Arbeitsrecht

Kein Anspruch auf die Leistung weiterer Beihilfe für IRE-Behandlung bei Prostatakrebs

Aktenzeichen  AN 1 K 17.00461

Datum:
13.6.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 116104
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBG Art. 96 Abs. 2 S. 1, Abs. 5
BayBhV § 1 Abs. 2 S. 1, § 7 Abs. 1 S. 1
GOÄ § 5 Abs. 1 S. 1, § 6 Abs. 2
BeamtStG § 45

 

Leitsatz

1 Die Tumorbehandlung mittels IRE-NanoKnife-Technik bei Prostatakrebs ist in der GOÄ nicht abgebildet und gemäß § 6 Abs. 2 GOÄ analog einer vorhandenen GOÄ-Ziffer abzurechnen; der 21-fache Gebührensatz ist der Höhe nach nicht angemessen (Rn. 45 – 46). (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Beihilferegelungen stellen ein Erstattungssystem dar, das sich auf die Beurteilung der Erstattungsfähigkeit tatsächlich in Anspruch genommener Aufwendungen beschränkt, weshalb eine Beihilfegewährung unter hypothetischen Gesichtspunkten nicht in Betracht kommt. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Bescheid des Landesamts für Finanzen – Dienststelle … – Bezügestelle Beihilfe – vom 22. März 2016 und der Widerspruchsbescheid des Landesamts für Finanzen – Dienststelle … – Bezügestelle Beihilfe 1 – vom 13. März 2017 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO).
Der Kläger hat keinen Rechtsanspruch auf die Leistung weiterer Beihilfe in der von ihm beantragten Höhe von 4.284,07 EUR hinsichtlich der Rechnung des Prof. Dr. … … vom 16. März 2016, da diesbezüglich die Voraussetzungen für eine Beihilfefähigkeit nicht vorliegen und der hierdurch bewirkte Beihilfeausschluss rechtmäßig ist.
Ein Beihilfeanspruch des Klägers für diesen Rechnungsbetrag ergibt sich nicht aus Art. 96 BayBG i.V.m. §§ 1 Abs. 2 Satz 1, 7 Abs. 1 Satz 1 BayBhV.
Nach Art. 96 Abs. 2 Satz 1 BayBG erhalten Beamte Beihilfeleistungen zu den nachgewiesenen medizinisch notwendigen und angemessenen Aufwendungen in Krankheits-, Geburts- und Pflegefällen und zur Gesundheitsvorsorge. Nach § 7 Abs. 1 der gemäß Art. 96 Abs. 5 BayBG hierzu erlassenen Bayerischen Beihilfeverordnung sind Aufwendungen „nach den folgenden Vorschriften“ beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach medizinisch notwendig sowie der Höhe nach angemessen sind und ihre Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist.
Vorliegend kann dahinstehen, ob eine Beihilfegewährung für die dem Kläger durch das Prof. Dr. … in Rechnung gestellten ärztlichen Leistungen bereits deswegen ausgeschlossen ist, da die beim Kläger zur Behandlung des Prostatakarzinoms angewandte irreversible Elektroporation (IRE) keine wissenschaftlich anerkannte Methode zur Behandlung von Prostatakarzinomen darstellt und deswegen bereits dem Grunde nach medizinisch nicht notwendig ist (so VG Stuttgart, U.v. 26.11.2015, 1 K 926/15 bei juris; LSG Baden-Württemberg, U.v.27.7.2016, L 5 KR 442/16 bei juris – vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayBhV).
Nach Auffassung der Kammer scheitert eine weitere Beihilfegewährung jedenfalls daran, dass der mit Rechnung des Prof. Dr. … vom 16. März 2016 mit dem 21-fachen Faktor angesetzten Betrag (7.344,12 EUR) für eine extrakorporale Stoßwellenlithotripsie (IRE) der Höhe nach nicht angemessen ist (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayBhV).
Dies folgt bereits aus der Abrechnungspraxis des Universitätsklinikums … für eine Tumorbehandlung mittels IRE-Nanoknife-Technik bei Prostata-CA, wonach analog der GOÄ-Ziffer 1778 gemäß § 6 Abs. 2 GOÄ 377,41 EUR mit dem Faktor 3,5 in Rechnung gestellt werden (vgl. Schreiben des Universitätsklinikums …, …, Patientenabrechnung, vom 10.1.2017, Bl. 57 der Beihilfeakte). Diese Vorgehensweise erscheint nachvollziehbar, da die entsprechende Leistung in der GOÄ nicht abgebildet ist und daher gemäß § 6 Abs. 2 GOÄ analog einer vorhandenen GOÄ-Ziffer abgerechnet wird, so dass sich nach dem Grundsatz des § 5 Abs. 1 Satz 1 GOÄ die Höhe der einzelnen Gebühren nach dem Einfachen bis Dreieinhalbfachen des Gebührensatzes bemisst.
