Arbeitsrecht

Prozesskostenhilfebeschluss, Prozesskostenhilfe-Vergütung, Auswärtiger Rechtsanwalt, Verwaltungsgerichte, Prozeßbevollmächtigter, Auswärtiger Anwalt, Antragsgegner, Zweckentsprechende Rechtsverfolgung, Fiktive Reisekosten, Besonderes Vertrauensverhältnis, Erstattungsfähigkeit, Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld, Tage- und Abwesenheitsgeld, Vergütungsfestsetzungsbeschluß, Erstattungsfähige, Staatskasse, Neuer Rechtsanwalt, Rechtsanwaltswechsel, Beauftragung eines Rechtsanwalts, Beigeordneter Rechtsanwalt

Aktenzeichen  W 8 M 20.31222, W 8 K 19.31125

Datum:
18.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 7792
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 151
VwGO § 162
VwGO § 165
RVG § 55
RVG § 59
RVG Nr. 7003 VV
RVG Nr. 7005 VV

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Die Antragsgegnerin (Erinnerungsführerin des vorliegenden Kostenverfahrens und Beklagte des Ausgangsverfahrens) wendet sich gegen die Gerichtskostenrechnung vom 18. August 2020, mit der unter anderem die Reisekosten (Fahrtkosten) und das Abwesenheitsgeld des auswärtigen Prozessbevollmächtigten des Ausgangsverfahrens im vollen Umfang anerkannt und der Antragsgegnerin in Rechnung gestellt wurden.
Der Klägerbevollmächtigte reiste im Verfahren W 8 K 19.31125 sowohl am 16. September 2019 als auch am 6. Juli 2020 von Hamburg nach Würzburg zur mündlichen Verhandlung an. Die Kläger wohnen im Gerichtsbezirk des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg.
Das Verwaltungsgericht Würzburg bewilligte den Klägern unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten im Verfahren W K 19.31125 mit Beschluss vom 16. September 2019 Prozesskostenhilfe, gab der Klage in der Folge statt und verpflichtete die Antragsgegnerin zur Kostentragung (siehe VG Würzburg, U.v. 6.7.2020 – W 8 K 19.31125 – juris).
Mit Schriftsatz vom 8. Juli 2020 beantragte der Klägerbevollmächtigte Kostenerstattung im Rahmen der gewährten Prozesskostenhilfe.
Mit Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 28. Juli 2020 setzte der Urkundsbeamte gemäß § 55 RVG die dem Klägerbevollmächtigten im Rahmen der Prozesskostenhilfe zustehende Vergütung auf 1.710,19 EUR fest. In den Entscheidungsgründen ist im Wesentlichen ausgeführt: Den Antragstellern sei mit Beschluss vom 16. September 2019 Prozesskostenhilfe bewilligt und zur Wahrnehmung ihr Prozessbevollmächtigter beigeordnet worden. Die Voraussetzungen für den Anspruch auf gesetzliche Vergütung gegen die Staatskasse seien somit gegeben. In dem Betrag enthalten sind unter anderem Fahrtkosten von Hamburg nach Würzburg und zurück am 16. September 2019 für 1.078 km á ´0,30 EUR (§ 2 Abs. 2 RVG i.V.m. Nr. 7003 VV RVG) in Höhe von 323,40 EUR, Tage- und Abwesenheitsgeld > 8 Stunden (§ 2 Abs. 2 RVG i.V.m. Nr. 7005 VV RVG) in Höhe von 70,00 EUR, Fahrtkosten von Hamburg nach Würzburg und zurück am 6. Juli 2020 für 1.078 km á 0,30 EUR (§ 2 Abs. 2 RVG i.V.m. Nr. 7003 VV RVG) in Höhe von 323,40 EUR, Tage- und Abwesenheitsgeld > 8 Stunden (§ 2 Abs. 2 RVG i.V.m. Nr. 7005 VV RVG) in Höhe von 70,00 EUR, zusätzlich Mehrwertsteuer.
Mit Kostenrechnung vom 18. August 2020 stellte das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg der Antragsgegnerin den Gesamtbetrag von 1.710,19 EUR wegen der verauslagten Rechtsanwaltskosten im Rahmen der Prozesskostenhilfe gemäß dem Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 28. Juli 2020 in Rechnung.
Mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2020 legte die Antragsgegnerin Erinnerung ein.
Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Die Antragsteller seien für die gesamte Dauer des Verfahrens – seit 2013 – in Bayern wohnhaft gewesen. Die Fahrtkosten für 2.156 km und Abwesenheitsgeld, zusammen 786,80 EUR nebst Umsatzsteuer, eines in Hamburg ansässigen Rechtsanwalts seien nicht erstattungsfähig, da sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig gewesen seien. Schon wegen der Residenzpflicht, welche die Aufenthaltsgestattung auf den Bezirk der Ausländerbehörde beschränke, in dem die Antragsteller untergebracht seien (§ 56 AsylG), hätte die Beauftragung eines in der Nähe des Wohnorts ansässigen Anwalts nahegelegen. Ein besonderes Vertrauensverhältnis habe nicht bestanden. Die Prozessführung verlange auch keine Spezialkenntnisse. Die Reisekosten und das Abwesenheitsgeld seien nach § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO in der Regel nur erstattungsfähig, wenn der Rechtsanwalt seine Kanzlei am Sitz oder im Bezirk des angerufenen Gerichts oder am Wohnsitz seines Mandanten oder in dessen Nähe habe. Rechtsanwaltskosten seien zudem nur bis zur Grenze der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Ausgaben erstattungsfähig. Dies bedeute, dass die Parteien nicht ohne kostenrechtliche Nachteile einen auswärtigen Rechtsanwalt ihres Vertrauens beauftragen könnten. Auch im Verwaltungsprozess könnten die Kosten der Beauftragung eines auswärtigen Anwalts oder die Mehrkosten durch die Beauftragung eines auswärtigen Anwalts nur dann erstattet werden, wenn sie notwendig seien. Notwendig seien nur die Aufwendungen, die eine verständige, weder besonders ängstliche noch besonders unbesorgte Partei in ihrer Lage und im Hinblick auf die Bedeutung und die rechtliche oder sachliche Schwierigkeit der Sache vernünftigerweise für erforderlich halten dürfte. Dies könne bei besonderen Spezialkenntnissen der Fall sein. Allein der Umstand, dass der Rechtsanwalt bereits in diversen anderen Verfahren Asylbewerber gleicher Staatsangehörigkeit vertreten habe, lasse ein besonderes Vertrauensverhältnis nicht entstehen. Beim Asylrecht handele es sich nicht um eine exotische oder seltene Rechtsmaterie. Ferner komme eine Erstattungsfähigkeit nur dann in Betracht, wenn ein besonderes Vertrauensverhältnis zu dem Mandanten bestehe, im Asylverfahren etwa, weil der Rechtsanwalt diesen bereits vor der Verteilung im Verwaltungsverfahren vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vertreten habe. Maßgeblich seien die Verhältnisse zu dem Zeitpunkt, zu dem der Beteiligte erstmals einen Rechtsanwalt beauftragt habe. Bereits zu dem Zeitpunkt seien die Antragsteller jedoch in Bayern wohnhaft gewesen. Es könne nicht unterstellt werden, dass gerade und nur die Beauftragung eines Rechtsanwalts aus Hamburg zur angemessenen Rechtsverfolgung notwendig gewesen sei. Gemäß § 121 Abs. 3 ZPO könne grundsätzlich ein nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Anwalt nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstünden. Ein Ausnahmefall liege hier nicht vor. Werde eine derartige Beschränkung im Prozesskostenhilfebeschluss unterlassen, obwohl kein besonderer begründeter Ausnahmefall vorliege, dann könnt dies nicht zu Lasten der unterliegenden Partei gehen.
