Arbeitsrecht

Ersatz eines Steuerprogressionsschadens durch Besoldungsnachzahlung nach rechtswidriger Ruhestandsversetzung

Aktenzeichen  W 1 K 17.465

Datum:
16.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 1023
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBG Art. 58 Abs. 4 S. 1, Abs. 5 S. 2, Art. 66 Abs. 2 S. 3, S. 4

 

Leitsatz

Nach dem das Besoldungs- und Versorgungsrecht prägenden Bruttoprinzip ist der Dienstherr mit der Auszahlung der nach einer Ruhestandsversetzung auf das Ruhestandsniveau abgesenkten Bruttobezüge und der nach Aufhebung der Ruhestandsversetzung erfolgten Nachzahlung des noch offenen Bruttobetrages der Dienstbezüge in einem Betrag seinen Pflichten vollständig und abschließend nachgekommen, so dass eine nachteilige Steuerprogressionswirkung in die Sphäre des Beamten fällt (ebenso BayVGH BeckRS 2007, 29683; VG München BeckRS 2003, 28775 Rn. 20) und keinen ersatzfähigen Schaden darstellt. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren abgetrennt und unter dem neuen Aktenzeichen W 1 K 18.70 eingestellt.
Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Soweit der Kläger die Klage in der mündlichen Verhandlung in Höhe von 1.713,81 EUR zurückgenommen hat, wurde das Verfahren gemäß § 93 Satz 2 VwGO abgetrennt und unter dem Az. W 1 K 18.70 eingestellt, § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Im Übrigen ist die Klage zwar zulässig, jedoch unbegründet. Der Kläger hat hinsichtlich des geltend gemachten Steuerschadens infolge höherer Progression aufgrund einer Besoldungsnachzahlung nach einer aufgehobenen Ruhestandsversetzung weder einen Anspruch auf Schadensersatz aus einer Fürsorgepflichtverletzung noch aus anderen Rechtsgründen.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ersatz des geltend gemachten Steuerprogressionsschadens aus der Verletzung der Fürsorgepflicht (§ 45 BeamtStG). Nach ständiger Rechtsprechung setzt ein derartiger Anspruch eines Beamten gegen den Dienstherrn voraus, dass der Dienstherr gegenüber dem Beamten rechtswidrig und schuldhaft seine Fürsorgepflicht verletzt hat, dieses Verhalten einen bezifferbaren Schaden adäquat kausal herbeigeführt hat und der Beamte seiner Schadensabwendungspflicht nach § 839 Abs. 3 BGB nachgekommen ist (vgl. BVerwG, B.v. 3.11.2014 – 2 B 24/14 – juris; BayVGH, B.v. 2.4.2015 – 6 ZB 13.2560 – juris; Weiss/Niedermaier/Summer/ Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Bd. I, § 45 BeamtStG, Rn. 50 ff.). Die vom Dienstherrn wahrzunehmende Fürsorgepflicht umfasst u.a. eine Schutzpflicht gegenüber seinen Beamten dergestalt, die sich aus dem Beamtenverhältnis ergebenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften einzuhalten sowie Schäden von deren Rechtsgütern abzuwenden (vgl. BVerfG, B.v. 15.12.1976 – 2 BvR 841/73, NJW 1977, 1189; BVerwG, U.v. 19.11.2015 – 2 A 6/13 – juris: Berücksichtigung der wohlverstandenen Interessen des Beamten; BeckOK, BeamtR Bund, Badenhausen-Fähnle, § 45 BeamtStG Rn. 9).
