nach § 34 Abs. 1 und 2 BauGB keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.
Vorliegend ist nichts dafür ersichtlich, dass vom Vorhaben der Klägerin schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche zu erwarten wären. Dies wäre dann der Fall, wenn ein Vorhaben deren Funktionsfähigkeit so nachhaltig stört, dass sie ihren Versorgungsauftrag generell oder hinsichtlich einzelner Branchen nicht mehr substanziell wahrnehmen können (BVerwG, U.v. 17.12.2009 – 4 C 1.08 – juris Rn. 11). Die Vermutungsregel des § 11 Abs. 3 Sätze 3 und 4 BauNVO findet hierbei weder unmittelbar noch kraft gesetzlicher Verweisung oder entsprechende Anwendung, da § 34 Abs. 3 BauGB keine Regelungslücke enthält (BVerwG, B.v. 12.2.2009 – 4 B 3.09 – NVwZ 2009, 779, 780).
Zentrale Versorgungsbereiche i.S. dieser Vorschrift sind räumlich abgrenz-bare Bereiche einer Gemeinde, denen aufgrund vorhandener Einzelhandelsnutzungen eine Versorgungsfunktion über den unmittelbaren Nahbereich hinaus zukommt. Maßgebend ist, ob der betreffende Bereich nach Lage, Art und Zweckbestimmung eine für die Versorgung der Bevölkerung in einem bestimmten Einzugsbereich zentrale Funktion hat. Der Begriff ist nicht geografisch im Sinne einer Innenstadtlage oder Ortsmitte, sondern funktional zu verstehen, setzt aber eine integrierte Lage voraus. Isolierte Standorte mit einzelnen Einzelhandelsbetrieben bilden keinen zentralen Versorgungsbereich, auch wenn sie über einen weiten Einzugsbereich verfügen und eine beachtliche Versorgungsfunktion erfüllen mögen. Ziele der Raumordnung können zur räumlichen Abgrenzung nicht herangezogen werden (VGH BW, U.v. 20.12.2011 – 8 S 1438.09 – juris Rn. 48 ff. m.w.N.; BVerwG, B.v. 12.7.2012 – 4 B 13.12 – juris Rn. 6). Es ist schon kein zentraler Versorgungsbereich in der Gemeinde K … oder in einer der in der Umgebung gelegenen Gemeinden ersichtlich, der beeinträchtigt werden könnte.
Darüber hinaus ist auch nichts dafür ersichtlich, dass schädliche Auswirkungen i.S. des § 34 Abs. 3 BauGB zu erwarten wären. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Funktionsfähigkeit eines zentralen Versorgungsbereichs in be-achtlichem Ausmaß beeinträchtigt und damit gestört wird. Das ist der Fall, wenn der Versorgungsbereich seinen Auftrag generell oder hinsichtlich einzelner Branchen nicht mehr substantiell wahrnehmen kann. Insoweit genügt die Erwartung „nachhaltiger“ Auswirkungen, wenn dafür eine hinreichend gesicherte Tatsachenbasis besteht. Als Maßstab darf der zu erwartende vorhabenbedingte Kaufkraftabfluss herangezogen werden. Zu dessen Quantifizierung sind unterschiedliche Methoden anerkannt. Dazu gehören auch Marktgutachten. Sie sind eine taugliche Methode, um den voraussichtlichen Kaufkraftabfluss an Hand von branchenspezifischen Erfahrungswerten zur üblichen Flächenproduktivität zu prognostizieren. Daneben ist der Vergleich der Verkaufsfläche des Vorhabens mit der gesamten branchenspezifischen Verkaufsfläche im betroffenen zentralen Versorgungsbereich ein taugliches Hilfsmittel für die Prognose. Feste Prozentsätze, bei deren Unterschreiten stets von unschädlichen und bei deren Überschreiten immer von schädlichen Auswirkungen auszugehen ist, lassen sich aber insoweit nicht angeben. Der Prüfungsmaßstab fordert eine Gesamtbetrachtung aller städtebaulich relevanten Umstände (vgl. BVerwG, Ue.v. 17.12.2009 – 4 C 1.08 und 4 C 2.08 – juris Rn. 15 ff. und 16 ff.; Be.v. 17.2.2009 – 4 B 4.09 – juris Rn. 9, und vom 12.1.2012 – 4 B 39.11 – juris Rn. 12 ff.).
Bei der nach dieser Bestimmung zu treffenden Prognoseentscheidung über schädliche Auswirkungen ist hier maßgeblich der Umstand zu berücksichti-gen, dass der zu erweiternde Betrieb mit seiner bisherigen genehmigten Größe am Erweiterungsstandort schon vorhanden ist (BVerwG, B.v. 17.2.2009 – 4 B 4.09 – juris Rn. 6; OVG NW, U.v. 6.11.2008 – 10 A 1417.07 – juris Rn. 63 und 84). Es ist nichts dafür ersichtlich, dass durch die angefragte Verkaufsflächenerweiterung ein Betrieb im Einzugsbereich der Gemeinde K … oder in anderen Gemeinden gefährdet oder gar zur Aufgabe gezwungen wird. Letztlich wurde von Beklagtenseite schon nicht vorgetragen, dass ein zentraler Versorgungsbereich in einer Gemeinde betroffen sein könnte.
2.3. Der geplante Umbau und die Erweiterung des Lebensmitteldiscounters der Klägerin ist auch in Bezug auf das Maß der baulichen Nutzung, die Bauweise und die überbaubare Grundstücksflächen bauplanungsrechtlich zulässig.
Da vorliegend von der Unwirksamkeit des Bebauungsplans auszugehen ist, kommt es darauf an, ob sich das Vorhaben gemäß § 34 Abs. 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen würde. Insoweit wurden von Seiten des Beklagten weder im Verwaltungsverfahren (insb. nicht im Rahmen des streitgegenständlichen Vorbescheids) noch im gerichtlichen Verfahren Bedenken an der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit in Bezug auf die vg. Kriterien geäußert. Angesichts der im betroffenen Bereich vorhandenen Bebauung hat die Kammer keine Zweifel daran, dass sich das geplante Vorhaben auch insoweit einfügen würde.
3. Nach alledem war der Klage stattzugeben.
Die Kostentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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