Arbeitsrecht

Leistungsbestimmung einer variablen Vergütung

Aktenzeichen  3 Sa 1033/15

Datum:
3.3.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BB – 2016, 2107
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 133, § 157, § 286 Abs. 2, § 288 Abs. 1, § 315, § 611
BayPVG Art. 68
ArbGG § 64 Abs. 6, § 66 Abs. 1
ZPO § 519 Abs. 2, § 520 Abs. 3
KWG § 25a

 

Leitsatz

1. Sind bei der Leistungsbestimmung einer variablen Vergütung sowohl die Leistung des Arbeitnehmers als auch der betriebswirtschaftliche Erfolg der beklagten Bank zu berücksichtigen, kommt nur in Ausnahmefällen eine Festsetzung des Bonus auf “Null” in Betracht (vgl. BAG, Urteil vom 19.03.2014 – 10 AZR 622/13 -). (Rn. 45 und 52 – 56)
2. Ein solcher Ausnahmefall liegt nicht vor, wenn die beklagte Bank, ohne hierzu rechtlich verpflichtet zu sein, Sonderleistungen zu anderen Zwecken und für andere Zeiträume zahlt, die nach ihrem Gesamtvolumen an das Volumen der vertraglich zugesicherten variablen Vergütung heranreichten. (Rn. 60)
3. Die ohne Rechtsgrund gezahlten Sonderleistungen sind weder im Rahmen der Budgetfestsetzung noch bei der Festsetzung der individuellen variablen Vergütung zu berücksichtigen, wenn sie zu unterschiedlichen Leistungszwecken und teilweise zu unterschiedlichen Zeiträumen gezahlt wurden. Im Übrigen widerspräche ihre Berücksichtigung dem Transparenzgebot, das für die variable Vergütung durch Regelungen in Gesetzen und Verordnungen im Zuge der Bankenkrise seit 2008 eingeführt worden ist. (Rn. 60)
4. Die gerichtliche Leistungsbestimmung hat neben den Festlegungen und dem Zweck einer Vergütungsregelung auch den Umständen der Ermessensentscheidung der beklagten Bank Rechnung zu tragen, die nicht unbillig sind. (Rn. 68)

Verfahrensgang

11 Ca 15563/13 2015-10-13 Urt ARBGMUENCHEN ArbG München

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 13.10.2015 – 11 Ca 15563/13 – teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.064,25 € brutto zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.07.2012 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu 4/5, die Beklagte zu 1/5 zu tragen. Von den erstinstanzlichen Kosten trägt der Kläger 9/10, die Beklagte 1/10.
III. Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist im erkannten Umfang begründet.
I.
Die Berufung ist zulässig.
Sie ist nach § 64 Abs. 1, 2 lit. b) ArbGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519 Abs. 2, § 520 Abs. 3 ZPO.
Insbesondere hat sich die Klagepartei in einem ausreichenden Maße mit den Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts auseinandergesetzt. Sie hat die möglichen Anspruchsgrundlagen genannt. Darüber hinaus hat die Klagepartei gerügt, dass die Beklagten den Anforderungen an die Darlegung ihrer Ermessens nicht genügt habe und hat Umstände geltend gemacht, die nach ihrer Auffassung bei einer Budgetfestsetzung für das Jahr 2011 hätten berücksichtigt werden müssen und zu einer anderen Entscheidung geführt hätten..
II.
Die Berufung ist begründet, soweit die Klagepartei Zahlung einer variablen Vergü tung in Höhe von € 10.064,25 brutto für das Jahr 2011 begehrt. Im Übrigen hat die Klagepartei keinen Anspruch auf Zahlung einer weiteren variablen Vergütung.