Hiervon abgesehen hat im vorliegenden Falle der Beklagte durch die auf entsprechende Anfrage des Klägers hin ergangene Mitteilung der damals für diesen zuständigen Dienststelle … – Bezügestelle Beihilfe – des Landesamts für Finanzen vom 19. Februar 2016 in aller Deutlichkeit klargestellt, dass für die geplante NanoKnife (IRE)-Behandlung des Klägers maximal bei Begründung der 3,5-fache und nicht der 21,0-fache Faktor anerkannt werden könne und somit dem Kläger Gelegenheit gegeben, sich darauf einzustellen. Dieser Hinweis des Dienstherrn hat nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. U.v. 28.10.2004, 2C 34/03, bei juris Rn. 17) eine Warnfunktion, die den Beihilfeberechtigten zu einer besonders sorgfältigen Prüfung der ärztlichen Abrechnung veranlassen soll, weil er davon ausgehen muss, dass die Honorarforderung von der Beihilfestelle in dem fraglichen Umfang nicht als angemessen anerkannt werden wird. Der Beihilfeberechtigte muss in Kauf nehmen, die vom Arzt geltend gemachte Forderung im Rechtsweg klären zu lassen, um entweder die Zahlung an den Arzt berechtigt zu verweigern oder um nach Klärung der zivilrechtlichen Vorfrage seine Beihilfeansprüche durchzusetzen. Aufgrund der eindeutigen Mitteilung des Beklagten vom 19. Februar 2016 an den Kläger muss daher vorliegend die Beihilfe nicht auf der Grundlage der mit dem 21-fachen Faktor in Rechnung gestellten überhöhten Arztabrechnung vom 16. März 2016 bewilligt werden (vgl. BVerwG a.a.O.).
Im Übrigen wäre es dem Kläger zuzumuten gewesen, sich nach Erhalt der Mitteilung des Landesamts für Finanzen – Dienststelle … – Bezügestelle Beihilfe – vom 19. Februar 2016 an andere Kliniken, beispielsweise an das Universitätsklinikum … zu wenden, um die dortigen Konditionen einer IRE-Behandlung und deren Abrechnungsmodalitäten in Erfahrung zu bringen.
Die Ablehnung der weitergehenden Beihilfeleistung verletzt im Falle des Klägers auch nicht die Fürsorgepflicht (§ 45 BeamtStG). Die Beihilferegelungen sind selbst eine Konkretisierung der Fürsorgepflicht, so dass Ansprüche aus dieser Pflicht des Dienstherrn nur abgeleitet werden können, wenn sonst die Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern verletzt wäre (BVerwG, U.v. 10.6.1999 – 2 C 29/98, juris Rn. 22 m.w.N.). Ihrem Wesen nach ist die Beihilfe eine Hilfeleistung, die zu der zumutbaren Eigenvorsorge des Beamten in angemessenem Umfang hinzutritt, um ihm seine wirtschaftliche Lage in einer der Fürsorgepflicht entsprechenden Weise durch Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln zu erleichtern. Dabei ergänzt die Beihilfe nach der ihr zugrundeliegenden Konzeption lediglich die Alimentation des Beamten (BVerwG, U.v. 20.3.2008 – 2 C 49.07, juris Rn. 20; vgl. auch VG Bremen, U.v. 10.11.2015 – 2 K 695/14, Rn. 23, juris). Der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten soll auch im Krankheits- und Pflegefall gesichert werden. Dem Dienstherrn ist es daher grundsätzlich nicht verwehrt, im Rahmen der nach medizinischer Einschätzung behandlungsbedürftigen Leiden Unterschiede zu machen und die Erstattung von Behandlungskosten aus triftigen Gründen zu beschränken oder auszuschließen. Denn die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht fordert keine lückenlose Erstattung aller Kosten in Krankheits-, Geburts-, Pflege- und Todesfällen, die durch die Leistungen einer beihilfekonformen Krankenversicherung nicht gedeckt sind. Der Dienstherr muss zwar eine medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung im Krankheitsfall gewährleisten; das bedeutet jedoch nicht, dass er darüber hinausgehender Aufwendungen in jedem Fall erstatten muss.
Die wissenschaftlich als anerkannt geltenden Verfahren sind dabei erstattungsfähig und die vom Kläger gewählte alternative Behandlung wurde im Rahmen des wirtschaftlich Angemessenen übernommen.
Schließlich kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen, er sei für den Beklagten vorteilhaft durch die stattgefundene IRE-Behandlung nur 17 Tage dienstunfähig gewesen, anstatt ca. drei Monate bei der Standardbehandlung, da die Beihilferegelungen ein Erstattungssystem darstellen, das sich auf die Beurteilung der Erstattungsfähigkeit tatsächlich in Anspruch genommener Aufwendungen beschränkt und eine Beihilfegewährung unter hypothetischen Gesichtspunkten nicht in Betracht kommt (vgl. VG Ansbach, U.v. 16.8.2006, AN 15 K 06.00090).
Die Klage war deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 1 VwGO, § 708 Nr. 11 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 124 a Abs. 1 VwGO nicht vorliegen.


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