Arbeitsrecht

Kostenerinnerung, Erstattungsfähigkeit von Kosten im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO, Dieselbe Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinn

Aktenzeichen  B 9 M 21.50030

Datum:
25.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 46887
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 165
VwGO § 151
VwGO § 80 Abs. 7
RVG § 15
RVG § 16 Nr. 5

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Erinnerung wird zurückgewiesen
2. Das Verfahren über die Erinnerung ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrte im Verfahren B 9 S 20.50170 gemäß § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage im Verfahren B 9 K 20.50171 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin und Erinnerungsgegnerin vom 27. Mai 2020. Mit Beschluss des Einzelrichters vom 30. Juni 2020 wurde der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung im Verfahren B 9 S 20.50170 als unzulässig abgelehnt und dem Antragsteller die Verfahrenskosten auferlegt, nachdem die Antragsgegnerin zuvor mit Schriftsatz vom 18. Juni 2020 mitgeteilt hatte, dass die Vollziehung der Abschiebungsanordnung im streitgegenständlichen Bescheid ausgesetzt werde.
Die Antragsgegnerin im Verfahren B 9 S 20.50170 teilte mit Schriftsatz vom 31. Juli 2020 mit, dass die Aussetzung der Vollziehung widerrufen werde. Mit Beschluss vom 2. September 2020 (B 9 S 20.50202) wurde daraufhin auf Antrag des Antragstellers und Erinnerungsführers der Beschluss vom 30. Juni 2020 gemäß § 80 Abs. 7 VwGO abgeändert und die aufschiebende Wirkung seiner Klage angeordnet. Die Verfahrenskosten für dieses Verfahren wurden der Antragsgegnerin auferlegt.
Der Erinnerungsführer beantragte mit Schriftsatz vom 11. September 2020 die Festsetzung seiner Gebühren und Auslagen nach § 614 VwGO für das Verfahren B 9 S 20.50202 in Höhe von 326,31 € (1,3 Verfahrensgebühr, Post- und Telekommunikationspauschale sowie 16% Umsatzsteuer).
Mit Beschluss vom 11. Dezember 2020 lehnte der Urkundsbeamte des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth den Antrag auf Kostenfestsetzung ab. Der maßgebliche Gebührenanspruch sei in der Kostengrundentscheidung des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO (B 9 S 20.50170) entstanden; dort seien dem Antragsteller die Verfahrenskosten auferlegt worden. Die geltend gemachten Kosten könnten daher nicht im Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO beansprucht werden. Für das Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO könne der Rechtsanwalt, der schon im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO tätig gewesen sei, nicht erneut Gebühren verlangen. Die Kostengrundentscheidung des Beschlusses nach § 80 Abs. 5 VwGO bleibe unberührt. Bei beiden Verfahren handele es sich gem. § 16 Nr. 5 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) gebührenrechtlich um dieselbe Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 2 RVG. Im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO könnten nur Kosten verlangt werden, die in diesem Verfahren zusätzlich entstanden seien. Der in einem solchen Verfahren Obsiegende könne daher keine Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren verlangen; ein Wahlrecht bestehe nicht. Gleiches gelte auch für alle Kosten, die durch die Gebühren abgegolten sind, wie die Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen oder die Umsatzsteuer. Der Beschluss wurde dem Erinnerungsführer am 15. Dezember 2020 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt.
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 29. Dezember 2020, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am gleichen Tage beantragte der Erinnerungsführer gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 11. Dezember 2020 die Entscheidung des Gerichts.
Der Urkundsbeamte des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth half der Erinnerung nicht ab und legte diese mit Schreiben vom 17. Februar 2021 dem Gericht zur Entscheidung vor.
Mit Schriftsatz vom 25. Februar 2021 führte der Bevollmächtigte des Erinnerungsführers zur Begründung aus, dass der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO im Verfahren B 9 S 20.50170 mangels Rechtsschutzbedürfnis als unzulässig abgelehnt worden sei, weil die Antragsgegnerin und Erinnerungsgegnerin die Vollziehung der Abschiebungsanordnung ausgesetzt habe. Diese Aussetzung sei jedoch mit dem Schreiben vom 31. Juli 2020 widerrufen worden, so dass für den Antragsteller und Erinnerungsführer die Stellung eines Antrags nach § 80 Abs. 7 VwGO geboten gewesen sei. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Antragsgegnerin und Erinnerungsgegnerin nun die Kosten für dieses notwendige Rechtsmittel vermeiden können solle.
