Arbeitsrecht

Kürzung des Ruhegehalts durch Disziplinarverfügung

Aktenzeichen  M 19L DB 18.3451

Datum:
29.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 53808
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG Art. 12

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Disziplinarverfügung der Landesanwaltschaft Bayern vom 16. Juli 2014 wird dahin abgeändert, dass die Ruhegehaltsbezüge des Klägers für die Dauer von 6 Monaten in Höhe von 1/10 gekürzt werden.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens zu 2/3, der Beklagte zu 1/3.

Gründe

Das Verwaltungsgericht München ist für die Entscheidung nach Art. 42 Abs. 2 Nr. 1 Bayerisches Disziplinargesetz (BayDG) i.V.m. § 52 Nr. 4 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) örtlich zuständig. Der Kläger verfügt als Ruhestandsbeamter über keinen dienstlichen Wohnsitz, so dass auf seinen privaten Wohnsitz in … abzustellen ist. Dieser befindet sich im Zuständigkeitsbereich der Landesanwaltschaft als Ausgangsbehörde, so dass es auf die Ausnahmevorschrift des § 52 Nr. 4 Satz 2 VwGO nicht ankommt.
Die Klage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Die Disziplinarverfügung der Landesanwaltschaft vom 16. Juli 2014 ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (Art. 3 BayDG i.V.m. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), als eine Kürzung des Ruhegehalts (Art. 12 BayDG) in Höhe von 1/10 für die Dauer von zwei Jahren ausgesprochen wurde. Der Kürzungszeitraum ist auf sechs Monate zu reduzieren.
Nach Art. 58 Abs. 3 BayDG prüft das Gericht bei einer Klage gegen eine Disziplinarverfügung neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung. Das Gericht ist demnach nicht auf die Prüfung beschränkt, ob der dem Kläger mit der Disziplinarverfügung zum Vorwurf gemachte Lebenssachverhalt tatsächlich vorliegt und disziplinarrechtlich als Dienstvergehen zu würdigen ist, sondern hat – bejahendenfalls – unter Beachtung des Verschlechterungsverbots auch darüber zu entscheiden, welches die angemessene Disziplinarmaßnahme ist. Anders als sonst bei einer Anfechtungsklage ist das Gericht nicht nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO darauf beschränkt, eine rechtswidrige Verfügung aufzuheben; es trifft vielmehr in Anwendung der in Art. 14 Abs. 1 BayDG niedergelegten Grundsätze innerhalb der durch die Verfügung vorgegebenen Disziplinarmaßnahmenobergrenze eine eigene „Ermessensentscheidung“ (BVerwG, U.v. 15.12.2005 – 2 A 4.04 – juris Ls. 2 und Rn. 23). Vor diesem Hintergrund ändert das Gericht die streitgegenständliche Disziplinarverfügung aufgrund eigener Befugnis ab.
I.
Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf. Insbesondere finden sich sämtliche in der Disziplinarverfügung gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe in der Einleitungsverfügung oder sind Gegenstand der Ausdehnungsverfügungen. Der Kläger und sein Bevollmächtigter erhielten im Disziplinarverfahren ausreichend Gelegenheit zur Äußerung. Einer Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung und des Personalrats bedurfte es nach Eintritt des Klägers in den Ruhestand nicht mehr (BayVGH, U.v. 18.3.2015 – 16a D 09.3029 – juris Rn. 37).
II.
Die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe treffen im Hinblick auf die nachfolgenden Nummern 2., 5., 8.1., 9.3., 9.4. und 10. vollumfänglich zu; sie treffen nicht zu im Hinblick auf die Nummern 6., 8.2. und 9.2. und nur teilweise zu im Hinblick auf die Nummern 1.1., 1.2. und 4..
Die nachfolgende Darstellung übernimmt dabei die Nummerierung der Disziplinarverfügung.
1. Nebentätigkeiten
1.1. Beratungstätigkeit
a) Die Disziplinarverfügung wirft dem Kläger vor, er habe über die genehmigte Ne bentätigkeit hinaus entgeltlich Kommunen bei der Gründung eines Kommunalunternehmens beraten. Dabei handele es sich nicht um eine genehmigungsfreie Vortragstätigkeit. Der Kläger sei dabei für die Kreisstadt M … …, die Gemeinde G …, die Verwaltungsgemeinschaft S … und den Markt W … tätig geworden. Je nach Bedarf habe er im Rahmen seiner Beratungstätigkeit die Satzungsmuster der Stadt … und die Geschäfts- und Vergütungsordnung, abgestimmt auf das jeweils zu gründende Unternehmen, zur Verfügung gestellt und Formulierungsvorschläge für die zu fassenden Beschlüsse übermittelt. Zu seinen Gunsten könne für die Beratungstätigkeit eine allgemein gehaltene Einwilligung des ehemaligen 1. Bürgermeisters E … unterstellt werden. Der Kläger habe diese jedoch gegenüber dem 1. Bürgermeister R … bei dessen Amtsantritt im Mai 20… weder angezeigt noch eine Nebentätigkeitsgenehmigung beantragt. Der Schwerpunkt der Beratungstätigkeit sei jedoch in diesem Zeitraum zu sehen. Auch wenn genehmigte Nebentätigkeiten nicht automatisch mit Ablauf der Wahlperiode endeten, hätte der neue Bürgermeister diese kennen müssen, um sie zu billigen oder zu beenden. Außerdem habe der Kläger entgegen dessen Weisungen mit E-Mails vom … Dezember 2010 und … Januar 2011 bis … Juni 2011 keine vollständigen Auskünfte über die Höhe der erzielten Honorare erbracht.
Durch dieses Verhalten habe er gegen die Pflicht zur Beachtung der Gesetze (§ 33 Abs. 1 Satz 3 Beamtenstatusgesetz – BeamtStG i.V.m. dem Nebentätigkeitsrecht) verstoßen. Im Hinblick auf die Vielzahl seiner Nebentätigkeiten hätte es sich aufgedrängt, eine ausdrückliche Klärung mit dem neuen Bürgermeister herbeizuführen. Weiter sei in seinem Handeln ein Verstoß gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten zu sehen (§ 34 Satz 3 BeamtStG). Zudem habe er gegen die berechtigte Weisung des Dienstvorgesetzten, Auskunft über die Nebentätigkeiten und die daraus erzielten Einkünfte zu erteilen (Art. 82 Abs. 2 Bayerisches Beamtengesetz – BayBG, § 7 Abs. 2 Bayerische Nebentätigkeitsverordnung – BayNV) verstoßen (§ 35 Abs. 2 BeamtStG). Weiter habe er durch die ohne Genehmigung der Stadt erfolgte Verwendung der entgeltlich erarbeiteten und weiterentwickelten Unterlagen zur Gründung eines Kommunalunternehmens auch gegen die Verschwiegenheitspflicht (§ 37 Abs. 1 BeamtStG) verstoßen. Auch wenn er sich darauf berufe, dass die Satzung des Kommunalunternehmens im Internet aufzurufen und die Geschäfts- und Vergütungsordnung der Muster-Geschäftsordnung des Bayerischen Gemeindetags nachgebildet sei, seien die der Beratungstätigkeit zugrunde gelegten Unterlagen nicht einzeln, sondern als Gesamtpaket zu werten, das die Stadt 1999 für 150.000 DM von einer Beratungsfirma erworben habe. Zu seinen Gunsten sei insoweit von einem lediglich grob fahrlässigen Handeln auszugehen.
b) Der Kläger trägt hierzu im Disziplinar- und im Klageverfahren vor: Bei den vorge worfenen Tätigkeiten habe es sich um genehmigungsfreie Vortrags- und nicht um Beratungstätigkeiten gehandelt. Darüber hinaus seien diese Tätigkeiten von dem ehemaligen 1. Bürgermeister E … mündlich genehmigt worden, und zwar ohne zeitliche Begrenzung der Genehmigung. Dies ergebe sich aus dessen Aussage im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Generell endeten Nebentätigkeitsgenehmigungen nicht mit Ende einer Wahlperiode. Der 1. Bürgermeister R … sei bei seinem Amtsantritt über die Tätigkeiten für andere Kommunen informiert worden. Dies zeige sich in dessen E-Mail vom 11. Mai 2010 (Disziplinarakte = DA Bl. 378), in der dieser ihn auffordere, ihm die „Beratung“ anderer Kommunen umgehend mitzuteilen. Die verwendeten Satzungsmuster seien im Auftrag der Stadt … erstellt, aber von ihm maßgeblich überarbeitet worden. Die Geschäfts- und Vergütungsordnung, die er für die einzelnen Kommunen entworfen habe, entsprächen der Muster-Geschäfts- und Vergütungsordnung des Bayerischen Gemeindetags, an deren Fassung er im Rahmen seiner Tätigkeit für diesen mitgewirkt habe. Weder Satzung noch Geschäfts- und Vergütungsordnung seien geheime Unterlagen, sie seien vielmehr öffentlich zugänglich, weshalb er keine vertraulichen Informationen aus seiner Tätigkeit bei der Stadt … weitergegeben habe. Es treffe keine nicht zu, dass er ungeachtet der Weisung des 1. Bürgermeisters R Auskünfte über die Höhe der Honorare erteilt habe; vielmehr bestätige dieser ihm in einer E-Mail vom 29. Dezember 2010 (DA Bl. 333), die Nachweise für den Markt W …, die Gemeinde G … und die Stadt M … bereits erbracht zu haben. Dem Auskunftsverlangen hinsichtlich der Uhrzeiten habe er nicht rückwirkend nachkommen können.
c) Das Gericht sieht diesen Vorwurf an den Kläger nur zum Teil als erwiesen an. Ihm ist vorzuwerfen, dass er den 1. Bürgermeister R … bei dessen Amtsantritt nicht vollumfänglich über seine beratende Nebentätigkeit informiert hat.
