Arbeitsrecht

Arbeitnehmer, Abfindung, Sozialplan, Betriebsvereinbarung, Leistungen, Betriebsrat, Interessenausgleich, Minderung, Einigungsstelle, Sozialplanabfindung, Anspruch, Freistellung, Benachteiligungsverbot, Arbeitgeber, Anspruch auf Gleichbehandlung, ungerechtfertigter Bereicherung, Sinn und Zweck

Aktenzeichen  1 Ca 817/19

Datum:
10.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 47545
Gerichtsart:
ArbG
Gerichtsort:
Weiden
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 124.066,39 € festgesetzt.
4. Die Berufung wird, soweit sie nicht bereits kraft Gesetzes statthaft ist, zugelassen.

Gründe

Die Klage bleibt insgesamt erfolglos.
A)
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Arbeitsgericht Weiden, Kammer Schwandorf, im Rechtsweg (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG) und örtlich (§ 48 Abs. 1 a ArbGG) zuständig.
B)
Die Klage ist aber unbegründet.
I. 
Der Kläger hat keinen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen die Beklagte in Höhe seines Entgeltanspruchs für die Zeit seiner Freistellung seit dem 01.09.2019.
1. Schon die vom Kläger seiner Forderung zugrunde gelegten Tatsachen können von der Kammer nicht festgestellt werden. Der Kläger geht davon aus, dass ein Sozialplanvolumen von 12 Millionen Euro zur Verfügung gestanden habe, von dem aber nur acht Millionen für Sozialpanabfindungen und vier Millionen zweckwidrig für Lohnforderungen während einer Freistellung der Arbeitnehmer verwendet worden seien, und schließt dies aus den vorgelegten Zeitungsberichten. Die darin enthaltenen Behauptungen des Klägers sind von der Beklagten allerdings bestritten. Die Zeitungsberichte ersetzen nicht ihren Beweis. Sie stützen die Annahme des Klägers nicht einmal. Im Artikel der Mittelbayerischen Zeitung vom 13.06.2019 wird vielmehr die Darstellung der Beklagten bestätigt, wenn berichtet wird, dass die O.-Gruppe sich bereit erklärt habe, acht Millionen Euro für Abfindungen und weitere vier Millionen Euro für Lohnzahlungen zur Verfügung zu stellen. Auch dem Beitrag in der Metallzeitung vom Oktober 2019, wonach nur massive Streikdrohungen zu einem Sozialplan mit einer Summe von 12 Millionen statt zuerst angebotenen 1,1 Millionen geführt hätten, ist nichts Anderes zu entnehmen. Der Bericht ist nach Abschluss des Sozialplans am 05.06.2019 erschienen und gibt damit das bereits erzielte Ergebnis wieder. Mit einem Gesamtvolumen von 12 Millionen Euro kann damit nicht das bereits bekannte Budget für Abfindungen gemeint gewesen sein. Und der Bericht deutet auch nicht einmal an, dass Teile des Gesamtvolumens zweckwidrig für Lohnzahlungen eingesetzt worden seien.
2. Aber selbst die vom Kläger angenommene Mittelverwendung als zutreffend unterstellt, folgte daraus kein Anspruch des Klägers aus ungerechtfertigter Bereicherung. Denn die Beklagte hat nicht im Sinne des § 812 Satz 1 BGB etwas durch Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise etwas ohne rechtlichen Grund erlangt.
a) Die Beklagte hat schon nicht „etwas“ im Sinne des § 812 BGB erlangt. Als „etwas“ in diesem Sinne kommt ein Vermögensvorteil in Betracht, der auch in der Befreiung von einer Verbindlichkeit bestehen kann. Durch die vom Kläger beanstandete Nennung der Entgeltzahlungspflicht während der Freistellung der Arbeitnehmer in Ziffer 3 des Sozialplans hat die Beklagte nichts in diesem Sinn erlangt. Vielmehr gibt die Regelung im Sozialplan hinsichtlich der Entgeltpflicht bei Freistellung nur wieder, was ohnehin gemäß dem Arbeitsvertragsrecht gilt. Die Beklagte hat auch nicht durch das vereinbarte – aus Sicht des Klägers zu geringe – Abfindungsvolumen die Befreiung von einer Verpflichtung, einen höheren Dotierungsrahmen vorzusehen, erlangt. Ein Sozialplan dient nach seiner ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung in § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG dem Ausgleich oder der Milderung der den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehenden wirtschaftlichen Nachteile. Kommt er durch einen Spruch der Einigungsstelle zustande, so hat diese ihre Entscheidung nach § 112 Abs. 5 BetrVG im Rahmen billigen Ermessens zu treffen.  Der gesetzliche Zweck des Sozialplans ist erst dann verfehlt, wenn dieser nicht zumindest so dotiert ist, dass seine Leistungen als eine Milderung im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG angesehen werden können (vgl. BAG, Beschluss vom 24.08.2004 – 1 ABR 23/03 – juris, Rz. 23). Die Kammer zweifelt nicht daran, dass der Sozialplan Abfindungen vorsieht, die substantielle Milderungen der Nachteile der Betriebsänderung darstellen (vgl. z.B. den Sachverhalt der Entscheidung des BAG vom 24.08.2004, a.a.O., der Multiplikatoren von 0,15 bis 0,32 vorsah). Darüber hinaus besteht von Gesetzes wegen kein Anspruch auf Ausstattung eines Sozialplans mit einem bestimmten Mindestvolumen. Die Beklagte ist mit dem Spruch der Einigungsstelle deshalb auch nicht von einer höheren Verpflichtung befreit worden.