1. Als Rechtsgrundlage für die streitigen Ansprüche kommt allein § 4 Abs. 2 des Ar beitsvertrags i.V.m. der jeweils gültigen Dienstvereinbarung in Betracht.
a) § 4 Abs. 2 des Arbeitsvertrags gewährt der Klagepartei keinen unbedingten Anspruch auf Zahlung eines (Leistungs-)Bonus in bestimmter Höhe. Die streitgegenständlichen Ansprüche ergeben sich erst in Verbindung mit den für das jeweilige Geschäftsjahr geltenden Dienstvereinbarungen und erfordern eine Leistungsbestimmung durch die Beklagte nach billigem Ermessen, § 315 BGB. Dies folgt aus einer Auslegung des § 4 Abs. 2 des Arbeitsvertrags, wie das Bundearbeitsgericht zu einer inhaltsgleichen Vertragsgestaltung eines Kollegen der Klagepartei bereits geurteilt hat (vgl. BAG, Urteil vom 19.03.2014, 10 AZR 622/13 – NZA 2014, 595, Rn. 29-31). § 4 Abs. 2 S. 3 des Arbeitsvertrages legt selbst nicht fest, in welcher Höhe und nach welchen Bedingungen ein Bonus gezahlt wird. Vielmehr bedarf dies der Ausgestaltung, für die § 4 Abs. 2 S. 4 des Arbeitsvertrages dynamisch auf die bei der Beklagten bestehenden Dienstvereinbarungen über das Bonussystem für die außertariflich Beschäftigten hinweist. Hierdurch wird für den Arbeitnehmer zugleich transparent gemacht, dass § 4 Abs. 2 S. 3 des Arbeitsvertrages das anwendbare Bonussystem nicht abschließend regelt, sondern es sich erst aus dem gesamten Inhalt des § 4 Abs. 2 und den Bestimmungen der anwendbaren Dienstvereinbarung ergibt, nach welchen Bedingungen sich im jeweiligen Geschäftsjahr die variable Vergütungskomponente für außertarifliche Angestellte bestimmt (vgl. BAG, Urteil vom 19.03.2014, a.a.O., Rn. 31).
b) Abweichend von dieser grundsätzlichen arbeitsvertraglichen Regelung kann sich die Klagepartei für die geltend gemachten Ansprüche nicht auf das Schreiben vom 08.12.2000 stützen. Dies ergibt die Auslegung des Schreibens nach §§ 133, 157 BGB.
Bereits durch den Eingangssatz „Mit Abschluss Ihres neuen Arbeitsvertrages … werden Sie nach dem variablen Vergütungssystem für die außertariflich Beschäftigten … bezahlt.“ ist klargestellt, dass dieses Begleitschreiben nicht etwa einen individualrechtlichen Anspruch auf Bonuszahlung vermittelt, sondern der Leistungsbonus auf der Grundlage und im Rahmen des variablen Vergütungssystems für die außertariflich Beschäftigten gewährt werden sollte. Darüber hinaus werden dort die Einzelheiten der Vergütung, die im Arbeitsvertrag bereits geregelt sind, aufgeführt, wodurch deutlich wird, dass das Schreiben vom 08.12.200 lediglich erläutert, wie der Inhalt des Arbeitsvertrags zu verstehen sei. Ein über den Arbeitsvertrag hinausgehender Rechtsbindungswille der Beklagten auf Zahlung weitergehender Leistungsboni ist diesem Schreiben deshalb nicht zu entnehmen.
2. Die Regelung in § 4 Abs. 2 des Arbeitsvertrags mit Verweis auf die jeweilige Dienstvereinbarung, die ihrerseits der Beklagten abhängig vom betriebswirtschaftlichen Erfolg (Ziffer 6.1 DV AT-Vergütung 2011) und der individuellen Leistung des Arbeitnehmers (Ziffer 6.2.2. DV AT-Vergütung 2011) ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht i.S.v. § 315 BGB für den Bonus überlässt, begegnet keinen rechtlichen Bedenken (siehe BAG, Urteil vom 19.03.2014, a.a.O., Rn. 36 ff.). Dynamische Bezugnahmeklauseln sind im Arbeitsrecht weit verbreitet, entsprechen einer üblichen Regelungstechnik und dienen den Interessen beider Parteien eines auf die Zukunft gerichteten Arbeitsverhältnisses (Rn. 37). Die Betriebsparteien sind gem. Art. 68 BayPVG an die Grundsätze von Recht und Billigkeit gebunden, wodurch die geltende Rechtsordnung, die das Arbeitsverhältnis gestaltet und auf dieses einwirkt, umfasst ist (Rn. 38). Der in § 4 Abs. 2 S. 3 des Arbeitsvertrags enthaltene Freiwilligkeitsvorbehalt stellt dann keine unangemessene Benachteiligung dar, wenn – wie vorliegend – der Arbeitgeber nach billigem Ermessen über die Bonuszahlung entscheidet (Rn. 52).