Die Erinnerungsgegnerin äußerte sich nicht zum Verfahren.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Gerichtsakten in den Verfahren B 9 S 20.50170 und B 9 S 20.50202 sowie die zugehörige Kostenakte Bezug genommen.
II.
1. Über den Antrag auf Entscheidung des Gerichts im Erinnerungsverfahren nach §§ 165, 151 VwGO entscheidet das Gericht in derselben Besetzung wie im Erkenntnisverfahren, mithin vorliegend durch den Einzelrichter (vgl. Olbertz in Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, 39. EL Juli 2020, § 165 Rn. 9).
2. Die nach § 165 i.V.m. § 151 Satz 1 VwGO statthafte und fristgemäße Kostenerinnerung ist zwar zulässig, bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg. Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss vom 11. Dezember 2020 des Urkundsbeamten des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth erweist sich als rechtmäßig. Die geltend gemachten Gebühren und Auslagen des für den Erinnerungsführer sowohl im ursprünglichen vorläufigen Rechtsschutzverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO als auch im Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO tätigen Rechtsanwalts sind nicht erstattungsfähig.
a) Grundsätzlich sind nach § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwaltes in der sich aus dem RVG ergebenden Höhe erstattungsfähig (Schübel-Pfister in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2019, § 162 Rn. 18). Der Erstattungsfähigkeit der hier geltend gemachten Gebühren und Auslagen des Erinnerungsführers steht aber die Regelung des § 15 Abs. 2 i.V.m. § 16 Nr. 5 RVG entgegen. Nach § 15 Abs. 2 RVG kann der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit – in jedem Rechtszug (§ 15 Abs. 2 RVG) – nur einmal fordern. § 16 Nr. 5 RVG bestimmt, dass es sich bei Verfahren über die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (§ 80 Abs. 5 VwGO) und jedem Verfahren über deren Abänderung oder Aufhebung (§ 80 Abs. 7 VwGO) gebührenrechtlich um dieselbe Angelegenheit handelt. Auch wenn es sich bei beiden Verfahren prozessrechtlich gesehen um selbständige, voneinander getrennte Verfahren handelt (vgl. BayVGH, B.v. 21.2.2007 – 15 CS 07.162 – juris Rn. 15 m.w.N.), entstehen die Gebühren des Rechtsanwalts in diesen Verfahren einmalig mit seinem ersten gebührenauslösenden Tätigwerden. Eine erneute Erstattungsfähigkeit im vom Ausgangsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO prozessrechtlich zu trennenden Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO scheidet folglich aus (vgl. BVerwG, B.v. 23.7.2003 – 7 KSt 6/03, 7 VR 1/02 – juris, zu § 40 BRAGO; BayVGH, B.v. 26.1.2012 – 9 C 11.3040 – juris Rn. 13 m.w.N.; VGH BW, B.v. 8.11.2011 – 8 S 1247/11 – juris Rn. 16).