Der Urkundsbeamte half der Erinnerung nicht ab (Nichtabhilfe vom 5.11.2020) und legte sie dem Gericht zur Entscheidung vor. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus: Die Staatskasse erwerbe den Anspruch bei einer Überleitung gemäß § 59 RVG in dem Zustand, in dem er sich zum Zeitpunkt des Übergangs befinde. Maßgebend sei dabei der Zeitpunkt der Auszahlung aus der Staatskasse. Grundlage des Vergütungsfestsetzungsbeschlusses sei die uneingeschränkte Bewilligung der Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Klägerbevollmächtigten aus Hamburg durch Beschluss vom 16. September 2019 gewesen. Dabei sei der Urkundsbeamte an die uneingeschränkte Beiordnung gebunden und habe diese nicht zu überprüfen. Auch eine Überprüfung auf die Notwendigkeit der Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung gemäß § 162 Abs. 1 VwGO erfolge deshalb im vorliegenden Verfahren nicht. Der Antragsgegnerin seien mit der Kostengrundentscheidung des Urteils vom 6. Juli 2020 die Kosten des Verfahrens auferlegt worden. Der daraus resultierende Anspruch gegen die Antragsgegnerin sei mit Auszahlung der Prozesskostenhilfevergütung im derzeitigen Zustand, also in Höhe von 1.710,19 EUR, auf die Staatskasse übergegangen. Es handele sich um einen gesetzlichen Forderungsübergang. Der übergegangene Anspruch könne durch den neuen Schuldner von der Höhe her nicht mehr verändert werden. Besonders § 404 BGB ermögliche zwar Einwendungen des Schuldners, die sich jedoch vor allem auf rechtshindernde und rechtsvernichtende Einwendungen wie z.B. Anfechtung, Rücktritt, Aufrechnung oder Verjährung bezögen. Mit der Befriedigung des Rechtsanwalts durch die Staatskasse sei der Anspruch nach § 59 RVG zweifellos auf diese übergegangen.
Den Beteiligten wurde mit Schreiben vom 10. November 2020 Gelegenheit zur Stellung gegeben. Die Antragsgegnerin verwies auf ihre Ausführungen im Schriftsatz vom 21. Oktober 2020. Die Antragsteller schlossen sich den gerichtlichen Ausführungen vom 5. November 2020 an.
Wegen der Einzelheiten des Streitstands und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens sowie auf die Akte des Ausgangsverfahrens W 8 K 19.31125 und die Akte W 8 M 20.31250 sowie die Behördenakten der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Das Gericht entscheidet über die Erinnerung gegen die Kostenrechnung in der Besetzung, in der die zugrundeliegende Kostenentscheidung getroffen wurde. Bei einer Entscheidung durch den Einzelrichter ist dieser auch im Erinnerungsverfahren zuständig (Hug in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Auflage 2020, § 165 Rn. 3).
Die gegen die Gerichtskostenrechnung vom 18. August 2020 erhobene Erinnerung ist nach §§ 165, 151 VwGO zulässig, jedoch nicht begründet.
Die Kostenrechnung vom 18. August 2020 in Höhe von insgesamt 1.710,19 EUR wird von der Antragsgegnerin lediglich insoweit angegriffen, als es um die Reisekosten und das Abwesenheitsgeld des aus Hamburg stammenden auswärtigen Rechtsanwalts geht, also – bei zu berücksichtigenden fiktiven Reisekosten ausgehend vom weitest entfernten Ort im Gerichtsbezirk – um einen streitigen Betrag von 666,77 EUR.
Die Erinnerung ist unbegründet.
Die Höhe der Kostenrechnung vom 18. August 2020, die einen gemäß § 59 RVG übergeleiteten Anspruch zum Gegenstand hat und sich auf den Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 28. Juli 2020 bezieht, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Allerdings ist entgegen der Ausführungen des Kostenbeamten in der Nichtabhilfe vom 5. November 2020 festzuhalten, dass die Antragsgegnerin mit ihren Einwendungen zur Höhe der Kostenrechnung, insbesondere zur Notwendigkeit der Reisekosten des gegnerischen Anwalts nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist.