3. Die Klagepartei hat für das Kalenderjahr 2011 einen Anspruch auf Zahlung variablen Vergütung in Höhe von € 10.064,25 brutto gem. § 4 Abs. 2 des Arbeitsvertrags i.V.m. Ziffer 6 der für das Kalenderjahr 2011 anzuwendenden DV AT-Vergütung 2011 i.V.m. § 315 Abs. 3 S. 2 BGB. Die Beklagte hat für das Kalenderjahr 2011 ermessensfehlerhaft kein Bonusbudget und folglich keine variable Vergütung für die Klagepartei festgesetzt, § 315 Abs. 1 und 3 BGB. Die Bestimmung der variablen Vergütung war deshalb nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB durch Urteil zu treffen.
a) Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falls abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind. Für diese Beurteilung ist der Zeitpunkt maßgeblich, in dem der Leistungsbestimmende die Ermessensentscheidung zu treffen hat. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Leistungsbestimmung der Billigkeit entspricht, hat die Bestimmungsberechtigte zu tragen. Dabei verbleibt dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 315 Abs. 1 BGB ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum, innerhalb dessen mehrere Entscheidungen möglich sind (vgl. BAG, Urteil vom 19.03.2014, a.a.O., Rn. 41 m.w.Nachw.).
Ob die Entscheidung der Billigkeit entspricht, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle, § 315 Abs. 3 S. 2 BGB. Es ist zu prüfen, ob alle tatsächlichen Umstände beachtet und die Grenzen der Ermessensausübung eingehalten wurden sowie von dem Ermessen ein zweckentsprechender Gebrauch gemacht wurde (vgl. MünchKommBGB/Würdinger, 7. Aufl. 2016, § 315, Rn. 51; Elz in Hümmerich/Boecken/Düwell, NomosKommArbeitsrecht, 2. Aufl. 2010, § 315, Rn. 12). Welche tatsächlichen Umstände in die Ermessensabwägung einzubeziehen sind, richtet sich nach dem jeweiligen Regelungsgegenstand (vgl. BAG, Urteil vom 23.01.2007 – 9 AZR 624/06 – NZA-RR 2007, 397, Rn. 30).
b) Nach Ziffer 6 Abs. 2 S. 1 der für das Kalenderjahr 2011 anzuwendenden DV AT- Vergütung 2011 ergibt sich die variable Vergütung aus dem vom Vorstand bewilligten Budget und der Vergabeentscheidung auf der Grundlage der jeweiligen individuellen Leistungs- und Verhaltensbeurteilung.
