Aktenzeichen 101 ZBR 13/21
ZPO § 883, § 888
AktG § 99, § 132
Leitsatz
Nicht das Prozessgericht der ersten Instanz, sondern der Gerichtsvollzieher ist der richtige Adressat eines Antrags nach § 883 Abs. 2 ZPO, wenn – bei unterstellt eröffnetem Anwendungsbereich der Norm – der auf die Gewährung von Einsicht lautende Vollstreckungstitel im Informationserzwingungsverfahren nach §§ 51a, 51b GmbHG ergangen ist. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
5 HK O 9027/19 2021-01-11 Bes LGMUENCHENI LG München I
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 11. Januar 2021 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Antrag der Gläubigerin vom 15. Dezember 2020 als unzulässig verworfen wird.
2. Die Gläubigerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Gläubigerin hält oder hielt bis zu ihrem möglichen Ausscheiden gemäß nicht bestandskräftigem Gesellschafterbeschluss vom 14. August 2020 einen Geschäftsanteil von 40% an der Schuldnerin, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung.
In dem von der Gläubigerin initiierten Informationserzwingungsverfahren sprach das Landgericht München I – Kammer für Handelssachen – mit rechtskräftigem Beschluss vom 29. April 2020 eine – in den Wortlaut einer Feststellung gekleidete – Leistungsverpflichtung der Gesellschaft folgenden Inhalts aus:
I. Es wird festgestellt, dass die Antragsgegnerin durch ihren Geschäftsführer verpflichtet ist, der Antragstellerin Auskunft zu geben über
1. abgeschlossene oder schwebende Verträge
2. komplette Korrespondenz der Gesellschaft
3. Ertragssituation
4. Planungen und Zielvorgaben
5. Beziehungen zu Tochterunternehmen und verbundenen Gesellschaften
6. Gehälter, Tantiemen, Pensionszusagen
7. Personalangelegenheiten, Vergütungen und abgeschlossene Mitarbeiterverträge
II. Es wird festgestellt, dass die Antragsgegnerin durch ihren Geschäftsführer verpflichtet ist, der Antragstellerin Einsicht in die Bücher und Schriften der Antragsgegnerin ab dem Geschäftsjahr 2011 zu gewähren.
III. Es wird festgestellt, dass die Antragsgegnerin durch ihren Geschäftsführer verpflichtet ist, der Antragstellerin zu gestatten, auf eigene Kosten Kopien und Abschriften aus den vorgenannten Unterlagen anzufertigen.
IV. Es wird festgestellt, dass die Antragsgegnerin durch ihren Geschäftsführer verpflichtet ist, der Antragstellerin zu gestatten, bei der Ausübung der vorgenannten Rechte berufsrechtlich zur Verschwiegenheit verpflichtete Dritte hinzuzuziehen.
Den Antrag der Gläubigerin auf Festsetzung eines Zwangsgelds, ersatzweise von Zwangshaft, vom 24. Juni 2020 wies das Landgericht München I – Kammer für Handelssachen – mit rechtskräftigem Beschluss vom 27. November 2020, hinsichtlich der Kostenentscheidung berichtigt gemäß Beschluss vom 17. Dezember 2020, zurück. Die Gläubigerin hatte geltend gemacht, die Schuldnerin sei ihren titulierten Verpflichtungen nicht nachgekommen. Dem hatte die Schuldnerin entgegengehalten, sie habe die Auskunft wie geschuldet erteilt und Einsicht in die Bücher und Schriften der Gesellschaft gewährt. Das Auskunftsbegehren sei im ersten Einsichtstermin erfüllt worden; angesichts der weiten und unkonkreten Fassung der titulierten Auskunftspflicht sowie der Möglichkeit zur Einsicht in die Geschäftsbücher der Gesellschaft habe die Auskunft in der Weise, wie geschehen und vom Wirtschaftsprüfer in seinem Bericht über die Einsichtnahme wiedergegeben, erteilt werden dürfen. In diesem Termin und den weiteren Folgeterminen sei auch der Anspruch auf Einsicht erfüllt worden. Die Zeit sei ausreichend bemessen gewesen, um die zur Verfügung gestellten Unterlagen zu sichten. Die als fehlend monierten Jahresabschlüsse existierten aus den mitgeteilten und vom Wirtschaftsprüfer in seinen Bericht aufgenommenen Gründen nicht. Andere von der Gläubigerin als fehlend monierte Unterlagen betreffend die Finanzbuchhaltung seien mittlerweile vorgelegt worden. Darüber hinaus sei die Gläubigerin infolge eines im Umlaufverfahren gefassten Gesellschafterbeschlusses vom 14. August 2020 aus der Gesellschaft ausgeschieden. In der im Handelsregister aufgenommenen aktuellen Gesellschafterliste (Anlage LA 18) sei sie nicht mehr eingetragen. Ausgeschiedene Gesellschafter hätten keinen Anspruch auf Auskunft und Einsicht nach § 51a GmbHG. Dies gelte auch, wenn der Gesellschafter im Laufe eines Verfahrens seine Gesellschaftereigenschaft verliere. Diese anspruchsvernichtende Einwendung könne auch im Rahmen eines Verfahrens über die Verhängung von Zwangsgeld nach § 888 ZPO geltend gemacht werden. Dem hatte die Gläubigerin entgegnet, sie sei nicht aus der Gesellschaft ausgeschieden; gegen den Einziehungsbeschluss habe sie Anfechtungsklage erhoben und gegen die Eintragung im Handelsregister die Eintragung eines Widerspruchs im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erwirkt. Außerdem hatte sie an ihrer Wertung festgehalten, wonach der Auskunftsverpflichtung nicht nachgekommen sei. Lediglich Einsicht sei im Verlauf des Vollstreckungsverfahrens gewährt worden; ob allerdings Unterlagen fehlten, könne nur die Auskunft ergeben. Demgegenüber hatte die Schuldnerin die Ansicht vertreten, das mit Schreiben des Wirtschaftsprüfers vom 19. und 21. Juli 2020 gestellte, auf konkrete Einzelsachverhalte bezogene Auskunftsverlangen (Anlagen Z 1 und Z 2) stelle ein neues Auskunftsersuchen dar. Eine Vollstreckung aus dem ergangenen Titel scheide insoweit aus.