Der Kläger übte für die genannten Kommunen eine Beratertätigkeit aus. Die fachliche Begleitung bei der Gründung eines Unternehmens, die Beantwortung auftretender Fragen, die Lösung konkreter Probleme, die Zurverfügungstellung von Unterlagen und deren Anpassung auf die jeweilige Kommune und das geplante Unternehmen gehen über eine bloße Vortragstätigkeit hinaus, die auf das Referieren allgemeiner Erkenntnisse und Erwägungen beschränkt ist. Für diese Beratertätigkeit bedurfte der Kläger einerseits einer Nebentätigkeitserlaubnis (Art. 81 Abs. 2 Satz 1 BayBG, § 6 Abs. 2 Satz 1 BayNV), andererseits einer Erlaubnis für die Überlassung der Unterlagen der Stadt … (Art. 81 Abs. 5 Satz 1 BayBG, § 14 Abs. 1 Satz 1 BayNV). Ungeachtet einer möglicherweise gegebenen freien Zugänglichkeit einer Mustersatzung und einer Geschäfts- und Vergütungsordnung hat die Stadt … die für ihre Unternehmen maßgeblichen Unterlagen als Gesamtpaket entgeltlich erworben und hat der Kläger diese Unterlagen während seiner Dienstzeit überarbeitet und optimiert. Letzteres ergibt sich aus seinen Angaben im Disziplinarverfahren und in der mündlichen Verhandlung am 27. Mai 2019; es wird bestätigt durch die Aussage des Zeugen E … in der mündlichen Verhandlung am 29. Juli 2019.
Der ehemalige 1. Bürgermeister E … hat dem Kläger die erforderliche Nebentätigkeitserlaubnis ebenso erteilt wie die Erlaubnis zur Weitergabe der für die Stadt M … erstellten Unterlagen an andere Kommunen. Dies hat er in der mündlichen Verhandlung am 29. Juli 2019 ausdrücklich erklärt. Die Beratung anderer Kommunen sei in seinem Sinne gewesen und habe entgeltlich und ohne Beschränkung hinsichtlich ihres Umfangs erfolgen dürfen. Er habe die Nebentätigkeitserlaubnis ohne Kenntnis des Verdiensts des Klägers und mündlich erteilt und sie nicht als auf seine Amtsperiode begrenzt angesehen. Die von dem ehemaligen 1. Bürgermeister E … erteilte Nebentätigkeitserlaubnis stellt einen mündlichen Verwaltungsakt dar (vgl. Art. 35 Satz 1, Art. 37 Abs. 2 Satz 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz – BayVwVfG), der ungeachtet seiner Rechtswidrigkeit insbesondere infolge der fehlenden Regelungen zu zeitlichem Umfang, Befristung und Ablieferungsverpflichtung (vgl. Art. 81, Art. 85 BayBG i.V.m. insbes. § 6 Abs. 2 Satz 3, §§ 9 ff. BayNV) jedenfalls nicht nichtig und bestandskräftig war.
Im Hinblick auf die lediglich mündlich erteilte Nebentätigkeitserlaubnis, die Beson derheit der Beratertätigkeit für andere Kommunen und die Verwendung stadteigener Unterlagen hätte für den Kläger die Pflicht bestanden, den 1. Bürgermeister R … bei dessen Amtsantritt im Mai 20… vollumfänglich über Inhalt und zeitlichen Umfang der Beratertätigkeit sowie den Verdienst hieraus zu informieren. Diese Informationspflicht resultiert einerseits aus der Wahrheits- und Auskunftspflicht des Beamten, die ihre Rechtsgrundlage in § 35 Satz 1 BeamtStG findet (vgl. Köhler in Hummel/Köhler/Mayer/Baunack, BDG, 6. Aufl. 2016, S. 237), andererseits aus dem Nebentätigkeitsrecht, weil der in § 10 BayNV geregelten Ablieferungspflicht nur dann nachgekommen werden kann, wenn vorher eine vollständige Information erfolgt (vgl. Zängl, Bayer. Disziplinarrecht, Stand Aug. 2018, MatR II Rn. 377). Eine solche vollumfängliche Information des 1. Bürgermeisters R … über alle Details der Nebentätigkeit des Klägers ist weder bei seinem Amtsantritt noch zeitnah danach erfolgt. Nach dessen Aussage in der mündlichen Verhandlung am 29. Juli 2019 hat der Kläger ihm die gewünschten Informationen vielmehr erst nach und nach – teilweise erst auf konkrete Weisung hin – zukommen lassen. Das Gericht hält diese Aussage angesichts der von ihm getätigten Nachfragen bei anderen Kommunen zur Nebentätigkeit des Klägers für glaubhaft. Die E-Mail des 1. Bürgermeisters vom 11. Mai 2010 dokumentiert dagegen keine vollumfängliche Information bereits bei seinem Amtsantritt.
Durch die unterlassene Information hat der Kläger gegen die Pflicht zur Beachtung der Gesetze (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG i.V.m. Nebentätigkeitsrecht) und die Beratungspflicht (§ 35 Satz 1 BeamtStG) verstoßen. Er hat dabei jedenfalls grob fahrlässig gehandelt.
1.2. Intensivierte Ausübung der dem Grunde nach genehmigten Nebentätigkeit während krankheitsbedingter Abwesenheit vom Dienst
a) Die Disziplinarverfügung wirft dem Kläger weiter vor, er habe trotz Abwesenheit vom Dienst wegen dienstunfähiger Erkrankung die Nebentätigkeit als Dozent an der B… über den genehmigten Umfang hinaus ausgeübt. Ihm sei auf seinen Antrag vom 14. November 1995 mündlich von dem ehemaligen 1. Bürgermeister E … die Ausübung einer Nebentätigkeit als Dozent an der B… für (nur) ca. eine bis maximal vier Stunden pro Woche genehmigt worden. Dieser Umfang ergebe sich aus einem Schreiben von diesem Tag (Beiakte 2 Bl. 346), dem Bindungswirkung zukomme. Der Kläger habe den genehmigten Zeitrahmen überschritten, weil er teilweise ganztags oder mehrmals pro Woche Unterricht gehalten habe. Aufgrund der Zielrichtung des Nebentätigkeitsrechts sei nicht auf einen Durchschnittswert abzustellen. Hinzu komme, dass ihm für den Fall der Wiederherstellung der Dienstfähigkeit der beantragte Urlaub zur Ausübung der Nebentätigkeit aufgrund der dienstlichen Gegebenheiten in diesem Umfang nicht genehmigt worden wäre.
Betroffen seien – nach teilweiser Freistellung noch – folgende Tage:
Februar 20…: 3.2., 9.2. (jeweils 5 Stunden)
März 20…: 6.3., 26.3., 28.3. (jeweils 8 Stunden)
7.3., 27.3., 29.3. (jeweils 6 Stunden)
April 20…: 3.4., 4.4. (jeweils 6 Stunden)
Mai 20…: 2.5., 9.5., 11.5., 23.5. (jeweils 5 Stunden)
Juni 20…: 6.6. (5 Stunden), 12.6., 19.6. (jeweils 6 Stunden).
In der mündlichen Verhandlung am 27. Mai 2019 stellte der Vertreter der Landesanwaltschaft den Kläger auch vom Vorwurf der Vortragstätigkeit am 11. Mai 20… frei.
Durch dieses Verhalten habe der Kläger gegen die Pflicht zur vollen Hingabe an sein Amt (§ 34 Satz 1 BeamtStG) und die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG) verstoßen. Er habe als Kämmerer und …manager eine besondere Vertrauensstellung inne gehabt. Von ihm sei zu erwarten gewesen, dass er im Falle einer längerfristigen Erkrankung nicht sichtbar seiner Nebentätigkeit in intensiviertem Umfang nachkomme. Dies gelte unabhängig davon, ob die Lehrtätigkeit der Rekonvaleszenz diene. Das zunehmend belastete Verhältnis zum 1. Bürgermeister könne sein Verhalten nicht rechtfertigen. Der Kläger habe bedingt vorsätzlich gehandelt.
b) Der Kläger trägt hierzu vor: Die schriftliche Erklärung vom 14. November 1995 stelle lediglich eine Momentaufnahme über den zu dieser Zeit ausgeübten zeitlichen Umfang dar, entfalte aber keine einschränkende Wirkung. Außerdem sei 20… selbst der für 1995 angegebene zeitliche Umfang nicht überschritten gewesen; im 1. Halbjahr 20… seien durchschnittlich 3,88 Schulstunden zu je 45 Minuten pro Woche Unterricht gehalten worden (d.h. 2 Stunden und 55 Minuten). Die Dozententätigkeit liege im öffentlichen Interesse. Durch die unnötigen Anfragen bei beteiligten und zudem nicht beteiligten Institutionen (S … F … ) sei sein Ruf in der Verwaltungswelt schwer beschädigt worden. Die Fachhochschule für … … … … in Bayern habe entschieden, ihn nicht weiter einzusetzen. Durch die Präsenz in verschiedenen Kursen an der B… habe er der Rufschädigung entgegen wirken und ein gewisses Selbstwertgefühl aufrechterhalten können. Dies sei nach ärztlichen Attesten der Klinik vom 20. März und 4. August 2014 Bestandteil der Therapie gewesen. Da die Nebentätigkeit der Wiederherstellung der Dienstfähigkeit gerade förderlich gewesen sei, liege ein Verstoß gegen die Pflicht zum vollen beruflichen Einsatz nicht vor. Überdies sei er im fraglichen Zeitraum nicht mehr Kämmerer, sondern …manager gewesen und habe keine besondere Vertrauensstellung mehr innegehabt.
c) Das Gericht sieht diesen Vorwurf an den Kläger insoweit als gerechtfertigt an, als ihm die Vortragstätigkeit an 16 Tagen innerhalb von fünf Monaten während dienstunfähiger Erkrankung zur Last gelegt wird.
Den Umfang der genehmigten Nebentätigkeit sieht es dagegen nicht als überschritten an. Nach dem Schreiben vom 14. November 1995, das nach Inhalt und Erscheinungsbild eine verbindliche Erklärung des Klägers ist und die nach § 6 Abs. 1 BayNV erforderlichen Angaben zu seiner Nebentätigkeit enthält, erfolgt die „Nebenamtliche Lehrtätigkeit“ in einem Umfang von „durchschnittlich 1 – max. 4 Stunden/Woche“. Die den Umfang der Nebentätigkeit präzisierende Erklärung des Klägers stellt damit auf einen Durchschnittswert ab, der bei maximal vier (Zeit-) Stunden pro Woche liegt. Diesen im Durchschnitt maximal zulässigen Umfang der Nebentätigkeit von vier Stunden wöchentlich hat der Kläger im ersten Halbjahr 20…, auf das sich der Vorwurf in der Disziplinarverfügung bezieht, nicht überschritten. Nach seinem unwidersprochenen Vortrag hielt er im 1. Halbjahr 20… durchschnittlich 3,88 Schulstunden zu je 45 Minuten pro Woche, was einem Zeitaufwand von 2 Stunden und 55 Minuten entspricht.
