Arbeitsrecht

Rentenversicherung, Verwaltungsakt, Leistungen, Arbeitgeber, Gerichtsbescheid, Versicherungspflicht, Beitragspflicht, Bescheid, Auslegung, Arbeitsentgelt, Sozialversicherung, Verpflichtungsklage, Vergleich, Ablehnung, gesetzlichen Rentenversicherung, Rechtsprechung des BSG, Entscheidung durch Urteil

Aktenzeichen  S 21 BA 122/21

Datum:
15.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 8088
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung sind auch nach der zum 01.07.2020 erfolgten Änderung des § 7 Abs. 4 Satz 2 BVV dazu verpflichtet, beanstandungsfrei abgeschlossene Betriebsprüfungen mit einem den Bestimmtheitsanforderungen genügenden Verwaltungsakt abzuschließen, der Gegenstand und Ergebnis der Prüfung.

Tenor

I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 10.03.2021 verurteilt, einen Verwaltungsakt über Gegenstand und Ergebnis der in der Zeit vom 08.09.2020 bis zum 10.09.2020 bei der Klägerin durchgeführten Betriebsprüfung zu erlassen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf EUR 5.000,00 festgesetzt.

Gründe

1. Das Gericht konnte gemäß § 105 Abs. 1 SGG durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil der Rechtstreit keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt aufgeklärt ist. Dass die Beklagte sich zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht geäußert hat und der Bevollmächtigte der Klägerin höchstvorsorglich einen Antrag auf Entscheidung nach mündlicher Verhandlung stellte, steht der Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht entgegen, nachdem es eines Einverständnisses der Beteiligten hierzu, anders als bei einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG, nicht bedarf (siehe hierzu auch Sächsisches LSG, Beschluss vom 15.05.2015 – L 3 AL 115/13 NZB). Gründe, die gegen eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid sprechen, sind nicht ersichtlich.
2. Die zulässige Klage ist im ausgesprochenen Sinne begründet.
a) Entgegen der ausdrücklichen Bezeichnung der erhobenen Klage als Untätigkeitsklage ist vorliegend von einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG)auszugehen.
Das Klagebegehren ist nach § 92 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit der Klage zu bezeichnen. Entsprechend „soll“ die Klage nach § 92 Abs. 1 Satz 3 SGG einen bestimmten Antrag enthalten. Nach § 123 SGG entscheidet das Gericht über die damit erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Bei unklaren Anträgen muss das Gericht nach § 92 Abs. 2 Satz 1 SGG mit den Beteiligten klären, was gewollt ist, und darauf hinwirken, dass sachdienliche und klare Anträge gestellt werden (§ 106 Abs. 1, § 112 Abs. 2 Satz 2 SGG; BSG, Beschluss vom 16.02.2012 – B 9 SB 48/11 B m.w.N.). Zwar ist bei der Auslegung von Anträgen, die ein Rechtsanwalt oder ein vergleichbar qualifizierter Prozessbevollmächtigter gestellt hat, in der Regel davon auszugehen, dass dieser das Gewollte auch richtig wiedergibt (vgl. BSG, Beschluss vom 05.06.2014 – B 10 ÜG 29/13 B). Bleibt der Erklärungsinhalt des Antrags trotzdem mehrdeutig, ist nach den dargelegten Grundsätzen ebenfalls meistbegünstigend auszulegen (BSG; Urteil vom 14.06.2018 – B 9 SB 2/16 R; so auch BVerwG, Urteil vom 22.02.1985 – 8 C 107/83).
Das Gewollte, also das mit der Klage verfolgte Prozessziel, ist im Wege der Auslegung festzustellen (siehe bspw. BSG, Urteil vom 22.03.1988 – 8/5a RKn 11/87; Urteil vom 08.12.2010 – B 6 KA 38/09 R). In entsprechender Anwendung der Auslegungsregel des § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist der wirkliche Wille zu erforschen. Dabei sind nicht nur der Wortlaut, sondern auch die sonstigen Umstände des Falles, die für das Gericht und die anderen Beteiligten erkennbar sind, zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 22.03.1988 – 8/5a RKn 11/87). Im Zweifel ist davon auszugehen, dass unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsprinzips alles begehrt wird, was dem Kläger aufgrund des Sachverhalts rechtlich zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 24.04.2008 – B 9/9a SB 10/06 R).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann das Begehren der Klägerin auch trotz ihrer anwaltlichen Vertretung nur so verstanden werden, dass sie unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 10.03.2021 die Erteilung eines Bescheides über die in der Zeit vom 08.09.2020 bis zum 10.09.2020 durchgeführte Betriebsprüfung erreichen will, aus dem Gegenstand und Ergebnis der Prüfung ersichtlich sind. Bereits der Klageantrag ist auf Erteilung eines Bescheides über die Betriebsprüfung gerichtet. Zudem hat die Klägerin sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im Klageverfahren deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie die Erteilung eines Bescheides begehrt, in dem Gegenstand und Ergebnis der durchgeführten Betriebsprüfung konkret benannt werden.
Dieser Auslegung steht nicht entgegen, dass der Klagebevollmächtigte irrtümlich davon ausgeht, dass eine Entscheidung über einen Antrag der Klägerin noch nicht ergangen ist.
Zwar kann nach dem Dafürhalten der Kammer in der Prüfmitteilung der Beklagten vom 10.09.2020 noch kein Bescheid über die Ablehnung eines Antrags auf Erteilung eines die Betriebsprüfung abschließenden Verwaltungsaktes erkannt werden. Ein solcher Antrag war vor dem 01.03.2021 nicht konkret gestellt worden. Denn mit dem Schreiben des Steuerberaters der Klägerin vom 20.04.2020 wurde lediglich „um schriftliche Bestätigung“ gebeten, „dass die Betriebsprüfungen bei Beanstandungen oder ohne Beanstandung immer durch einen Verwaltungsakt beendet werden“. Diese Bitte war daher deutlich erkennbar allein auf die Abgabe einer Zusage gerichtet, nicht hingegen auf die Erteilung eines Verwaltungsaktes über eine zu diesem Zeitpunkt noch nicht angekündigte Betriebsprüfung.
Einen konkreten Antrag hat die Klägerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, aber mit dem Schreiben vom 01.03.2021 gestellt. Diesen hat die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 10.03.2021, wenn auch mangels Voranstellung eines Entscheidungssatzes und einer erforderlichen Rechtsbehelfsbelehrungnicht im üblichen Aufbau eines Verwaltungsaktes, so doch durchaus negativ verbeschieden. Konkret führte sie darin aus, dass dem Anliegen der Klägerin auf Erteilung eines Verwaltungsaktes nicht gefolgt werden könne und es dabei verbleibe, dass Prüfungen, bei denen sich keine Feststellungen ergeben, lediglich mit einer Prüfmitteilung abgeschlossen werden. Damit hat de Beklagte es gerade abgelehnt, dem von der Klägerin in ihrem Antrag vom 01.03.2021 formulierten Anliegen nachzukommen. Die Ablehnung eines Verwaltungsaktes ist aber, vergleichbar der Ablehnung einer Auskunft oder Beratung (vgl. BSG, Urteil vom 12.11.1980 – 1 RA 45/79; Urteil vom 13.11.2012 – B 1 KR 13/12 R), ihrerseits ein Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X, gegen den die entsprechenden Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen.
Dass das Schreiben vom 10.03.2021 einen Verwaltungsakt darstellt, nimmt im Übrigen auch die Beklagten an, wenn sie zu der erhobenen Klage dahingehend Stellung nimmt, dass eine Untätigkeit auf den Antrag vom 01.03.2021 angesichts ihres Schreibens vom 10.03.2021 nicht vorliege. Diese Ausführung ergibt nur dann Sinn, wenn die Beklagte annimmt, bereits über den Antrag entschieden zu haben. Denn insoweit bringt sie nicht etwa vor, dass für eine bislang sachlich unterbliebene Entscheidung über den Antrag der Klägerin zureichende Gründe i.S.d. § 88 Abs. 1 SGG vorlägen und sie beabsichtige, nach Wegfalls der entgegenstehenden Gründe einen Verwaltungsakt zu erlassen. Vielmehr sieht sie den Antrag als durch ihr Schreiben vom 10.03.2021 bereits erledigt an. Wenn aber über den Antrag bereits rechtsbehelfsfähig entschieden wurde, so gebietet das Meistbegünstigungsprinzip vorliegend die Annahme, dass die Klägerin mit ihrer Klage diejenige Klage erheben will, die aufgrund des Sachverhalts die rechtlich zutreffende ist. Diese ist im vorliegenden Fall eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG), da die Klägerin neben der Aufhebung des Bescheids vom 10.03.2021 auch die Verpflichtung der Beklagten zum Erlass eines abgelehnten Verwaltungsaktes begehrt.