In der Nichtabhilfe vom 5. November 2020 ist zwar schon zutreffend ausgeführt, dass der Urkundsbeamte an die uneingeschränkte Beiordnung des Rechtsanwalts im Rahmen der Prozesskostenhilfe gebunden ist. Dies gilt auch, wenn die Voraussetzungen dafür nicht vorgelegen haben. Der Fehler kann weder durch das Prozessgericht nach Zustellung des Beschlusses noch durch den Urkundsbeamten im Vergütungsfestsetzungsverfahren korrigiert werden. Die Reisekosten sind dem auswärtigen Anwalt infolge der uneingeschränkten gewährten Prozesskostenhilfe gemäß §§ 45 ff. RVG in vollem Umfang festzusetzen und zu erstatten gewesen (Reichling in BeckOK ZPO, Vorwerk/Wolf, 39. Ed. Stand 1.12.2020, § 121 Rn. 34; Wache in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Auflage 2020, § 121 Rn. 16).
Weiter ist in der Nichtabhilfeentscheidung schon richtig angemerkt, dass ein gesetzlicher Forderungsübergang erfolgt ist und die Staatskasse den Anspruch bei einer Überleitung gemäß § 59 RVG in dem Zustand erworben hat, in dem er sich im Zeitpunkt des Übergangs (mit Zahlung der Staatskasse) befand (Sommerfeldt in BeckOK RVG, v. Seltmann, 50. Ed. Stand 1.12.2020, § 59 Rn. 28; Müller-Raabe in Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 24. Auflage 2019, § 59 Rn. 9; Hartung in Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Auflage 2017, § 59 Rn. 26; Ahlmann in Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Auflage 2015, § 59 Rn. 12 und 14).
Durch den Forderungsübergang auf die Staatskasse ändern sich allerdings der Rechtscharakter und die Qualität des Anspruchs nicht; der Anspruch wird nicht zu Gerichtskosten und auch nicht etwa zu einem Anspruch auf Erstattung der verauslagten Gerichtskosten. Die Staatskasse tritt lediglich an die Stelle des Anwalts (vgl. § 126 ZPO) bzw. der Antragsteller (Müller-Raabe in Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 24. Auflage 2019, § 59 Rn. 16; Kießling in Mayer/Kroiß RVG, 7. Auflage 2018, § 59 Rn. 18; Groß in Groß Beratungshilfe/Prozesskostenhilfe/Verfahrenskostenhilfe, 14. Auflage 2018, § 59 RVG Rn. 4; Hartung in Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Auflage 2017, § 59 Rn. 19; Ahlmann in Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Auflage 2015, § 59 Rn. 12).
Zwischen den verschiedenen Rechtsbeziehungen ist zu unterscheiden. Die Staatskasse erfüllt mit der Zahlung an den Anwalt eine eigene Verpflichtung; sie zahlt nicht für den Gegner. Der Anspruch des Anwalts gegen die Staatskasse – die vorliegend im Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 28. Juli 2020 festgesetzt wurde – ist unabhängig vom Kostenerstattungsanspruch der siegreichen Antragsteller gegen die unterlegene Antragsgegnerin, der dann auf die Staatskasse übergeht (Hartung in Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Auflage 2017, § 59 Rn. 5 ff.).
Infolgedessen kann die Staatskasse nicht ohne weiteres den Betrag verlangen, den sie im Rahmen der Prozesskostenhilfe infolge des Prozesskostenhilfebeschlusses verauslagt hat. Vielmehr ist der Anspruch der anwaltlich vertretenen Antragsteller gegen die Antragsgegnerin und dessen Höhe eigenständig und unabhängig zu betrachten. In der Praxis mag es zur verfahrensmäßigen Vereinfachung hinnehmbar sein, die prozesskostenhilferechtliche Vergütungsfestsetzung zu spiegeln und gegenüber der Antragsgegnerin heranzuziehen. Dies gilt aber nur, wenn und soweit eine Prüfung der grundsätzlich weiterhin beachtlichen Frage der Erstattungsfähigkeit der Kosten nach § 162 VwGO ergibt, dass hinsichtlich der den siegreichen Antragstellern von der unterlegenen Antragsgegnerin zu erstattenden Kosten (siehe § 162 und § 164 VwGO) – um die es im vorliegenden Verfahren aufgrund der Überleitung des betreffenden Anspruchs gemäß § 59 RVG geht – keine abweichende Festsetzung zu erfolgen hat, bzw. wenn dafür keine Anhaltspunkte ersichtlich sind.