b) Eine Verlagerung oder Aufteilung der insgesamt nur einmal zu verlangenden Gebühr in das nachfolgende Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO ist weder nach den gesetzlichen Bestimmungen noch der Sache nach gerechtfertigt. Anderenfalls würde die im Ausgangsverfahren ergangene Kostengrundentscheidung insofern unterlaufen, als die in diesem Verfahren angefallenen Kosten letztlich auf die – im Ausgangsverfahren obsiegende – Antragsgegnerin abgewälzt werden könnten (vgl. VG Bayreuth, B.v. 30.11.2015 – B 5 M 15.30571 – juris Rn. 16). Zudem ist der mit der Gebühr abzugeltende Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts in aller Regel im Wesentlichen bereits im zwingend vorausgegangenen Ausgangsverfahren angefallen und gilt deshalb mit der dort entstandenen Gebühr als insgesamt abgegolten. Der Rechtsanwalt in Abänderungs- und Aufhebungsangelegenheiten, der zuvor auch im Ausgangsverfahren tätig war, benötigt in der Regel keine besondere Einarbeitungszeit und kann ohne weiteres auf seine frühere Arbeit zurückgreifen. Die zusätzliche anwaltliche Tätigkeit im Abänderungsverfahren wird daher vergütungsrechtlich nicht gesondert honoriert. Auch die Auslagenpauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen kann in derselben Angelegenheit nur einmal gefordert werden (vgl. Sommerfeldt in BeckOK RVG, v. Seltmann, 50. Edition, Stand: 1.12.2020, VV 7002 Rn. 6.1). Zwar bekommt damit ein im Ausgangsverfahren obsiegender Beteiligter die Vergütung seines Rechtsanwalts erstattet, während dies für einen (erst) im Abänderungsverfahren obsiegenden Beteiligten nur gilt, soweit er im Ausgangsverfahren anwaltlich noch nicht vertreten war. Eine mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbare Ungleichbehandlung liegt darin nicht. Die unterschiedliche Behandlung findet ihren sachlichen Grund in dem § 162 VwGO zugrundeliegenden Prinzip des Kostenrechts, dass erstattungsfähige Kosten durch das jeweilige gerichtliche Verfahren verursacht sein müssen, sowie im pauschalierenden – und insoweit auch verfassungsrechtlich unbedenklichen – Ansatz des § 15 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 16 Nr. 5 RVG (VGH BW, B.v. 8.11.2011 – 8 S 1247/11 – juris Rn. 18).
c) Ein Wahlrecht, das den Beteiligten berechtigten würde, aus möglicherweise divergierenden Kostenentscheidung diejenige auszuwählen, die ihm günstig erscheint, ist mit der gesetzlichen Intention von § 16 Nr. 5 RVG, wonach der für das nachfolgende Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO anfallende Arbeitsaufwand mit abgegolten sein soll, nicht zu vereinbaren.
d) Aus § 15 Abs. 2 Satz 2 RVG, wonach der Rechtsanwalt in gerichtlichen Verfahren die Gebühren in jedem Rechtszug fordern kann, folgt nichts Abweichendes. Denn das Abänderungsverfahren ist im Verhältnis zum Ausgangsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO kein gesonderter Rechtszug im Sinne dieser Vorschrift. Das Gericht entscheidet im Abänderungsverfahren nicht als Rechtsmittelgericht über den früheren Beschluss nach § 80 Abs. 5 VwGO, sondern als Gericht des ersten Rechtszugs (vgl. VGH BW, B.v. 8.11.2011 – 8 S 1247/11 – juris Rn. 17 m.w.N.).
e) Ist somit der Rechtsanwalt bereits im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO tätig geworden, kann er für das Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO nicht erneut Gebühren verlangen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Verfahren über den gleichen Gegenstand gesondert geführt wurden oder ob dem Abänderungsantrag eine stattgebende oder ablehnende Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorausgegangen ist (vgl. BVerwG, B.v. 23.7.2003 – 7 KSt 6/03, 7 VR 1/02 – juris Rn. 3, zu § 40 BRAGO). Der Beschluss im Abänderungsverfahren vom 2. September 2020 beinhaltet keine Aufhebung des Beschlusses vom 30. Juni 2020, sondern ändert diesen lediglich im Hinblick auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ab.
f) Im Übrigen wäre die für den Erinnerungsführer ungünstige Kostengrundentscheidung im Ausgangsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO (B 9 S 20.50170) unschwer zu vermeiden gewesen, indem dieser auf die nach der Antragstellung erfolgte Aussetzung der Vollziehung durch die Antragsgegnerin in prozessrechtlich gebotener Weise reagiert hätte.
3. Einer Kostenscheidung und Streitwertfestsetzung bedarf es vorliegend nicht, da diese Entscheidung gerichtsgebührenfrei ergeht und Kosten nicht erstattet werden, § 66 Abs. 8 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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