b) Das gesetzliche Merkmal „durch Leistung eines anderen“ scheidet von vornherein aus. Denn der vermeintliche Vermögensvorteil der Beklagten beruht jedenfalls nicht auf einer Leistung des Klägers. Er ist auch nicht auf sonstige Weise auf Kosten des Klägers eingetreten. Das Merkmal „auf Kosten eines anderen“ ist nur dann erfüllt, wenn derselbe Vorgang unmittelbar auf der Seite des Bereicherten den Gewinn und auf der Seite des Entreicherten den Verlust herbeiführt. Es setzt die Einheitlichkeit des Bereicherungsvorgangs voraus (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 76. Aufl., § 812 Rz. 43). Daran fehlt es hier. Selbst wenn ein Teil der für Abfindungen zur Verfügung stehenden Mittel zweckwidrig verwendet worden wäre, wäre dies nicht auf Kosten des Klägers geschehen. Denn es ist völlig offen, in welcher Weise die Einigungsstelle die zusätzlichen Mittel bei der Bemessung der Faktoren in der Abfindungsformel berücksichtigt hätte. Es kann sogar als ausgeschlossen angenommen werden, dass sie die Abfindungen um die Lohnsumme während der Freistellung erhöht hätte, wie es der Kläger seiner Forderung zugrunde legt.
c) Schließlich fehlt es auch an dem Merkmal „ohne rechtlichen Grund“. Die Verteilung der für den Sozialplan zur Verfügung stehenden Mittel obliegt den Betriebsparteien bzw. der Einigungsstelle. Mit dem Sozialplan schaffen sie eine Rechtsgrundlage für die darin vorgesehenen Leistungen und schließen gleichzeitig höhere Leistungen aus. Allein die Regelung der bezahlten Freistellung der Arbeitnehmer mit Beendigung der Produktion zum 31.08.2019 führt entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht zur Unwirksamkeit des Sozialplans. Zwar trifft es zu, dass ein Sozialplan nicht dazu dient, die individualrechtlichen Risiken des Arbeitgebers bei der Durchführung der Betriebsänderung zu reduzieren oder zu beseitigen (vgl. BAG Urteil vom 18.05.2010 – 1 AZR 187/09 – juris, Rz. 22). Das dies geschehen wäre, lässt sich aber der Regelung der Freistellung Ziffer 3 des Sozialplans allein nicht entnehmen. Eine solche ist durchaus üblich (vgl. Küttner/Kreiter, Personalbuch, 27. Aufl., Stichwort „Freistellung“, Rz. 18). Der Beklagten ist dadurch auch kein individualrechtliches Risiko genommen worden. Vielmehr ist die ohnehin vertraglich bestehende Lohnpflicht im Falle der Freistellung deklaratorisch aufrechterhalten geblieben. Im Übrigen ergäbe sich auch aus der vom Kläger angenommenen (Teil-)Unwirksamkeit des Sozialplans nicht die von ihm begehrte Rechtsfolge, nämlich die Erhöhung seiner Abfindung um den Lohnbetrag (vgl. vorhergehend b).
II.
Der Kläger hat auch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf eine Klageverzichtsprämie aus der Betriebsvereinbarung bezüglich einer Klageverzichtsprämie vom 05.06.2019.
1. Die Betriebsvereinbarung vom 05.06.2019 ist rechtsunwirksam. Denn sie umgeht das Verbot, Sozialplanabfindungen von einem Verzicht auf die Kündigungsschutzklage abhängig zu machen.
a) Leistungen in Sozialplänen i.S.v. § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, die dem Ausgleich oder der Abmilderung der mit einer Betriebsänderung für die Arbeitnehmer verbundenen wirtschaftlichen Nachteile dienen, dürfen nicht vom Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage abhängig gemacht werden. Das folgt jedenfalls aus dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Macht ein Sozialplan den Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage zur Voraussetzung für den Anspruch auf die Sozialplanabfindung, erfolgt eine Gruppenbildung, welche die Anwendung des Gleichheitssatzes ermöglicht und gebietet. Die Arbeitnehmer, welche nicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichten, werden hinsichtlich der Sozialplanabfindung schlechter behandelt als diejenigen, die von der gerichtlichen Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung absehen. Diese Ungleichbehandlung ist nach Sinn und Zweck des Sozialplans sachlich nicht gerechtfertigt (vgl. BAG Urteil vom 31.05.2005 – 1 AZR 254/04 – juris, Rz. 19 bis 21; vom 09.12.2014 – 1 AZR 146/13 – juris, Rz. 39).
Allerdings ist den Betriebsparteien nicht jegliche Regelung verboten, durch die im Falle einer Betriebsänderung für die Arbeitnehmer ein finanzieller Anreiz geschaffen werden soll, eine Kündigung zu akzeptieren. Jedenfalls dann, wenn die Betriebsparteien ihrer Pflicht zur Aufstellung eines Sozialplans nachgekommen sind, können sie freiwillig eine kollektivrechtliche Regelung treffen, die im Interesse des Arbeitgebers an alsbaldiger Planungssicherheit finanzielle Leistungen für den Fall vorsieht, dass der Arbeitnehmer von der Möglichkeit der Erhebung einer Kündigungsschutzklage keinen Gebrauch macht. Das Verbot, Sozialplanabfindungen von einem Verzicht auf die Erhebung der Kündigungsschutzklage abhängig zu machen, darf dadurch aber nicht umgangen werden (BAG Urteil vom 31.05.2005, a.a.O., Rz. 23; vom 09.12.2014, a.a.O.).
b) Ob eine solche Umgehung vorliegt, ist unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Einzelfalls zu beurteilen. (vgl. BAG, Urteil vom 31.05.2005, a.a.O., Rz. 32). Eine Umgehung kann insbesondere vorliegen, wenn der Sozialplan keine angemessene Abmilderung der wirtschaftlichen Nachteile vorsieht oder wenn greifbare Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, dem „an sich“ für den Sozialplan zur Verfügung stehenden Finanzvolumen seien zum Nachteil der von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer Mittel entzogen und funktionswidrig im „Bereinigungsinteresse“ des Arbeitgebers eingesetzt worden (BAG Urteil vom 31.05.2005, a.a.O., Rz. 32).
aa) Hier ergibt sich die Umgehung des Verbots, Sozialplanabfindungen von einem Verzicht auf die Erhebung der Kündigungsschutzklage abhängig zu machen, jedenfalls aus der zweckwidrigen Verwendung „an sich“ für den Sozialplan zur Verfügung stehender Finanzmittel. Für einen solchen Sachverhalt bestehen nicht nur greifbare Anhaltspunkte im Sinne der Rechtsprechung, er ist vielmehr unstreitig.
(1) Beide Parteien gehen nämlich davon aus, dass im Rahmen der Sozialplanverhandlungen ein bestimmtes Finanzvolumen für Abfindungen zur Verfügung stand. Die Beklagte beziffert dieses auf acht Millionen Euro. Sie hat das sogar als Geschäftsgrundlage bezeichnet. Sie hat – auch in den mündlichen Verhandlungen – wiederholt betont, dass parallel zu allen Überlegungen immer ein Excel-Spezialist Berechnungen durchgeführt hat, ob sich die Leistungen innerhalb des Budgets von acht Millionen Euro bewegten. Auch der Kläger geht von einem bestimmten zur Verfügung gestandenen Finanzvolumen aus, beziffert dieses jedoch auf 12 Millionen Euro, welches er zweckwidrig durch Entgeltfortzahlung belastet sieht. Damit gab es in jedem Fall ein bestimmtes während der Sozialplanverhandlungen verfügbares Finanzvolumen. Da der Kläger allerdings für dessen von ihm angenommene Höhe keine greifbaren Tatsachen angibt (vgl. oben B I. 1.), geht die Kammer darüber hinaus davon aus, dass dieses acht Millionen Euro betrug.
(2) Mit der Verwendung eines wesentlichen Teils des vorgegebenen Finanzvolumens für eine Klageverzichtsprämie ist dieses zweckwidrig im „Bereinigungsinteresse“ der Beklagten eingesetzt worden.
(a) Ein vom Bundesarbeitsgericht als gegen diese Annahme sprechender Fall, dass das für zusätzliche, vom Verzicht auf eine Kündigungsschutzklage abhängige Abfindungen vorgesehene Volumen ganz deutlich hinter dem Sozialplanvolumen zurückbleibt (Urteil vom 31.05.2005, a.a.O., Rz. 38), liegt hier gerade nicht vor. Die Beklagte hat vielmehr unwidersprochen vorgetragen, dass schon bei Nichtanwendung der Höchstbetragsbegrenzung der Ziffer des Sozialplans auch auf die Klageverzichtsprämie dessen Volumen nicht auf rund acht Millionen Euro beschränkt wäre, sondern sich in etwa verdoppeln würde.