Das bedeutet aber weiter, dass der Gegner (hier die Antragsgegnerin) dieselben Einwendungen geltend machen kann, die er schon vor dem Forderungsübergang hätte geltend machen können und die er geltend machen könnte, wenn der Rechtsanwalt gemäß § 126 ZPO den Anspruch auf der Basis einer Festsetzung nach § 164 VwGO direkt gegenüber ihn geltend machen würde. Denn Einwendungen, welche die Gegenpartei im Zeitpunkt des Übergangs dem beigeordneten Rechtsanwalt entgegensetzen konnte, können auch der Staatskasse entgegengesetzt werden (Groß in Groß Beratungshilfe/Prozesskostenhilfe/Verfahrenskostenhilfe, 14. Auflage 2018, § 59 RVG Rn. 4; Thür LSG, B.v. 18.02.2008 – L 6 B 3/08 SF – juris Rn. 14). So kann der Gegner gegenüber der Staatskasse zum Beispiel einwenden, es seien zu hohe Gebührensätze berechnet worden (so ausdrücklich Müller-Raabe in Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 24. Auflage 2019, § 59 Rn. 11 und BGH, B.v. 12.10.1977 – IV ZR 134/75 – MDR 1978, 214 – juris LS 1 und Rn. 4). Generell können durch den Gegner Einwendungen gegen die Anspruchsberechnung erhoben werden, die gegenüber dem Anwalt im Zeitpunkt des Anspruchsübergangs möglich waren, auch mit Bezug auf den Kostansatz des Gerichts (Kießling in Mayer/Kroiß RVG, 7. Auflage 2018, § 59 Rn. 14; vgl. auch LAG MV, B.v. 20.2.2012 – 5 Ta 37/11 – juris Rn. 28).
Letztlich kommt es darauf an, ob die geltend gemachten Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung (Reisekosten des nicht ortsansässigen Rechtsanwalts) tatsächlich notwendig waren und damit gemäß § 162 VwGO erstattungsfähig sind.
Der Urkundsbeamte hat die Reisekosten (Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld) gemäß Nrn. 7003 und 7005 VV RVG (Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG) im Ergebnis zutreffend in voller Höhe angesetzt und der Antragsgegnerin in Rechnung gestellt, weil gute Gründe für die Beauftragung des aus Hamburg stammenden Rechtsanwalts für das asylrechtliche Gerichtsverfahren bei Veraltungsgericht Würzburg vorlagen.
Denn nach § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts erstattungsfähig, soweit sie zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im Sinne des § 162 Abs. 1 VwGO notwendig sind. Die Erstattungsfähigkeit der Auslagen der Anwälte richtet sich nach der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG, Teil 7.
Eine Einschränkung des Inhalts, dass Reisekosten eines nicht am Sitz des Gerichts tätigen oder wohnenden Rechtsanwalts nur erstattungsfähig sind, wenn seine Zuziehung notwendig war, kennt die VwGO nicht. Die für den Zivilprozess insoweit in § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO getroffene Regelung findet über § 173 VwGO keine Anwendung. Der Gesetzgeber hat die Beteiligten im Verwaltungsprozess bei der Wahl eines Rechtsanwalts ihres Vertrauens freier stellen wollen, als dies im Zivilprozess der Fall ist (BVerwG, B.v. 11.9.2007 – 9 KSt 5/07, 9 KSt 5/07 (9 A 20/05) – NJW 2007, 3656), um es ihnen dadurch zu erleichtern, einen im Verwaltungsrecht qualifizierten Anwalt zu finden (vgl. BT-Drs. 3/55, S. 48). Allerdings wird in Rechtsprechung und Literatur ganz überwiegend die Auffassung vertreten, dass