b) Die so verstandene Klage ist auch zulässig.
aa) Zwar ist nach § 78 Abs. 1 und 3 SGG vor Erhebung einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes in einem, hier unterbliebenen, Vorverfahren nachzuprüfen. Eines solchen bedarf es grundsätzlich nur dann nicht, wenn ein Fall des § 78 Abs. 1 Satz 2 SGG vorliegt. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Über die in § 78 Abs. 1 Satz 2 SGG geregelten Ausnahmen hinaus sind in der Rechtsprechung aber auch weitere, besondere Ausnahmefälle anerkannt. Ein solcher Ausnahmefall liegt insbesondere dann vor, wenn der Zweck des Vorverfahrens nicht mehr erreicht werden kann und sich die Durchführung desselben nur noch als reine Förmelei darstellte (vgl. dazu BSG; Urteil vom 03.03.2009 – B 4 AS 37/08 R Rn. 18 f.; Hessisches LSG, Urteil vom 25.03.2014 – L 3 U 42/19 (Rn. 43); Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2021, § 78 Rn. 8b). Da die Beklagte nicht nur im Verwaltungsverfahren, sondern auch im Klageverfahren und unter Hinweis auf den Beschluss des Fachausschusses für Leistungen der deutschen Rentenversicherungsträger vom 03.06.2020 den Erlass eines Bescheides, wie ihn das BSG in seinem Urteil vom 19.09.2019 (B 12 R 25/18 R) vorskizzierte, ablehnte würde das eigentlich noch durchzuführende Widerspruchsverfahren zur bloßen Förmelei verkommen. Daher steht das nicht durchgeführte Vorverfahren hier ausnahmsweise nicht der Zulässigkeit der Klage entgegen.
bb) Die Klage wurde auch fristgerecht erhoben. Gemäß § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG ist die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben. Nachdem in dem Bescheid der Beklagten vom 10.03.2021 eine Rechtsbehelfsbelehrungnicht enthalten war, konnte die Klage gemäß § 66 Abs. 1, 2 Satz 1 SGG abweichend von § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG aber innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung erhoben werden. Diese Frist hat die Klägerin mit der am 20.05.2021 eingegangen Klage ohne Weiteres gewahrt.
c) Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 10.03.2021 verletzt die Klägerin in ihren Rechten und war daher aufzuheben. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung eines Bescheids über die in der Zeit vom 08.09.2020 bis zum 10.09.2020 durchgeführte Betriebsprüfung, in dem Gegenstand und Ergebnis der Betriebsprüfung benannt werden. Entsprechend war die Beklagte hierzu zu verurteilen (§ 131 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Entgegen ihrer Auffassung ist die Beklagte dazu verpflichtet, auch eine beanstandungsfrei durchgeführte Betriebsprüfung mit einem Verwaltungsakt zu beenden, mit dem personenbezogen und für bestimmte Zeiträume Feststellungen zur Versicherungs- und/oder Beitragspflicht getroffen werden. Diese Verpflichtung der Beklagten resultiert unmittelbar aus dem im Lichte des Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) auszulegenden § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV, wonach die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern erlassen. Diese Auslegung trägt nach der neueren und durchaus überzeugenden Rechtsprechung des BSG insbesondere der aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden Berufsausübungsfreiheit sowie der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) der Arbeitgeber Rechnung (vgl. dazu BSG, Urteil vom 19.09.2019 – B 12 R 25/18 R m.w.N.). Schon die mit einer Betriebsprüfung für die Arbeitgeber einhergehenden Duldungs- und Mitteilungspflichten, vgl. § 10 BVV, bedürfen aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten einer Rechtfertigung. Zudem werden Arbeitgeber speziell im Bereich der Erhebung der Beiträge zur Sozialversicherung gesetzlich in Anspruch genommen, öffentliche Aufgaben zu erledigen (sog. Indienstnahme Dritter, vgl. dazu schon BSG, Urteil vom 29.04.1976 – 12/3 RK 66/75; Schlegel, Die Indienstnahme des Arbeitgebers in der Sozialversicherung, Festschrift 50 Jahre Bundessozialgericht 2004, S. 265, 268 ff. m.w.N.). Mit den aus §§ 28a, 28e SGB IV folgenden Melde- und Zahlungspflichten werden sie zum Zwecke des effizienteren Beitragseinzugs in die Pflicht genommen, vorab häufig auch schwierige Status- und Beitragsfragen zu beurteilen, wobei sie in diesem Zusammenhang das Risiko tragen, bei einer fehlerhaften Beurteilung im Rahmen der aus § 25 SGB IV folgenden Verjährung zur nachträglichen Beitragszahlung herangezogen zu werden und, wenn ein Abzug vom Arbeitsentgelt des jeweiligen Beschäftigten nicht mehr möglich ist, aufgrund des § 28g SGB IV sogar den eigentlich vom Beschäftigten zu tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags endgültig tragen zu müssen. Das so ausgestaltete System des Einzugs von Sozialversicherungsbeiträgen darf die Arbeitgeber aber nicht über Gebühr mit Risiken und Pflichten belasten (so bereits BSG, Urteil vom 19.09.2019 – B 12 R 25/18 R auch unter Bezugnahme auf Schlegel, a.a.O, dort insbesondere auf S. 279 ff.). Eine solche Belastung wird mit der vom BSG erkannten Auslegung des § 28p Abs. 1 Satz 5 SGG vermieden. Auch wenn die Arbeitgeber damit von den ihnen auferlegten Risiken nicht völlig entlastet werden, halten sich diese so doch in einem zumutbaren Rahmen. Denn wenn eine, nur stichprobenhaft durchzuführende (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 BVV), Betriebsprüfung, welche mindestens alle vier Jahre stattzufinden hat, vgl. § 28p Abs. 1 Satz 1 2. Hs. SGB IV, mit einem Verwaltungsakt abgeschlossen wird, der darüber Auskunft gibt, welche Sachverhalte mit welchem Ergebnis geprüft wurden, erhalten sie dadurch einerseits wertvolle Anhaltspunkte dafür, wie sie den ihnen obliegenden Aufgaben ordnungsgemäß nachkommen können. Darüber hinaus resultiert aus einem den vorstehend genannten Bestimmtheitsanforderungen genügenden Bescheid eine materielle Bindungswirkung, welche im Falle der Beanstandungsfreiheit auch einen Schutz der Arbeitgeber vor späteren Nachforderungen bewirkt (vgl. dazu BSG, Urteil vom 29.07.2003 – B 12 AL 1/02 R; Urteil vom 18.11.2015 – B 12 R 7/14 R; Urteil vom 19.09.2019 – B 12 R 25/18 R). Es entspricht daher grundrechtsschonender Auslegung, auch das Ergebnis beanstandungsfreier Betriebsprüfungen in dem Sinne rechtssicher auszugestalten, dass die Arbeitgeber sich hierauf berufen können (so bereits BSG, Urteil vom 19.09.2019 – B 12 R 25/18 R).