(b) Es liegen auch keine sonstigen Anhaltspunkte vor, die dem unstreitigen Vorbringen der Parteien, wonach mit dem für den Sozialplan zur Verfügung stehenden Finanzvolumen auch die BV Klageverzichtsprämie ausgestattet wurde, entgegenstehen. Hierzu wurden im Schrifttum verschiedene Kriterien diskutiert, die die Annahme der Zweckentfremdung von Sozialplanmitteln ausschließen könnten (zusammenfassend Benecke, BB 2006, 938, unter V. 2.). Keines davon kommt hier in Betracht.
So wurde angeführt, „Turboprämien“ müssten im Verhältnis zu den Sozialplanleistungen erheblich niedriger dotiert werden; sie müssten deutlich eine bloß zusätzliche Leistung bilden. Im Gegensatz dazu macht im Streitfall die Klageverzichtsprämie für einen wesentlichen Teil der Belegschaft einen hohen Anteil der Gesamtabfindung aus. So beträgt er für die Altersgruppe bis 40 Jahre und für die 62-jährigen 50 % der Abfindung, für die Altersgruppe ab 63 sogar mehr als 50 % und für die Altersgruppe von 41 Jahren bis 50 Jahren noch über 40 %. Dagegen waren in den vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fällen lediglich zusätzliche Abfindungen in Höhe eines Bruttomonatsgehalts (Urteil vom 31.05.2005, a.a.O.) oder nach der Formel „Bruttomonatsentgelt × 10 % × Beschäftigungsjahre“ unbeanstandet geblieben.
Weiter wurde vorgeschlagen, Verhandlungen über die Prämienhöhe erst zu führen, wenn der Sozialplan bereits abgeschlossen ist. Auch insoweit ist hier das Gegenteil der Fall. Nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Beklagten sind Sozialplan und Klageverzichtsprämie gleichzeitig verhandelt worden. Die Verhandlungen wurden durch die Berechnungen des Excel-Spezialisten begleitet, um eine Überschreitung des insgesamt zur Verfügung stehenden Volumens von acht Millionen Euro durch beide Leistungen zu vermeiden. Und sowohl Sozialplan als auch die BV Klageverzichtsprämie sind in derselben Sitzung unter Beteiligung derselben Personen einschließlich des Einigungsstellenvorsitzenden unterzeichnet worden. Dies verdeutlicht, dass Sozialplanabfindungen und Klageverzichtsprämien aus demselben Finanzvolumen bedient wurden.
Schließlich wurde geraten, Angaben über ein konkretes Sozialplanvolumen vor den Verhandlungen zu vermeiden. Hier war das für den Sozialplan zur Verfügung stehende Volumen aber nicht nur genannt, es war bei den Verhandlungen ständig zu beachtende Bedingung; seine Einhaltung wurde durch begleitende Berechnungen überwacht. Die Beklagte hat es sogar als Geschäftsgrundlage bezeichnet.
bb) Für die Kammer ergeben sich darüber hinaus auch aus der rechtlichen Gestaltung der Klageverzichtsprämie Anhaltspunkte dafür, dass mit der als Klageverzichtsprämie bezeichneten Leistung nicht lediglich im Interesse alsbaldiger Planungssicherheit eine zusätzliche Leistung für den Verzicht auf die Kündigungsschutzklage versprochen wurde, sondern in Wirklichkeit wesentliche Teile der Sozialplanabfindung von der Voraussetzung des Klageverzichts abhängig gemacht wurden.
(1) Die Klageverzichtsprämie knüpft in ihrer inhaltlichen Ausgestaltung an die Sozialplanabfindung an. Sie gewährt einen „Anspruch auf eine höhere Abfindung“ für Arbeitnehmer, die unter den Geltungsbereich des Interessenausgleichs und Sozialplans vom 05.06.2019 fallen. Ausgedrückt wird dies in einer Erhöhung des Faktors für die Bemessung der Sozialplanabfindung, nämlich in Höhe eines um 0,25 erhöhten Faktors. Insgesamt ergibt sich daraus ein einziger Faktor, der sich allerdings aus einer sozialplantypischen Rechengröße, nämlich dem Lebensalter, und einer sozialplanwidrigen Größe, nämlich der Erhöhung für den Klageverzicht, zusammensetzt. Dieser wird in einer einheitlichen Berechnung mit den weiteren Faktoren zur Bemessung der Abfindung, nämlich der Betriebszugehörigkeit und dem Bruttomonatseinkommen, multipliziert. Es ergibt sich eine einheitliche Abfindung, aus der schon der auf eine Klageverzichtsprämie entfallende Anteil nicht ohne Rückrechnung ersichtlich ist. Eine Unterscheidbarkeit der einheitlichen Abfindung danach, ob sie der Milderung von Nachteilen im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG oder dem Interesse alsbaldiger Planungssicherheit dient, ist damit schon äußerlich nicht mehr gegeben.
