Arbeitsrecht

Erledigungsgebühr, Terminsgebühr, Kostenfestsetzungsbeschluß, Erledigungserklärung, Bevollmächtigter, Verfahrensgebühr, Erledigung des Rechtsstreits, Nationales Abschiebungsverbot, Verwaltungsgerichte, Verfahrensförderungspflicht, Inländische Fluchtalternative, Urkundsbeamter, Kostenfestsetzungsantrag, Kosten des Erinnerungsverfahrens, Klageverfahren, Anwaltliche Mitwirkung, Außergerichtliche Besprechung, Aufhebung eines Verwaltungsaktes, Teilbarer Verwaltungsakt, Abschiebungsandrohung

Aktenzeichen  M 31 M 20.32982

Datum:
3.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 41839
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 165, § 151
VV-RVG Nr. 1002, 1003
VV-RVG Nr. 3104

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
II. Der Erinnerungsführer (Antragsteller) hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 20. Oktober 2020, soweit dort sowohl eine Termins- als auch eine Erledigungsgebühr als nicht erstattungsfähig angesehen wird.
Das Bayerische Verwaltungsgericht München hat mit Beschluss vom 21. September 2020 im Verfahren M 31 K 17.41982 das asylrechtlichen Klageverfahren des Antragstellers nach übereinstimmender Erledigterklärung der Beteiligten eingestellt und die Kosten des Verfahrens der Beklagten auferlegt. Diese hatte dem Klagebegehren, das zuletzt nur auf Feststellung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG gerichtet war, mit Abhilfebescheid vom 24. August 2020 entsprochen.
Im Kostenfestsetzungsantrag vom 1. Oktober 2020 beantragten die Bevollmächtigten des Antragstellers für das Klageverfahren insbesondere die Festsetzung einer Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV-RVG, einer Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV-RVG und einer Einigungsgebühr nach Nr. 1003, 1000 VV-RVG. Auf entsprechende Anhörung der Urkundsbeamtin vom 13. Oktober 2020 hin nahmen die Bevollmächtigten des Antragstellers mit Schriftsatz vom 16. Oktober 2020 zur Frage der Entstehung einer Erledigungsgebühr Stellung. Eine Erledigungsgebühr sei durch die Mitwirkung der Bevollmächtigten entstanden. Eine Mitwirkung liege jedenfalls auch dann vor, wenn der Rechtsanwalt auf seinen Mandanten einwirke und ihn dazu bringe, die einvernehmliche Lösung zu akzeptieren, hier also den Rechtsstreit vollumfänglich für erledigt zu erklären. Die Tätigkeit der Bevollmächtigten könne nicht hinweg gedacht werden, da es ohne ihre Aktivitäten nicht zur unstreitigen Erledigung des Klageverfahrens gekommen wäre. Dies umso mehr, als der Betreuer des Antragstellers mit Mitteilung vom 3. September 2020 zunächst erklärt habe, dass er mit einer teilweisen Erledigungserklärung einverstanden sei und die Fortführung des Verfahrens bezüglich der Feststellung der Flüchtlingseigenschaft anstrebe. Mit Schreiben vom 14. September 2020 hätten die Bevollmächtigten beim Betreuer angefragt, ob Einverständnis bestehe, eine Erledigungserklärung insgesamt abzugeben, da das Gericht das Vorliegen einer inländischen Fluchtalternative in Betracht ziehe. Ohne die Einwirkung auf den Betreuer des Antragstellers wäre es nicht zu einer vollständigen Erledigung gekommen.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20. Oktober 2020 setzte die Urkundsbeamtin die Kosten unter Streichung der Terminsgebühr und der Erledigungsgebühr fest.
Am 28. Oktober 2020 beantragte der Antragsteller mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten hiergegen
die Entscheidung des Gerichts.
