Arbeitsrecht

Pauschgebühren im Verfahren des Einstweiligen Rechtsschutzes

Aktenzeichen  L 12 SF 152/19 E

Datum:
7.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 11602
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGG § 105
SGG § 184
SGG § 186
SGG § 86b

 

Leitsatz

Endet ein Verfahren im Einstweiligen Rechtsschutz durch Beschluss, wird die Pauschgebühr nach § 184 SGG nicht auf die Hälfte ermäßigt.

Tenor

I. Die Erinnerung gegen die Festsetzung der Pauschgebühren mit Kostenrechnung vom 08.04.2019 in Verbindung mit den Nrn. 2 -14 des Auszuges aus dem Verzeichnis der Streitsachengebühren, GVZ-Nr. 241, in Höhe von jeweils 225,00 EUR wird zurückgewiesen.
II. Die Erinnerungsführerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe von Pauschgebühren nach § 184 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Zugrunde liegen folgende Entscheidungen des 9. und 10. Senats des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes:
Nr. des Auszuges aus dem Verzeichnis der Streitsachengebühren: Aktenzeichen des Verfahrens:
2 L 9 AL 188/18 B ER
3 L 10 AL 198/18 B ER
4 L 10 AL 199/18 ER
5 L 10 AL 196/18 B ER
6 L 10 AL 197/18 ER
7 L 9 AL 184/18 B ER
8 L 9 AL 207/18 ER
9 L 9 AL 209/18 B ER
10 L 9 AL 151/18 B ER
11 L 9 AL 155/18 B ER
12 L 9 AL 154/18 B ER
13 L 9 AL 153/18 B ER
14 L 9 AL 152/18 B ER
Die hiesige Erinnerungsführerin war als Beschwerdegegnerin an diesen Verfahren beteiligt, in den Verfahren L 10 AL 199/18 ER, L 10 AL 197/18 ER und L 9 AL 207/18 ER war sie als Antragsgegnerin beteiligt. Mit Beschlüssen des LSG wurden in den Beschwerdeverfahren die Beschwerden zurückgewiesen und in den Antragsverfahren die Anträge im einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (UdG) forderte von der Erinnerungsführerin für die genannten Verfahren mit Kostenrechnung vom 08.04.2019 und beigefügtem Gebührenverzeichnis für Januar bis März 2019 unter den laufenden Nrn. 2-14 jeweils die volle Pauschgebühr in Höhe von 225,00 EUR.
Mit ihrer Erinnerung vom 17.04.2019 macht die Erinnerungsführerin geltend, dass die Verfahren nicht durch Urteil, sondern durch Beschluss erledigt worden sei. Damit sei nach § 186 S. 1 SGG die Pauschgebühr nach § 184 Abs. 2 SGG auf die Hälfte zu ermäßigen. Zwar erfolge keine Ermäßigung bei einem Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG, ein solcher läge hier aber nicht vor.
Der Kostenbeamte hat der Erinnerung nicht abgeholfen und die Sache dem für Kostensachen zuständigen 12. Senat vorgelegt.
Der Erinnerungsgegner verwies auf die Beschlüsse des Thüringer LSG vom 09.11.2018, Az. L 1 SF 1194/18, des LSG Nordrhein-Westfalen vom 19.06.2006, Az. L 9 AL 109/05 und des LSG Berlin vom 02.03.2005, Az. L 2 SF 19/04 SF. Es komme nicht auf den Wortlaut „Urteil“ an, sondern darauf, dass etwas kontradiktorisch für die betreffende Instanz entschieden werde. Auch nach Meyer-Ladewig falle für einen Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG die volle Pauschgebühr an, dann könne es auf den Wortlaut „Urteil“ nicht ankommen und das Konzept der kontradiktorischen Entscheidung hätte eine in sich stimmige Gleichbehandlung gleicher Sachverhalte bei der Pauschgebührenerhebung zur Folge.
II.
Die Erinnerung ist nach § 189 Abs. 2 Satz 2 SGG zulässig. Danach kann gegen die Feststellung der Gebührenschuld durch Mitteilung das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet.
Die Erinnerung bezüglich der Nrn. 2-14 des Auszuges aus dem Verzeichnis der Streitsachengebühren, GVZ-Nr. 241, für Januar bis März 2019 ist unbegründet.
Nach § 184 Abs. 1 SGG haben Kläger und Beklagte, die nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören, für jede Streitsache eine Gebühr zu entrichten (Satz 1). Sie entsteht, sobald die Streitsache rechtshängig geworden ist; sie ist für jeden Rechtszug zu zahlen (Satz 2). § 184 Abs. 2 SGG bestimmt unter anderem, dass die Gebühr für das Verfahren vor den Landessozialgerichten auf 225,00 EUR festgesetzt wird. Nach § 185 SGG wird die Gebühr fällig, soweit die Streitsache durch Zurücknahme des Rechtsbehelfs, durch Vergleich, Anerkenntnis, Beschluss oder durch Urteil erledigt ist. Nach § 186 SGG ermäßigt sich die Gebühr auf die Hälfte, wenn eine Sache nicht durch Urteil erledigt wird (Satz 1); sie entfällt, wenn die Erledigung auf einer Rechtsänderung beruht (Satz 2).
