Arbeitsrecht

Fehlerhafte Rechtsfolgenbelehrung in einer Meldeaufforderung

Aktenzeichen  S 8 AS 1046/15

Datum:
1.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 53843
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB II § 31b, § 32, § 59
SGB III § 309

 

Leitsatz

1. Eine Rechtsfolgenbelehrung, die den Regelungsgehalt des § 309 SGB III nur unvollständig wiedergibt, insbesondere keinen Hinweis auf die Regelung des § 309 Abs. 3 S. 2 SGB II enthält, ist rechtsfehlerhaft. (Rn. 27 – 32) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Minderungsbescheid vom 17.04.2015 sowie der Änderungsbescheid vom 17.04.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.09.2015 werden aufgehoben.
II. Der Minderungsbescheid vom 19.05.2015 sowie der Änderungsbescheid vom 17.04.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2015 werden aufgehoben.
III. Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.
IV. Die Berufung wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Minderungsbescheid nebst Änderungsbescheid vom 17.04.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.09.2015 sowie der Minderungsbescheid nebst Änderungsbescheid vom 19.05.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2015 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten.
Mit diesen Bescheiden stellte der Beklagte die Minderung des Arbeitslosengeldes II für die Klägerin fest und hob für die Monate Mai 2015 bis August 2015 den Bewilligungsbescheid teilweise auf.
Gemäß § 32 Abs. 1 SGB II ist das Arbeitslosengeld II jeweils um 10 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs zu mindern, wenn der Leistungsberechtigte trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis einer Aufforderung des zuständigen Trägers, sich bei ihm zu melden, nicht nachkommt. Dies gilt nicht, wenn Leistungsberechtigte einen wichtigen Grund für ihr Verhalten darlegen und nachweisen.
Der Minderungszeitraum beträgt laut § 31b Abs. 1 S.3 SGB II drei Monate und beginnt entsprechend § 31b Abs. 1 S. 1 SGB II mit Beginn des Kalendermonats, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes folgt, der die Pflichtverletzung und den Umfang der Minderung der Leistung feststellt.
Die Klägerin hat für die Termine am 05.03.2015 und 02.04.2015 keine wirksame Meldeaufforderung erhalten. Die Aufforderungen vom 18.02.2015 und 09.03.2015, sich bei dem Beklagten zu melden waren nicht mit einer ausreichenden Belehrung über die Rechtsfolgen versehen. Die Belehrung enthält nur einen Hinweis auf § 309 SGB III. Nach § 59 SGB II ist § 309 SGB III entsprechend anzuwenden. Darauf, dass die Klägerin ihrer Pflicht zur Meldung gemäß § 309 Abs. 3 S. 2 SGB III auch dann nachkommen könnte, wenn sie sich zu einer anderen Zeit am selben Tag meldet und der Zweck der Meldung erreicht wird, wurde nicht hingewiesen. Das der Klägerin dies bekannt war ist weder vorgetragen noch erkennbar.
Ein Leistungsberechtigter kann einer Aufforderung zur Meldung nur nachkommen, wenn er vor dem Meldetermin von der Regelung des § 309 Abs. 3 S. 2 SGB II informiert wurde, soweit er keine Kenntnis hiervon hat (vgl. SG Leipzig, Beschluss vom 09.09.2016, Az.: S 22 AS 2098/16 ER).
Gemäß § 32 Abs. 1 S. 1 SGB II ist lediglich eine schriftliche Belehrung über die Rechtsfolgen erforderlich. Allerdings hat der Beklagte sich in seiner mit Rechtsfolgenbelehrung überschriebenen schriftlichen Belehrung nicht auf Ausführungen zu den Rechtsfolgen beschränkt, sondern folgendes ausgeführt:
„Eine Verletzung der Meldepflicht nach § 59 SGB II i.V.m. § 309 SGB III liegt vor, wenn Sie der Aufforderung Ihres zuständigen Jobcenters, sich persönlich zu melden oder zu einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, nicht nachkommen.“
Der Regelungsgehalt des § 309 SGB III ist in der Belehrung unvollständig wiedergegeben. Der schlichte Hinweis auf § 309 SGB III genügt nicht. Denn es ist mit dem Zweck einer Rechtsfolgenbelehrung nicht zu vereinbaren, dass deren Inhalt nur unter Heranziehung des Gesetzestextes zu erschließen ist (BSG, Urteil vom 17.12.2009, Az.: B 4 AS 30/09 R). Zudem vermittelt die weitere Erläuterung in der behördlichen Belehrung, dass die Angabe, wann eine Verletzung der Meldepflicht vorliegt abschließend ist. Es ergibt sich der Anschein, dass die Meldepflicht bereits mit Verstreichen der im Einladungsschreiben genannten Uhrzeit an dem Meldetag verletzt wurde und ein späteres Erscheinen in den Räumen des Beklagten hieran nichts ändert.
Der Hinweis auf § 309 Abs. 3 S. 2 SGB III ist auch nicht erst bei einem entsprechenden Anlass zu erteilen (vgl. SG Leipzig, Beschluss vom 09.09.2016, Az.: S 22 AS 2098/16 ER). Dem Leistungsberechtigten muss in dem Zeitpunkt, in welchem ihm die Meldeaufforderung zugeht klar sein, welches Verhalten von ihm verlangt wird und wie er seinen Pflichten nachkommen kann.
Die Rechtsfolgenbelehrung war daher rechtsfehlerhaft.
Soweit für die Monate Mai 2015 bis August 2015 Leistungen aufgehoben wurden gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 40 Abs. 1 S. 1 SGB X ist die Entscheidung rechtswidrig, da keine wesentliche Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X eingetreten ist.
Mit der Aufhebung der Minderungsbescheide und der hierzu ergangenen Änderungsbescheide in Gestalt der jeweiligen Widerspruchsbescheide lebt die ursprüngliche Bewilligung wieder auf.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 193 Abs. 1 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens.
Die Berufung war nach § 144 SGG nicht zuzulassen. Gründe für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor.


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben