Arbeitsrecht

Rückerstattung von Kindergeld

Aktenzeichen  7 K 2198/19

Datum:
26.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 24047
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
EStG § 64 Abs. 2, § 70 Abs. 2
AP § 37 Abs. 2

 

Leitsatz

Bei Rückforderung des Kindergeldes vom Elternteil, der dieses mangels Haushaltsaufnahme des Kindes zu Unrecht bezogen hat, schließt eine Weiterleitung an den kindergeldberechtigten Elternteil die Rückforderung nicht von Gesetzes wegen aus. Diese kann lediglich aus Vereinfachungsgründen von der Familienkasse als Erfüllung des Erstattungsanspruchs im verkürzten Zahlungswege berücksichtigt werden.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Streitig ist nur noch, ob die Beklagte (die Familienkasse) zu Recht die Kindergeldfestsetzung für das Kind P, geboren am 23. Oktober 2006, für die Monate Februar 2019 und März 2019 aufgehoben, und zu Recht Kindergeld in Höhe von 392 € von der Klägerin zurückgefordert hat.
Die Klägerin bezog fortlaufend Kindergeld für ihren Sohn P. Sie lebte mit dem Kindsvater, P und weiteren gemeinsamen Kindern, in einem Haushalt in R. Am 5. März 2019 teilte der Kindsvater der Familienkasse telefonisch mit, dass sich die Klägerin und er am 10. Januar 2019 getrennt hätten und das Kind P bei ihm bleibe. Er behalte den bisherigen Haushalt in R bei.
Mit Bescheid vom 14. März 2019 hob die Familienkasse u.a. die Festsetzung des Kindergeldes für das Kind P ab dem Monat April 2019 gemäß § 70 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) auf.
Mit Schreiben vom 5. Juni 2019 teilte die Familienkasse der Klägerin u.a. mit, dass nach Änderung der Anspruchsberechtigung die Festsetzung des Kindergeldes für P für die Monate Februar und März 2019 aufzuheben und das zu viel gezahlte Kindergeld in Höhe von 392 € zu erstatten sei. P lebe seit 10. Januar 2019 beim Kindsvater. Dieser habe gemäß § 64 Abs. 2 EStG den vorrangigen Anspruch auf Kindergeld. In dem Schreiben vom 5. Juni 2019 wurde die Klägerin auch auf die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Weiterleitung des Kindergeldes an den Kindsvater hingewiesen. Es wurde erläutert, dass eine schriftliche Bestätigung des Kindsvaters, dass das Kindergeld an ihn weitergeleitet wurde, auf dem beigefügten amtlichen Vordruck vorzulegen ist. Die Klägerin erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme und Vorlage der Bestätigung über eine Weiterleitung bis 11. Juli 2019.
Mit Bescheid vom 16. Juli 2019 hob die Familienkasse u.a. die Festsetzung des Kindergeldes für P ab dem Monat Februar 2019 gemäß § 70 Abs. 2 EStG auf und forderte Kindergeld für P in Höhe von insgesamt 392 € für die Monate Februar und März 2019 zurück. Zur Begründung führte sie an, dass der Kindsvater P in seinen Haushalt aufgenommen und somit vorrangig Anspruch auf Kindergeld habe. Eine Weiterleitung des Kindergeldes könne nicht anerkannt werden, da die hierfür erforderliche schriftliche Bestätigung des Kindsvaters nicht vorliege.
Die Klägerin legte gegen den Bescheid vom 16. Juli 2019 Einspruch ein. Sie brachte insbesondere vor, dass sie das Kindergeld für die Monate Februar und März gegen Unterschrift an den Kindsvater “abgetreten habe“.
Die Familienkasse wies den Einspruch der Klägerin mit Einspruchsentscheidung vom 7. August 2019 als unbegründet zurück. Sie verwies insbesondere auf die nicht erfolgte Vorlage der Weiterleitungserklärung auf amtlichen Vordruck. Darüber hinaus wies sie darauf hin, dass das Kindergeld für die Monate Februar und März 2019 zwischenzeitlich an den Kindsvater ausgezahlt worden sei.