Auch wenn sich die zugrundeliegenden Antrags- und Beschwerdeverfahren im einstweiligen Rechtsschutz nicht durch Urteil, sondern durch Beschluss erledigt haben, liegt jeweils ein Fall des § 186 SGG nicht vor. Richtig ist zwar, dass nach dem Wortlaut des § 186 SGG jede Erledigung anders als durch Urteil die Ermäßigung bewirken würde. Allerdings führt allein der Wortlaut des § 186 SGG zu keinem überzeugenden Ergebnis. Die Vorschrift soll durch Ermäßigung oder Wegfall der Pauschgebühr die Bereitschaft der gebührenpflichtigen Leistungsträger fördern, eine aussichtslose Rechtsverfolgung aufzugeben und auf diese Weise die Gerichte entlasten (vgl. B.Schmidt, in: Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 186 Rn. 1 unter Verweis auf die Begründung zu § 133 E SGO, BT-Drs. I/4357, S. 33). Ein weiteres Motiv des Gesetzgebers dürfte es gewesen sein, die dem Staat entstehenden Kosten der Gerichtshaltung zu senken (vgl. BSG in SGb 1965, S. 62, 63 = SozR SGG § 186 Nr. 1). Daher ist entscheidend für die Auslegung von § 186 S. 1 SGG, dass durch eine Erledigung des Rechtsstreits auf andere Weise, etwa durch Rücknahme, Anerkenntnis oder Vergleich die Notwendigkeit entfällt, das Verfahren in der Sache streitig zu entscheiden (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.06.2006, Az. 9 AL 109/05, Rn. 10).
Aus diesem Zweck sind den in § 186 S. 1 SGG genannten Urteilen kontradiktorische „urteilsvertretende“ Entscheidungen in der Hauptsache gleichzusetzen (Thüringer LSG, Beschluss vom 09.11.2018, Az. L 1 SF 1194/18 E, Rn. 14). Anerkannt ist, dass Gerichtsbescheide nach § 105 SGG und Beschlüsse nach § 153 Abs. 4 SGG keine Gebührenermäßigung nach § 186 SGG bewirken (B. Schmidt, a.a.O., Rn. 2; Groß, in: Lüdtke/Berchtold, Sozialgerichtsgesetz, 5. Auflage 2017, § 186 SGG, Rn. 4; Hartmut Lange, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 186 SGG, Rn. 18, 19). Sowohl vom Aufwand als auch von den Wirkungen ist ein Beschluss im Verfahren nach § 86b SGG ebenso einem Urteil vergleichbar. Auch beim Beschluss nach § 86b SGG wird durch die Entscheidung die Instanz abgeschlossen und erwächst die Entscheidung, wenn kein Rechtsmittel mehr möglich ist, in formelle und materielle Rechtskraft (vgl. u.a. zu § 86b Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 86b Rn. 44a, 19a und § 141 Rn. 5; Wehrhahn, in: Breitkreuz/Fichte, SGG – Kommentar, 2. Aufl. 2014, § 86b Rn. 99; Wahrendorf, in: Roos/Wahrendorf, SGG, 1. Aufl. 2014, § 86b Rn. 253). Zu den „urteilsvertretenden“ Entscheidungen zählt daher auch ein Beschluss im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach § 86b SGG (vgl. auch Hartmut Lange, a.a.O., Rn. 18; Groß, in: Lüdtke/Berchtold, Sozialgerichtsgesetz, 5. Aufl. 2017, § 186 Rn. 4; Breitkreuz, a.a.O., § 186 Rn. 2; Thüringer LSG, a.a.O., Rn. 15). Er erledigt den Rechtsstreit kontradiktorisch und für die betreffende Instanz im einstweiligen Rechtsschutz endgültig. Dann ist für die Ermäßigung kein Raum. Dass eine Entscheidung in der Hauptsache, also auf Klage oder Berufung hin ergeht, ist in § 186 SGG nicht Tatbestandsvoraussetzung. Entscheidend ist die Erledigung der Sache – das kann gleichermaßen ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren sein – mit Entlastung der Gerichte durch Aufgabe einer aussichtslosen Rechtsverfolgung, welche auch bei Erledigung eines Antrages im einstweiligen Rechtsschutz auf andere Weise eintritt (Thüringer LSG, a.a.O., Rn. 15).
Dieser Beschluss ist nach §§ 189 S. 2, 177 SGG unanfechtbar.


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