Für die Festlegung des Bonusbudgets steht der Beklagten nach Ziffer 6.1. DV ATVergütung 2011 ein Ermessen zu („bestimmt“). Dabei ist das Budget nach der Regelung in Ziffer 6.1. DV AT-Vergütung 2011 nach dem betriebswirtschaftlichen Erfolg auszurichten, der sich „z.B.“ an dem EVA oder Delta-EVA misst. Darüber hinaus muss die Beklagte bei der Festlegung des Budgets dem Umstand Rechnung tragen, dass der arbeitsvertraglich zugesagte Bank- und Leistungsbonus in der DV AT-Vergütung 2011 zu einer variablen Vergütung verschmolzen sind. Das Budget ist daher in Abhängigkeit von der Ertragslage in einer Größenordnung festzulegen, die diesen Leistungsbezug beachtet und ausreicht, die durch Abschluss von Zielvereinbarungen angestrebten und tatsächlich erbrachten Leistungen angemessen zu honorieren (siehe BAG, Urteil vom 19.03.2014, a.a.O., Rn. 59 und 62 für die gleichlautende DV AT-Vergütung 2010). Erreicht der Arbeitnehmer die Ziele, kommt deshalb nur in Ausnahmefällen eine Festsetzung des Bonus auf „Null“ in Betracht, wie dies für die Jahre 2008 und 2009 der Fall war (so BAG, Urteil vom 19.03.2014, a.a.O., Rn. 62). Schließlich ist der Vorstand bei seiner Entscheidung über das Budget aufgrund der damaligen Satzung an die Vergütungsgrundsätze gebunden, die ihm der Verwaltungsrat vorgibt. Diese Grundsätze unterliegen ihrerseits Recht und Gesetz und dürfen nicht zu einer Aushöhlung des Anspruchs auf variable Vergütung führen.
Der weitere, nach Ziffer 6 Abs. 2 S. 1 DV AT-Vergütung 2011 wesentliche Faktor der Ermessensausübung ist die Vergabeentscheidung auf der Grundlage der jeweiligen individuellen Leistungs- und Verhaltensbeurteilung. Sie ergibt sich aus dem Richtwert der Position des Arbeitnehmers in Abhängigkeit des prozentualen Werts der Zielerreichung im jeweiligen Kalenderjahr, Ziffer 6.2.2 DV AT-Vergütung 2010. Die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat insoweit darzulegen, von welchem Richtwert und welchem Prozentsatz in der Bandbreite des von der Klagepartei erreichten Ergebnisses sie ausgegangen ist (vgl. BAG, Urteil vom 19.03.2014, a.a.O., Rn. 59). Als wesentliche ermessensleitende Erwägung für die individuelle Vergabeentscheidung bestimmt Ziffer 6.2.3. DV ATVergütung 2011 die Ausgeglichenheit von Leistung und Gegenleistung insgesamt unter Berücksichtigung der Marktüblichkeit.
Sofern das zur Verfügung stehende Budget nicht ausreicht, die individuell festgelegten Beträge auszuzahlen, bestimmt Ziffer 6.2.2. a.E. DV AT-Vergütung 2011, dass die individuelle Zahlung in einem Vergleich der Beschäftigten untereinander entsprechend dem Leistungsgedanken anzupassen ist.
c) Nach diesen Maßgaben für die Ermessensausübung entspricht die Entscheidung der Beklagten, für das Kalenderjahr 2011 kein Budget für die variable Vergütung festzusetzen, nicht billigem Ermessen.
aa) Nach Ziffer 6.1. DV AT-Vergütung 2011 hat der Vorstand das Budget nach dem betrieblichen Erfolg, z.B. gemessen an EVA oder Delta-EVA, zu bestimmen. Auch für das Kalenderjahr 2011 galten die Vorgaben des Verwaltungsrats. Das deshalb maßgebliche Drei-Jahres-Durchschnitts-EVA war zwar mit € – 280,1 Mio. negativ, jedoch ließ das DreiJahres-Durchschnitts-Delta-EVA mit € 1.510,5 Mio. eine positive wirtschaftliche Entwicklung erwarten. Dementsprechend räumt auch die Beklagte ein, dass grundsätzlich die Möglichkeit bestanden hätte, für 2011 ein Budget für die variable Vergütung zur Verfügung zu stellen.
bb) Die Gründe, die die Beklagte dafür anführt, trotz der erbrachten Leistung der Klagepartei nach Zielvereinbarung kein Budget zu bestimmen, greifen nicht durch.