Der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit liegt jedoch darin, dass die Nebentätigkeit während Zeiten dienstunfähiger Erkrankung ausgeübt wurde. Wegen des Bekanntheitsgrades, der dem Kläger seinerzeit als Person bei bayerischen Kommunen und Ausbildungsinstituten zukam und der unabhängig von seinem Aufgabenbereich als Kämmerer oder als …manager war, verstieß er durch die Ausübung dieser öffentlichkeitswirksamen Nebentätigkeit in Zeiten dienstunfähiger Erkrankung gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG). Dieser Verstoß erfolgte bedingt vorsätzlich. Mildernd ist zu berücksichtigen, dass die Vortragstätigkeit seiner Genesung diente, wie sich aus den Attesten der …-Klinik ergibt, und außerdem seinem nachvollziehbaren Bestreben geschuldet war, sein Selbstwertgefühl und seine Reputation zu erhalten.
1.3. Abwesenheit vom Dienst ohne Lehrtätigkeit bei B…
Von diesem Vorwurf hat die Landesanwaltschaft den Kläger in der abschließenden Anhörung freigestellt.
2. Zahlungen der Stadt … an die M…
a) Die Disziplinarverfügung wirft dem Kläger zudem vor, dass er in seiner Eigen schaft als Kämmerer die sog. Kassenbestandsverstärkungen der Stadt für die M…, deren alleiniger Gesellschafter er gewesen sei, für die Jahre 2003 (100.000 €), 2006 (50.000 €), 2007 (50.000 €), 2008 (170.000 €) und 2009 (50.000 €) alleine angeordnet habe. Über die M… sei mit Beschluss des Amtsgerichts … vom … August 2011 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Wegen Zahlungsschwierigkeiten auch in den Jahren zuvor habe der Stadtrat der Stadt … am 10. Dezember 2002 folgenden Beschluss gefasst:
„Die Stadt ist bereit, der … … … GmbH zur Kassenbestandsverstärkung Mittel zur Verfügung zu stellen. Die der Stadt entstehenden Sollzinsen bzw. entgangenen Habenzinsen sind von der … … … GmbH zu erstatten.“
In den folgenden Jahren seien der M… aufgrund dieses Beschlusses ununterbrochen Mittel zur Verfügung gestellt worden, bis 12. Oktober 2010 insgesamt 550.000 €. Im Prüfungsbericht des Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbandes (BKPV) vom 30. Mai 2011 sei ausgeführt worden, dass es sich bei den als Kassenbestandsverstärkungen und Liquiditätsüberbrückung bezeichneten Zahlungen der Stadt an die M… tatsächlich um Darlehen gehandelt habe, über die keine schriftlichen Verträge vorlägen und der Stadtratsbeschluss vom 10. Dezember 2002 insoweit nicht ausreichend gewesen sei. Der Kläger habe als Kämmerer die sog. Kassenbestandsverstärkungen der Stadt für die M… für die genannten Jahre alleine angeordnet, obwohl die Anordnungen nicht von seiner Anordnungsbefugnis nach § 38 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 KommHV-Kameralistik gedeckt gewesen seien, die nur Ausgaben bis 25.000 € umfasse. Zudem habe er in den genannten Jahren die Bescheinigung der sachlichen und rechnerischen Richtigkeit nach § 41 Abs. 1 Satz 1 KommHV-Kameralistik unterlassen. Außerdem habe er die Zahlungen der Stadt an die M… nicht über den Haushalt abgewickelt und es als Kämmerer unterlassen, ausreichende Mittel im Haushalt bereitzustellen. Stattdessen seien die Zahlungen im Sachbuch für Vorschüsse und Verwahrgelder (§ 67 Abs. 1 Nr. 2 KommHV-Kameralistik) auf der Haushaltsstelle 2.599.4001 („sonstige durchlaufende Gelder (Sammelabwicklung)“) verbucht worden. Als Kämmerer und Vorgesetzter des Kassenpersonals hätte der Kläger für die Einholung sämtlicher Unterschriften vor der Auszahlung der Beträge Sorge tragen müssen. Insbesondere aus der Aussage des Zeugen J … im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ergebe sich, dass dieser sich ungeachtet der fehlenden Unterschrift des 1. Bürgermeisters aufgrund der Äußerungen des Klägers gezwungen gesehen habe, das Geld zu überweisen, und dabei ein ungutes Gefühl gehabt habe. Der Kläger habe auch nicht auf die Rechtmäßigkeit des Beschlusses vom 10. Dezember 2002 vertrauen können; in diesem seien weder Höhe noch Dauer der Zahlungen festgelegt gewesen, so dass von einem vermeidbaren Verbotsirrtum auszugehen sei.
Soweit er bei den Zahlungen der Stadt an das S… in den Jahren 2006 bis 2008 gleichermaßen vorgegangen sei, verbleibe es bei der im Rahmen der abschließenden Anhörung erfolgten Beschränkung des Disziplinarverfahrens.
Durch dieses Verhalten habe der Kläger gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG) und die Pflicht, sich mit vollem persönlichen Einsatz dem Beruf zu widmen (§ 34 Satz 1 BeamtStG), verstoßen. Außerdem habe er gegen § 9 Abs. 1b der Geschäftsordnung der Stadt … vom 24. Juli 2002, gegen § 8 Abs. 1 Nr. 1c der Geschäftsordnung der Stadt vom 22. Juli 2009, gegen Ziffern 2 und 3 der Dienstanweisung der Stadt … für das Finanz- und Kassenwesen vom 24. Juli 2003 und gegen haushaltsrechtliche Vorschriften verstoßen. Hingegen liege ein Verstoß gegen die Pflicht, die Gesetze zu beachten (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG i.V.m. § 266 Strafgesetzbuch – StGB), nicht vor. Nach der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft … vom … November 2013 habe er sich darauf verlassen können, dass der Beschluss des Stadtrats vom 10. Dezember 2002 eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage darstelle, weshalb kein Vorsatz nachweisbar sei. Selbst bei pflichtwidriger Unterlassung der Einholung der Unterschrift des 1. Bürgermeisters sei dies nicht ursächlich für einen Schaden gewesen, weil die Unterschrift auch nachträglich geleistet worden wäre. Diese strafrechtliche Bewertung stehe einer disziplinarrechtlichen Sanktion nicht entgegen. Der Kläger habe zumindest bedingt vorsätzlich, bei den Buchungen im Haushalt lediglich grob fahrlässig gehandelt.
b) Der Kläger trägt hierzu vor: Die erforderlichen Unterschriften auf den Auszah lungsanordnungen seien aufgrund eines Versehens des Kassenpersonals unterblieben. Eine nachträgliche Prüfung, ob die Unterschriften vorlägen, sei wegen der Vielzahl der Anordnungen nicht möglich gewesen. In vielen Fällen seien die erforderlichen Unterschriften nachträglich eingeholt worden. Er habe nicht für die Einholung sämtlicher erforderlicher Unterschriften vor Auszahlung Sorge tragen müssen. Auch ein Organisationsverschulden liege nicht vor. Zudem habe er auf den Stadtratsbeschluss vom 10. Dezember 2002 vertraut und sich darauf verlassen, dass dieser eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage darstelle. Die Finanzierung der M… und ihre Ausstattung mit liquiden Mitteln seien von der Stadt … gewollt gewesen. Der BKPV habe das Vorgehen nicht beanstandet.
c) Das Gericht sieht diesen Vorwurf an den Kläger als gerechtfertigt an. Er hat die Auszahlungsanordnungen an die M… für die Jahre 2003 (100.000 €, DA Bl. 198), 2006 (50.000 €, DA Bl. 192), 2007 (50.000 €, DA Bl. 190), 2008 (170.000 €, DA Bl. 187) und 2009 (50.000 €, DA Bl. 185) unter Verstoß gegen haushaltsrechtliche Vorschriften unterschrieben. Für jede zu leistende Auszahlung ist eine schriftliche Anordnung zu erteilen (§ 38 Abs. 1 KommHV-Kameralistik). Die Befugnis hierzu ist durch Dienstanweisung zu regeln (§ 38 Abs. 2 Satz 1 KommHV-Kameralistik). Nach Nr. 2.1.2 der Dienstanweisung der Stadt … für das Finanz- und Kassenwesen vom 24. Juli 2003 war dem Kläger als Kämmerer die Anordnungsbefugnis für Ausgaben bis 25.000 € übertragen. In den genannten Jahren hat er die diesen Betrag überschreitenden Auszahlungen an die M… jedoch alleine angeordnet. Außerdem fehlte auf den Anordnungen die Bescheinigung der sachlichen und rechnerischen Richtigkeit (vgl. § 41 Abs. 1 Satz 1 KommHV-Kameralistik). Nach § 38 Abs. 2 Satz 3 KommHV-Kameralistik sollen Feststellung und Anordnungsbefugnis aber getrennt sein.
Außerdem hat der Kläger die Zahlungen an die M… als Kassenbestands verstärkungen und nicht als Darlehen mit den erforderlichen schriftlichen Verträgen abgewickelt. Der Verlauf der Inanspruchnahme und der Tilgung der Mittel an die M… lässt den Schluss zu, dass es sich bei den sog. „Kassenbestandsverstärkungen“ nicht um die vorübergehende Bereitstellung von Zahlungsmitteln handelte, sondern um längerfristige Darlehen, die die finanzielle Handlungsfähigkeit der M… sicherstellen sollten. Eine Tilgung der Darlehen war weder vereinbart noch bei der Finanzlage der M… möglich. Die Kassenbestandsverstärkungen für die M… wurden im Sachbuch für Vorschüsse und Verwahrgelder (vgl. § 67 Abs. 1 Nr. 2 KommHV-Kameralistik) gebucht, und zwar auf der Haushaltsstelle 2.599.4001, deren Bezeichnung lautet „Sonstige durchlaufende Gelder (Sammelabwicklung)“. Durchlaufende Gelder sind jedoch Beträge, die für einen Dritten lediglich vereinnahmt oder verausgabt werden (§ 87 Nr. 10 KommHV-Kameralistik). Die getätigten Buchungen waren daher unrichtig und „insofern besonders kritisch, da dieser Bereich neben dem Haushalt abgewickelt und daher vom Nachweis in der Jahresrechnung nicht erfasst wird.“ Hierauf weist der BKPV in seinem „Bericht über die Sonderprüfung der sog. Kassenbestandsverstärkungen und Betätigung der Stadt … bei der M…“ vom 30. Mai 2011 (Beiakte 2 Bl. 6 ff.) hin und moniert die gesamte Abwicklung der Zahlungen an die M….