die Erstattungsfähigkeit der Reisekosten eines Anwalts zur Wahrnehmung eines gerichtlichen Termins unter dem Vorbehalt des § 162 Abs. 1 VwGO steht, wonach es sich und zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendige Aufwendungen handeln muss. Der daraus herzuleitende Grundsatz der Kostenminimierung ist bei einer Anwaltswahl mit der Folge zu beachten, dass ohne nähere Prüfung Reisekosten eines Rechtsanwalts nur dann voll zu erstatten sind, wenn er seine Kanzlei am Sitz oder im Bezirk des angerufenen Gerichts oder am Wohnsitz seines Mandanten oder in dessen Nähe hat. Mehrkosten, die dadurch entstehen, dass der beauftragte Rechtsanwalt seine Kanzlei weder am Wohnsitz des Mandanten noch am Gerichtssitz hat, sind grundsätzlich nur bei Vorliegen besonderer Gründe erstattungsfähig. Dies kann der Fall sein, wenn der beauftragte Anwalt etwa über Spezialkenntnisse verfügt und der Streitfall Fachfragen aus diesem Fachgebiet von solcher Schwierigkeit aufwirft, dass ein verständiger Beteiligter die Zuziehung eines solchen Anwalts für ratsam erachten wird. Ein anderer Grund, der die Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwalts rechtfertigen kann, ist ein bestehendes besonderes Vertrauensverhältnis zwischen dem Mandanten und den von ihm beauftragten Rechtsanwalt (vgl. nur VG Würzburg, B.v. 7.7.2017 – W 3 M 15.30112 – juris m.w.N.).
Ein verständiger Beteiligter in einem gerichtlichen Rechtsstreit kann nicht zu seinem Vergnügen Kostenfaktoren schaffen, sondern muss bedenken, dass er – von großen Ausnahmen abgesehen – im Prozess auch unterliegen könnte mit der Folge, dass er auf die unnötig verursachten Kosten sitzen bliebe; zu solchen Kosten zählen nicht nur die – im Obsiegens-Fall – auf den Unterlegenen abwälzbaren Kosten, sondern auch solcher Mehraufwand, der infolge eines vom Wohnort weit entfernten Kanzleisitzes, z.B. für persönliche nicht per Telefon oder ähnlicher Weise zu führende Besprechungen zwischen Mandat und Rechtsanwalt entstehen kann. Schon dies wird einen Rechtssuchenden regelmäßig davon abhalten, ohne vernünftigen Grund einen auswärtigen Rechtsanwalt zu beauftragen. Die Anforderungen an einen vernünftigen, kostenbewussten Rechtssuchenden bei der Wahl des ihn vertretenden Rechtsanwalts lassen sich dahingehend zusammenfassen, dass es für die Wahl eines auswärtigen Anwalts, anstelle eines im Gerichtsbezirks ansässigen Anwalts einen hinreichend gewichtigen Grund geben muss. Abzustellen ist auf eine ex-ante Sicht eines regelmäßig unerfahrenen Rechtsunkundigen (vgl. BayVGH, B.v. 26.1.2018 – 22 C 17.1418 – NJW 2018, 1625 – juris; B.v. 10.6.2015 – 22 C 14.2131 – BayVBl 2016, 63 – juris). Unter anderem wird überwiegend als unzumutbar angesehen, nur zum Zwecke einer Kostenersparnis einen Rechtsanwaltswechsel zu vollziehen, wenn zwischen dem Mandanten und dem auswärtigen Rechtsanwalt bereits seit längerem ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht (vgl. VG Dresden, B.v. 5.10.2017 – 13 O 43/17 – AGS 2017, 589 – juris; BayVGH, B.v. 26.6.2015 – 4 M 15.1062 – BayVBl 2016, 536 – juris.; B.v. 10.6.2015 – 22 C 14.2131 – BayVBl 2016, 63 – juris; BayVGH, B.v. 29.9.2009 – 4 M 09.1721 – juris m.w.N).