Die Beklagte konnte nicht positive Sondereffekte des Jahres 2011 mit angeblichen Ergebnisbelastungen aus dem ersten Quartal 2012 relativieren. Positive und negative Sondereffekte fließen in den EVA des jeweiligen Kalenderjahrs ein, so dass sie doppelt berücksichtigt würden, sollten sie zusätzlich gesondert bei der Ermessensausübung hinsichtlich der Budgetfestsetzung beachtet werden. Zum anderen basiert die EVA-Analyse auf dem betreffenden Kalenderjahr (2011) und den beiden vorangegangenen Kalenderjahren. Hierzu steht die Berücksichtigung von negativen Ergebnisbelastungen des nachfolgenden Kalenderjahres 2012 im Widerspruch. Darüber hinaus hat die Beklagte die behaupteten Ergebnisbelastungen aus dem ersten Quartal 2012 der Höhe nach nicht mitgeteilt, so dass ein etwaiger Ausgleich nicht nachvollzogen werden kann. Auch die Buchwertabschreibung auf die Beteiligung der Beklagten an der ungarischen Tochter G. sind bei dem EVA für das Kalenderjahr 2011 eingeflossen und sind nicht erneut bei der Ermessensausübung einzubeziehen. Der Berücksichtigung der geleisteten Bankenabgabe steht entgegen, dass der EVA von dieser bereinigt wurde. Es ist widersprüchlich und nicht nachvollziehbar dargelegt, warum sie nachträglich im Rahmen der Ermessensausübung zu beachten wäre. Der HBG-Verlust von € 328 Mio. schließt im Anschluss an die Entscheidung des BAG die Bonusbudgetfestsetzung nicht aus (Urteil vom 19.03.2014, a.a.O., Rn. 62). Maßgeblich ist vielmehr, ob in 2011 eine Ausnahmesituation wie in 2008 und 2009 bestand.
Eine solche Ausnahmesituation ist für 2011 nicht anzunehmen. Die Beklagte hat trotz der angeführten Belastungen ab Mai 2011 eine Stabilisierungszulage von jährlich € 20 Mio. an tarifliche und außertarifliche Mitarbeiter gezahlt (zweifelnd bereits LAG München, Urteil vom 24.02.2015 – 6 Sa 381/14 – nicht veröffentlicht). Damit hat sie weit mehr geleistet, als im Jahr 2011 35% der Summe der funktionsbezogenen Richtwerte nach Ziffer 6.2.1 DV AT-Vergütung 2011 ausgemacht hätten. Dieser Anteil hätte sich bei insgesamt € 46,5 Mio auf € 16,3 Mio. belaufen. Demnach hätte die Beklagte auch bei Berücksichtigung ihrer wirtschaftlichen Daten durchaus Geldmittel für die Festsetzung der variablen Vergütung für AT-Mitarbeiter zur Verfügung gehabt. Soweit die Beklagte geltend macht, die Stabilisierungszulage sei im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen, weil ihr wirtschaftlicher Wert den AT-Beschäftigten zugeflossen sei, ist ihr nicht zustimmen. Bei der Stabilisierungszulage handelte es sich um eine pauschale monatliche Zahlung, die nicht auf die Leistung des einzelnen Arbeitnehmers abhob. Sie verfolgte damit einen anderen Zweck als die variable Vergütung, die die individuelle Leistung des Beschäftigten und seinen Beitrag zum Ergebnis für ein Geschäftsjahr honoriert, Ziffer 6 Abs. 1 DV AT-Vergütung 2011. Im Übrigen würde es dem Transparenzgebot betrieblicher Vergütungssysteme widersprechen, das in den seit 2008 im Rahmen der Bankenkrise eingeführten Regelungen verschiedener Gesetze und Verordnungen zum Ausdruck kommt und auf das insbesondere die Beklagte in diesem Rechtsstreit hingewiesen hat, wenn Gehaltsbestandteile mit unterschiedlichen Bezeichnungen und unterschiedlichen Zwecken miteinander im Rahmen der Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verwoben würden.