(2) Diese Berechnungsweise bedeutet darüber hinaus, dass mit der als Klageverzichtsprämie bezeichneten Leistung nicht nur der Klageverzicht belohnt wird. Denn durch die Multiplikation des wegen des Klageverzichts erhöhten Faktors mit den weiteren Faktoren der Abfindungsformel ergibt sich eine Mischleistung, die gleichzeitig die Betriebszugehörigkeit und die Höhe des Bruttomonatseinkommens honoriert. Indem die als Klageverzichtsprämie bezeichnete Leistung aber auch Gesichtspunkte berücksichtigt, die von der Einigungsstelle als solche angesehen wurden, nach denen die Sozialplanleistungen zu bemessen sind, ist sie von diesen auch inhaltlich nicht mehr hinreichend zu unterscheiden. Denn weder der Sozialplan noch die BV Klageverzichtsprämie lassen erkennen, weshalb die sozialplantypischen Bemessungsgrößen, insbesondere diejenige der Betriebszugehörigkeit, nicht insgesamt in der Sozialplanabfindung Berücksichtigung gefunden haben, sondern auch im Rahmen einer Klageverzichtsprämie. Letztlich ist in der Berechnungsformel der Sozialplanabfindung allein der Faktor Lebensalter durch den Erhöhungsfaktor für den Klageverzicht ausgetauscht worden. Das deutet darauf hin, dass hier in Wirklichkeit eine Leistung, mit der Nachteile aus der Betriebsänderung im Sinne des § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG gemildert werden, vom Verzicht auf die Kündigungsschutzklage abhängig gemacht wurden.
(3) Die Kammer verkennt dabei nicht, dass das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 09.12.2014 (a.a.O.) eine nach der inhaltlich entsprechenden, lediglich in der Höhe des für den Klageverzicht angesetzten Faktors sich unterscheidenden Formel („Bruttomonatsentgelt × 10 % × Beschäftigungsjahre“) bemessene Klageverzichtsprämie unbeanstandet gelassen hat. Die Bedenken der Kammer hinsichtlich der mangelnden inhaltlichen Unterscheidbarkeit von Sozialplanabfindung und Klageverzichtsprämie im Hinblick auf das Umgehungsverbot hat das Bundesarbeitsgericht damit offenbar nicht geteilt, sich mit dieser Frage aber auch nicht auseinandergesetzt.
Allerdings tritt hier ein weiterer Gesichtspunkt hinzu. Die Beklagte meint, auf die sich aus Sozialplanabfindung und Klageverzichtsprämie insgesamt ergebende Abfindung sei einheitlich die Höchstbetragsgrenze der Ziffer III 1. c. ee) von 75.000 € anzuwenden. Spätestens damit wären aber Sozialplanabfindung und Klageverzichtsprämie zu einer einheitlichen Leistung verschmolzen, deren Anteile nicht mehr trennbar sind. Die Klageverzichtsprämie wäre Bestandteil der „Gesamtabfindung“ im Sinne der Ziffer III. 1. c. ee). Und es wäre nicht bestimmbar, inwieweit die Kappung die Sozialplanabfindung oder die Klageverzichtsprämie beträfe und in welchem Umfang damit die Leistung vom Verzicht auf die Erhebung der Kündigungsschutzklage abhängig wäre.
Letztlich können aber diese Frage und auch die unter den Parteien streitige Frage der Auslegung von Sozialplan und BV Klageverzichtsprämie, ob die Kappung überhaupt die Klageverzichtsprämie erfasst, dahinstehen. Denn der Verstoß gegen das Umgehungsverbot ergibt sich schon aus der zweckwidrigen Verwendung des für den Sozialplan vorgesehenen Finanzvolumens (vgl. vorhergehend aa).
2. Rechtsfolge des Verstoßes gegen das Umgehungsverbot ist insgesamt die Unwirksamkeit der BV Klageverzichtsprämie. Denn das unzulässige Verlangen nach einem Verzicht auf die Kündigungsschutzklage stellt das zentrale Element der gesamten Betriebsvereinbarung dar, ohne die sie nicht mehr sinnvoll angewendet werden könnte (vgl. BAG Urteil vom 31.05.2005, a.a.O., Rz. 40). Dies entspricht den allgemeinen Grundsätzen zur Teilnichtigkeit von Betriebsvereinbarungen, wonach die Fortgeltung des übrigen Teils einer teilweise unwirksamen Betriebsvereinbarung davon abhängt, ob dieser noch eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung darstellt (Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 29. Aufl., § 77 Rz. 32). Das ist nicht der Fall. Eine Klageverzichtsprämie ist ohne das Merkmal des Verzichts auf die Kündigungsschutzklage sinnvoll nicht denkbar. Es ist auch nicht anzunehmen, dass die Betriebsparteien ohne die BV Klageverzichtsprämie die dafür verwendeten Mittel in gleicher Weise ohne Berücksichtigung aller übrigen Faktoren der Abfindungsformel pauschal auf alle betroffenen Mitarbeiter verteilt hätten.