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage bringt die Klägerin vor, dass der Kindsvater für die Monate Februar und März 2019 kein Kindergeld beanspruche und sie bis 15. Februar 2019 offiziell im selben Haus gewohnt habe. Am 15. Februar 2019 sei sie nach Ruhstorf a. d. Rott gezogen. Für den Monat März habe sie dem Kindsvater das Kindergeld ausgehändigt. Die Klägerin legt hierzu die Kopie einer handschriftlichen Bestätigung mit dem Inhalt “Kindergeld für März 2019 erhalten“ sowie ein Schreiben des Landratsamts D vom 15. April 2019 vor, aus dem hervorgeht, dass das Kind S, geb. 10. Mai 2002, seit 1. März 2019 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz erhält. Aus dem Bescheid sei ersichtlich, dass sie im Februar noch in R gewohnt habe.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Bescheid vom 16. Juli 2019 sowie die Einspruchsentscheidung vom 7. August 2019 aufzuheben, soweit darin die Kindergeldfestsetzung für das Kind P für die Monate Februar 2019 und März 2019 aufgehoben und Kindergeld für P für die Monate Februar 2019 und März 2019 zurückgefordert wurde.
Die Familienkasse beantragt,
die Klage abzuweisen Sie verweist auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.
Zum auf den 24. Januar 2020 bestimmten Termin zur Erörterung des Sach- und Rechtsstands ist die Klägerin trotz ordnungsgemäßer Ladung – Zustellung lt. Postzustellungsurkunde (PZU) am 3. Januar 2020 – nicht erschienen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und auf die vorgelegten Unterlagen und Akten verwiesen.
II.
Die Klage ist unbegründet. Die Familienkasse hat zu Recht, für das Kind P die Festsetzung des Kindergeldes für die Monate Februar und März 2019 aufgehoben und Kindergeld in Höhe von 392 € von der Klägerin zurückgefordert.
1. Die Klägerin und der Kindsvater sind Berechtigte i.S. von § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG hinsichtlich des Kindergeldes für das gemeinsame Kind P. Denn dieser wird bei beiden Elternteilen nach § 63 Abs. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 EStG berücksichtigt. Gemäß § 64 Abs. 1 EStG wird jedoch für jedes Kind nur einem Berechtigten das Kindergeld gezahlt. Bei mehreren Berechtigten wird das Kindergeld aufgrund des sog. Obhutsprinzips demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (§ 64 Abs. 2 Satz 1 EStG). Wohnen die Eltern eines Kindes zusammen mit dem Kind in einem gemeinsamen Haushalt, so bestimmen sie nach § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG untereinander den Berechtigten. Dies geschieht üblicherweise – so auch im Streitfall – durch den Kindergeldantrag (§ 67 EStG). Kommt es zu keiner einvernehmlichen Regelung, so bestimmt das Familiengericht auf Antrag den Berechtigten (§ 64 Abs. 2 Satz 3 EStG).
a) Haushaltsaufnahme bedeutet die Aufnahme des Kindes in einer Familiengemeinschaft mit einem dort begründeten Betreuungs- und Erziehungsverhältnis familienhafter Art. Neben dem örtlich gebundenen Zusammenleben müssen Voraussetzungen materieller Art (Versorgung, Unterhaltsgewährung) und immaterieller Art (Fürsorge, Betreuung) erfüllt sein (vgl. hierzu Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 22. August 2011 III B 192/10, BFH/NV 2011, 2043). Ein gemeinsamer Haushalt im Sinne des § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG liegt dann vor, wenn die Beteiligten gemeinsam zum Unterhalt der Familie beitragen und der Haushalt beiden zuzurechnen ist. Leben die leiblichen Eltern mit ihren Kindern gemeinsam in einem Haushalt, begründet dies grundsätzlich die Aufnahme in den gemeinsamen Haushalt beider Elternteile.
b) Trennen sich die Eltern eines Kindes und leben sie fortan in verschiedenen Haushalten, so verliert eine früher getroffene Berechtigtenbestimmung in der Regel ihre Bedeutung, weil dann das Kindergeld zwingend an den Elternteil zu zahlen ist, in dessen Haushalt das Kind nunmehr lebt (§ 64 Abs. 2 Satz 1 EStG). Eine vormals getroffene Berechtigtenbestimmung wird daher mit Auflösung des gemeinsamen Haushalts gegenstandslos (vgl. BFH-Urteil vom 18. Mai 2017 III R 11/15, BStBl II 2017, 1199).