Anders als der Kläger vorträgt war der Stadtratsbeschluss vom 10. Dezember 2002 – ungeachtet seiner auch formellen Unwirksamkeit – inhaltlich keine ausreichende Grundlage für die umfangreichen Zahlungen an die M…. Er beinhaltete eine reine Absichtserklärung ohne Nennung eines konkreten Betrags. Dies musste dem Kläger aufgrund seiner Fachkenntnisse auf diesem Gebiet klar sein. Die bloße Erwähnung des Vorgehens im Bericht des BKPV über die überörtliche Prüfung der Jahresrechnungen 2002 bis 2007 ohne Beanstandung ändert nichts an dem Verstoß gegen haushaltsrechtliche Vorschriften.
Als nicht zutreffend erachtet das Gericht die Ausführung des Klägers, die Unterschriftsleistung alleine durch ihn sei lediglich einem bloßen Versehen des Kassenpersonals geschuldet gewesen. Hiergegen spricht die Aussage des Zeugen J …, der sowohl am 17. Oktober 2012 im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (Strafakte = StrafA Bl. 165) als auch in der mündlichen Verhandlung am 29. Juli 2019 angab, er habe ein Unbehagen bei den Auszahlungsanordnungen an die M… gehabt und dieses schließlich gegenüber dem 1. Bürgermeister artikuliert, der daraufhin die Zahlungen an die M… eingestellt habe. Er habe die Auszahlungen jedoch geleistet, weil der Kläger ihm klargemacht habe, dass die M… Geld brauche. Auch der Zeuge W …, ehemals stellvertretender Kassenleiter, hat im Rahmen der polizeilichen Vernehmung am 29. August 2012 (StrafA Bl. 221) angegeben, die Zahlungen an die M… seien hauptsächlich von dem Kläger abgerechnet worden, der sich immer auf die „Stadtratsabsichtserklärung“ aus dem Jahr 2002 berufen habe. Außerdem hätte es dem Kläger als Vorgesetzten oblegen, bei diesen grundlegenden Zahlungen über jeweils hohe Summen organisatorisch einem solchen Versehen der nicht eingeholten Unterschrift des 1. Bürgermeisters entgegenzuwirken.
Durch dieses Verhalten hat der Kläger gegen die Pflicht zur Beachtung der Gesetze (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG i.V.m. den o.g. haushaltsrechtlichen Vorschriften) und gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauensmäßigem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG) verstoßen. Bei den Zahlungen an die M… und ihrer Abwicklung im Haushalt nahm der Kläger den Verstoß gegen haushaltsrechtliche Vorschriften billigend in Kauf und handelte damit vorsätzlich.
3. Abwassergebühren der M…
Soweit dem Kläger vorgeworfen wurde, als Kämmerer angeordnet zu haben, die Abwassergebühren der M… für das Jahr 2009 nicht oder später einzufordern und insoweit keine Vollstreckungsmaßnahmen vorzunehmen, wurde das Disziplinarverfahren in der Disziplinarverfügung beschränkt.
4. Vernachlässigung dienstlicher Pflichten als Vorstand des S… und als Kämmerer
a) Die Disziplinarverfügung macht dem Kläger weiter zum Vorwurf, er habe in seiner Funktion als Finanzvorstand des S… über einen Zeitraum von 3 Jahren (2005 bis 2007) von der Stadt … die dem S… zustehenden Erstattungen für den Defizitausgleich zum Betrieb des Freibads in Höhe von insgesamt 475.000 € nicht angefordert. Nach dem Anhang zur Unternehmenssatzung habe die Stadt das Defizit des Freibadbetriebs bis zur Höhe von jährlich 175.000 € jeweils spätestens zum Ende des folgenden Wirtschaftsjahres auszugleichen gehabt. Eine entsprechende Information der Mitvorstände sei erstmals bei der Vorbesprechung zur Sitzung am 22. Oktober 2008 durch den Steuerberater erfolgt; vorher seien diese nicht informiert gewesen. Außerdem habe der Kläger in seiner Funktion als Kämmerer die vertraglich vereinbarten Zahlungen der Stadt an das S… nicht geleistet. Für beide Unterlassungen hätten keine Beschlüsse von S…-Vorstand, S…-Verwaltungsrat, Stadtrat oder beschließendem Ausschuss vorgelegen. Der Hinweis des Klägers auf bei der Stadt fehlende liquide Mittel entlaste ihn nicht, da ab 2005 Kassenbestandsverstärkungen bzw. Darlehen an die M… und das S… in nicht unerheblicher Höhe gewährt worden seien. Die Art und Weise der Buchungen durch den Steuerberater sei insoweit unerheblich. Dem Kläger als Finanzvorstand sei der Anspruch gegenüber der Stadt auch ohne den bilanzrechtlichen Ausweis bekannt gewesen. Ein Übergang der Sachbearbeitung vom Kläger als S…-Finanzvorstand auf Herrn R … als Leiter der S…-Geschäftsstelle sei weder dokumentiert noch von der Stadt bestätigt worden.
Durch dieses Verhalten habe der Kläger die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG) und die Pflicht, sich mit vollem persönlichen Einsatz dem Beruf zu widmen (§ 34 Satz 1 BeamtStG), verletzt. Gleichzeitig habe er gegen die Geschäfts- und Vergütungsordnung für den Verwaltungsrat und den Vorstand des S… und gegen Art. 37 Abs. 2 Gemeindeordnung (GO) verstoßen. Er habe mit bedingtem Vorsatz gehandelt.
b) Der Kläger wendet insoweit ein, es sei fraglich, ob dieses Verhalten überhaupt dienstliches Handeln darstelle. Da bei der Stadt die Grundsteuersenkung zum 1. Januar 2007 oberste Priorität gehabt habe, wären die erforderlichen liquiden Mittel dort nicht vorhanden gewesen. Der Steuerberater habe es unterlassen, die Forderung des S… in der Bilanz zu verbuchen; wäre dies geschehen, wäre die Forderung erkennbar gewesen und geltend gemacht worden. Wäre der Defizitausgleich erfolgt, wäre er sofort mit den Kassenbestandsverstärkungen der Stadt verrechnet worden. Spätestens ab 2005 habe Herr R … die Abrechnungen zwischen Stadt und S…, auch den Defizitausgleich für das Freibad, übernommen.
c) Das Gericht sieht diesen Vorwurf an den Kläger insoweit als erwiesen an, als er seine Stellung als Finanzvorstand des S… betrifft. Als dieser hat er es unterlassen, für das S… den Defizitausgleich für das Freibad in den Jahren 2005 bis 2007 gegenüber der Stadt … geltend zu machen. Infolge des Verkaufs der Wasserversorgung an den Zweckverband Wasserversorgung … konnten ab 2005 keine Gewinne mehr aus der Wasserversorgung an das S… weitergereicht werden, weshalb ab 2005 hinsichtlich des Defizitausgleichs für das Freibad ein neues Vorgehen gefunden werden musste. Dessen Konzeption und Implementierung oblagen dem Kläger als Finanzvorstand und nicht Herrn R … als Leiter der S…- Geschäftsstelle. Herr R … hat in der mündlichen Verhandlung am 29. Juli 2019 nachvollziehbar und glaubhaft ausgesagt, er sei lediglich für die laufenden Angelegenheiten zuständig gewesen; grundsätzliche oder höherwertige Angelegenheiten wären in den Verantwortungsbereich des Vorstands gefallen. Der Defizitausgleich für das Freibad habe eine Aufgabe des Vorstands dargestellt. Er habe insoweit nur die Rechnung geschrieben.
Den Kläger entlastet auch weder sein Vorbringen, der Stadt hätten zwischen 2005 und 2007 die Mittel gefehlt, um die Zahlungen an das S… zu leisten, noch seine Aussage, wäre der Defizitausgleich erfolgt, wäre er sofort mit den Kassenbestandsverstärkungen der Stadt verrechnet worden. Als Finanzvorstand des S… hätte er den Defizitausgleich ungeachtet der Liquidität der Stadt einerseits und ihrer Aufrechnung andererseits geltend machen müssen; die Antizipation dieser Einwendungen der Stadt hätte ihn nicht von der Forderung abhalten dürfen. Auch hätte die Geltendmachung unabhängig von der Buchung in der Bilanz erfolgen müssen; es ist davon auszugehen, dass dem Kläger die Forderung des S… aufgrund seines profunden Wissens auch ohne Ausweisung in der Bilanz bekannt war.
Als nicht vorwerfbar sieht das Gericht die unterbliebene Geltendmachung des Defizitausgleichs für das Freibad im Hinblick auf die Stellung des Klägers als Kämmerer an. In dieser Funktion war es nicht seine Aufgabe, Forderungen Dritter gegen die Stadt zu begleichen, ohne dass diese geltend gemacht wurden.
Das dem Kläger als S…-Finanzvorstand vorgeworfene Verhalten begründet einen Verstoß gegen die Pflicht, sich mit vollem persönlichen Einsatz dem Beruf zu widmen (§ 34 Satz 1 BeamtStG), und die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG). Er handelte jedenfalls grob fahrlässig.