Über die € 20 Mio. umfassende Stabilisierungszulage hinaus hat die Beklagte zudem 2011 ein Prämienbudget zur Honorierung besonderer Leistungen im Rahmen von Projekten und Sonderaufgaben in Höhe von € 5 Mio. zur Verfügung gestellt und auch damit widerlegt, dass keine finanziellen Mittel für variable Vergütung für das Kalenderjahr 2011 zur Verfügung standen. Ebenso ist 2011 ein Budget von max. € 5 Mio. für Gehaltsanpassungen eingerichtet worden. Dies kann nicht budgetmindernd berücksichtigt werden, denn die Beklagte hat nicht behauptet, aufgrund von Tariferhöhungen zur Gehaltsanpassung der AT-Mitarbeiter, zumal im erfolgten Umfang, verpflichtet gewesen zu sein.
Es standen der Beklagten mithin im Kalenderjahr 2011 € 30 Mio. zur Verfügung, die sie ohne nachvollziehbare Begründung und ohne rechtliche Verpflichtung für Leistungen an die Beschäftigten verwandte, anstelle ihren Verpflichtungen aus § 4 Abs. 2 des Arbeitsvertrags i.V.m. Ziffer 6 DV AT-Vergütung 2011 nachzukommen.
d) Die variable Vergütung für das Kalenderjahr 2011 ist durch das Gericht auf € 10.064,25 brutto festzusetzen, § 315 Abs. 3 S. 2 BGB.
aa) Dabei steht der gerichtlichen Leistungsbestimmung nicht entgegen, dass die Klagepartei die variable Vergütung nicht nach der anzuwendenden DV AT-Vergütung 2011, sondern nach der bis zum 31.12.2009 geltenden Formel berechnet hat. Die Leistungsbestimmung durch Urteil ist auch ohne besonderen Antrag vorzunehmen (vgl. Würdinger in MünchKommBGB, 7. Aufl. 2016, § 315, Rn. 51 m.w.Nach.).
bb) Für die Festsetzung dieses Wertes waren zunächst 35% des für die Klagepartei geltenden Richtwerts von € 21.300,00, wie er durch Schreiben vom 11.01.2010 mitgeteilt worden ist, zu berechnen, nämlich € 7.455,00. Sodann war innerhalb der Orientierungsbandbreite der Zielerreichung „übertroffen“ von 120% bis 150% der mittlere Wert von 135% als angemessen zu berücksichtigen. Die Beklagte hat zwar geltend gemacht, dass aufgrund der Einzelbewertungen des Klägers im Jahr 2011 nicht der Höchstwert heranzuziehen sei, nicht aber Gründe vorgetragen, die einen niedrigeren als durchschnittlichen Prozentsatz rechtfertigen würden. Eine weitere Anhebung um 10%, wie sie die Vorgaben des Verwaltungsrats ermöglicht hätten, war nicht geboten, weil das Kalenderjahr 2011 anders als das Kalenderjahr 2010 mit einem HBG-Verlust von € 328 Mio. abschloss und die Inhaber von stillen Einlagen und Genussrechten am Verlust beteiligt worden waren. Andererseits war die variable Vergütung nicht unter 35% des Richtwertes festzusetzen. Die Betriebsparteien hatten bereits durch die Neuordnung des Vergütungssystems mit Wirkung zum 01.01.2010 die variable Vergütung im Vergleich zu früher erheblich abgesenkt, so dass die ungefähre Drittelung des Richtwerts im Hinblick auf den Zweck der variablen Vergütung, die im Kalenderjahr erbrachte Leistung zu honorieren, geboten ist.
cc) Soweit die Klagepartei den höheren Richtwert € 28.500,00 für ihre Berechnung herangezogen hat, hat sie dessen Geltung bereits mit Wirkung ab 01.01.2011 trotz Bestreitens der Beklagten nicht belegt. Die vorgelegte Anlage K 3a enthält die Richtwerte mit Stand 01.01.2012 und können für das Jahr 2011 nicht zugrunde gelegt werden.
dd) Das Gericht ist an die Maßgaben des Verwaltungsrats für die Festsetzung variabler Vergütung für das Kalenderjahr 2011 gebunden.
Bei der eigenen, der Billigkeit entsprechenden Sachentscheidung hat das Gericht wie die bestimmungsberechtigte Beklagte die Festlegungen und den Zweck der DV ATVergütung 2011 zu beachten. Darüber hinaus sind den Umständen der Ermessensentscheidung der Beklagten auch insoweit Rechnung zu tragen, als sie nicht unbillig sind. Die zum Ausdruck gebrachten Vorstellungen der Beklagten sind im Rahmen des rechtlich Zulässigen zu beachten (vgl. BAG, Urteil vom 30.09.2014 – 3 AZR 402/12 – NZA 2015, 227, Rn. 28 m.w.Nachw. zur gerichtlichen Leistungsbestimmung bei einer Betriebsrentenanpassung).
Danach war die durch den Verwaltungsrat unstreitig vorgegebene Begrenzung des Bonusbudgets auf 35 bzw. 38,5% der Summe der funktionalen Richtwerte bei bestimmten EVA-Zahlen im Rahmen der gerichtlichen Leistungsbestimmung zu beachten. Der Vorstand, an dessen Stelle das Gericht bei fehlerhafter Ermessensausübung die variable Vergütung bestimmt, ist aufgrund der Satzung an die Vorgaben des Verwaltungsrats gebunden und bedarf für die Festsetzung des Budgets seiner Zustimmung. Die Begrenzung des Bonusbudgets auf 35 bzw. 38,5% der Summe der funktionalen Richtwerte gilt nur bei Vorliegen bestimmter EVA und Delta-EVA, weshalb das Budget nicht in jedem Fall zu beschränken ist und dem Vorstand ein ungebundenes Ermessen bei anderen EVAZahlen verbleibt. Zudem sind EVA und Delta-EVA als betriebswirtschaftliche Kennzahlen durch Ziffer 6.1. DV AT-Vergütung 2011 seitens der Betriebsparteien vorgegeben worden. Die Vorgabe des Verwaltungsrats ist im Übrigen auf die Umstrukturierungsphase bis 31.12.2015 zeitlich begrenzt. Bei 35 bzw. 38,5% des Richtwerts verbleibt einem Arbeitnehmer, der die aufgaben- und verhaltensbezogenen Ziele erreicht und deshalb als Durchschnittsarbeitnehmer im Vergleich zu den Arbeitnehmer anzusehen ist, die entweder die Ziele nur mit Einschränkungen erfüllen oder übertreffen, noch immer ein angemessener Teil seiner variablen Vergütung, die ihm bei Beurteilung allein des (negativen) Drei-Jahres-Durchschnitts-EVA versagt geblieben wäre. Darüber hinaus sind die Erwägungen, die dieser Begrenzung zugrunde lagen, dargelegt worden und nachvollziehbar: sie beruhen darauf, dass die Beklagte zwar mit der Kapitalzuführung und der zusätzlichen Portfolioabschirmung seit 2008 vorläufig stabilisiert sei, jedoch ihre langfristige Lebensfähigkeit wegen des noch offenen Beihilfeverfahrens und der zu erwartenden Auflagen einschließlich der Rückzahlungsverpflichtungen in Bezug auf die erhaltenen Beihilfen sowie die erforderliche Umstrukturierung nicht gesichert sei. Vor diesem Hintergrund sollten ergebnisbelastende Effekte, wie es die Zahlung variabler Vergütung sei, begrenzt werden. Diese Argumente sind nach den Intentionen der seit 2008 im Zuge der Finanzmarktkrise geschaffenen gesetzlichen Regelungen (§ 5 Abs. 2 Nr. 3 FMStV, § 25 a KWG, § 4 InstitutsVergV 2010, Anhang I, Abschnitt 11, Nummer 23q der CRD III Richtlinie (2010/76/EU vom 14.11.2010) nicht zu beanstanden. Dem Ziel, durch angemessene Vergütungssysteme die angemessene Eigenmittelausstattung eines Kreditinstituts aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen, wäre zudem auch ohne Regelung des Gesetz- oder Verordnungsgebers zu entsprechen. Schließlich hat die Klagepartei diese Begrenzung des Budgets nicht in Frage gestellt.