Damit unterscheidet sich die vorliegende Fallgestaltung auch von derjenigen, in der das Bundesarbeitsgericht den Grundsatz aufgestellt hat, dass ein Sozialplan die Zahlung von Abfindungen an von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer nicht von dem Verzicht auf die gerichtliche Anfechtung der Kündigung abhängig machen dürfen (Urteil vom 20.12.1982 – 1 AZR 442/82 – AP Nr. 17 zu § 112 BetrVG 1972). Dort war die Sozialplanleistung insgesamt vom Klageverzicht abhängig gemacht worden. Durch den Wegfall der Klageverzichtsklausel blieb der Sozialplan im Übrigen unberührt und Ansprüche daraus erhalten.
Da die BV Klageverzichtsprämie aber insgesamt rechtsunwirksam ist, kann der Kläger daraus keine höhere Abfindung beanspruchen (vgl. zu dieser Rechtsfolge BAG, Urteil vom 31.05.2005, a.a.O., Rz. 39).
3. Wegen der Unwirksamkeit der BV Klageverzichtsprämie scheidet auch der vom Kläger angenommene Verstoß gegen § 77 Abs. 4 BetrVG, nach dessen Satz 2 ein Verzicht auf durch eine Betriebsvereinbarung eingeräumte Rechte nur mit Zustimmung des Betriebsrats zulässig ist, aus; denn es fehlt schon an wirksam eingeräumten Rechten. Außerdem ersetzt der Spruch der Einigungsstelle, auf dem der Sozialplan beruht, die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, § 112 Abs. 4 Satz 2 BetrVG; somit liegt ohnehin kein Verzicht ohne Beteiligung des Betriebsrats vor.
III.
Dem Kläger steht auch die hilfsweise in Höhe der Klageverzichtsprämie geltend gemachte Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG Entschädigung nicht zu.
1. Die den Anspruch des Klägers auf eine Klageverzichtsprämie ausschließende Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung vom 05.06.2019 beruht nicht auf einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des §§ 7 Abs. 1, 1 Abs. 1 AGG, sondern auf der Umgehung des Verbots, Sozialplanleistungen von einem Verzicht auf die Kündigungsschutzklage abhängig zu machen. Unter diesem Gesichtspunkt stellt die Nichtgewährung der Klageverzichtsprämie deshalb keine Diskriminierung dar. Insofern kommt auch kein Anspruch auf „Gleichbehandlung im Irrtum“ in Betracht (vgl. BAG Urteil vom 31.05.2005, a.a.O., Rz. 41; ErfK/Preis, 20. Aufl., § 611 a BGB, Rz. 574 a).
2. Aber auch die tatsächliche Anwendung der BV Klageverzichtsprämie in Verbindung mit der Höchstbetragsbegrenzung der Ziffer III. 1. c. ee) des Sozialplans durch die Beklagte verstößt nicht gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG. Ist die Klageverzichtsprämie unter Umgehung des Verbots, Sozialplanleistungen von einem Verzicht auf die Kündigungsschutzklage abhängig zu machen, vereinbart worden, ist sie auch in Bezug auf die Diskriminierungsverbote wie die Sozialplanleistung insgesamt zu behandeln. Auch der Kläger sieht in der Anwendung der Höchstbetragsregelung auf die Klageverzichtsprämie durch die Beklagte eine Veränderung des Systems der Sozialplanabfindung. Aber selbst unterstellt, die Begrenzung des Sozialplans auf einen Höchstbetrag wäre auf den sich aus der Klageverzichtsprämie ergebenden Anteil der Abfindung anzuwenden, stellte dies keine Benachteiligung wegen des Alters dar.
a) Auch unter Berücksichtigung der Klageverzichtsprämie erhält kein jüngerer Arbeitnehmer eine höhere Abfindung als ein älterer Arbeitnehmer. Die Struktur einer sich bei steigendem Lebensalter erhöhenden Abfindung bleibt erhalten. So ist die im Sozialplan bedachte jüngste Gruppe die der Arbeitnehmer mit einem Lebensalter bis einschließlich 40 Jahren. Ihr Faktor zur Berechnung der Abfindung erhöht sich unter Einbeziehung der Klageverzichtsprämie von 0,25 auf 0,5. Bei der nächsten Gruppe der über 40 bis einschließlich 50jährigen erhöht sich der Faktor von 0,35 auf 0,6. In jedem Falle bleibt der Faktor hinter der nächstälteren Gruppe zurück. Eine vom Kläger beanstandete Besserstellung jüngerer Mitarbeiter erfolgt gerade nicht. Damit liegt weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Benachteiligung im Sinne des § 3 Abs. 1 und 2 AGG vor.
b) Der Einwand des Klägers, der an das Alter anknüpfende Faktor im Sozialplan führe in Verbindung mit der vermeintlich neutralen Deckelungsregelung zu einem Ausschluss der älteren Mitarbeiter von der Klageverzichtsprämie, greift ebenfalls nicht. Stellt die Klageverzichtsprämie nämlich eine Umgehung des Verbots dar, Sozialplanleistungen vom Verzicht auf die Kündigungsschutzklage abhängig zu machen, geht es gerade nicht mehr um die Versagung einer vom Sozialplan unabhängigen Teilleistung, sondern um die Begrenzung der Sozialplanleistung insgesamt. Wegen deren Zulässigkeit wird deshalb auf die nachfolgende Auseinandersetzung mit der Höchstbetragsregelung verwiesen.