Das Landgericht München I führte zur Begründung der Antragszurückweisung aus, die titulierten Verpflichtungen seien erfüllt. Auskunfts- und Einsichtsrecht seien Bestandteile eines einheitlichen Informationsrechts, weshalb die begehrte Auskunft auch durch Einsicht in die entsprechenden Unterlagen erfüllt werden könne. Einsicht sei nach dem insoweit übereinstimmenden Parteivorbringen im Zeitpunkt der Entscheidung gewährt gewesen. Soweit sich aus den eingesehenen Unterlagen eine Reihe weiterer Fragen zu verschiedenen Einzelsachverhalten ergeben hätten, wie sie vom beauftragten Wirtschaftsprüfer mit Schreiben vom 19. und 21. Juli 2020 formuliert und an die Schuldnerin gerichtet worden seien, stehe das Vollstreckungsverfahren nicht zur Verfügung. Die Zwangsvollstreckung werde begrenzt durch den im Titel enthaltenen Ausspruch über Inhalt und Umfang der Auskunftspflicht. Eine unzulässige sachliche Erweiterung der titulierten Pflicht würde es darstellen, die Beantwortung der sich erst als Folge aus der erhaltenen Einsicht ergebenden Fragen durch Vollstreckung der titulierten Informationspflicht durchzusetzen.
Mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2020 hat die Gläubigerin beim Prozessgericht des ersten Rechtszugs unter dem Aktenzeichen des mit Beschluss vom 29. April 2020 abgeschlossenen Erkenntnisverfahrens beantragt, den Geschäftsführer der Schuldnerin zu verpflichten, zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass die Schuldnerin keine Belege und Unterlagen zu den unter den Ziffern 1. bis 14. des Antrags bezeichneten Vorgängen habe. Die aufgelisteten Vorgänge betreffen die bereits vom Wirtschaftsprüfer mit Schreiben vom 19. und 21. Juli 2020 nachgefragten Sachverhalte und darüber hinaus schriftliche Umlaufbeschlüsse vom 20. und 31. August 2020. Zur Begründung ihres Antrags hat die Gläubigerin vorgetragen, aus der genommenen Belegeinsicht hätten sich Hinweise auf die aufgelisteten Vorgänge ergeben, zu denen der mit der Einsicht betraute Wirtschaftsprüfer allerdings keine Belege aufgefunden habe. Buchhaltungsunterlagen hätten aber vollständig zu sein. Weil Belege zu den genannten Vorgängen gefehlt hätten und die Schuldnerin dennoch behauptet habe, ihre Buchhaltungsunterlagen seien vollständig vorgelegt worden, habe sie durch ihren Geschäftsführer die eidesstattliche Versicherung nach § 883 Abs. 2 ZPO zu leisten und zu versichern, dass die im Antrag genannten Unterlagen nicht im Besitz der Schuldnerin seien. In rechtlicher Hinsicht bezieht sich die Gläubigerin zur Begründung ihres Verlangens nach Abgabe der eidesstattlichen Versicherung über den Verbleib der Unterlagen auf die – allerdings nicht korrekt wiedergegebenen – Literaturmeinungen, die das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in seinem Beschluss vom 10. März 2003, 20 W 96/99, veröffentlicht in InVo 2003, 445 (juris Rn. 10), genannt hatte (dort: Anm. Soehring, WuB II C § 51 b GmbHG 1.91; Gustavus, Das Informationserzwingungsverfahren nach § 51 b GmbHG in der Praxis, GmbHR 1989, 181 ff, 186).
Mit Beschluss vom 11. Januar 2021 hat das Landgericht München I diesen Antrag zurückgewiesen. Für die Vollstreckung des auf Einsicht gerichteten Titels stehe in der vorliegenden Konstellation die Vorschrift des § 883 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht zur Verfügung. Das Gericht schließe sich nicht der in Rechtsprechung und Literatur teilweise vertretenen Ansicht an, nach der gerichtliche Entscheidungen über die Gewährung von Einsicht in bestimmte Geschäftsunterlagen in entsprechender Anwendung des § 883 ZPO durch den Gerichtsvollzieher vollstreckt würden. Die besseren Gründe sprächen für die Anwendung des § 888 ZPO auch auf die Vollstreckung des Einsichtsrechts, weil sich die Gewährung von Einsicht als eine ausschließlich vom Willen der Schuldnerin abhängige unvertretbare Handlung darstelle. Der titulierte Anspruch sei auf die Einsichtnahme beschränkt und umfasse nicht die Übergabe in den unmittelbaren Besitz. Die geschuldete Leistung sei inhaltlich auf eine Duldung, mithin auf eine unvertretbare Handlung gerichtet. Zudem dürfe der in § 51a Abs. 1 GmbHG normierte einheitliche Informationsanspruch nicht in ein Auskunfts- und ein Einsichtsrecht aufgespalten werden. Diese Rechtsnatur müsse sich auch im Vollstreckungsrecht fortsetzen. Im vorliegenden Fall stehe dem Begehren zudem die materielle Rechtskraft des Beschlusses vom 27. November 2020 (in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 17. Dezember 2020) entgegen, mit dem zu den einzelnen Positionen aus den Schreiben des Wirtschaftsprüfers über die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung entschieden worden sei. Hierzu stünde ein Titel in Widerspruch, mit dem der Gläubigerin wegen derselben begehrten Auskünfte eine Vollstreckung auf andere Weise gestattet würde. Soweit sich der Vollstreckungsantrag auf unbeantwortete, weitergehende Fragen richte, nämlich zu den Gesellschafterversammlungen vom 20. und 31. August 2020, sei eine entsprechende Auskunftspflicht mit der vollstreckbaren Entscheidung vom 29. April 2020 nicht tituliert.
Die Gläubigerin wendet sich gegen die ihr am 12. Januar 2021 zugestellte Entscheidung mit der sofortigen Beschwerde vom 21. Januar 2021, eingegangen beim Bayerischen Obersten Landesgericht am selben Tag, mit der sie ihren Antrag weiterverfolgt.
Sie ist der Meinung, einen Anspruch auf den Erlass der begehrten Vollstreckungsmaßnahme zu haben; die Gründe der ablehnenden Entscheidung überzeugten nicht. Den Auskunftsantrag habe sie allgemein formulieren müssen, da ihr jegliche Informationen über die Gesellschaft vorenthalten worden seien. Aufgrund der Einsicht habe sich ergeben, dass einige Belege in der Buchhaltung fehlten und die bislang erteilte Auskunft sie, die Gläubigerin, nicht vollumfänglich informiere. Die deshalb über den beauftragten Wirtschaftsprüfer gestellten konkreten Anfragen seien unbeantwortet geblieben. Gegenüber der vom Ausgangsgericht vertretenen Rechtsmeinung sei diejenige Ansicht vorzugswürdig, die eine Vollstreckung gemäß § 883 ZPO bejahe. Sähe man dies anders, bräuchte die Schuldnerin nur eine unvollständige Buchhaltung mit der Behauptung vorzulegen, „dies sei alles“. Die körperlich vorhandene Buchhaltung könne durch einen Dritten vorgelegt, auch durch einen Gerichtsvollzieher gepfändet werden, und sei ebenso wenig wie die Auskunftsverpflichtung als unvertretbare Handlung anzusehen. Die Rechtskraft der Entscheidung vom 27. November 2020 stehe dem Antrag nicht entgegen. Wegen der nicht erteilten Auskünfte möge zwar ein neues Verfahren erforderlich sein. Hinsichtlich der Belegeinsicht würde dies jedoch wiederum nur die Einsicht in die unvollständigen Geschäftsunterlagen ergeben, verbunden mit der Behauptung der Schuldnerin, sie habe angeblich alles vorgelegt. Dass dies nicht richtig sein könne, erschließe sich bereits aus dem Umstand, dass die Schuldnerin Gesellschaftsgrundstücke mit Grundschulden in Höhe von 9,5 Mio. € belastet habe, aber Belege über die Darlehensvaluta nicht vorzufinden seien.
Das Landgericht München I hat mit Beschluss vom 11. Februar 2021 nicht abgeholfen und an seiner Rechtsauffassung sowie Würdigung des konkreten Sachverhalts festgehalten. Entgegen der Meinung der Gläubigerin könne nicht davon ausgegangen werden, der Gesellschaft werde es ermöglicht, essentielle Gesellschafterrechte zu unterlaufen.
Die Schuldnerin hat zu dem ihr bekannt gegebenen Beschwerdevorbringen keine Stellungnahme abgegeben.
II.
Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin führt zu einer Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung dahin, dass der Antrag vom 15. Dezember 2020 als unzulässig verworfen wird.
1. Das Rechtsmittel ist zulässig.
a) Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist statthaft, § 51b Satz 1 GmbHG, § 132 Abs. 3 Satz 1, § 99 Abs. 1 AktG, § 95 Abs. 1 Nr. 2 FamFG und § 132 Abs. 4 Satz 2 AktG i. V. m. §§ 793, § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Denn in der Rechtsprechung ist anerkannt, dass den Parteien dasjenige Rechtsmittel zusteht, welches nach der Art der tatsächlich ergangenen Entscheidung statthaft ist (vgl. BGH, Urt. v. 17. Oktober 1986, V ZR 169/85, BGHZ 98, 362 [juris Rn. 20] m. w. N.).
b) Sie ist auch form- und fristgerecht, § 51b Satz 1 GmbHG i. V. mit § 132 Abs. 4 Satz 2 AktG, § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO, eingelegt worden, denn das Bayerische Oberste Landesgericht ist im Streitfall das zuständige Beschwerdegericht.
aa) Zwar ist das Prozessgericht der ersten Instanz funktionell nicht zuständig für einen Vollstreckungsantrag nach § 883 Abs. 2 ZPO. Denn nach dieser Vorschrift kann der Gläubiger, wenn bei einer Herausgabevollstreckung gemäß § 883 Abs. 1 ZPO die herauszugebende Sache nicht vorgefunden wird, dem Gerichtsvollzieher den Auftrag zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung erteilen (vgl. Rensen in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl. 2014, § 883 Rn. 40). Für eine gerichtliche Anordnung über die Verpflichtung zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung ist kein Raum. Bei einer entsprechenden Anwendung des § 883 Abs. 2 ZPO zur Vollstreckung eines auf die Gewährung von Einsicht lautenden Titels – die Anwendbarkeit hier unterstellt – gelten keine abweichenden Zuständigkeiten.
Nicht das Prozessgericht der ersten Instanz, sondern der Gerichtsvollzieher ist auch dann der richtige Adressat eines Antrags nach § 883 Abs. 2 ZPO, wenn – bei unterstellt eröffnetem Anwendungsbereich der Norm – der auf die Gewährung von Einsicht lautende Vollstreckungstitel im Informationserzwingungsverfahren nach §§ 51a, 51b GmbHG ergangen ist. Aufgrund der in § 51b Satz 1 GmbHG, § 132 Abs. 3 Satz 1, § 99 Abs. 1 AktG, § 95 Abs. 1 Nr. 2 FamFG und § 132 Abs. 4 Satz 2 AktG geregelten Verweisung auf die Vorschriften der Zivilprozessordnung für die Herausgabevollstreckung – deren Anwendbarkeit wiederum unterstellt – richtet sich auch die funktionelle Zuständigkeit im Vollstreckungsverfahren nach den Bestimmungen der Zivilprozessordnung. Eine abweichende Sonderbestimmung besteht nicht. Insbesondere ist der Anwendungsbereich des § 94 FamFG nicht eröffnet; nach dieser Vorschrift kann das Gericht anordnen, dass der Verpflichtete eine eidesstattliche Versicherung über den Verbleib einer herauszugebenden, aber nicht vorgefundenen Person abzugeben habe. Auf die Vollstreckung zur Herausgabe von Sachen ist diese Vorschrift nicht anwendbar (vgl. Walker/Koranyi in Schuschke/Walker/Kessen/Thole, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 7. Aufl. 2020, § 883 ZPO Rn. 6).
bb) Dennoch hat das Prozessgericht des ersten Rechtszugs über den Antrag auf Erlass einer Vollstreckungsmaßnahme sachlich entschieden.
Dabei ist das angerufene Gericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Gläubigerantrag als Vollstreckungsantrag gemeint und gewollt ist, nicht hingegen als Antrag auf Einleitung eines (neuen) Erkenntnisverfahrens zur Titulierung eines nach materiellem Recht angenommenen Anspruchs auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung entsprechend § 260 Abs. 2 BGB.
(1) Die Auslegung prozessualer Erklärungen darf zwar nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks haften, sondern hat den wirklichen Willen der Partei zu erforschen. Hierzu ist auch das Vorbringen, auf das die Partei zum Zweck der Antragsbegründung abstellt, heranzuziehen. Im Zweifel ist zugunsten einer Partei davon auszugehen, dass sie mit ihrer Prozesshandlung das bezweckt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und ihrer wohlverstandenen Interessenlage entspricht (vgl. BGH, Beschluss vom 27. August 2019, VI ZB 32/18, NJW 2019, 3727 Rn. 9; Urt. v. 16. Mai 2017, XI ZR 586/15, NJW 2017, 2340 Rn. 11; Urt. v. 2. März 2017, I ZR 30/16, GRUR 2017, 914 Rn. 40 – Medicon-Apotheke/MediCo Apotheke; je m. w. N.).
Deshalb ist nicht allein entscheidend, dass die anwaltlich vertretene Gläubigerin den Antrag auf eidesstattliche Versicherung unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 883 Abs. 2 ZPO gestellt und unter dem Aktenzeichen des Ausgangsverfahrens bei Gericht angebracht hat.
(2) Dass der Antrag gleichwohl auf den Erlass einer Vollstreckungsmaßnahme gerichtet ist, ergibt sich allerdings aus einer Gesamtschau weiterer Umstände.
Zur Begründung ihres Antrags hat sich die Gläubigerin auf Äußerungen in der Fachliteratur bezogen, die sich für die Möglichkeit aussprechen, einen im Informationserzwingungsverfahren ergangenen Titel unter Einbeziehung von § 883 Abs. 2 ZPO zu vollstrecken. So lautet die in Bezug genommene Aussage von Gustavus (GmbHR 1989, 181 [186]) unter der Abschnitts-Überschrift „6. Vollstreckung der gerichtlichen Entscheidung“: „… Dabei wird nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Verurteilung nach § 51b … meist auch auf Einsicht in bestimmte Unterlagen geht. Dabei kommt es vor, daß der Geschäftsführer erklärt, die gewünschten Urkunden gäbe es nicht. Kann der Gesellschafter nunmehr keine konkreten Anhaltspunkte für die Existenz der Papiere liefern, läuft er Gefahr, sein Informationsrecht zu verlieren. Deshalb sollte auch § 883 ZPO in den Kreis der Vollstreckungsmöglichkeiten einbezogen werden mit der Folge, daß der Geschäftsführer notfalls eine eidesstattliche Versicherung über die Urkunden abzugeben hat“. Auch die Anmerkung von Soehring (WuB II C. § 51 b GmbHG 1.91) zum Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 17. Juli 1991, 20 W 43/91 (NJW-RR 1992, 171) betrifft ausschließlich Fragen der Vollstreckung des titulierten Anspruchs auf Auskunft und Einsichtnahme.
Die hier beschriebene Situation, für die die Anwendbarkeit des § 883 ZPO einschließlich der Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung als Vollstreckungsmaßnahme befürwortet wird, gleicht der Situation der Gläubigerin im Streitfall. Es liegt deshalb nahe, dass deren Antrag an das Prozessgericht des ersten Rechtszugs auch nach eigener Vorstellung darauf zielt, zur effizienten Vollstreckung des im Erkenntnisverfahren erwirkten Titels die aus ihrer Sicht vollstreckungsrechtlich geschuldete Abgabe der eidesstattlichen Versicherung durchzusetzen.
Hinzu kommt, dass die Gläubigerin bei Antragstellung nicht in der beim Handelsregister hinterlegten Gesellschafterliste (§ 40 GmbHG) eingetragen war. Wollte sie nicht aus einem zu ihren Gunsten bereits ergangenen und rechtskräftigen Titel vollstrecken, wozu sie auch nach dem Verlust ihrer Gesellschafterstellung befugt wäre (vgl. Karsten Schmidt in Scholz, GmbHG, 11. Aufl. 2014, § 51b Rn. 28; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 22. Aufl. 2019, § 51b Rn. 18; Hillmann in Münchener Kommentar zum GmbHG, 3. Aufl. 2019, § 51b Rn. 52 m. w. N.), sondern als Gesellschafterin ein neues Erkenntnisverfahren gegen die Gesellschaft in Gang setzen, wäre das Hindernis des § 16 Abs. 1 Satz 1, § 40 GmbHG zu überwinden.
cc) Hat mithin das funktionell nicht zuständige Prozessgericht des ersten Rechtszugs über den Erlass einer Vollstreckungsmaßnahme nach § 883 Abs. 2 ZPO entschieden, als ob es um die Verhängung von Zwangsgeld ginge, für die eine Zuständigkeit dieses Gerichts nach § 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO bestanden hätte, führt dies im Instanzenzug zur Zuständigkeit des Bayerischen Obersten Landesgerichts als Beschwerdegericht.
Mit der Bestimmung des Ausgangsgerichts sind zugleich auch die Rechtsmittelgerichte festgelegt. Deshalb legt die Zuweisung der Vollstreckungszuständigkeit an das Prozessgericht des ersten Rechtszugs in § 888 ZPO auch die Rechtsmittelgerichte für das Vollstreckungsverfahren fest, zumal die sachlichen Gründe, die für die Begründung der Zuständigkeit der Prozessgerichte maßgebend sind, für das Vollstreckungsverfahren ebenso gelten wie für das Erkenntnisverfahren (vgl. BayObLG, Beschluss vom 22. Dezember 1988, BReg 3 Z 157/88, BayObLGZ 1988, 413 [415]; Beschluss vom 17. Dezember 1974, 2 Z 58/74, BayObLGZ 1974, 484 [486]; Kubis in Münchener Kommentar zum AktG, AktG § 132 Rn. 55). Im zweiten Rechtszug ist daher vorliegend das Bayerische Oberste Landesgericht nicht nur gemäß § 51b Satz 1 GmbHG, § 132 Abs. 3 Satz 1, § 99 Abs. 3 Satz 5 und 6 AktG, § 27 Abs. 2 BayGZVJu in der seit dem 1. Mai 2020 geltenden Fassung für das Erkenntnisverfahren, sondern auch für das Zwangsvollstreckungsverfahren im Instanzenzug zuständig.
c) Die sofortige Beschwerde bedarf nicht der Zulassung durch das Erstgericht gemäß § 51b Satz 1 GmbH i. V. m. § 132 Abs. 3 Satz 2 AktG (vgl. BayObLG, Beschluss vom 25. März 1996, 3Z BR 50/96, NJW-RR 1997, 489 [juris Rn. 6]; BayObLGZ 1988, 413 [416]; Hillmann in Münchener Kommentar GmbHG, § 51b Rn. 51; Kubis in Münchener Kommentar zum AktG, AktG § 132 Rn. 55).
Diese Vorschriften betreffen lediglich das im Erkenntnisverfahren durch die Verweisungen in § 132 Abs. 3 Satz 1, § 99 Abs. 1 AktG eröffnete Rechtsmittel der Beschwerde gemäß §§ 58 ff. FamFG. Die Vollstreckung eines in diesem Verfahren titulierten Auskunftsanspruchs stellt einen davon verschiedenen Gegenstand dar, der den Rechtsmittelvorschriften des Vollstreckungsverfahrens, insbesondere zur sofortigen Beschwerde gemäß § 793 i. V. m. §§ 567 ff. ZPO, unterliegt, die das Erfordernis der Zulassung des Rechtsmittels durch das Erstgericht nicht kennen.
d) Über das somit zulässige Rechtsmittel entscheidet der Senat – wie in der vorangegangenen Instanz die Kammer für Handelssachen beim Landgericht – als Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit unter Anwendung der Vorschriften der Zivilprozessordnung (vgl. BayObLGZ 1988, 413 [416]).
2. Das Rechtsmittel führt lediglich zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung dahin, dass der Antrag nicht als unbegründet, sondern als unzulässig abzuweisen ist.
a) Der Senat hat über die Beschwerde selbst zu entscheiden, weil eine Verweisung des Verfahrens in eine nach dem Gesetz zutreffende Verfahrensart gemäß den Grundsätzen der Meistbegünstigung im Streitfall ausscheidet.
aa) Nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung dürfen die Parteien dadurch, dass das Gericht seine Entscheidung in einer falschen Form oder in einer falschen Verfahrensart erlässt, keinen Rechtsnachteil erleiden. Ihnen steht deshalb sowohl das Rechtsmittel zu, das nach der Art der tatsächlich ergangenen Entscheidung statthaft ist, als auch das Rechtsmittel, das bei einer in der richtigen Form oder Verfahrensart erlassenen Entscheidung zulässig wäre. Das Rechtsmittelgericht hat das Verfahren allerdings so weiter zu betreiben, wie dies im Falle einer formell richtigen Entscheidung durch die Vorinstanz und dem danach gegebenen Rechtsmittel geschehen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 22. August 2018, XII ZB 312/18, NJW 2018, 3189 Rn. 10; Beschluss vom 2. September 2015, XII ZB 75/13, NJW-RR 2016, 67 Rn. 21 f.; Beschluss vom 29. April 2015, XII ZB 214/14, NJW 2015, 1827 Rn. 13; Beschluss vom 29. Mai 2013, XII ZB 374/11, juris Rn. 7; je m. w. N.). Der Meistbegünstigungsgrundsatz gilt auch, wenn eine funktional unzuständige Stelle entschieden hat (vgl. BGH NJW 2015, 1827 Rn. 13 – zu einer Entscheidung über ein Akteneinsichtsgesuch).
bb) Hier ist allerdings über den fälschlich an das Landgericht herangetragenen Antrag eine Entscheidung in der zutreffenden Verfahrensart ergangen.
(1) Der Antrag vom 15. Dezember 2020, den Geschäftsführer der Schuldnerin zu verpflichten, zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass die Schuldnerin keine Belege und Unterlagen zu den unter den Ziffern 1. bis 14. des Antrags bezeichneten Vorgängen habe, ist nicht als Antrag nach § 883 Abs. 3 ZPO auszulegen.
Nach dieser Vorschrift kann das Vollstreckungsgericht (§ 764 Abs. 2 ZPO, § 20 Abs. 1 RPflG) – nicht das Prozessgericht des ersten Rechtszugs – auf Antrag des Gläubigers (oder Gerichtsvollziehers) eine der Sachlage entsprechende Änderung der eidesstattlichen Versicherung beschließen. Das mit dem Antrag verfolgte Ziel, die Schuldnerin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu verpflichten, ist nicht auf eine Änderung des Wortlauts der abzugebenden Erklärung sondern darauf gerichtet, die Verpflichtung zur Abgabe einer eidesstattlichen Erklärung mit dem gesetzlichen Inhalt des § 883 Abs. 2 ZPO auszusprechen.
(2) Der Auftrag zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung in entsprechender Anwendung des § 883 Abs. 2 ZPO wäre zwar – ohne hiermit eine Aussage über die Erfolgsaussichten eines solchen Antrags zu treffen – beim zuständigen Gerichtsvollzieher anzubringen gewesen. Erst gegen eine Weigerung des als Vollstreckungsorgan beauftragten Gerichtsvollziehers hätte bei dem örtlich zuständigen Amtsgericht als Vollstreckungsgericht (vgl. § 764 Abs. 1 und 2 ZPO) mit der Erinnerung nach § 766 Abs. 2 ZPO vorgegangen werden können. Gegen die Entscheidung des Vollstreckungsgerichts findet sodann grundsätzlich die sofortige Beschwerde (§§ 793, 567 ZPO) zum Landgericht (§ 72 Abs. 1 Satz 1 GVG) statt.
Im Streitfall fehlt es allerdings an einem solchen, an den Gerichtsvollzieher gerichteten Gläubigerauftrag. Deshalb liegen auch die Voraussetzungen für die Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens gemäß den dafür maßgeblichen zivilprozessualen Bestimmungen nicht vor, weil eine Weigerung des Gerichtsvollziehers, die einer Überprüfung durch das Amtsgericht zugeführt werden könnte, nicht vorliegt. Eine Anweisung an den Gerichtsvollzieher, die eidesstattliche Versicherung abzunehmen, könnte bereits mangels entsprechenden Gläubigerauftrags nicht ausgesprochen werden, so dass das gerichtliche Verfahren der Vollstreckungserinnerung seinen Zweck nicht erfüllen könnte. Das Landgericht war auch nicht befugt, den an das Gericht herangetragenen Antrag als Auftrag an den Gerichtsvollzieher zu interpretieren und dem Gerichtsvollzieher als funktional zuständigem Vollstreckungsorgan zuzuleiten.
Bei dieser Sachlage eröffnen auch die Grundsätze der Meistbegünstigung nicht die Möglichkeit, eine Sachentscheidung in dem dafür gesetzlich vorgesehenen Verfahren über die Frage herbeizuführen, ob eine zwangsvollstreckungsrechtliche Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung in entsprechender Anwendung des § 883 Abs. 2 ZPO besteht.
b) Auf die sofortige Beschwerde ist auszusprechen, dass der Antrag vom 15. Dezember 2020 als unzulässig verworfen wird.
aa) Aus einem im Informationserzwingungsverfahren ergangenen verfahrensabschließenden und rechtskräftigen Titel findet gemäß § 51b Satz 1 GmbHG, § 132 Abs. 4 Satz 2 AktG sowie § 86 Abs. 1 Nr. 1, § 95 Abs. 1 FamFG die Zwangsvollstreckung mangels vorrangiger Sonderbestimmungen grundsätzlich nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung statt. Gemäß § 95 Abs. 4 FamFG i. V. m. § 51b Satz 1 GmbHG, § 132 Abs. 3 Satz 1, § 99 Abs. 1 AktG kann das Gericht neben oder anstelle einer Maßnahme nach § 883 ZPO – die Anwendbarkeit auf einen titulierten Einsichtsanspruch unterstellt – durch Beschluss die in § 888 ZPO vorgesehenen Maßnahmen des Zwangsgelds oder der Zwangshaft anordnen.
bb) Nach herrschender Meinung erfolgt die Vollstreckung eines Titels auf Einsichtsgewährung dann, wenn dieser Anspruch als Nebenpflicht einer – gegebenenfalls umfassenden – Auskunftspflicht tituliert ist, wie die Vollstreckung der Auskunftspflicht selbst (vgl. hierzu: BGH, Beschluss vom 5. März 2015, I ZB 74/14, GRUR 2015, 1248 Rn. 15; Beschluss vom 28. November 2007, XII ZB 225/05, NJW 2008, 917 Rn. 13, 15) – nach § 888 ZPO. Hingegen richtet sich die Vollstreckung nach einer in der obergerichtlichen Rechtsprechung teilweise vertretenen Meinung grundsätzlich – allerdings abhängig von der Art der jeweiligen Informationsträger (vgl. BGH, Beschluss vom 21. September 2017, I ZB 8/17, WM 2018, 88 – Projektunterlagen Rn. 15; AnwGH Hamm, Beschluss vom 24. November 2017, 1 AGH 30/17, NJW-RR 2018, 127 Rn. 10) – nach § 883 Abs. 2 ZPO entsprechend in denjenigen Fällen, in denen der zuerkannte Anspruch auf Einsichtsgewährung als isolierte Hauptverpflichtung oder als selbständige Pflicht neben einer weiteren Handlungs- oder Unterlassungspflicht tituliert ist (vgl. zum Ganzen: OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 14. Februar 2018, 26 W 2/18, NJW-RR 2018, 765 Rn. 9 f.; Beschluss vom 10. März 2003, 20 W 96/99, juris Rn. 9 f.; Beschluss vom 28. Januar 2002, 5 W 2/02, NJW-RR 2002, 823 [juris Rn. 4 ff.]; Beschluss vom 17. Juli 1991, 20 W 43/91, NJW-RR 1992, 171; OLG Jena, Beschluss vom 22. Januar 2001, 6 W 812/00, juris Rn. 1 mit Rn. 13; OLG Köln, Beschluss vom 21. September 1995, 18 W 33/95, NJW-RR 1996, 382 [juris Rn. 4]; Beschluss vom 27. August 1992, 7 W 35/92, juris Rn. 4 ff.; Beschluss vom 7. Dezember 1987, 2 W 175/87, NJW-RR 1988, 1210 [juris Rn. 17] – zu einem Titel auf Erteilung einer Auskunft durch Vorlage einer Urkunde; OLG Hamm, Beschluss vom 4. Oktober 1973, 14 W 73/73, NJW 1974, 653 [juris Rn. 16]; vgl. auch BFH, Beschluss vom 16. Mai 2000, VII B 200/98, NVwZ 2000, 1334 [1336, juris Rn. 19]; Stürner in BeckOK ZPO, 40. Ed. Stand 1. März 2021, § 883 Rn. 4, § 888 Rn. 1 und 6; Gruber in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 883 Rn. 15 ff., § 888 Rn. 4; Seibel in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 883 Rn. 2, § 888 Rn. 3.6; Bartels in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2017, § 883 Rn. 10, § 888 Rn. 5; Rensen in Wieczorek/Schütze, ZPO, § 883 Rn. 17; Baumbach/Lauterbach/Anders/Gehle, ZPO, 78. Aufl. 2020, § 883 Rn. 4 Stichpunkte „Auskunft“ und „Einsichtnahme“; Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 42. Aufl. 2021, § 883 Rn. 3, § 888 Rn. 2; Elden/Frauenknecht in Kern/Diehm, ZPO, 2. Aufl. 2020, § 883 Rn. 3, § 888 Rn. 2; Kießling in Saenger, ZPO, 8. Aufl. 2019, § 883 Rn. 7, § 888 Rn. 2.1; Walker/Koranyi in Schuschke/Walker/Kessen/Thole, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, § 883 ZPO Rn. 2 bis 4, § 888 Rn. 3 und 12; auch: Lackmann in Musielak/Voit, ZPO, 18. Aufl. 2021, § 888 Rn. 3 und § 883 Rn. 4; Haas in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 5. Aufl. 2019, § 118 Rn. 16; Siede in Ehinger/Rasch/Schwonberg/Siede, Handbuch Unterhaltsrecht, 8. Aufl. 2018, Kap. 13 Zwangsvollstreckung in Unterhaltsstreitsachen Rn. 13.341 f.; Brete/Baumann, GWR 2019, 59 [66]; Habermalz, NJW 2013, 3403 [3405 f.]; Gustavus, GmbHR 1989, 181 [186]; Schilken, DGVZ 1988, 49 [52 f.]).
