Arbeitsrecht

Kein Anspruch auf Entschädigung wegen altersdiskriminierender Besoldung

Aktenzeichen  AN 1 K 15.01021

Datum:
7.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AGG AGG § 15, § 24 Abs. 1
BBesG BBesG § 27, § 28

 

Leitsatz

1 Es besteht kein Schadensersatzanspruch (§ 15 Abs. 1 AGG) wegen der altersdiskriminierenden Benachteiligung von Beamten aufgrund ihres Lebensalters durch die Besoldungsordnung A idF vom 6.8.2002. Denn eine unionsrechtskonforme Auslegung dieser Vorschriften mit dem Ergebnis der Einstufung der betroffenen Beamten in eine höhere Dienstaltersstufe zum Ausgleich der ungerechtfertigten (Alters)-Diskriminierung ist nicht möglich (BVerwG BeckRS 2015, 41911).  (redaktioneller Leitsatz)
2 Entschädigungsansprüche wegen altersdiskriminierender Besoldung nach § 15 Abs. 2 AGG müssen für den Zeitraum bis 8. September 2011 bis zum 8. November 2011 geltend gemacht werden (BVerwG BeckRS 2015, 41911).  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens
Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Gegenstand und Ziel der Klage ist nach der maßgeblichen Fassung des Klageantrags in der mündlichen Verhandlung die Verpflichtung des Beklagten, dem Kläger unter Aufhebung des entgegenstehenden Bescheides vom 28. Dezember 2015 eine angemessene Entschädigung wegen altersdiskriminierender Besoldung für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 30. Mai 2012 zu zahlen.
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der (Widerspruchs-)Bescheid des Landesamts für Finanzen – … … – vom 28. Mai 2015 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
Der Kläger hat keinen im Wege der allgemeinen Leistungsklage geltend zu machenden Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung wegen altersdiskriminierender Besoldung für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis 30. Mai 2012.
Dem Kläger steht kein Schadensersatzanspruch auf der Grundlage des § 15 Abs. 1 AGG i.V.m. § 24 Abs. 1 AGG zu.
Ein dem Kläger während des Zeitraums vom 1. Januar 2010 bis 30. Mai 2012 entstandener Schaden wäre möglicherweise in der aus einer damaligen altersdiskriminierenden Ungleichbehandlung resultierenden und sich nunmehr perpetuierenden Differenz zwischen der dem Kläger ab 1. Dezember 2016 gewährten Endstufe 11 seiner Besoldungsgruppe A 14 und der ihm vom 1. Juli 2013 bis zu diesem Zeitpunkt tatsächlich gezahlten Endstufe 10 der Besoldungsgruppe A 14 zu erblicken. Diese Differenz beträgt nach den Angaben des Beklagten im Schriftsatz des Landesamts für Finanzen – … … – vom 4. Mai 2015 im Verfahren AN 1 K 15.00300 139,70 EUR monatlich.
Zwar benachteiligte die Besoldung der Beamten der Besoldungsordnung A nach den §§ 27 und 28 BBesG i.d.F. der Bekanntmachung vom 6. August 2002 (§§ 27 und 28 BBesG a.F., BGBl I S. 3020) Beamte unmittelbar aufgrund ihres Lebensalters.
Denn dieses Besoldungssystem führte zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung i.S.v. Art. 2 Abs. 1 und 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (- RL 2000/78/EG -, ABl L 303 S. 16). Die Besoldungsbedingungen der Beamten der Mitgliedstaaten der EU fallen in den persönlichen Anwendungsbereich dieser Richtlinie (EuGH, U.v. 9.6.2014 – Rs. C-501/12, Specht, NVwZ 2014, 1294 Rn. 42 f.).