3. Ob die vom Kläger verlangte Entschädigung nach § 15 Abs. 3 AGG nur bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigen Handeln der Beklagten in Betracht kommt, oder ob diese Vorschrift europarechtswidrig ist (offengelassen in BAG Urteil vom 22.01.2009 – 8 AZR 906/07 – juris, Rz. 68), ist deshalb unerheblich.
IV.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine über den Höchstbetrag von 75.000 € hinausgehende Abfindung. Die Regelung der Ziffer III. 1. c. ee) des Sozialplans verstößt entgegen seiner Auffassung nicht gegen das sich aus Art. 3 GG, §§ 1, 7 AGG ergebende Benachteiligungsverbot. Sozialpläne unterliegen zwar der gerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle und sind daraufhin zu überprüfen, ob sie mit höherrangigem Recht vereinbar sind (st. Rspr. des BAG, vgl. nur Urteil vom 15.05.2018 – 1 AZR 20/17 – juris, Rz. 20). Das ist hier jedoch der Fall.
1. Die Höchstbetragsregelung verstößt nicht gegen das Verbot, Personen wegen ihres Alters zu benachteiligen.
Nach § 75 Abs. 1 BetrVG haben Arbeitgeber und Betriebsrat darüber zu wachen, dass jede Benachteiligung von Personen u.a. wegen ihres Alters unterbleibt. Die Vorschrift enthält nicht nur ein Überwachungsgebot, sondern verbietet zugleich Vereinbarungen, durch die Arbeitnehmer aufgrund der in der Vorschrift aufgeführten Merkmale benachteiligt werden. Der Gesetzgeber hat in § 75 Abs. 1 BetrVG die in § 1 AGG geregelten Benachteiligungsverbote übernommen. Eine unterschiedliche Behandlung der Betriebsangehörigen aus dem in § 1 AGG genannten Grund des Alters ist daher nur unter den im AGG normierten Voraussetzungen zulässig (vgl. BAG 07.05.2019 – 1 ABR 54/17 – juris, Rz. 30).
a) Eine unmittelbare Benachteiligung (vgl. § 3 Abs. 1 AGG) liegt nicht vor, weil die vom Kläger beanstandete Regelung nicht an das Alter, sondern an das Erreichen des Höchstbetrages anknüpft (vgl. BAG Urteil vom 21.07.2009 – 1 AZR 566/08 – juris, Rz. 22; LAG Nürnberg, Urteil vom 12.11.2014 – 2 Sa 317/14 – juris, Rz. 59).
b) Die Höchstbetragsregelung führt auch nicht zu einer mittelbaren Benachteiligung (vgl. § 3 Abs. 2 AGG) wegen des Alters, und zwar auch dann nicht, wenn von ihr typischerweise mehr ältere als jüngere Arbeitnehmer betroffen sind. Denn die betroffenen älteren Arbeitnehmer werden durch eine Höchstbetragsklausel nicht anders, sondern genauso behandelt wie die jüngeren (vgl. BAG, Urteil vom 21.07.2009, a.a.O.). Sie stellt auch keine Benachteiligung dar; vielmehr begrenzt sie die mit der Altersstaffelung verbundene Bevorzugung. Das liegt im Gestaltungsspielraum der Betriebsparteien (vgl. LAG Nürnberg, Urteil vom 12.11.2014, a.a.O.).
Es trifft deshalb auch nicht zu, wenn der Kläger einwendet, der Grundsatz des § 10 Satz 2 Nr. 6 AGG, wonach ältere Mitarbeiter wegen schlechterer Chancen auf dem Arbeitsmarkt bevorzugt werden dürften, werde auf den Kopf gestellt. Der Kläger gehört der Altersgruppe mit dem höchsten Faktor für die Bemessung der Abfindung von 0,95 an. Kein jüngerer Arbeitnehmer hat eine höhere Abfindung erhalten, als der Kläger.