5. Kompetenzüberschreitung bezüglich Darlehensvertrag vom 27. April 2011 zwischen Stadt und S…
a) Die Disziplinarverfügung wirft dem Kläger zudem vor, er habe am 27. April 2011 als S…-Vorstand unter Missachtung der Entscheidungszuständigkeiten einen Darlehensvertrag mit der Stadt … über 1,2 Mio. € geschlossen. 900.000 € der Vertragssumme seien zur Weiterleitung vom S… an die M… für die Rückzahlung der Umsatzsteuer an das Finanzamt, die restlichen 300.000 € zur Liquiditätsüberbrückung beim S… bestimmt gewesen. Der Kläger habe dabei zum einen die nach Lit. A Abschnitt 1 Nr. 7 Geschäftsordnung und § 7 Abs. 2 lit. a Unternehmenssatzung des S… erforderliche Beteiligung des Verwaltungsrats unterlassen. Zum anderen habe er als Kämmerer die im Amt befindliche 2. Bürgermeisterin L … veranlasst, den Darlehensvertrag auf Seiten der Stadt zu unterzeichnen, obwohl weder ein Beschluss des Stadtrats vorgelegen habe noch eine nachträgliche dringliche Anordnung erfolgt sei. Die Beteiligung des Verwaltungsrats des S… sei erst am 10. Mai 2011, der Stadtratsbeschluss erst am 24. Mai 2011 erfolgt, obwohl bereits am Vormittag des 21. April 2011 in seinem Beisein Ladung und Tagesordnung für eine Sitzung des Stadtrats und des Verwaltungsrats jeweils am 3. Mai 2011 erstellt worden seien. Zu diesem Zeitpunkt sei die E-Mail der Zeugin Z … vom 20. April 2011 mit der Information, dass das Finanzamt keine Fristverlängerung gewähren würde, bereits eingegangen gewesen. Ein entsprechender Tagesordnungspunkt sei nicht aufgenommen worden. Auch nach Eingang des Darlehensvertrags am 27. April 2013 sei keine Nachladung zu den beiden Sitzungen erfolgt. Eine Absprache mit dem 1. Bürgermeister betreffe naturgemäß nur die allgemeine weitere Vorgehensweise, ersetze jedoch nicht Beratung und Beschlussfassung in den zuständigen Gremien.
Mit seinem Verhalten habe der Kläger dieselben Pflichten verletzt wie unter 4. ausgeführt. Er habe grob fahrlässig gehandelt.
b) Der Kläger wendet ein, die Unterzeichnung des Darlehensvertrags durch die 2. Bürgermeisterin sei vor dessen Urlaub mit dem 1. Bürgermeister abgesprochen gewesen. Eine Beteiligung der Gremien sei von diesem nicht gewollt gewesen. Die Vornahme der Zahlung sei unbedingt erforderlich gewesen.
c) Das Gericht sieht diesen Vorwurf an den Kläger als erwiesen an. Er hat ein Darle hen über 1,2 Mio. € von der Stadt … an das S… gewährt, ohne dass die erforderlichen Beschlüsse des Verwaltungsrats des S… und des Stadtrats vorlagen oder so zeitnah wie möglich nachgeholt wurden. Auch wenn der 1. Bürgermeister mit der Ausreichung des Darlehens grundsätzlich einverstanden war und eine allgemeine Absprache hierzu mit dem Kläger existierte, hätten die zuständigen Gremien zwingend so zeitnah wie möglich eingeschaltet werden müssen. Eine Weisung des 1. Bürgermeisters, anders zu verfahren, existierte nicht.
Hinsichtlich der verletzten Pflichten und der Schuldform gilt das unter 4. Gesagte.
6. Fehlende Information der Gesellschafter der M… hinsichtlich Nachzahlungsverpflichtung und fehlende Rückstellungen
a) Die Landesanwaltschaft wirft dem Kläger zudem Folgendes vor: Im notariellen Kauf-/Tauschvertrag vom 19. Dezember 1996 für den Erwerb des Grundstücks zur Errichtung des …werks der M…, den der Kläger als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer geschlossen habe, sei zugunsten der Veräußerin eine Zuzahlungsverpflichtung vereinbart gewesen (laut Gutachterausschuss letztlich 36.000 €). Die Veräußerin habe mit Schreiben vom 16. März 2011 die Zuzahlung eingefordert, mit der sich die M… seit 1. April 2000 in Verzug befunden habe. Der Kläger habe die beiden Gesellschafter der M… hierüber erst am 30. Mai 2011 informiert, obwohl am 25. März und 14. April 2011 Gesellschafterversammlungen stattgefunden hätten. Eine zeitnahe Information sei ungeachtet etwaiger Vorprüfungen möglich gewesen. Darüber hinaus habe er nicht dafür Sorge getragen, dass in den Bilanzen der M… Rückstellungen für die Nachzahlungen gebildet würden. Der Stadtrat habe mit Schreiben vom 19. Juli 2012 die Einrede der Verjährung erhoben, weshalb eine Zahlung nicht erfolgt sei.
Durch dieses Verhalten habe der Kläger die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG) und die Pflicht, sich mit vollem persönlichen Einsatz dem Beruf zu widmen (§ 34 Satz 1 BeamtStG), verletzt. Er habe dabei grob fahrlässig gehandelt.
b) Der Kläger bringt vor, es sei fraglich, ob es sich insoweit überhaupt um dienstli ches Handeln handele; er sei als Geschäftsführer angestellt gewesen. Nach der Geschäftsordnung der M… habe er eine Kompetenz über 500.000 DM gehabt, deren Grenzen nicht annähernd erreicht gewesen seien. Eine frühere Information der Gremien sei zudem nicht möglich gewesen. Zum einen habe er vorher umfängliche Prüfungen, insbesondere zur Frage der Verjährung, anstellen müssen, zum anderen habe seine hohe Arbeitsbelastung ihn davon abgehalten. Die Bildung von Rückstellungen sei auch nicht erforderlich gewesen, was so mit Herrn Steuerberater H … besprochen gewesen sei und sich nachträglich infolge der Verjährung als richtig herausgestellt habe.
c) Das Gericht sieht diesen Vorwurf an den Kläger nicht als berechtigt an.
Es stellt keine Verletzung einer Dienstpflicht dar, dass er es unterlassen hat, die Gesellschafter der M… über die möglicherweise drohende Nachzahlungsverpflichtung zu informieren. Es ist bereits fraglich, woraus sich eine Informationspflicht gegenüber den Gesellschaftern ergeben soll. Die Disziplinarverfügung enthält keine Ausführungen zu der Rechtsgrundlage dieser Pflicht. Nach § 51a Abs. 1 GmbH-Gesetz (GmbHG) haben die Geschäftsführer jedem Gesellschafter auf Verlangen unverzüglich Auskunft über die Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben; ein solches Verlangen ist jedoch nicht erfolgt, weil die Gesellschafter keine Kenntnis von der möglicherweise 15 Jahre nach Vertragsschluss entstandenen Nachzahlungsverpflichtung hatten und folglich ein entsprechendes Verlangen nicht äußern konnten. Damit kann sich eine Informationspflicht allenfalls aus einer allgemeinen Treuepflicht ergeben, die aus dem Gesellschafter- oder dem Anstellungsvertrag folgt und ihre Grundlage in der Vereinbarung hat, in der Gesellschaft zusammen einen gemeinsamen Zweck zu verfolgen. Diese allgemeine Treuepflicht besteht jedoch nur als gesellschafts- oder arbeitsrechtliche Pflicht gegenüber den Gesellschaftern, nicht gegenüber der Stadt … als Dienstherrin, so dass bei ihrer Verletzung keine Dienstpflichtverletzung gegeben ist. Darüber hinaus fiel die möglicherweise auf die M… zukommende Forderung in Höhe von 36.000 € in die finanzielle Kompetenz des Klägers. Nach § 1 Abs. 2 lit. b und d der Geschäftsordnung der M… musste der Geschäftsführer vor Eingehung der Handlung eine Entscheidung der Gesellschafterversammlung herbeiführen bzw. sich diese genehmigen lassen bei „Kreditaufnahmen bei Banken von mehr als 500.000 DM“ und „Vergabe von Aufträgen im Wert von mehr als 500.000 DM“. Zwar umfassen diese Tatbestände bei wörtlicher Auslegung die mit Schreiben der Veräußerin vom 16. März 2011 geltend gemachte Nachforderung nicht; sie sind jedoch entsprechend ihrer Zielrichtung, dem Geschäftsführer im Innenverhältnis eine finanzielle Vertretungsbefugnis bis 500.000 DM einzuräumen, analog anzuwenden.
Nicht als Pflichtenverstoß sieht das Gericht auch die unterlassene Bildung einer Rückstellung an. Eine solche war nicht erforderlich, weil die Verjährung der Nachzahlungsverpflichtung konkret im Raum stand. Rückstellungen sind grundsätzlich zu bilden, um drohende und ungewisse Verbindlichkeiten abzudecken; die Ungewissheit bezieht sich dabei auf Bestehen, Höhe oder Zeitpunkt der Verbindlichkeit. Der Zeuge H …, der die M… in seiner Funktion als Steuerberater im Hinblick auf Buchhaltung, Erstellung des Jahresabschlusses und Steuern beraten hat, hat in der mündlichen Verhandlung vom 29. Juli 2019 nachvollziehbar ausgesagt, dass die Notwendigkeit einer Rückstellung vom Grad der Konkretisierung des Risikos abhängig sei. Bei konkret drohender Verjährung – wie hier – erfolge im Regelfall keine Rückstellung.
7. Zinsen für die Darlehen der Stadt an die M…
Soweit dem Kläger vorgeworfen wurde, er hätte den zuständigen Mitarbeiter nicht angewiesen, für Kassenbestandsverstärkungen der Stadt an die M… Zinsen festzusetzen und zur Forderung anzuweisen, weshalb aufgrund der Insolvenz der M… eine Forderung der Stadt in Höhe von 4408 € nicht mehr zu realisieren gewesen sei, hat die Landesanwaltschaft ihn in der abschließenden Anhörung freigestellt.
8. Unentschuldigtes Fernbleiben vom Dienst
8.1. Fernbleiben von den Sitzungen der Stadtratsarbeitsgruppe „… …“
a) Die Disziplinarverfügung wirft dem Kläger zudem vor, er sei der Sitzung der Stadt ratsarbeitsgruppe „… …“ am 24. März 2011, zu der er schriftlich per EMail am 16. März 2011 eingeladen worden sei, unentschuldigt fern geblieben. Seinen Antrag auf Gleitzeit vom 22. März 2011 für die Tage 23. und 24. März 2011 habe er erst um 15:42 Uhr über den Web-Workflow gestellt und das Rathaus bereits um 16:00 Uhr verlassen, ohne sich über den Stand der Genehmigung zu informieren. Der 1. Bürgermeister habe von dem Antrag erst um 16:15 Uhr Kenntnis erlangt und diesen wegen des Termins der Stadtratsarbeitsgruppe und einer anstehenden Sonderprüfung durch den BKPV nicht genehmigt. Nach Auskunft des 1. Bürgermeisters sei bereits im Mai 2008 bei der Gründung der Arbeitsgruppe eine Anweisung an alle Abteilungsleiter zur Teilnahme an den Sitzungen oder zur Entsendung eines Vertreters ausgesprochen worden. Eine mündliche Weisung sei ausreichend. Die Tagesordnungspunkte der Sitzung am 24. März 2011 seien in unmittelbarem Zusammenhang mit Finanzleistungen der Stadt gestanden, was die Anwesenheit des Kämmerers erfordert habe. Der 1. Bürgermeister verneine eine vorherige Ankündigung der Gleittage durch den Kläger. Eine rechtzeitige Antragstellung wäre auch nach dem vom Kläger dargestellten Tagesablauf möglich gewesen. Ihm sei der Ablauf des Web-Workflows bekannt gewesen. Die vorherige Rüge sei disziplinarrechtlich nicht relevant.
Das Verhalten stelle ein unentschuldigtes Fernbleiben vom Dienst (Art. 95 Abs. 1 Satz 1 BayBG und § 34 Satz 1 BeamtStG) dar. Gleichzeitig liege darin ein Verstoß gegen die Pflicht, sich achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG). Der Kläger habe zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt.
b) Der Kläger bringt vor: Es mute seltsam an, wenn ein nach Ablauf einer Urlaubs sperre beantragter Urlaub wieder abgelehnt würde. Er habe den Gleitzeitantrag dem 1. Bürgermeister am Vormittag des 22. März 2011 mündlich angekündigt. Die späte Antragstellung sei wegen anderweitiger dienstlicher Verpflichtungen erfolgt. Eine kurzfristige Antragstellung sei außerdem üblich gewesen. Eine Teilnahmeverpflichtung an der Sitzung der Arbeitsgruppe habe nicht bestanden; die Einladung hierzu sei ihm lediglich in Cc. zugegangen. Infolge einer für das Verhalten getätigten Rüge des 1. Bürgermeisters vom 25. März 2011 sei die Rügemöglichkeit verbraucht.
c) Das Gericht sieht diesen Vorwurf als berechtigt an. Der Kläger ist an den Tagen 23. und 24. März 2011 und damit auch zu der am Nachmittag des 24. März 2011 stattfindenden Sitzung der Stadtratsarbeitsgruppe ohne Genehmigung dem Dienst ferngeblieben.
Der 1. Bürgermeister R … hat diese Arbeitsgruppe nach seinem Amtsantritt im Mai 20… ins Leben gerufen und eine allgemeine Weisung an die Abteilungsleiter erteilt, an den Sitzungen der Arbeitsgruppe teilzunehmen oder in Absprache mit ihm einen Stellvertreter zu entsenden. Dies hat er im Schreiben vom 17. August 2011 (DA Bl. 149) angegeben und in der mündlichen Verhandlung am 29. Juli 2019 – wenn auch erst auf nochmalige Nachfrage der Landesanwaltschaft – bestätigt. Diese Weisung stellt eine klare und verbindliche Anordnung eines Vorgesetzten im Sinne von § 35 Satz 2 BeamtStG dar. Infolge dieser allgemeinen Weisung kommt es nicht darauf an, dass eine konkrete Weisung zur Teilnahme vor der Sitzung nicht nochmals erfolgte und die Einladung zu der Sitzung dem Kläger nur in Cc. zuging. Durch das Fernbleiben von der Sitzung hat der Kläger der Weisung aus dem Mai 20… zuwider gehandelt.
Ihm ist weiter vorzuwerfen, dass er unbefugt zwei Tage vom Dienst fern geblieben ist. Sein Antrag auf Gleitzeit für diese Tage wurde nicht genehmigt. Durch die Antragstellung erst am Nachmittag des 22. März 2011 konnte die (ablehnende) Entscheidung über den Antrag erst so spät ergehen, dass der Kläger hiervon nicht mehr Kenntnis erlangte, weil er die Dienststelle bereits verlassen hatte. Eine vorherige Information des 1. Bürgermeisters über die Absicht, die Gleittage zu nehmen, ist ebenso wenig erwiesen wie eine gängige Praxis in der Stadt …, dass Gleit- oder Urlaubstage in der Regel und problemlos im Nachhinein genehmigt wurden. Hinzu kommt, dass eine Sonderprüfung des BKPV hinsichtlich der Beteiligung der Stadt … an der M… anstand und das Verhältnis des Klägers zum 1. Bürgermeister bereits damals schwierig war, weshalb er nicht von einer positiven Entscheidung über seinen Antrag ausgehen konnte. Die mit Schreiben des 1. Bürgermeisters vom 25. März 2011 (DA Bl. 52) ausgesprochene Rüge hindert die Berücksichtigung als Dienstpflichtverletzung nicht.
Das Verhalten stellt ein unentschuldigtes Fernbleiben vom Dienst (Art. 95 Abs. 1 Satz 1 BayBG) dar und begründet einen Verstoß gegen die Pflicht, sich mit vollem Einsatz dem Beruf zu widmen (§ 34 Satz 1 BeamtStG). Der Kläger hat insoweit bedingt vorsätzlich gehandelt. Einem Irrtum hinsichtlich der Teilnahmeverpflichtung hätte er durch entsprechende Nachfrage entgegenwirken können.
8.2. Fernbleiben von der Bürgerversammlung am 15. April 2011
a) Die Disziplinarverfügung wirft dem Kläger weiter vor, er sei auch der Bürgerver sammlung am 15. April 2011 unentschuldigt fern geblieben. Nach Aussage des 1. Bürgermeisters sei die Anwesenheit der drei Abteilungsleiter bei Bürgerversammlungen nach der Geschäftsverteilung (in entsprechender Anwendung) aus der Natur der Sache angeordnet gewesen. Seit Antritt des 1. Bürgermeisters im Jahr 2008 habe der Kläger an allen Bürgerversammlungen entweder teilgenommen oder sei entschuldigt gewesen (2009: Teilnahme, 2010: Urlaub).
b) Der Kläger trägt hierzu vor, es habe keine Dienstpflicht zur Teilnahme bestanden. 2009 habe er nur aus Interesse an der Bürgerversammlung teilgenommen, weil es die erste des neuen Bürgermeisters gewesen sei. Aus einer einmaligen Teilnahme lasse sich keine Regel ableiten.
c) Das Gericht sieht diesen Vorwurf an den Kläger nicht als gerechtfertigt an. Zur Verpflichtung des Klägers zur Teilnahme an der Bürgerversammlung führt der 1. Bürgermeister R … mit Schreiben vom 17. August 2011 (DA Bl. 149) aus, die Teilnahmepflicht ergebe sich aus der schriftlichen Einladung und der analogen Anwendung der Geschäftsverteilung (Teilnahme am Sitzungsdienst für Stadtratsund Ausschusssitzungen); außerdem sei die Anwesenheit der drei Abteilungsleiter aus der Natur der Sache heraus angeordnet, weil bei den mündlichen Anfragen der Bürger die verschiedensten Teilbereiche der Verwaltung betroffen seien und er bei der Beantwortung der Fragen oftmals auf deren Auskunft angewiesen sei. Nach Auffassung des Gerichts fehlt es an einer klaren und verbindlichen Anordnung eines Vorgesetzten an den Kläger im Sinne von § 35 Satz 2 BeamtStG zur Teilnahme an dieser Bürgerversammlung oder an Bürgerversammlungen allgemein. Eine für Stadtrats- und Ausschusssitzungen bestehende Teilnahmepflicht begründet nicht automatisch eine solche auch für Bürgerversammlungen. Auch die dem Kläger lediglich in Cc. zugehende Einladung stellt keine Weisung zur Teilnahme dar. Einer „Anordnung aus der Natur der Sache heraus“ fehlt es an der erforderlichen Konkretheit und Verbindlichkeit. Gegen eine Anordnung aufgrund geübter Verwaltungspraxis, wie der 1. Bürgermeister R … sie in der mündlichen Verhandlung am 29. Juli 2019 angesprochen hat, spricht jedenfalls, dass der Kläger glaubhaft und nachvollziehbar vorgetragen hat, dass er unter dem 1. Bürgermeister E … nicht an Bürgerversammlungen teilgenommen und eine solche Praxis sich während der Amtszeit von Herrn R … auch nicht ausreichend etabliert hat.
9. Reisekostenanträge und Zeitgutschriften
9.1. Unberechtigte Reisekostenabrechnung für Veranstaltung am 9. Februar 2010
Insoweit wurde der Kläger in der Disziplinarverfügung freigestellt.
9.2. Unberechtigte Reisekostenabrechnung für Veranstaltung am 12. und 13. April 2010
a) Ein weiterer Vorwurf gegen den Kläger lautet, er habe Anfang Dezember 2010 für ein am 12. und 13. April 2010 besuchtes … Fachseminar für Dozenten der B… im Bildungszentrum … (Thema Doppische Haushaltsplanung und Buchführung) eine Fahrtkostenerstattung über 182 km (Wohnort … -) beantragt, obwohl er an dem Fachseminar aufgrund seiner nebenamtlichen Tätigkeit als Dozent der B… teilgenommen habe. Es sei jedoch nur die Teilnahme während der Dienstzeit genehmigt, damit aber nicht die Anerkennung von Reisekosten verbunden gewesen. Die Dienstbefreiung habe lediglich dazu geführt, dass dieser Zeitraum auf die Arbeitszeit angerechnet werde, nicht aber zur Annahme einer Dienstreise mit den entsprechenden reisekostenrechtlichen Folgen. Hierauf sei er mit E-Mail von Herrn H … vom 16. Dezember 2010 hingewiesen worden, weshalb die Fahrtkostenerstattung abgelehnt worden sei, was der Kläger akzeptiert habe.
b) Der Kläger erklärt, der 1. Bürgermeister habe die Teilnahme an dem Seminar während der Dienstzeit genehmigt, weil er – statt der Beauftragung eines kostspieligen externen Beraters – die Einführung der Doppik in der Stadt … begleiten habe sollen. Wie bei anderen Seminaren habe er davon ausgehen können, dass die Reisekosten mit umfasst seien. Von der B… habe er keine Reisekosten erstattet erhalten.
c) Das Gericht sieht in der Geltendmachung von Fahrtkosten keine Dienstpflichtver letzung. Der Kläger hat in dem Antrag keine unrichtigen Angaben gemacht oder eine sonstige Täuschung vorgenommen. Er hat die Antragsablehnung ohne weiteres akzeptiert. Die bloße Antragstellung suggeriert nicht, dass ihm die geltend gemachte Fahrtkostenerstattung zustehen würde. Die Frage der Erstattungsfähigkeit von Reisekosten stellt eine komplizierte Materie dar, hier umso mehr, als die Genehmigung zur Teilnahme an dem Seminar und die Anerkennung als Dienstzeit nahe legen, dass auch die Fahrtkosten erstattet werden, weshalb die reine Antragstellung nicht vorwerfbar ist.
9.3. Unberechtigte Zeitgutschrift für Veranstaltung vom 19. bis 21. Juli 2010
a) Dem Kläger wird weiter vorgeworfen, er habe für ein von der B… veranstaltetes und im Bildungszentrum … vom 19. bis 21. Juli 2010 stattfindendes Seminar „…“ drei volle Arbeitstage gebucht, obwohl Seminarbeginn am 19. Juli 2010 um 13:30 Uhr und Seminarende am 21. Juli 2010 um 12:00 Uhr gewesen sei. Er habe seine Dozententätigkeit am 21. Juli 2010 nach Beendigung des Seminars aufgenommen. Erst nachdem dies bekannt geworden sei, habe er für 19. Juli 2010 ab 10:00 Uhr und für 21. Juli 2010 bis 12:00 Uhr abgerechnet. Nach der Äußerung des 1. Bürgermeisters seien in der Vergangenheit nur deshalb drei Arbeitstage abgerechnet worden, weil der Kläger seinen Reisekostenabrechnungen keine Seminarzeiten beigefügt habe. Dessen Hinweis auf die (fortgeführte) Praxis gegenüber seinem Nachfolger und die Handhabung in der Vergangenheit gehe fehl; dieser habe korrekt abgerechnet.
Soweit ihm für dieses Seminar die Beantragung einer Fahrtkostenerstattung für insgesamt 182 km vorgeworfen worden sei, verbleibe es bei der in der abschließenden Anhörung erfolgten Freistellung.
b) Der Kläger beruft sich darauf, dass er in der Vergangenheit für das genannte Se minar stets drei Arbeitstage abgerechnet habe. Die Dozententätigkeit habe am 21. Juli 2010 erst ab 14:00 Uhr begonnen. Die anderen teilnehmenden Kollegen seien zu diesem Zeitpunkt noch beim üblichen Gedankenaustausch gesessen, was er ansonsten auch gemacht hätte.
c) Das Gericht sieht diesen Vorwurf an den Kläger als berechtigt an. Die unrichtige Buchung nicht für die Teilnahme an einem Seminar aufgewendeter Zeit als Arbeitszeit im Umfang von nahezu einem Arbeitstag stellt eine Dienstpflichtverletzung dar.
9.4. Unberechtigte Zeitgutschriften für Sitzungen des Stadtrats am 26. Oktober und 13. Dezember 2010
a) Die Landesanwaltschaft wirft dem Kläger weiter vor, er habe für die genannten Stadtratssitzungen über Korrekturbelege Zeitgutschriften von jeweils 30 Minuten vornehmen lassen, obwohl die für den 26. Oktober 2010 geplante Stadtratssitzung ausgefallen sei und er an der Sitzung vom 13. Dezember 2010 nicht teilgenommen habe. Ihn entlasteten weder die geltend gemachte hohe Arbeitsbelastung noch die Teilnahme an anderen Sitzungen ohne Korrekturen. Er habe die Korrekturbelege sehr kurz nach den ausgefallenen Terminen erstellt.
Durch das unter 9. geschilderte Verhalten habe der Kläger gegen die Pflicht zur vollen Hingabe an den Beruf (§ 34 Satz 1 BeamtStG) und die Pflicht zu achtungsund vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 2 BeamtStG) verstoßen. Zudem habe er die ihm obliegende Wahrheitspflicht verletzt. Er habe dabei zumindest grob fahrlässig gehandelt.
b) Der Kläger trägt vor, die Zeitgutschrift sei ein Relikt aus der Zeit vor Einführung der gleitenden Arbeitszeit. Die hierfür verwendeten Korrekturbelege (grüne Zettel) seien unübersichtlich gewesen. Da er des Öfteren Anträge vergessen habe, habe er die Termine oft schon vorab auf dem Korrekturbeleg eingetragen. Ihm sei ein Versehen unterlaufen. Dies sei einer damaligen persönlichen und beruflichen Belastungssituation geschuldet gewesen. Da Herrn H … zum damaligen Zeitpunkt alles von ihm vorgelegt worden sei, wäre es „bescheuert“ gewesen, wissentlich so zu handeln. Er habe an anderen Sitzungen teilgenommen, ohne hierfür eine Korrektur vornehmen zu lassen. Grobe Fahrlässigkeit liege nicht vor.
c) Das Gericht sieht diesen Vorwurf an den Kläger als erwiesen an. Durch das Aus füllen der Korrekturbelege „auf Vorrat“ und ihre Einreichung ohne nochmalige Prüfung hat er nicht geleistete Arbeitszeit abgerechnet. Die Teilnahme an anderen Sitzungen ohne Korrektur der Arbeitszeit stellt keinen „Ausgleich“ des Verstoßes dar.
Die ordnungsgemäße Erfassung und Abrechnung der Arbeitszeit gehört zu den Kernpflichten eines Beamten. Das unter 9.3. und 9.4. dargestellte Verhalten des Klägers begründet einen Verstoß gegen die Wahrheitspflicht, die zwar nicht ausdrücklich normiert ist, aber eine besondere Dienstpflicht darstellt (Zängl, Bayer. Disziplinarrecht, Stand Aug. 2018, MatR II Rn. 268 ff.). Der Kläger hat dabei zumindest grob fahrlässig gehandelt, weil ihm sein Versehen bei nochmaliger Prüfung aufgefallen wäre.
9.5. Arbeitszeiterfassung am 24. und 30. Mai 2011
Im Hinblick auf den Vorwurf, der Kläger habe am 24. und 30. Mai 2011 seinen Pkw während der Dienstzeit umgeparkt, ohne für die dafür benötigten Zeiten Korrekturbuchungen im Zeiterfassungssystem (zeitnah bzw. überhaupt) vorzunehmen, hat die Landesanwaltschaft das Disziplinarverfahren beschränkt.
9.6. Dienstzeit und Reisekosten für Dienstreise am 8. Dezember 2010
Soweit dem Kläger zur Last gelegt wurde, für die genannte Dienstreise unberechtigter Weise Reisekosten beantragt und Dienstzeit berechnet zu haben, hat die Landesanwaltschaft den Kläger in der abschließenden Anhörung freigestellt.
10. Benutzung des Parkplatzes im Innenhof des Rathauses
a) Die Disziplinarverfügung wirft dem Kläger weiter vor, einen Parkplatz weisungs widrig genutzt zu haben. Er sei mit Schreiben der Stadt … vom 25. Juli 2011 zum 4. August 2011 umgesetzt worden. Infolge der Umsetzung sei es ihm nicht mehr gestattet gewesen, den für den … reservierten Parkplatz im Innenhof des Rathauses zu nutzen; vielmehr habe er den allgemeinen Mitarbeiterparkplatz in ca. 90 m Entfernung vom Rathaus nutzen müssen. Dennoch habe er den Parkplatz entgegen den Weisungen des 1. Bürgermeisters vom 19. Juli, 18. und 29. August sowie 12. September 2011 an acht Tagen (10. bis 12., 29.8., 9.9., 12. bis 13. und 15.9.2011) unter Bezugnahme auf ein am 18. August 2011 vorgelegtes Attest von Dr. med. … vom 20. Juli 2011 weiter genutzt.
Sein Verhalten begründe einen Weisungsverstoß (§ 35 Satz 2 BeamtStG). Der Kläger habe dabei bedingt vorsätzlich gehandelt. Dem 1. Bürgermeister stehe ein Weisungsrecht zu. Ein schikanöses Verhalten von diesem sei nicht erkennbar.
Soweit dem Kläger weiter vorgeworfen wurde, trotz der Umsetzung sein Büro nicht am 25. Juli 2011 geräumt zu haben, hat der Vertreter des Beklagten ihn in der mündlichen Verhandlung am 29. Juli 2019 freigestellt.
b) Der Kläger wendet ein, sein Nachfolger habe ihm gegenüber geäußert, dass er keinen Wert auf den zugewiesenen Parkplatz lege, weshalb die Weisung des 1. Bürgermeisters sachlich unbegründet gewesen sei. Auch andere Bedienstete würden im Innenhof parken, wenn der Abteilungsleiter den Parkplatz nicht nutze und zudem urlaubsbedingt viele Parkplätze frei seien. Zudem sei er wegen der von ihm zu transportierenden Akten auf den speziellen Parkplatz angewiesen gewesen.
c) Das Gericht sieht in der Weiternutzung des Parkplatzes einen Verstoß gegen die dienstlichen Weisungen des 1. Bürgermeisters vom 19. Juli, 18. und 29. August sowie 12. September 2011. Der Kläger hatte der Weisung Folge zu leisten. Die Weisungsgebundenheit besteht selbst bei objektiv rechtswidrigen oder unzweckmäßigen Weisungen, weil sonst ein effektives Arbeiten der Verwaltung nicht möglich und die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernsthaft gefährdet wäre. Etwas anderes würde nur gelten, wenn eine Weisung evident rechtsmissbräuchlich oder ihr Vollzug durch den Suspensiveffekt eines Rechtsbehelfs oder durch vorläufigen Rechtsschutz nach § 123 VwGO ausgesetzt ist, was hier nicht der Fall war (vgl. zum Ganzen Zängl, Bayer. Disziplinarrecht, Stand Aug. 2018, MatR II Rn. 256 ff.).