Für die Beurteilung der Frage, ob nur eine Hauptpflicht mit einer unselbständigen Nebenpflicht oder eine Mehrzahl selbständiger Hauptpflichten tituliert ist, ist die Auslegung des Titels maßgebend. Insofern gelten für einen im Informationserzwingungsverfahren nach §§ 51a, 51b GmbHG ergangenen Titel keine vorrangigen Spezialvorschriften oder abweichenden Grundsätze (vgl. Hillmann in Münchener Kommentar zum GmbHG, § 51b Rn. 49; auch: Karsten Schmidt in Scholz, GmbHG, § 51b Rn. 28; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, § 51b Rn. 17; Hüffer/Schäfer in GmbHG Großkommentar, § 51b Rn. 21; Wicke in Wicke, GmbHG, 4. Aufl. 2020, § 51b Rn. 3; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl. 2020, § 51b Rn. 9; A. Bartl in Bartl u.a. GmbHG, 8. Aufl. 2019, § 51b Rn. 33; Mausch in Bork/Schäfer, GmbHG, 4. Aufl. 2019, § 51b Rn. 13; Römermann in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 3. Aufl. 2017, § 51b Rn. 67; Ganzer in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, § 51b Rn. 10; Rodewald in GmbH-Handbuch, 175. Lieferung Stand: Januar 2021, Teil I Abschnitt 7 Die Rechtsstellung der Gesellschafter, Rn. 1198; Strohn in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl. 2021, § 51b GmbHG Rn. 4; Gustavus, GmbHR 1989, 181 [186]).
Dabei kommt es für die Beurteilung der Frage, ob nach dem Inhalt des Titels mehrere selbständige Verpflichtungen bestehen, deren zwangsweise Durchsetzung gegebenenfalls nach unterschiedlichen Vorschriften erfolgt, nicht darauf an, ob nach materiellem Recht mehrere selbständige Ansprüche existieren, sondern allein darauf, ob der Titel mehrere Pflichten – etwa neben einer Herausgabepflicht eine Handlungspflicht – bezeichnet, denen selbständige Bedeutung zukommt (vgl. Bartels in Stein/Jonas, ZPO, § 883 Rn. 4; Walker/Koranyi in Schuschke/Walker/Kessen/Thole, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, § 888 ZPO Rn. 3). Dies schließt allerdings eine Berücksichtigung der materiell-rechtlichen Grundlage im Rahmen der Auslegung des Titels durch das Prozessgericht nicht von vorneherein aus (vgl. auch BGH GRUR 2015, 1248 Rn. 29, 33 ff.). Grundsätzlich ist ein Titel nach seinem Inhalt zu einer doppelten Vollstreckung nach § 883 ZPO und § 888 ZPO – wie sie hier von der Gläubigerin erstrebt wird – nur dann geeignet, wenn aus ihm die Herausgabepflicht in Bezug auf eine Sache und eine eigenständige – gegebenenfalls sachbezogene – Handlungs- oder Unterlassungspflicht hervorgehen (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Januar 2016, I ZB 110/14, NJW 2016, 645 Rn. 13; Beschluss vom 14. Dezember 2006, I ZB 16/06, NJW-RR 2007, 1091 Rn. 11; Beschluss vom 19. März 2004, IXa ZB 328/03, NJW-RR 2005, 212 [juris Rn. 8]; Beschluss vom 14. Februar 2003, IXa ZB 10/03, juris; Lackmann in Musielak/Voit, ZPO, § 883 Rn. 4; Rensen in Wieczorek/Schütze, ZPO, § 883 Rn. 19 f.; Gruber in Münchener Kommentar zur ZPO, § 883 Rn. 14 ff., § 888 Rn. 4).
cc) Im Streitfall muss nicht entschieden werden, wie der Vollstreckungstitel ausgehend von den dargestellten Grundsätzen auszulegen ist. Es bedarf auch keiner Entscheidung darüber, ob der titulierte Anspruch auf Einsicht in die Bücher und Schriften der Schuldnerin entsprechend § 883 ZPO oder nach § 888 ZPO vollstreckt wird. Der Streitfall bietet mithin auch keinen Anlass, sich mit derjenigen Rechtsprechung detailliert zu befassen, die die Vollstreckung aus im Informationserzwingungsverfahren nach §§ 51a, 51b GmbHG ergangenen und auf Einsicht lautenden Beschlüssen betrifft (vgl. BayObLG NJW-RR 1997, 489 [juris Rn. 6]; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 1. Dezember 2020, 21 W 137/20, ZIP 2021, 249 [juris Rn. 11]; Beschluss vom 10. März 2003, 20 W 96/99, juris Rn. 8; Beschluss vom 17. Juli 1991, 20 W 43/91, NJW-RR 1992, 171 m. w. N.; OLG München NZG 2008, 197 [juris Rn. 6]; LG Frankfurt, Beschluss vom 27. Juli 2020, 2-22 O 7/19, juris Rn. 1).
Denn das Prozessgericht der ersten Instanz ist jedenfalls funktionell nicht zuständig für die begehrte Anordnung, dass die Schuldnerin eine eidesstattliche Versicherung über den Verbleib einer nicht vorgefundenen bzw. hier einer nicht freiwillig zur Einsicht vorgelegten Sache abzugeben habe. Auf die Ausführungen unter 1. b) aa) wird Bezug genommen.
Deshalb ist der Antrag als unzulässig zu verwerfen, ohne in eine sachliche Prüfung darüber einzutreten, ob die Voraussetzungen des § 883 Abs. 2 ZPO vorliegen, unter denen der Schuldner im Verfahren der Zwangsvollstreckung zur Herausgabe einer beweglichen Sache auf Gläubigerantrag verpflichtet ist, zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass er weder die nicht vorgefundene Sache besitze noch wisse, wo sich diese befinde (vgl. dazu: Rensen in Wieczorek/Schütze, ZPO, § 883 Rn. 40; Walker/Koranyi in Schuschke/Walker/Kessen/Thole, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, § 883 ZPO Rn. 17).
Infolgedessen kann im Streitfall auch dahinstehen, ob der allgemein auf die Gewährung von Einsicht in die Bücher der Schuldnerin lautende Titel eine geeignete Grundlage für eine Vollstreckung hinsichtlich derjenigen Unterlagen sein kann, die zwar in der von der Gläubigerin nach Einsichtnahme gefertigten Aufstellung, nicht aber konkret im Vollstreckungstitel bezeichnet sind (vgl. BayObLGZ 1988, 413 [417 f.]; Bartels in Stein/Jonas, ZPO, § 883 Rn. 31 – titelgenaue Bezeichnung; Walker/Koranyi in Schuschke/Walker/Kessen/Thole, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, § 883 ZPO Rn. 8 – zu ergänzenden Angaben des Vollstreckungsgläubigers; Lackmann in Musielak/Voit, ZPO, § 704 Rn. 9; Götz in Münchener Kommentar zur ZPO, § 704 Rn. 11 – beide allgemein zur Bestimmtheit von Herausgabetiteln).
Keiner Entscheidung bedarf die weitere Frage, ob der Titel vom 29. April 2020, der in der ergangenen Form vollstreckungstauglich war (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. Oktober 2010, 2 BvR 535/10, NJOZ 2011, 1423 [juris Rn. 20]; BGH, Urt. v. 21. September 2017, I ZB 8/17, WM 2018, 88 Rn. 26 – jeweils in Bezug auf das vollstreckungsrechtliche Bestimmtheitserfordernis; BayObLGZ 1988, 413 [420 f.]), durch die genommene Einsicht und die erteilte Auskunft verbraucht ist, ebenso wenig über die Rechtskraftwirkung des Beschlusses vom 27. November 2020, mit dem die Festsetzung eines Zwangsgelds abgelehnt worden ist.
3. Da der Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens durch den auf die prozessrechtliche Pflicht zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nach § 883 Abs. 2 ZPO zielenden Antrag begrenzt ist, ist mit der sofortigen Beschwerde ein gegebenenfalls möglicher materiell-rechtlicher Anspruch nicht zur Entscheidung durch das Beschwerdegericht angefallen.
Daher ist nicht darüber zu entscheiden, ob die Gläubigerin nach materiellem Recht die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung entsprechend § 260 Abs. 2 BGB beanspruchen kann. Nicht einzugehen ist deshalb auf die Frage, ob die zum Auskunftsrecht des Aktionärs in der Hauptversammlung, § 132 AktG, ergangene Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts (BayObLG, Beschluss vom 17. Juli 2002, 3Z BR 394/01, NJW-RR 2002, 1558 [juris Rn. 23]) auf das Informationsrecht des GmbH-Gesellschafters, § 51a GmbHG, übertragen werden kann (vgl. Grüneberg in Palandt, BGB, 80. Aufl. 2021, § 260 Rn. 19).
Gleichfalls dahinstehen kann, dass ein auf die Pflicht zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung gerichteter, gesonderter Titel erforderlich ist, wenn wegen Zweifeln an der Richtigkeit der im Vollstreckungsverfahren gemachten Auskunft ein materiell-rechtlicher Anspruch auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung durchgesetzt werden soll (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 26. Juli 2018, 9 W 15/18, DGVZ 2018, 235; Beschluss vom 7. Mai 1993, 1 W 15/93, juris Rn. 5; Walker/Koranyi in Schuschke/Walker/Kessen/Thole, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, § 888 ZPO Rn. 12; Bittner/Kolbe in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2019, § 260 Rn. 36 f., 45 f.).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 891 Satz 3, § 92 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.
Die Festsetzung eines Streitwerts gemäß § 63 Abs. 2 GKG ist nicht erforderlich, weil für das Beschwerdeverfahren eine Festgebühr anfällt (vgl. Nr. 2121 KV-GKG). Der Senat hält es nicht für geboten, diese Gebühr zu ermäßigen oder zu bestimmen, dass sie nicht zu erheben sei (vgl. Nr. 2121 KV-GKG Satz 2).
1. Nicht das Prozessgericht des ersten Rechtszugs, sondern der Gerichtsvollzieher ist auch dann der richtige Adressat eines Antrags nach § 883 Abs. 2 ZPO, wenn – bei unterstellt eröffnetem Anwendungsbereich der Norm – der auf die Gewährung von Einsicht lautende Vollstreckungstitel im Informationserzwingungsverfahren nach §§ 51a, 51b GmbHG ergangen ist.
2. Soll wegen Zweifel an der Richtigkeit der Auskunft, die die Schuldnerin zur Erfüllung eines im Informationserzwingungsverfahren nach §§ 51a, 51b GmbHG ergangen Titels gegeben hat, ein vermeintlicher materiell-rechtlicher Anspruch auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung durchgesetzt werden, so bedarf es hierfür eines gesonderten Titels, der diese Verpflichtung ausspricht.