2. Die Begrenzung der Sozialplanabfindung verletzt auch nicht den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
Die Betriebsparteien haben beim Abschluss von Betriebsvereinbarungen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 BetrVG zu beachten, dem wiederum der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zugrunde liegt. Er zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblich für das Vorliegen eines die Bildung unterschiedlicher Gruppen rechtfertigenden Sachgrundes ist vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck (BAG Urteil vom 19.04.2016 – 3 AZR 526/14 – Rz. 37).
a) Soweit es um eine Ungleichbehandlung geht, die nach Auffassung des Klägers mit dem Alter ein verpöntes Merkmal i.S.d. § 1 AGG betrifft, scheidet vorliegend ein Verstoß gegen § 75 Abs. 1 BetrVG aus. Der betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz enthält insoweit keine weiter gehenden Anforderungen als § 3 AGG (BAG Urteil vom 19.04.2016, a.a.O., Rz. 38).
b) Auch eine gleichheitswidrige Gruppenbildung kann nicht festgestellt werden.
Sozialpläne haben eine zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. Geldleistungen in Form einer Abfindung stellen kein zusätzliches Entgelt für die in der Vergangenheit erbrachten Dienste dar, sondern sollen die voraussichtlich entstehenden wirtschaftlichen Folgen eines durch Betriebsänderung verursachten Arbeitsplatzverlustes ausgleichen oder zumindest abmildern. Die zukunftsbezogene Ausgleichsfunktion von Sozialplänen eröffnet den Betriebsparteien Beurteilungs- und Gestaltungsspielräume, aufgrund derer sie die Nachteile in typisierender und pauschalierender Form ausgleichen können. Ein Beurteilungsspielraum besteht hinsichtlich der den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung voraussichtlich entstehenden wirtschaftlichen Nachteile und ein Gestaltungsspielraum beim Ausgleich oder der Abmilderung der von ihnen prognostizierten Nachteile (st. Rspr. des BAG, vgl. nur Urteil vom 08.12.2015 – 1 AZR 595/14 – juris, Rz. 17 f.).
Gemessen an diesem Zweck ist die Höchstbegrenzung nicht zu beanstanden.
aa) Die Gruppenbildung erfolgt hier dergestalt, dass die von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer ab einem bestimmten Höchstbetrag der Abfindung unabhängig von Lebensalter, Betriebszugehörigkeit und Verdienst gleichbehandelt werden. Zweck einer solchen Begrenzung ist es, eine Bevorzugung derjenigen Mitarbeiter zu vermeiden, die ansonsten allein wegen ihrer langjährigen Beschäftigungsdauer einen Vorteil erhalten, der keine verteilungsgerechte Überbrückungshilfe bis zu einem ungewissen neuen Arbeitsverhältnis oder dem Bezug einer Altersrente ist. Das zu beurteilen liegt in der Einschätzungsbefugnis der Betriebsparteien, die nicht gehalten sind, die jeweiligen Nachteile individuell zu prognostizieren und auszugleichen (BAG Urteil vom 21.07.2009, a.a.O., Rz. 17; LAG Nürnberg, Urteil vom 12.11.2014, a.a.O., Rz. 55).
bb) Einer Kappungsgrenze wie der streitgegenständlichen liegt damit die Einschätzung der Betriebsparteien zugrunde, dass die wirtschaftlichen Nachteile der davon betroffenen Arbeitnehmer bei typisierender Betrachtungsweise mit dem entsprechenden Höchstbetrag angemessen ausgeglichen, jedenfalls aber substantiell abgemildert sind (vgl. BAG, Urteil vom 21.07.2009, a.a.O., Rz. 14; LAG Nürnberg, Urteil vom 12.11.2014, a.a.O., Rz. 55). Davon durften die Betriebspartner aufgrund ihres Beurteilungsspielraums auch bei einer Höchstgrenze von 75.000,00 € ausgehen.
cc) Zu Unrecht wendet der Kläger deshalb ein, dass jüngere Mitarbeiter aufgrund der Kappungsgrenze ungerechtfertigt bessergestellt seien. Denn die Höchstbetragsregelung dient gerade der Sicherstellung einer substantiellen Milderung der Nachteile auch der jüngeren Mitarbeiter. Es oblag der Einschätzung der Betriebspartner, dass ohne die Höchstbetragsgrenze eine hinreichende Abmilderung von Nachteilen jüngerer Mitarbeiter durch Abfindungen nicht mehr gewährleistet gewesen wäre. Zur Verdeutlichung dieses Verhältnisses weist die Beklagte deshalb mit Recht darauf hin, dass die unter 49-jährigen Arbeitnehmer nur 1/8 des gesamten Abfindungsvolumens, die älteren Mitarbeiter dagegen 7/8 davon bezogen haben.
V.
Die hilfsweise geforderte Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG im Umfang der durch die Höchstbetragsregelung entgangenen Abfindung steht dem Kläger ebenfalls nicht zu, denn die Regelung stellt keine Diskriminierung im Sinne des AGG dar (vgl. oben B IV. 1.).
C)
Als unterlegene Partei hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, § 46 Abs. 2 ArbGG, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
D)
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG, §§ 3, 5 ZPO, § 45 Abs. 1 Sätze 2 und 3 GKG.
E)
Die Berufung war unabhängig vom Wert des Beschwerdegegenstandes wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuzulassen, § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG.


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