Eine entsprechende unionsrechtskonforme Auslegung der §§ 27 und 28 BBesG a.F mit dem Ergebnis der Einstufung der betroffenen Beamten in eine höhere oder gar in die höchste Dienstaltersstufe ihrer Besoldungsgruppe zum Ausgleich dieser ungerechtfertigten (Alters)-Diskriminierung ist jedoch nicht möglich. Die diesem Besoldungssystem innewohnende Ungleichbehandlung gilt für jeden Beamten bei seiner erstmaligen Berufung in ein Beamtenverhältnis, so dass die hieraus resultierende unmittelbare Diskriminierung potenziell alle Beamten betrifft. Es existiert damit bereits kein gültiges Bezugssystem, an dem sich die diskriminierungsfreie Behandlung des Klägers orientieren könnte (BVerwG, U.v. 30.10.2014 – 2 C 6/13 unter Bezugnahme auf EuGH, U.v. 19.6.2014 a.a.O. Rn. 96).
Darüber hinaus würde eine höhere Einstufung des Klägers innerhalb des Systems der §§ 27 und 28 BBesG a.F. zu einer Entwertung der vom Gesetzgeber beabsichtigten Honorierung bereits erworbener Berufserfahrung führen. Nach der Rechtsprechung des EuGH darf die tatsächlich abgeleistete Dienstzeit Anknüpfungspunkt einer besoldungsrechtlichen Differenzierung sein. Der Rückgriff auf das Kriterium des Dienstalters ist in der Regel zur Erreichung des legitimen Ziels geeignet, die Berufserfahrung zu honorieren, die den Arbeitnehmer befähigt, seine Arbeit besser zu verrichten (EuGH, U.v. 3.10.2006, Rs. C-17/05, (Cadman) Slg.2006, I-9583 Rn. 34 ff.). Mit der Höherstufung eines Beamten innerhalb des Systems der §§ 27 und 28 BBesG a.F. zum Ausgleich der Altersdiskriminierung würden aber diejenigen Beamte benachteiligt, die diese höhere Stufe unionsrechtlich zulässig aufgrund ihrer Berufserfahrung erlangt haben (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Bot v. 28.11.2013, Rs. C-501/12, Specht-Rn. 100, BVerwG U.v. 30.10.2014 a.a.O.) Mangels gültigen Bezugssystems kann auch die vom EuGH zur Wahrung des Gleichheitssatzes entwickelte Rechtsprechung, nach der bis zur Abhilfe der Ungleichbehandlung den Angehörigen der benachteiligten Gruppe dieselben Vorteile gewährt werden müssen, wie denjenigen der privilegierten Gruppe (EuGH, U.v. 26.1.1999, Rs. C-18/95, (Terhoeve) Slg. 1999, I-345 Rn. 57 mw.N., U.v. 22.6.2011, Rs. C-399/09, (Landtova) Slg. 2011, I -5573 Rn. 51) nicht angewandt werden (vgl. BVerwG U.v. 30.10.2014 a.a.O.).
Nach alledem ist ein Schadensersatzanspruch des Klägers wegen eines materiellen Schadens nach § 15 Abs. 1 AGG i.V.m. § 24 Nr. 1 AGG ausgeschlossen.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf angemessene Entschädigung wegen Altersdiskriminierung nach 15 Abs. 2 AGG.
Nach Art. 17 der RL 2000/78/EG legen die Mitgliedstaaten die Sanktionen fest, die bei einem Verstoß gegen die einzelstaatlichen Vorschriften zur Anwendung dieser Richtlinie zu verhängen sind, und treffen alle erforderlichen Maßnahmen, um deren Durchführung zu gewährleisten. Dabei müssen die Sanktionen, die auch Schadensersatzleistungen an die Opfer umfassen können, wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Diese Vorgaben sind in § 15 Abs. 2 AGG umgesetzt.
Ohne Bedeutung ist es, dass sich der Kläger im behördlichen wie im gerichtlichen Verfahren nicht ausdrücklich auf § 15 Abs. 2 AGG als Anspruchsgrundlage berufen hat. Das Gericht ist nicht an die vom Kläger bezeichneten Rechtsnormen gebunden, sondern hat den geltend gemachten Anspruch im Rahmen des Streitgegenstandes aus jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen (jura novit curia). Somit ist der Widerspruch des Klägers vom 12. Dezember 2013 „gegen die Besoldungshöhe“ für die Geltendmachung einer angemessenen Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG wegen Altersdiskriminierung ausreichend (vgl. BVerwG, U.v.30.10.2014, juris Rn. 32).
Jedoch hat der Kläger vorliegend die in § 15 Abs. 4 AGG normierte Frist von zwei Monaten zur schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs nach § 15 Abs. 2 AGG nicht eingehalten.
Diese Frist beginnt zu dem Zeitpunkt, in dem der Betreffende von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. Grundsätzlich hat der Beschäftigte Kenntnis von der Benachteiligung, wenn er die anspruchsbegründenden Tatsachen kennt. Dass er aus diesen Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht, ist nicht erforderlich. Von diesem Grundsatz ist eine Ausnahme für den Fall einer unsicheren und zweifelhaften Rechtslage geboten. Der Lauf der Ausschlussfrist beginnt dann zu dem Zeitpunkt, ab dem die Erhebung einer Klage für den Betroffenen zumutbar ist, d.h. die Klage hinreichend aussichtsreich, wenn auch nicht risikolos ist (BAG, U.v. 15.3.2012 – 8 AZR 160/11 – juris Rn. 61; BGH, U.v. 25.2.1999 – IX ZR 30/98 – NJW 1999, 2041 und U.v. 23.9.2008 – XI ZR 262/07 – NJW-RR 2009, 547 Rn. 15 zu dem gleich behandelten Fall des Beginns der Verjährung nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Danach ist in diesen Fällen die objektive Klärung der Rechtslage durch höchstrichterliche Entscheidungen maßgeblich (BGH, U.v. 23.9.2008, a.a.O., Rn. 19).
Die entscheidungserhebliche Rechtslage ist hier durch die Verkündung des Urteils des EuGH in Sachen Hennigs und Mai am 8. September 2011 (C-297/10 und C-298/10 – Slg 2011 I-7965 ff, juris) geklärt worden. Somit müssen Entschädigungsansprüche wegen altersdiskriminierender Besoldung nach § 15 Abs. 2 AGG für den Zeitraum bis 8. September 2011 bis zum 8. November 2011 geltend gemacht werden (§ 15 Abs. 4 AGG; BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014, a.a.O. juris LS 7, Rn. 51 ff.; OVG Schleswig Holstein, B.v. 20.2.2017, 2 LA 86/16).
Der Kläger hätte folglich Ansprüche auf Entschädigung für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis 30. Mai 2012 bis spätestens 8. November 2011 (für die Zeit bis 8.9.2011) bzw. spätestens am 30. Juli 2012 geltend machen müssen.
Dem Kläger steht auch kein unionsrechtlicher Schadensersatzanspruch zu Der unionsrechtliche Staatshaftungsanspruch bedarf, wie alle Ansprüche, deren Festsetzung und Zahlung sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, einer vorherigen Geltendmachung (BVerwG, Urteile vom 17. September 2015 – 2 C 26.14, juris Rn. 26 f.; zum beamtenrechtlichen Schadensersatzanspruch: BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 – 2 C 29.11, juris Rn. 27). Denn hier ist eine vorgängige Entscheidung über Grund und Höhe der begehrten Zahlung erforderlich (OVG Schleswig Holstein, B.v. 20.2.2017, a.a.O.).
Der unionsrechtliche Staatshaftungsanspruch besteht jedoch erst ab dem Folgemonat der Antragstellung (BVerwG, U.v. 17.9.2015 a.a.O.) und ist somit in die Zukunft gerichtet. Vorliegend wurde der Antrag konkludent erstmals durch den Widerspruch des Klägers „gegen die Besoldungshöhe“ vom 12. Dezember 2013 gestellt. Damit sind alle Ansprüche aus den Jahren 2010 bis einschließlich und insbesondere auch für den hier geltend gemachten Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis 30. Mai 2012 ausgeschlossen.
Nach alledem war die Klage daher insgesamt abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11. ZPO.
Gründe, die Berufung nach § 124 a VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.


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