Es seien sowohl eine Terminswie auch eine Erledigungsgebühr angefallen. Entgegen der Auffassung im Kostenfestsetzungsbeschluss sei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht Voraussetzung für den Anfall einer Terminsgebühr. Eine telefonische Besprechung mit dem Gericht habe stattgefunden. Im Telefonat zwischen den Bevollmächtigten und dem Vorsitzenden sei erörtert worden, dass gegebenenfalls eine Erledigungserklärung insgesamt abzugeben wäre, gerade auch im Hinblick auf eine mögliche inländische Fluchtalternative. Daher sei eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV-RVG angefallen, was sich insbesondere aus Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 VV-RVG ergebe. Hinsichtlich der Erledigungsgebühr sei wiederholend und zusammenfassend auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 16. Oktober 2020 Bezug zu nehmen.
Die Urkundsbeamtin half dem Antrag nicht ab und legte ihn dem Gericht zur Entscheidung vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und in dem Verfahren M 31 K 17.41982 verwiesen.
II.
Die gemäß §§ 165, 151 VwGO zulässige Kostenerinnerung ist unbegründet. Die Urkundsbeamtin hat im angegriffenen Beschluss vom 20. Oktober 2020 zutreffend sowohl die Festsetzung einer Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV-RVG (1.) als auch einer Erledigungsgebühr nach Nr. 1003, 1002 VV-RVG (2.) abgelehnt.
Das Gericht entscheidet über die Erinnerung gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten in der Besetzung, in der die zugrunde liegende Kostengrundentscheidung getroffen wurde (vgl. BayVGH, B.v. 3.12.2003 – 1 N 01.1845 – juris Rn. 10 m.w.N.). Diese erging mit Beschluss vom 21. September 2020 durch den gemäß § 87a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 3 VwGO zuständigen Berichterstatter als Einzelrichter.
1. Die Urkundsbeamtin hat zutreffender Weise den Ansatz einer Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV-RVG abgelehnt. Das zwischen dem Vorsitzenden und den Bevollmächtigten des Antragstellers geführte Telefonat vom 11. September 2020 ist nicht geeignet, eine Terminsgebühr auszulösen.
Nach Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 1 VV-RVG entsteht die Terminsgebühr sowohl für die Wahrnehmung von gerichtlichen Terminen als auch für die Wahrnehmung von außergerichtlichen Terminen und Besprechungen, wenn nichts anderes bestimmt ist. Die Gebühr für außergerichtliche Termine und Besprechungen entsteht u.a. für die Mitwirkung an Besprechungen, die auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet sind; dies gilt nicht für Besprechungen mit dem Auftraggeber (Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 VV-RVG). Die Regelung unterscheidet ausdrücklich zwischen gerichtlichen Terminen einerseits und außergerichtlichen Terminen und Besprechungen andererseits. Daraus folgt, dass insbesondere telefonisch geführte Besprechungen mit dem Richter außerhalb anberaumter Gerichtstermine – wie hier –
keine Terminsgebühr entstehen lassen können, weil es sich bei einem solchen Gespräch, das ein bestimmtes gerichtliches Verfahren – hier die asylrechtliche Klage im Verfahren M 31 K 17.41982 – zum Gegenstand hat und außerhalb eines Gerichtstermins stattfindet, nicht um eine außergerichtliche Besprechung handelt (vgl. zutreffend z.B. OLG Brandenburg, B.v. 17.9.2019 – 9 WF 217/19 – juris Rn. 5 f.; OVG Bremen, B. v. 24.4.2015 – 1 S 250/14 – juris Rn. 12). Soweit in der Literatur hierzu auch eine andere Auffassung vertreten wird (vgl. insbesondere Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl. 2019, Vorbemerkung 3 VV-RVG, Rn. 193p ff.), ist dieser mit Blick auf den eindeutigen Wortlaut der Vorschrift, die ausdrücklich auf außergerichtliche Termine und Besprechungen abstellt, nicht zu folgen (vgl. VG München, B.v. 3.4.2019 – M 17 M 19.75 – juris Rn. 22 f.).