Die Kosten eines auswärtigen Rechtsanwalts sind erstattungsfähig, wenn der Verfahrensbeteiligte im Kostenfestsetzungsverfahren nachweisen kann, dass er gute Gründe dafür hatte, den auswärtigen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen zu vertrauen. Ein Beispiel für ein besonderes Vertrauensverhältnis kann sein, wenn der auswärtige Rechtsanwalt die Beteiligten schon im behördlichen Ausgangsverfahren vertreten hat (vgl. Kunze in BeckOK, VwGO, Posser/Wolff, 56. Ed. Stand: 1.1.2021, § 162 VwGO Rn. 77 und 77.2). Die Annahme eines solchen Vertrauensverhältnisses wird aber nur in Ausnahmefällen angenommen werden können, wenn die Beauftragung eines weiter entfernten ansässigen Rechtsanwalts notwendig erscheinen mag, wenn zu diesem aufgrund besonderer Umstände, die mit der Streitsache in Zusammenhang stehen, ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht (Just in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht 5. Auflage 2021, § 162 VwGO Rn. 30). Dabei ist eine kleinliche Handhabung im Verwaltungsrecht nicht angebracht (vgl. Wysk, VwGO, 3. Auflage 2020, § 162 Rn. 38). Ein Vertrauensverhältnis kann auch bestehen, wenn der Beteiligte den Anwalt ständig bedient (vgl. Neumann/Schaks in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 162 Rn. 66 und Rn. 69).
Die Mehrkosten aus der Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwalts in einem Asylverfahren vor dem Verwaltungsgericht (Reisekosten, Tage- und Abwesenheitsgeld) sind gemäß § 162 Abs. 1 und 2 VwGO erstattungsfähig, wenn das Mandat bereits vor der Verteilung des Asylbewerbers erteilt war und der Rechtsanwalt im Verfahren vor dem Bundesamt eine Tätigkeit entfaltet, der ein besonderes Vertrauensverhältnis begründet. Dies gilt insbesondere wenn der Prozessbevollmächtigte bereits im Verwaltungsverfahren vor dem Bundesamt erkennbar und nachhaltig für den Asylbewerber tätig geworden ist. Unter diesen Umständen ist es einem Mandanten nicht zuzumuten, für die Weiterverfolgung seines abgelehnten Asylantrags vor dem Verwaltungsgericht einen anderen hinsichtlich Reisekosten und Tage- und Abwesenheitsgeld kostengünstigen Anwalts mit der Wahrnehmung der Interessen zu beauftragen (vgl. VGH BW, B.v. 11.3.1991 – A 14 S 110/91 – EzAR 613 Nr. 21 – juris sowie etwa VG Würzburg, B.v. 8.5.2020 – W 7 M 19.30326 – juris; B.v. 4.5.2020 – W 7 M 19.30183 – juris).
Ausgehend davon ist im vorliegenden Einzelfall von einem besonderen Vertrauensverhältnis im dargelegten Sinn auszugehen. Der Rechtsanwalt hat die Antragsteller über viele Jahre ständig bedient und ihr Vertrauen genossen, sodass sie gute Gründe hatten, ihn erneut zu beauftragen. Denn der bevollmächtigte Rechtsanwalt hat die Antragsteller (die Kläger des Ausgangsverfahrens) nicht nur im vorauslaufenden Verfahren des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge und im nachfolgenden Klageverfahren vertreten, sondern wurde schon im Rahmen des Asylerstverfahrens im Jahr 2016 mit dem Mandat betraut. Aktenkundig ist eine Vollmacht mit Datum vom „15.05.2014“, die bei der Antragsgegnerin per Fax am 14. Februar 2016 einging. Gegen den betreffenden Bescheid im Asylerstverfahren vom 8. August 2016 vertrat der Bevollmächtigte die Antragsteller vor dem Verwaltungsgericht Würzburg und war auch am 19. Dezember 2016 in der mündlichen Verhandlung des Gerichts in Würzburg anwesend, obwohl ein Prozesskostenhilfeantrag und anschließend die damalige Klage abgelehnt wurden. Weiter war der Klägerbevollmächtigte in dem von ihm eigens eingeleiteten Folgeverfahren beteiligt und hatte die Antragsteller vertreten – im Ergebnis wieder ohne Erfolg. Das Folgeverfahren leitete der Bevollmächtigte mit Schriftsatz vom 12. April 2017 nach Beendigung des vorhergehenden Verfahrens ein. Schließlich wurde auch das – dem vorliegenden gerichtlichen Ausgangsverfahren W 8 K 19.31125 vorausgehende weitere – dritte Verwaltungsverfahren beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unter Beteiligung des Prozessbevollmächtigten durchgeführt. Mit Schriftsatz vom 7. Mai 2019 machte der Prozessbevollmächtigte deutlich, dass er weiterhin die asylrechtlichen Interessen der Antragsteller vertrete. Insoweit verwies er auf die schon früher durchgeführten Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht. In allen behördlichen sowie gerichtlichen Verfahren setzte sich der Prozessbevollmächtigte auch eigeninitiativ nachhaltig für die Belange der Antragsteller ein und legte etwa wiederholt diverse ärztliche Unterlagen vor.