Dies zugrunde gelegt ist zwar eine schuldhafte Fürsorgepflichtverletzung vorliegend dadurch gegeben, dass der Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 19. November 2008 rechtswidrig in den Ruhestand versetzt hat, wie durch Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 23. Februar 2010 rechtskräftig feststeht. Der Beklagte hat demgemäß die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Ruhestandsversetzung nicht eingehalten, indem er seiner Verpflichtung nach § 26 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 BeamtStG bzw. Art. 56 Abs. 4 BayBG a.F. zur Suche nach vorrangigen anderweitigen Verwendungsmöglichkeiten für den Kläger vor dessen Ruhestandsversetzung nicht nachgekommen ist. Dieses die Fürsorgepflicht verletzende Verhalten ist darüber hinaus auch fahrlässig und damit schuldhaft, §§ 276, 278 BGB analog, erfolgt. Auch dies ergibt sich hinreichend deutlich aus den Entscheidungsgründen des o.g. Urteils des Verwaltungsgerichts Würzburg (vgl. dort S. 16), worin ausgeführt wird, dass eine andere Verwendungsmöglichkeit im Sinne des § 26 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 BeamtStG überhaupt nicht geprüft worden sei. Die Überprüfung habe sich offensichtlich auf die Frage der Rückkehrmöglichkeit an den alten Arbeitsplatz und eine mögliche Versetzung auf einen vergleichbaren Arbeitsplatz bei einer anderen Dienststelle beschränkt. Bei dieser Sachlage ist die erkennende Kammer von einer in fahrlässiger Weise erfolgten Fürsorgepflichtverletzung überzeugt. Dem kann vom Beklagten auch nicht mit Verweis auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts entgegengehalten werden, dass die Fürsorgepflicht keine allgemeine Rechtsgrundlage für einen Anspruch des Beamten auf Ersatz von Vermögensnachteilen darstelle, die durch rechtswidrige Maßnahmen des Dienstherrn veranlasst worden seien (vgl. BVerwG, U.v. 21.12.2000 – 2 C 39/99 – beck online). Denn diese Entscheidung ist mit dem hier vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar, sondern bezieht sich auf den speziellen Bereich der Fürsorge in Krankheitsfällen, der durch spezialgesetzliche Vorschriften des Landesgesetzgebers abschließend geregelt ist. In derartigen Fällen ist ein Rückgriff auf die Generalklausel der Fürsorgepflicht ausgeschlossen, um die durch Spezialvorschriften im Einzelnen nach Art und Umfang begrenzten Ansprüche nicht zu erweitern (vgl. BVerwG, a.a.O.). Ein solcher Fall liegt hier jedoch ersichtlich nicht vor.
Inwieweit darüber hinaus die erforderliche adäquate Kausalität zwischen der Fürsorgepflichtverletzung und dem geltend gemachten Steuerschaden gegeben ist, insbesondere, ob in diesem Zusammenhang der Schutzzweck der Fürsorgepflicht in Verbindung mit der gesetzlich angeordneten teilweisen Einbehaltung der aktiven Dienstbezüge und deren Nachzahlung im Falle der Rechtswidrigkeit der Ruhestandsversetzung (Art. 66 Abs. 2 Satz 3, 4 BayBG bzw. Art. 58 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 Satz 2 BayBG a.F.) dem hier geltend gemachten Schaden entgegensteht, und der Kläger seiner Schadensabwendungspflicht nachgekommen ist, bedarf vorliegend indes keiner Entscheidung, da dem Kläger kein ersatzfähiger Schaden entstanden ist. Dies ergibt sich aus dem das Besoldungs- und Versorgungsrecht prägenden Bruttoprinzip, wonach bei der Festsetzung der Dienst- und Versorgungsbezüge, aber auch bei der Rückforderung zu viel gezahlter Bezüge sowie sonstigen besoldungs- und versorgungsrechtlich relevanten Einkünften jeweils auf den Bruttobetrag abzustellen ist, es sei denn, der Gesetzeswortlaut sieht ausdrücklich die Berücksichtigung des Nettobetrages vor (vgl. BVerwG, U.v. 3.11.2005 – 2 C 16/04; U.v. 9.5.2006 – 2 C 12/05; BayVGH, B.v. 10.7.2008 – 3 ZB 07.1793; B.v. 18.4.2007 – 3 ZB 03.2728 – jeweils juris). Da aus Art. 66 Abs. 2 Satz 3, 4 BayBG sowie dem bis zum 31. Dezember 2010 anwendbaren Art. 58 Abs. 4 Satz 1, Abs. 5 Satz 2 BayBG a.F. die Berücksichtigung von Nettobeträgen