Darüber hinaus bestehen gegen die Berücksichtigung des EVA und Delta-EVA für die Ermittlung des wirtschaftlichen Erfolgs grundsätzlich keine Einwände. Die Betriebsparteien können die betriebswirtschaftliche Methode zur Ermittlung des betriebswirtschaftlichen Erfolgs, nach dem sich die variable Vergütung bemessen soll, bestimmen (vgl. BAG, Urteil vom 11.12.2013 – 10 AZR 364/13 – BeckRS. 2014, 67282). Dabei ist es zulässig, wenn die Betriebsparteien nicht alle Faktoren selbst abschließend für die Bestimmung des Bonusvolumens festlegen, so dass die Beklagten bei Anwendung der Ziffer 6.1. DV ATVergütung 2011 frei war, den betriebswirtschaftlichen Erfolg in Abhängigkeit des (Durchschnitts-) EVA bzw. (Durchschnitts-) Delta-EVA zu bestimmen (vgl. BAG, Urteil vom 11.12.2013, a.a.O., Rn. 27).
In diesem Zusammenhang begegnet es keinen Bedenken, dass die Beklagte nicht zunächst die variable Vergütung der Arbeitnehmer nach dem jeweilige Richtwert bestimmt (1. Schritt), danach die Summe der variablen Vergütung feststellt und am Budget misst (2. Schritt), um sodann sowohl die Summe der Richtwerte als auch die variable Vergütung jedes einzelnen Arbeitsnehmers um den gleichen Prozentsatz zu kürzen (3. Schritt), sondern gleich die variable Vergütung des einzelnen Arbeitnehmers auf 35 bis 38,5% seines individuellen Richtwerts begrenzt. Dieses Vorgehen führt bei vertretbarer, gleichmäßiger Kürzung aller einzelnen Richtwerte um 35 bis 38,5% zu im Wesentlichen gleichem rechnerischem Ergebnis.
ee) Diese individuelle variable Vergütung ist nicht wegen der an die Klagepartei ab Mai 2011 gezahlten Stabilisierungszulage um 8/12 eines ¾ Monatsgehalt zu reduzieren. Wie bereits ausgeführt wurden die Stabilisierungszulage und die variable Vergütung zu unterschiedlichen Zwecken gewährt. Eine Anrechnung würde auch dem Transparenzgebot widersprechen.
Schließlich ist die variable Vergütung nicht im Hinblick auf die Gehaltserhöhungen seit 2009 niedriger festzusetzen. Die Beklagte hat nicht konkret vorgetragen, ab welcher Summe der der Klagepartei gewährten Gehaltsbestandteile nicht mehr von einer Ausgeglichenheit von Leistung und Gegenleistung unter Berücksichtigung der Marktüblichkeit auszugehen ist, die es rechtfertigen würde, trotz erbrachter Leistungen die variable Vergütung geringer als 35% festzusetzen.
4. Der Zinsanspruch begründet sich aus §§ 286 Abs. 2, 288 Abs. 1 BGB. Die an die Klagepartei zu zahlende variable Vergütung ist nach der Stichtagsregelung in Ziffer 6.2.2 Abs. 2 DV AT-Vergütung 2011 Ende Juni des Folgejahres fällig (vgl. BAG, Urteil vom 19.03.2014, a.a.O., Rn. 60). Eine solche vertragliche Regelung geht der allgemeinen Fälligkeitsregelung zu § 315 BGB vor (siehe Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl. 2015, § 315, Rn. 17 a.E.).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 S. 2, 2. Alt., 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.
Dabei war für das Berufungsverfahren von einem Streitwert von € 48.500,00 auszugehen, da sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers bestimmt, § 47 Abs. 1 GKG. Dementsprechend sind die Klagepartei mit 4/5 und die Beklagte mit 1/5 unterlegen. Aufgrund des Streitwerts vor Klagerücknahme in Höhe von € 123.123,00 ergab sich erstinstanzlich ein Verhältnis von ca. 1/10 zu 9/10.
IV.
Die Revision war für beide Parteien gem. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG zuzulassen.


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben