Arbeitsrecht

Kostenschuldnerschaft für notwendige Mehrfertigungen von Schriftsätzen

Aktenzeichen  L 15 SF 284/16

Datum:
8.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
GKG GKG § 28, § 66 Abs. 2 S. 2, S. 6

 

Leitsatz

Die für die Anfertigung von Kopien entstandenen Kosten des Gerichts können als Auslagen ausschließlich beim Beteiligten des gerichtlichen Verfahrens selbst erhoben werden, nicht aber bei seinem Bevollmächtigten. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 54 SF 336/16 2016-10-04 Bes SGMUENCHEN SG München

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 04.10.2016 zurückgewiesen.

Gründe

I. Streitig ist die Festsetzung einer Dokumentenpauschale gemäß § 3 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) i. V. m. Nr. 9000 Nr. 1 b) des Kostenverzeichnisses (KV) der Anlage 1 zum GKG (KV GKG) wegen des Fehlens der erforderlichen Mehrfertigungen bei einem Schriftsatz.
Die Erinnerungsführer und jetzigen Beschwerdegegner (im Folgenden: Beschwerdegegner) vertraten als Rechtsanwälte den Betreiber eines ambulanten Pflegedienstes in einem Klageverfahren nach § 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) vor dem Sozialgericht (SG) München.
Nach der vergleichsweisen Beendigung des Verfahrens erhob der Kostenbeamte des SG mit Gerichtskostenfeststellung vom 28.07.2016 auf der Grundlage von § 197 a SGG i. V. m. § 3 Abs. 2 GKG und Nr. 9000 KV GKG bei den Beschwerdegegnern Auslagen in Höhe von 9,50 EUR für die Anfertigung von Ablichtungen, weil diese einem ihrer Schriftsätze [Anmerkung des Senats. Es kann sich hierbei nur um den Schriftsatz vom 10.08.2015 handeln.] keine Mehrfertigungen der Anlage beigefügt hatten.
Dagegen haben die Beschwerdegegner Erinnerung eingelegt und diese damit begründet, dass sie stets im Namen des Betreibers des Pflegedienstes aufgetreten seien, nie im eigenen Namen. Sie seien daher nicht Kostenschuldner.
Mit Beschluss vom 04.10.2016 hat die Kostenrichterin des SG die Gerichtskostenfeststellung vom 28.07.2016 aufgehoben. Kostenschuldner für die Dokumentenpauschale sei – so die Kostenrichterin – gemäß § 28 Abs. 1 Satz 2 GKG nur die Partei oder der Beteiligte. Ob der Betreiber des Pflegedienstes als Kläger im zugrunde liegenden Klageverfahren überhaupt den mit Schreiben vom 10.08.2015 übersandten Vertrag zwischen den Beteiligten zweifach vorlegen hätten müssen, könne dahingestellt bleiben. Für eine entsprechende Anwendung der vom Kostenbeamten und anschließend dem Bezirksrevisor in Bezug genommenen Entscheidung des Kostensenats des Bayer. Landessozialgerichts (LSG) vom 19.04.2016, Az.: L 15 SF 72/15 E, bestehe kein Raum. Der Entscheidung liege eine andere Frage zugrunde. Es bestehe keinerlei Anhaltspunkt dafür, die Regelung des § 28 Abs. 1 Satz 2 GKG gegen den eindeutigen Wortlaut dahingehend auszulegen, dass Kostenschuldner ein anderer als die Partei oder der Beteiligte sein könne. Wegen grundsätzlicher Bedeutung hat das SG die Beschwerde zugelassen.
Gegen diesen Beschluss hat der Bezirksrevisor (im Folgenden: Beschwerdeführer) mit Schreiben vom 12.10.2016 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung der Beschwerde stützt er sich auf den Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg vom 31.05.2010, Az.: 11 WF 70/10, wonach auch der Verfahrensbevollmächtigte als Kostenverursacher der Schuldner der Kopierkosten für fehlende Abschriften nach § 28 GKG sein könne.
Der Senat hat die Akten des SG auch zu dem zugrunde liegenden Klageverfahren beigezogen.
II. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie wegen der Zulassung durch das SG gemäß § 66 Abs. 2 Satz 2 GKG statthaft. Sie ist aber unbegründet.
Unbegründet ist die Beschwerde, weil bei den Beschwerdegegnern überhaupt keine Auslagen in Form der Dokumentenpauschale nach Nr. 9000 Nr. 1 b) KV GKG erhoben werden hätten dürfen, wie dies die Kostenrichterin des SG zutreffend festgestellt hat.
Die Beschwerdegegner als anwaltliche Bevollmächtigte des Klägers im Klageverfahren vor dem SG sind nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes in § 28 Abs. 1 Satz 2 GKG nicht Schuldner der Dokumentenpauschale nach Nr. 9000 Nr. 1 b) KV GKG. Kostenschuldner kann nur die Partei oder der Beteiligte selbst sein, nicht aber der (anwaltliche) Bevollmächtigte.
§ 28 Abs. 1 Satz 2 GKG lautet wie folgt: „Sind Kopien oder Ausdrucke angefertigt worden, weil die Partei oder der Beteiligte es unterlassen hat, die erforderliche Zahl von Mehrfertigungen beizufügen, schuldet nur die Partei oder der Beteiligte die Dokumentenpauschale.“
Damit hat der Gesetzgeber die klare und unmissverständliche Festlegung getroffen, dass die für die Anfertigung von Kopien entstandenen Kosten des Gerichts als Auslagen ausschließlich beim Beteiligten des gerichtlichen Verfahrens selbst erhoben werden können, nicht aber bei seinem Bevollmächtigten.
Darauf, dass diese eindeutige gesetzliche Vorgabe nicht entgegen dem Wortlaut des Gesetzes dahingehend ausgelegt werden kann, dass auch vom Bevollmächtigten des Beteiligten die Auslagen erhoben werden können, hat das SG zutreffend hingewiesen. Eine Haftung des Bevollmächtigten aus dem Grund, dass er durch die fehlende Zusendung der erforderlichen Mehrfertigungen die Ursache dafür gesetzt hat, dass das Gericht die Kopien für den weiteren Beteiligten anfertigen hat müssen und dafür dem Gericht Kosten entstanden sind, ist den gesetzlichen Regelungen fremd.
Sofern im Erinnerungsverfahren von Seiten des Beschwerdeführers versucht worden ist, eine Kostenschuldnerschaft der Beschwerdegegner unter Hinweis auf den Beschluss des Senats vom 19.04.2016, Az.: L 15 SF 72/15 E, zu begründen, ist dabei verkannt worden, dass sich der vorgenannte Beschluss des Senats ausschließlich mit der Frage befasst hat, wer Kostenschuldner im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 1 GKG, ist, also wenn die Erteilung von Ausfertigungen, Ablichtungen oder Ausdrucken beantragt worden ist. Davon zu unterscheiden ist aber die im jetzigen Verfahren zu entscheidende Frage, wer Kostenschuldner im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 2 GKG ist, also wenn ein Beteiligter einen Schriftsatz nicht mit der erforderlichen Mehrfertigung für den weiteren Beteiligten eingereicht hat. Im Falle des § 28 Abs. 1 Satz 1 GKG ist Kostenschuldner, „wer die Erteilung der Ausfertigungen, Ablichtungen oder Ausdrucke beantragt hat“, bei § 28 Abs. 1 Satz 2 GKG hingegen „die Partei oder der Beteiligte“.
Wenn der Beschwerdeführer zur Begründung der Beschwerde auf den Beschluss des OLG Oldenburg vom 31.05.2010, Az.: 11 WF 70/10, Bezug nimmt, kann dies nicht überzeugen. Sofern das OLG Oldenburg als Leitsatz zu dieser Entscheidung bei Juris formuliert hat „Kostenschuldner der Dokumentenpauschale kann auch der Prozessbevollmächtigte einer Partei sein, wenn er es unterlassen hat, die erforderliche Zahl von Mehrfertigungen beizufügen bzw. den Schriftsatz ausschließlich an das Gericht per Fax übersendet.“, findet diese Formulierung weder im Gesetz noch in der Kommentarliteratur irgendeine Stütze. Das OLG Oldenburg hat, wenn es sich bei seiner irrigen Annahme, auch der Verfahrensbevollmächtigte könne Kostenschuldner sein, auf Hartmann, Kostengesetze, 39. Aufl., § 28, Rdnr. 3, stützt, offenkundig übersehen, dass sich die von ihm angeführten Anmerkungen von Hartmann ausschließlich auf § 28 Abs. 1 Satz 1 GKG beziehen, nicht aber auf § 28 Abs. 1 Satz 2 GKG; die Anmerkungen zu § 28 Abs. 1 Satz 2 GKG beginnen erst bei Rdnr. 5.
Der Kostensenat des Bayer. LSG entscheidet über die Beschwerde nach Übertragung wegen grundsätzlicher Bedeutung in voller Besetzung (§ 66 Abs. 3 Satz 2, Abs. 6 Satz 2 GKG).
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 66 Abs. 3 Satz 3 GKG). Er ergeht gebührenfrei; Kosten sind nicht zu erstatten (§ 66 Abs. 8 GKG).


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