2. Die Voraussetzungen für die Entstehung einer Erledigungsgebühr nach Nr. 1003 i.V.m. Nr. 1002 VV-RVG liegen ebenfalls nicht vor. Diese Gebühr entsteht dann, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Das Gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt.
Hintergrund und Rechtfertigung für diese zur Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV-RVG) hinzutretende Gebühr ist, dass ein Rechtsanwalt, der besondere Mühe darauf verwandt hat, die aus einem Verwaltungsakt folgende Belastung von seinem Mandanten abzuwenden, ohne es auf eine gerichtliche Entscheidung ankommen zu lassen, im Erfolgsfalle dem Mandanten in besonderer Weise genützt hat, weil er ihm die mit einem Prozess verbundene Unsicherheit sowie den Zeit- und Kostenaufwand erspart (vgl. aktuell z.B. BayVGH, B.v. 5.4.2017 – 19 C 15.1844 – juris Rn. 16 m.w.N.).
Eine Mitwirkung bei der Erledigung i.S.d. Nr. 1002 VV-RVG setzt mithin eine besondere, auf Beilegung des Rechtsstreits ohne gerichtliche Entscheidung gerichtete Tätigkeit des Bevollmächtigten voraus, die zur Erledigung nicht unwesentlich beigetragen hat. Der Bevollmächtigte muss die Erledigung dabei nicht überwiegend oder allein herbeigeführt, sondern lediglich einen nicht ganz unerheblichen oder untauglichen Beitrag dazu geleistet haben. Dies ist dann der Fall, wenn seine Tätigkeit nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass es zu einer streitigen Erledigung des Rechtsstreits gekommen wäre. Dabei muss die anwaltliche Mitwirkung bei der Erledigung in einer besonderen Tätigkeit des Bevollmächtigten liegen, die über die bereits mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV-RVG abgegoltene Einlegung und Begründung hinausgeht und auf die Beilegung des Rechtsstreits ohne streitige Entscheidung gerichtet ist. Eine Tätigkeit eines Bevollmächtigten, die lediglich auf die allgemeine Verfahrensförderung gerichtet ist, reicht hingegen nicht aus (vgl. BayVGH, aaO Rn. 17 m.w.N.).
Ist ein Rechtsstreit durch die Änderung oder Aufhebung eines Verwaltungsakts materiell noch nicht zur Gänze erledigt, so kann sich eine besondere Mitwirkung zwar dadurch ergeben, dass der Bevollmächtigte beispielsweise durch die Beratung des Mandanten diesen mit dem Ziel einer endgültigen Beilegung des Rechtsstreits dazu bewegt, sich mit einem solchen Teilerfolg zufrieden zu geben (vgl. BayVGH,aaO Rn. 18). Dazu bedarf es jedoch gerade einer besonderen Verfahrensförderung und -mitwirkung. Von einer Erledigung der Rechtssache durch anwaltliche Mitwirkung ist regelmäßig dann nicht auszugehen, wenn bei einem teilbaren Verwaltungsakt – wie hier bei dem im Ausgangsverfahren M 31 K 17.41982 streitbefangenen Asylerstbescheid des Antragsgegners vom 11. Mai 2017 der Fall – hinsichtlich eines Teils die Hauptsache durch Einlenken der Behörde nach einem Hinweis des Gerichts erledigt wurde – vorliegend erfolgte dies hinsichtlich der Zuerkennung des nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG und Aufhebung der Nebenentscheidungen (Abschiebungsandrohung, Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes) durch Abhilfebescheid vom 24. August 2020 – und bezüglich des anderen Teils der Rechtsanwalt auf seinen Mandanten im Wege der Beratung einwirkt, das Verfahren trotz des insoweit fehlenden Einlenkens der Behörde für erledigt zu erklären bzw. zurückzunehmen.