An dieser Auslegung ändert auch die mit dem Siebten Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (BGBl. I, 2020, S. 1248 ff.) bewirkte Änderung des § 7 Abs. 4 Satz 2 BVV nichts. Zwar hat das BSG in seinem Urteil vom 19.09.2019, in welchem es seine Rechtsprechung zum Abschluss von Betriebsprüfungen im o.g. Sinne fortentwickelte, zur Begründung auch auf § 7 Abs. 4 Satz 2 BVV in der vom 01.01.2017 bis zum 30.06.2020 gültigen Fassung (a.F.) Bezug genommen, nach welchem der Arbeitgeber durch den Prüfbescheid oder das Abschlussgespräch zur Prüfung Hinweise zu den „festgestellten“ Sachverhalten erhalten sollte, um in den weiteren Verfahren fehlerhafte Angaben zu vermeiden. Allerdings war § 7 Abs. 4 Satz 2 BVV a.F. allein Anlass, nicht dagegen der tragende Grund für die gefundene Auslegung des § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV. Dies wird bereits dadurch ersichtlich, dass das BSG in seinem Urteil ausdrücklich ausführte, die Auslegung werde „im Einklang mit § 7 Abs. 4 Satz 1 und 2 BVV“ a.F. vorgenommen (a.a.O., Rn. 33). Zudem wies es darauf hin, dass es seine Rechtsprechung insbesondere im Hinblick auf die Grundrechtsrelevanz der Indienstnahme der Arbeitgeber für den Beitragseinzug und nur „angesichts“ der Einführung des § 7 Abs. 4 Satz 2 BVV a.F. fortentwickle (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 31). Das bedeutet, dass das BSG die von ihm gefundene Auslegung zwar in § 7 Abs. 4 Satz 2 BVV a.F. bestätigt sah. Daraus folgt aber nicht, dass diese Auslegung auch davon abhängig wäre, dass diese Regelung unverändert besteht oder aber davon, dass das BSG § 7 Abs. 4 Satz 2 BVV zutreffend interpretiert hat, was von der Beklagten in Abrede gestellt wird. Ein solches Ergebnis widerspräche bereits der aus Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG folgenden Normenhierarchie, wonach die Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden ist, während die vollziehende und rechtsprechende Gewalt zusätzlich an Gesetz und Recht gebunden sind. Entsprechend ist auch eine Rechtsverordnung, die gegen höheres Recht verstößt, grundsätzlich nichtig (siehe hierzu und zum insoweit zur Verfügung stehenden Rechtsschutz Dürig/Herzog/Scholz/Remmert, GG, 95. EL Juli 2021, Art. 80 Rn. 137 ff. m.w.N.; zur Qualifizierung auch einer durch Parlamentsgesetz geänderten Rechtsverordnung als Rechtsverordnung: BVerfG, Beschluss vom 13.09.2005 – 2 BvF 2/03 Rn. 193 ff. mit unter Rn. 245 ff. aufgeführtem abweichendem Votum). Dies bedeutet weiter, dass wenn man § 7 Abs. 4 Satz 2 BVV alter wie neuer Fassung die Regelung entnehmen wollte, die Träger der Rentenversicherung seien nur dann zum Erlass eines die Betriebsprüfung abschließenden Verwaltungsaktes verpflichtet, wenn sie in deren Rahmen auf beanstandungswürdige Sachverhalte stoßen, diese Norm wegen eines Verstoßes gegen höherrangiges Recht, namentlich § 28 Abs. 1 Satz 5 SGB IV, zumindest insoweit nichtig wäre und entsprechend unangewandt bleiben müsste.
Allerdings kann § 7 Abs. 4 Satz 2 BVV entgegen der Ansicht der Beklagten ein solcher Regelungsgehalt auch unter Berücksichtigung des Gesetzgebungsverfahrens nicht entnommen werden. Denn in der Begründung zum von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze wird in Bezug auf § 7 Abs. 4 Satz 2 BVV allein ausgeführt, dass mit der Änderung klargestellt werde, dass es sich um eine Unterstützung des Arbeitgebers durch die Rentenversicherungsträger in Form gezielter Hinweise in den konkret beanstandeten Sachverhalten handele, wodurch das Melde- und Beitragsnachweisverfahren nachhaltig und qualitativ gestärkt werden, eine gesetzlich verpflichtende und umfängliche Beratung zu allen von der Prüfung erfassten Sachverhalten hingegen nicht bewirkt werden solle (vgl. BT-Drs. 19/17586, S. 135). Mithin sollte mit dieser Änderung allein verhindert werden, dass die Rentenversicherungsträger infolge der bisherigen Formulierung des § 7 Abs. 4 Satz 2 BVV zum Zwecke der Vermeidung von fehlerhaften Angaben zu sämtlichen von ihr geprüften und „festgestellten“ Sachverhalten Hinweise geben muss, was je nach Umfang der durchgeführten Prüfung zu einem durchaus beträchtlichen Aufwand bei dem Erlass eines die Betriebsprüfung abschließenden Bescheids geführt hätte. Die grundsätzlich aus § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV folgende Verpflichtung der Rentenversicherungsträger, auch eine beanstandungsfreie Betriebsprüfung mit einer rechtswirksamen Feststellung zum Bestehen bzw. Nichtbestehen von Versicherungs- oder Beitragspflicht in den stichprobenweise geprüften Auftragsverhältnissen und zum Ergebnis der übrigen geprüften Sachverhalte abzuschließen, wird dagegen nicht negiert. Allein besteht insoweit keine eingehende Beratungspflicht. Das Ziel, eine beanstandungsfreie Betriebsprüfung insoweit rechtssicher auszugestalten, als dass die Arbeitgeber sich hierauf auch nach den dazu entwickelten Grundsätzen des BSG (vgl. nur Urteil vom 29.07.2003 – B 12 AL 1/02 R und Urteil vom 30.10.2013 – B 12 AL 2/11 R) berufen können, wird damit dennoch erreicht, da mit der Benennung der konkret geprüften Sachverhalte und des Ergebnisses, dass kein Grund zur Beanstandung bestand, ein der materiellen Bindungswirkung zugänglicher Verwaltungsakt gerade erlassen wird. Denn insoweit wird personen- und zeitbezogen konkret geregelt, dass eine Beanstandung nicht erfolgt.