nicht zu entnehmen ist, verbleibt es in diesem Zusammenhang beim Grundsatz des Bruttoprinzips. Dies wiederum hat zur Folge, dass der Dienstherr mit der Auszahlung der zunächst auf das Ruhestandsniveau abgesenkten Bruttobezüge und der späteren Nachzahlung des noch offenen Bruttobetrages der Dienstbezüge in einem Betrag seinen Pflichten vollständig und abschließend nachgekommen ist. Die Sphäre des Dienstherrn endet mit der Auszahlung des Bruttobetrages; allein hierauf besteht ein Anspruch seitens des Beamten. Die sodann im Nachgang eintretenden steuerrechtlichen Folgen treffen den Beamten (vgl. BayVGH, B.v. 18.4.2007 – 3 ZB 03.2728 – juris; VG München, U.v. 15.7.2003 – M 5 K 02.4236 – juris). Vor diesem Hintergrund verbietet es sich, zur Begründung des Schadens vorliegend auf die infolge der steuerrechtlichen Progressionswirkung höhere Einkommensteuerbelastung bei Einbehaltung und Nachzahlung eines Teils der Dienstbezüge gegenüber der geringeren Steuerbelastung bei fortlaufender Zahlung der vollen aktiven Dienstbezüge abzustellen. Denn diese Betrachtungsweise geht davon aus, dass dem Kläger ein bestimmter Nettobetrag zu verbleiben hat bzw. nur eine bestimmte Gesamtsteuersumme für die betroffenen Jahre rechtmäßig ist, was sich mit dem geltenden Bruttoprinzip gerade nicht vereinbaren lässt. Vielmehr verbleibt eine nachteilige Steuerprogressionswirkung wie im vorliegenden Falle bei dem Beamten. Dies erscheint zudem vor dem Hintergrund sachgerecht, dass die tatsächliche Steuerbelastung und damit die jeweils spezifische Progressionswirkung sowie letztlich auch die Höhe eines geltend gemachten Steuerschadens stets von den vielfältigen individuellen steuerrechtlichen Veranlagungsmerkmalen und Gesamtumständen des jeweiligen Beamten abhängt; diese liegen aber allein in der Sphäre des Beamten und nicht des Dienstherrn. Ein Schadensersatzanspruch aufgrund einer Fürsorgepflichtverletzung ist daher hier mangels eines ersatzfähigen Schadens ausgeschlossen.
Der geltend gemachte Schaden ist darüber hinaus aus den dargelegten Erwägungen auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Amtshaftungsanspruchs, eines Folgenbeseitigungsanspruchs oder eines Schadensersatzanspruchs aus Schuldnerverzug, §§ 280 Abs. 2, 286 BGB analog, ersatzfähig. Ein Amtshaftungsanspruch scheitert darüber hinaus daran, dass dessen Prüfung gemäß Art. 34 Satz 3 GG allein den ordentlichen Gerichten vorbehalten ist. Ein Folgenbeseitigungsanspruch kann überdies nur auf die Wiederherstellung des durch einen rechtswidrigen hoheitlichen Eingriff veränderten rechtmäßigen Zustands gerichtet sein, der im Zeitpunkt des Eingriffs bestand. Er ermöglicht keinen Ausgleich für Schäden, die durch rechtswidriges Verwaltungshandeln verursacht worden sind (vgl. BVerwG, U.v. 21.9.2000 – 2 C 5/99 – juris; BayVGH, B.v. 18.4.2007 – 3 ZB 03.2728 – juris). Ein Schadensersatzanspruch wegen Schuldnerverzugs scheitert zusätzlich daran, dass die Regelungen der §§ 286 ff. BGB über den Verzug im öffentlichen Recht – zumindest im Bereich gesetzlicher Ansprüche wie vorliegend – generell nicht entsprechend anwendbar sind (vgl. BVerwG, U.v. 20.9.2001 – 5 C 5/00 – juris; U.v. 22.3.1990 – 2 C 33/87 – juris).
Nach alledem war die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung ergibt sich für das Verfahren W 1 K 18.70 aus § 155 Abs. 2 VwGO und im Verfahren W 1 K 17.465 aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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