So liegt der Fall auch hier. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze ist keine besondere Mitwirkung der Bevollmächtigten des Antragstellers bei der Verfahrensbeendigung über die Abgabe der Erledigterklärung, die allgemeine Beratungspflicht gegenüber dem Mandanten und die allgemeine Verfahrensförderung hinaus erkennbar, die bereits durch die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV-RVG abgegolten ist. Zunächst zutreffend weisen die Bevollmächtigten des Antragstellers zwar darauf hin, dass das mit dem Vorsitzenden geführte Telefonat sowie die Abstimmung mit dem Betreuer des Antragstellers über die (vollständige) Erledigung des Rechtsstreits nicht hinweggedacht werden können, ohne dass die eingetretene Erledigung des Rechtsstreits entfiele. Jedoch handelt es sich bei diesen Tätigkeiten, auch wenn sie mitursächlich für die vollständige Erledigung des Rechtsstreits gewesen waren, um keine besondere Mitwirkung, die über die allgemeine Mandantenberatung und Verfahrensförderung hinausgeht. Hauptursächlich und letztlich ausschlaggebend für die Herbeiführung des erledigenden Ereignisses war vielmehr die gerichtliche Bitte um Stellungnahme vom 24. Februar 2020 gegenüber der Antragsgegnerin zu den im Betreuungsverfahren des Antragstellers gewonnenen Erkenntnissen seiner psychischen Gesundheit. Die Vorlage von Unterlagen – hier die mit Schriftsatz der Bevollmächtigten vom 20. Februar 2020 bei Gericht eingereichten Dokumente (Betreuungsbeschluss vom 3.2.2020, ärztliches Gutachten vom 15.12.2019) -, die sich im Besitz und in der Sphäre des Rechtsschutzsuchenden befinden, gehört zur Begründung des Klageanspruchs zu den allgemeinen, von einem Rechtsanwalt im Rahmen seiner Beauftragung ohne weiteres zu erwartenden Tätigkeit. Gleiches gilt für die Abstimmung mit dem Betreuer des Antragstellers hinsichtlich der vollständigen Erledigung des Rechtsstreits. Die Bemühungen, den Mandanten bzw. seinen Betreuer von einer vollständigen Erledigterklärung zu überzeugen, sind von der allgemeinen Beratungs- und Verfahrensförderungspflicht des Rechtsanwalts umfasst. Eine besondere, zwischen den Beteiligten erarbeitete Beendigung des Rechtsstreits lag nicht vor. Vielmehr wurde die vom Gericht mit der an die Antragsgegnerin gerichteten Bitte um Stellungnahme vom 24. Februar 2020 dieser letztlich angesonnenen Teilabhilfe mit Bescheid vom 24. August 2020 unter Zuerkennung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG auch umgesetzt. Der Antragsteller hat sodann unter Aufgabe seines ursprünglichen weiteren Begehrens, sinngemäß gerichtet auch auf Zuerkennung der Asylberechtigung, des Flüchtlingsschutzes und hilfsweise des subsidiären Schutzstatus, die Sache für erledigt erklärt. Insbesondere ist hierbei – wie bereits ausgeführt – zu berücksichtigen, dass zwischen den Verfahrensbeteiligten keine direkten Gespräche oder Verhandlungen stattfanden, sondern die Kommunikation zwischen ihnen ausschließlich über das Gericht erfolgte. Somit führte also maßgeblich gerade die Aktivität des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits herbei, während hingegen ein überobligatorisches Bemühen der Bevollmächtigten des Antragstellers um die Erledigung des Rechtsstreits nicht inmitten stand. Auch in der sodann mit Schriftsatz vom 21. September 2020 erfolgten Abgabe einer Prozesserklärung, wie sie die Erledigungserklärung darstellt, liegt schließlich keine besondere Tätigkeit des Rechtsanwalts, die über die allgemeine Verfahrensförderung hinausginge (vgl. BayVGH, aaO, Rn. 19f.; VG München, aaO. Rn. 28 f.).
Der Antragsteller hat die Kosten des Erinnerungsverfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO). Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG; vgl. zur Anwendbarkeit dieser Vorschrift aktuell BayVGH, B.v. 8.5.2020 – 13a C 20.30391 – juris).


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