Dass daraus, wie die Beklagte ausführt, für die Beteiligten ein höherer Aufwand folgt, sodass die mit der Stichprobenprüfung bezweckte Effizienz und Arbeitserleichterung in ihr Gegenteil verkehrt würde, kann nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Zum einen vergleicht die Beklagte damit bereits sachfremd die Effizienz ihrer bisherigen Verwaltungspraxis mit derjenigen, die mit der neueren Rechtsprechung des BSG im Einklang stünde. Richtiger Vergleichsmaßstab wäre eine verpflichtende Vollprüfung mit der auch weiterhin vorgeschriebenen Stichprobenprüfung, welche im Vergleich zu einer Vollprüfung auch in Zukunft eine Arbeitserleichterung darstellt und eine effizientere Durchführung der alle vier Jahre durchzuführenden Betriebsprüfungen ermöglicht. Darüber hinaus resultierte der von der Beklagten vorgetragene Umstand, dass für die durchzuführenden Prüfungen unter Berücksichtigung des im Lichte der Verfassung ausgelegten § 28p Abs. 1 Satz 5 SGG nunmehr höhere Zeitansätze zu veranschlagen sind, allein aus dem Gesetz, dem dann mit einer entsprechenden Mittelausstattung Rechnung zu tragen wäre.
Schließlich kann auch der Argumentation der Beklagten, aus der in § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV vorgenommenen Kompetenzabgrenzung sei zu schließen, die Träger der Rentenversicherung hätten im Rahmen von Betriebsprüfungen allein die Kompetenz, nicht hingegen die Verpflichtung zum Erlass eines Verwaltungsaktes, nicht gefolgt werden. Insoweit bleibt sie eine nachvollziehbare Begründung schuldig. Die Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung, in der ausgeführt wird, dass die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung berechtigt sind, Verwaltungsakte zu erlassen, zwingt entgegen der Auffassung der Klägerin in keiner Weise zu dem Schluss, dass darin nur eine Ermächtigungsgrundlage zu erkennen ist, von der die Beklagte nach freiem Belieben Gebrauch machen kann. Insoweit kann an dieser Stelle auf die bereits oben gemachten Ausführungen und die Entscheidung des BSG vom 19.09.2019 verwiesen werden, wo die tragenden Gründe für die Verpflichtung der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, auch beanstandungsfrei gebliebene Betriebsprüfungen mit einem Verwaltungsakt abzuschließen, dargelegt wurden.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Beklagte hat aufgrund ihres Unterliegens im Klageverfahren die Kosten des Verfahrens zu tragen.
4. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Hiernach ist in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit der Streitwert nach der sich aus dem Antrag der Klagepartei für sie ergebenden Bedeutung der Sache zu bestimmen, wobei in Fällen, in denen der Sach- und Streitstand für diese Bestimmung keine genügenden Anhaltspunkte bietet, ein Streitwert von EUR 5.000,00 anzunehmen ist. Dies ist vorliegend der Fall.


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