2. Im Streitfall ist nicht davon auszugehen, dass im Monat Februar noch ein gemeinsamer Haushalt der Klägerin und des Kindsvaters bestand. Die Klägerin hat bereits nicht dargelegt, dass sie tatsächlich im Februar noch in der gemeinsamen Familienwohnung in R wohnte. Im Verwaltungsverfahren wurde dieser Sachverhalt nicht vorgetragen. Im Klageverfahren trägt die Klägerin nunmehr vor, dass sie bis 15. Februar 2019 noch “offiziell“ im selben Haus in R gewohnt habe und am 15. Februar 2019 nach X umgezogen sei. Das Gericht hat mit Schreiben vom 4. Dezember 2019 darauf hingewiesen, dass für das Bestehen eines gemeinsamen Haushalts die tatsächlichen Verhältnisse maßgebend sind und nicht, ob die Klägerin im Februar 2019 noch unter der Adresse in R gemeldet war (vgl. Hinweis des Gerichts vom 4. Dezember 2019). Auch die Tatsache, dass das Kind Stefan seit dem 1. März 2019 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz erhielt (vgl. Mitteilung des Landratsamts vom 15. April 2019) lässt keine Rückschlüsse auf das tatsächliche Fortbestehen eines gemeinsamen Haushalts bis Mitte Februar zu. Der Aufforderung des Gerichts, die tatsächlichen Verhältnisse darzulegen, ist die Klägerin nicht nachgekommen. Dies geht zu ihren Lasten.
3. Die Klägerin ist nach § 37 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) verpflichtet, das zu Unrecht an sie gezahlte Kindergeld für die Monate Februar und März 2019 zu erstatten. Sie kann gegen den Rückforderungsanspruch nicht mit Erfolg einwenden, sie habe das Kindergeld an den Kindsvater weitergeleitet.
a) Ist eine Steuervergütung wie das Kindergeld (§ 31 Abs. 3 EStG) ohne rechtlichen Grund gezahlt worden oder ist der rechtliche Grund für die Zahlung später weggefallen, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, nach § 37 Abs. 2 AO gegenüber dem Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten Betrages. Im Streitfall ist der rechtliche Grund für die Zahlung des Kindergeldes durch die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für die Monate Februar und März entfallen.
b) Die Klägerin kann gegenüber dem Erstattungsanspruch der Familienkasse nach § 37 Abs. 2 AO auch nicht mit Erfolg geltend machen, sie habe das Kindergeld an den Kindsvater als vorrangig Berechtigten weitergeleitet.
Zwar kann der Erstattungsschuldner gegenüber der Familienkasse geltend machen, den Erstattungsanspruch durch Weiterleitung erfüllt zu haben, wenn er u.a. die schriftliche Bestätigung des vorrangig Berechtigten beibringt, dass dieser das Kindergeld erhalten hat und seinen Anspruch als erfüllt ansieht (vgl. Kapitel V 37 der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (DA-KG) 2019, BStBl I 2019, 655). Diesen Voraussetzungen hat die Klägerin nicht genüge getan. Sie hat die erforderliche schriftliche Bestätigung des Kindsvaters als vorrangig Berechtigten auf dem vorgeschriebenen amtlichen Vordruck nicht vorgelegt. Die Entscheidung der Familienkasse, die von der Klägerin geltend gemachte Weiterleitung nicht anzuerkennen, ist daher nicht zu beanstanden. Sie beruht darauf, dass die Weiterleitung die Rückforderung nicht von Gesetzes wegen ausschließt, sondern lediglich aus Vereinfachungsgründen von der Familienkasse als Erfüllung des Erstattungsanspruchs im verkürzten Zahlungswege berücksichtigt werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 22. September 2011 III R 82/08, BStBl II 2012, 734 m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung). Im Übrigen kann die Klägerin eine Weiterleitung auch deswegen nicht mehr mit Erfolg geltend machen, weil die Familienkasse das Kindergeld für den betreffenden Zeitraum an den (nunmehr) berechtigten Kindsvater zwischenzeitlich ausgezahlt hat (vgl. hierzu Kapitel V 37 Abs. 2 der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (DA-KG) 2019, BStBl I 2019, 655)
3. Es erscheint als sachgerecht, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden (§ 90a Finanzgerichtsordnung – FGO).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.


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