Durch sein Verhalten hat der Kläger vorsätzlich gegen die Gehorsamspflicht aus § 35 Abs. 2 BeamtStG verstoßen. Zu seinen Gunsten ist zu berücksichtigen, dass die Untersagung der Parkplatznutzung mit sofortiger Wirkung jedenfalls für die Dauer der Urlaubszeit nicht objektiv notwendig war.
11. Unzutreffende Information des Verwaltungsrats des S… über Honorar einer Wirtschaftsprüferkanzlei
Insoweit hat die Landesanwaltschaft das Disziplinarverfahren im Rahmen der abschließenden Anhörung beschränkt.
12. Zusammenfassung
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass dem Kläger folgende Dienstpflichtverletzungen zur Last liegen:
– unzureichende Information des 1. Bürgermeisters R … bei dessen Amtsantritt über die beratende Nebentätigkeit (1.1.)
– Vortragstätigkeit an 16 Tagen während dienstunfähiger Erkrankung (1.2.)
– fünf Anordnungen als Kämmerer für Zahlungen der Stadt … an die M… unter Verstoß gegen haushaltsrechtliche Vorschriften (2.)
– unterbliebene Geltendmachung des Defizitausgleichs für das Freibad als Finanzvorstand des S… für drei Jahre (4.)
– verspätete Information der zuständigen Gremien über einen Kredit der Stadt … an das S… (5.)
– unbefugtes Fernbleiben von Dienst für zwei Arbeitstage, an denen eine Sitzung der Stadtratsarbeitsgruppe stattfand (8.1.)
– unrichtige Abrechnung von Arbeitszeit für Seminarbesuch im Umfang von fast einem Arbeitstag (9.3.)
– unberechtigte Zeitgutschriften für zwei Stadtratssitzungen im Umfang von einer Stunde (9.4.)
– Weisungsverstoß an acht Tagen hinsichtlich Weiternutzung eines Parkplatzes (10.).
III.
Bei allen oben dargestellten Dienstpflichtverletzungen handelt es sich um innerdienstliche (§ 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG). Das pflichtwidrige Verhalten war in das Amt des Beamten und die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden (vgl. nur BVerwG, B.v. 5.7.2016 – 2 B 24.16 – juris Rn. 14).
Dies gilt auch, soweit sich die Vorwürfe auf die Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer der M… und als Finanzvorstand des S… beziehen. Der Stadtrat … hat „Stadtkämmerer … …“ mit Beschluss vom 13. Februar 1996 (DA Bl. 212) zum Geschäftsführer der M… bestellt. In dem Beschluss sind auch die Erteilung einer Nebentätigkeitserlaubnis und das Zugeständnis, die Tätigkeit teilweise während der Dienstzeit wahrzunehmen, enthalten. Weiter hat der Stadtrat mit Beschluss vom 16. November 1999 (Beiakte 2 Bl. 56) „Geschäftsleiter … H …, Kämmerer … … und Stadtbaumeister … E … zur Erledigung der Aufgaben als Vorstände“ zum S… abgeordnet und verfügt, dass das S… der Stadt die anteiligen Personalkosten zu erstatten hat. Die Anknüpfung dieser Bestellungen zum Geschäftsführer der M… und zum Vorstand des S… an das Amt als Kämmerer und die Regelungen zur Einbindung in dieses zeigen, dass die Aufgabenübertragung untrennbar mit der dienstlichen Tätigkeit verbunden war.
IV.
Durch die festgestellten Dienstpflichtverletzungen hat der Kläger ein einheitlich zu beurteilendes innerdienstliches Dienstvergehen begangen.
Maßgebendes Kriterium für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist die Schwere des Dienstvergehens. Sie ist richtungsweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich zum einen nach Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte. Setzt sich das Dienstvergehen aus mehreren Dienstpflichtverletzungen zusammen, bestimmt sich die zu verhängende Disziplinarmaßnahme in erster Linie nach der schwersten Verfehlung (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 16; BayVGH, U.v. 25.10.2016 – 16b D 14.2351 – juris Rn. 73 f.).
Dies sind hier die Auszahlungsanordnungen für Zahlungen an die M… ohne Unterschrift des 1. Bürgermeisters und ohne Bestätigung der sachlichen und rechnerischen Richtigkeit (2.). Hinzu kommen die anderen finanziellen Transaktionen des Klägers, so die unterlassene Einforderung des Defizitausgleichs zum Betrieb des Freibads i.H.v. 475.000 € für die Jahre 2005 bis 2007 (4.) und der Abschluss eines Darlehensvertrags über 1,2 Mio. € zwischen Stadt und S… ohne zeitnahe Gremienbeschlüsse (5.). Diese Verstöße betreffen die Kernpflichten des Klägers als Kämmerer und Finanzvorstand des S… im Hinblick auf finanzielle Vorgänge und zeigen seine „großzügige“ Einstellung hinsichtlich der Einbindung anderer Stellen in zu treffende Entscheidungen.
Zu seinen Gunsten ist insoweit zu werten, dass die Zahlungen an die M… ohnehin geflossen wären, weil die Finanzierung der Gesellschaft von der Stadt gewünscht war (vgl. VG München, U.v. 24.4.2018 – M 5 K 15.977 – UA S. 9). Zu seinen Gunsten spricht weiter, dass die Gremien der Gewährung eines Darlehens an das S… nachträglich zugestimmt haben, und diese Entscheidung seinerzeit unverzüglich zu treffen war, um finanziellen Schaden von der Stadt … abzuwenden. Zu berücksichtigen ist ferner, dass der Stadt … und dem S… durch das vorgeworfene Verhalten kein Schaden entstanden ist und den Vorwürfen im Wesentlichen Verstöße gegen Verfahrensvorschriften und Informationspflichten zugrunde liegen.
Zu seinen Lasten sind jedoch die weiteren Dienstpflichtverletzungen zu werten, so die unterlassene Information des neuen 1. Bürgermeisters über die von dessen Vorgänger mündlich genehmigte Beratungstätigkeit (1.1.), die Vortragstätigkeit während dienstunfähiger Erkrankung (1.2.), der Antritt von zwei Gleittagen ohne vorherige Genehmigung (8.1.), die falsche Dienstzeitabrechnung für einen Vortrag (9.3.), unberechtigte Zeitgutschriften für zwei Stadtratssitzungen (9.4.) und der Weisungsverstoß wegen des Parkplatzes (10.). Hinsichtlich der Vorwürfe 8. und 9. handelt es sich dabei um kleinere Verstöße, die quantitativ nicht erhebliche Dienstzeiten betreffen.
In einer Gesamtschau erstreckt sich das Fehlverhalten des Klägers über einen längeren Zeitraum, betrifft verschiedene Teilbereiche seines Amtes und verstößt gegen mehrere Dienstpflichten. Es liegt im mittleren Bereich. Die von der Landesanwaltschaft ausgesprochene Kürzung des Ruhegehalts stellt demnach die angemessene Disziplinarmaßnahme dar. Nach Art. 12 Satz 1 BayDG kann diese um höchstens 1/5 auf längstens fünf Jahre ausgesprochen werden.
V.
Mildernd wirkt sich zugunsten des Klägers aus, dass er – mit Ausnahme der hier vor geworfenen Dienstpflichtverletzungen – bislang straf- und disziplinarrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist und über viele Jahre gute dienstliche Leistungen gezeigt hat. Zu berücksichtigen sind auch das schwierige dienstliche und private Verhältnis zum 1. Bürgermeister R … und die hohe Belastung durch das Strafverfahren. Insbesondere spricht zu seinen Gunsten die sehr lange Dauer des Disziplinarverfahrens, das mit der Einleitungsverfügung vom 28. Juli 2011 begonnen hat. Insgesamt erscheint eine Kürzung der Ruhegehaltsbezüge daher nur im unteren zulässigen Bereich angemessen, so dass das Gericht den von der Landesanwaltschaft festgesetzten Zeitraum von zwei Jahren auf sechs Monate reduziert. Eine weitere Reduzierung des Zeitraums oder eine gänzliche Aufhebung der Disziplinarverfügung infolge der Unmöglichkeit, gegen den Kläger als Ruhestandsbeamten eine Geldbuße als nächstniedrigere Disziplinarmaßnahme auszusprechen, erscheint nicht gerechtfertigt. Der gänzliche Entfall einer Sanktion würde der Vielzahl der Dienstpflichtverletzungen nicht gerecht.
VI.
Der ausgesprochenen Ruhegehaltskürzung steht kein Maßnahmeverbot wegen Zeitablaufs entgegen. Wegen des Prinzips der Einheit des Dienstvergehens sind auch lange zurückliegende Pflichtverletzungen erneut disziplinarrechtlich zu würdigen, wenn weitere Pflichtverletzungen hinzutreten (Zängl, Bayer. Disziplinarrecht, Stand Aug. 2018, Art. 16 Rn. 15). Hier datieren die letzten Pflichtverletzungen aus dem Jahr 2012. Die Frist des Art. 16 Abs. 2 BayDG von drei Jahren nach Vollendung eines Dienstvergehens beginnt mit der Ausdehnung des Disziplinarverfahrens (letztmals am 8.5.2012) neu zu laufen (Art. 16 Abs. 4 Nr. 2 BayDG) und ist für die Dauer des gerichtlichen Disziplinarverfahrens gehemmt (Art. 16 Abs. 5 Satz 1 BayDG).
VII.
Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 4 Satz 1 BayDG i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO und berücksichtigt das jeweilige Obsiegen und Unterliegen der Parteien. Auch wenn die Anzahl der Monate, für die eine Kürzung der Ruhegehaltsbezüge ausgesprochen wird, von 24 auf sechs reduziert wird, so hat die Klage im Hinblick darauf, dass das Gericht nicht auf die milderen Disziplinarmaßnahmen einer Geldbuße oder eines Verweises erkannt hat, die bei einem Ruhestandsbeamten nicht ausgesprochen werden können, nur zu einem Drittel Erfolg.
Das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht ist nach Art. 73 Abs. 1 Satz 1 BayDG gerichtsgebührenfrei.


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