Auch wenn grundsätzlich auf den Zeitpunkt der erstmaligen Beauftragung des Rechtsanwalts abzustellen ist, ist bei der Beurteilung der streitgegenständlichen Kosten, die im letzten Gerichtsverfahren (Auslagen des Bevollmächtigten) entstanden sind, welches am 14. Juni 2019 (W 8 K 19.31125) anhängig wurde, auf dem Zeitpunkt des vorauslaufenden Verwaltungsverfahrens abzustellen und nicht auf die früheren rechtskräftig abgeschlossenen Verwaltungs- und Gerichtsverfahren. Beim letzten Verfahren ging es um den Austausch des Zielstaats unter entsprechender Prüfung nationaler Abschiebungsverbote. Zum Zeitpunkt der erneuten Mandatierung durch Schriftsatz vom 7. Mai 2019 ist von einem zuvor begründeten, bereits bestehenden besonderen Vertrauensverhältnis zwischen den beiden Antragstellern und ihren Prozessbevollmächtigten auszugehen. Die Antragsteller hatten schon spätestens ab 2016 den Bevollmächtigten mandatiert und das Mandat fortgeführt, obwohl sie im Asylverfahren unterlegen waren und selbst die Anwaltskosten zu tragen hatten. Das Gleiche galt für das Folgeverfahren. Obwohl die Antragsteller damit rechnen mussten, womöglich auch im dritten Verfahren zu unterliegen, haben sich die Antragsteller gleichwohl wieder entschlossen, den ihnen bekannten und vertrauten – wenn auch bislang erfolglosen – Rechtswalt erneut zu beauftragen. Dieser Umstand ist ein gewichtiges Indiz für die Annahme eines guten Grundes für die Beauftragung des auswärtigen Anwaltes infolge eines fortbestehenden besonderen Vertrauensverhältnisses, weil sich die Antragsteller trotz der möglichen Gefahr, erneut auf den Kosten sitzen zu bleiben, nicht davon haben abhalten lassen, ihren Bevollmächtigten erneut zu mandatieren (vgl. BayVGH, B.v. 26.1.2018 – 22 C 17.1418 – NJW 2018, 1625 – juris). Das durch die nachhaltige frühere Tätigkeit im vorliegenden Einzelfall nach Überzeugung des Gerichts geschaffene besondere Vertrauensverhältnis geht über ein übliches Mandantenverhältnis hinaus, in dem ein Rechtsanwalt für ein einzelnes Gerichtsverfahren betraut wird. Gerade in Asylverfahren ist aus der gerichtlichen Praxis bekannt, dass das Mandat nach einem erfolglosen gerichtlichen Verfahren in der Regel beendet und etwa für ein Folgeverfahren – anders als hier – ein neuer Rechtsanwalt beauftragt wird. Der Prozessbevollmächtigte im vorliegenden Verfahren hat sich hingegen über mehr als vier Jahre in verschiedenen gerichtlichen und behördlichen Verfahren für die Antragsteller eingesetzt und so ein Vertrauensverhältnis aufgebaut. Diese Vorgeschichte hat hinreichendes Gewicht, um aus der objektiven Sicht eines verständigen Beteiligten, der weder besonders ängstlich noch besonders sorglos ist, die Beauftragung desselben Rechtsanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung vernünftiger Weise erneut als notwendig anzusehen (vgl. im Ergebnis ähnlich VG Würzburg, B.v. 4.5.2020 – W 7 M 19.30183 – juris).
Die Erinnerung war demnach mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO zurückzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).


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