Arbeitsrecht

Sozialgerichtliches Verfahren – Rechtsanwaltsvergütung – beigeordneter Rechtsanwalt – Terminsgebühr – verspäteter Beginn der mündlichen Verhandlung – Berücksichtigung von Wartezeiten

Aktenzeichen  L 1 SF 1371/19 B

Datum:
20.12.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Thüringer Landessozialgericht 1. Senat
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:LSGTH:2021:1220.L1SF1371.19B.00
Normen:
Nr 3106 RVG-VV
§ 2 Abs 2 S 1 RVG
§ 3 Abs 1 S 1 RVG
§ 14 Abs 1 RVG
§ 45 Abs 1 RVG
… mehr
Spruchkörper:
undefined

Leitsatz

Beginnt die mündliche Verhandlung später als in der Ladung mitgeteilt, ist die Wartezeit des beigeordneten Rechtsanwalts bei der Festsetzung der Terminsgebühr nach Nr 3106 VV RVG (juris: RVG-VV) beim Umfang der anwaltlichen Tätigkeit zu berücksichtigen. (Rn.22)

Verfahrensgang

vorgehend SG Altenburg, 18. November 2019, S 49 SF 219/19 E, Beschluss

Tenor

Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 18. November 2019 (S 49 SF 219/19 E) geändert und die aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung des Beschwerdeführers für das Verfahren S 49 AS 3370/15 auf 545,62 € festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

Gründe

I.
Streitig ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für das beim Sozialgericht (SG) Altenburg anhängig gewesene Verfahren (S 49 AS 3370/15) des von dem Beschwerdeführer vertretenen Klägers.
Der Kläger wandte sich mit der am 15. Dezember 2015 erhobenen Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 19. Juni 2015, abgeändert durch Bescheid vom 7. Oktober 2015 (vorläufige Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 2015). Er begehrte für den gesamten Zeitraum vorläufig Leistungen in Höhe von 88,00 € monatlich mehr. Zur Begründung führte der Beschwerdeführer aus, die Beklagte rechne Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit an, obwohl der Kläger bereits erklärt habe, dass er kein Einkommen mehr aus selbstständiger Tätigkeit beziehe. Mit zwei kurzen Schriftsätzen übersandte der Beschwerdeführer die Akte nach Einsichtnahme zurück und erinnerte an die Bewilligung der beantragten Prozesskostenhilfe (PKH). Mit Beschluss vom 24. Februar 2016 bewilligte das SG dem Kläger PKH ab dem 15. Dezember 2015 ohne Kostenbeteiligung unter Beiordnung des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer nahm im März 2016 auf knapp 1,5 Seiten Stellung zu den Ausführungen der Beklagten. Mit weiterem Schriftsatz beantragte er vorsorglich den Erlass eines endgültigen Leistungsbescheides. In der mündlichen Verhandlung am 22. Oktober 2018, die auf 12:00 Uhr geladen war, um 12:37 Uhr begann und um 12:59 Uhr beendet war, erklärte sich die Beklagte bereit, für den streitigen Zeitraum einen Betrag in Höhe von 768,00 € an den Kläger nachzuzahlen. Ebenso erklärte sie sich bereit, die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach zu übernehmen. Der Kläger nahm das Anerkenntnis der Beklagten an und erklärte den Rechtsstreit für erledigt.
Mit Kostennote vom 15. November 2018 beantragte der Beschwerdeführer die Festsetzung folgender Vergütung für das Klageverfahren:
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG
300,00 €
Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG
280,00 €
Dokumentenpauschale Nr. 7000 VV RVG 414 Ablichtungen
79,60 €
Fahrtkosten Nr. 7003 VV RVG hier ⅒
4,50 €
Tage- und Abwesenheitsgeld bis zu 4 Stunden Nr. 7005 VV RVG hier ⅒
4,00 €
Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen Nr. 7002 VV RVG
20,00 €
Zwischensumme
688,10 €
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG
130,74 €
Gesamtbetrag
818,84 €
abzüglich Vorschusszahlung vom 18. Dezember 2015
-380,80 €
Auszuzahlender Betrag
438,04 €
Mit Kostennote vom 13. Dezember 2018 beantragte er die Erstattung folgender Kosten für das Klageverfahren:
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG
300,00 €
Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG
280,00 €
abzgl. Geschäftsgebühr zu 1/2
-150,00 €
Dokumentenpauschale Nr. 7000 VV RVG 414 Ablichtungen
79,60 €
Fahrtkosten Nr. 7003 VV RVG hier ⅒
4,50 €
Tage- und Abwesenheitsgeld bis zu 4 Stunden Nr. 7005 VV RVG hier ⅒
4,00 €
Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen Nr. 7002 VV RVG
20,00 €
Zwischensumme
538,10 €
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG
102,24 €
Gesamtbetrag
640,34 €
abzüglich Vorschusszahlung vom 18. Dezember 2015
-151,73 €
Auszuzahlender Betrag
488,61 €
Auf Anfrage der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) gab der Beschwerdeführer an, die angegebenen Seiten der Verwaltungsakte eingescannt zu haben.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss (richtig: Vergütungsfestsetzungsbeschluss) vom 12. April 2018 setzte die UdG die zu erstattende Vergütung auf 379,02 €, die auszuzahlende Vergütung auf 227,29 € (Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 300,00 €, abzgl. Geschäftsgebühr zu ½ -150,00 €, Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 140,00 €, Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 €, Fahrtkosten Nr. 7003 VV RVG 4,50 €, Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV RVG 4,00 €, Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 151,73 €, Absetzung des Vorschusses in Höhe von 151,73 €) fest.
Hiergegen legte der Beschwerdeführer Erinnerung ein und beantragte die Gebühren auf 640,34 € festzusetzen. Umfang und Dauer der anwaltlichen Tätigkeit seien durchschnittlich gewesen. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sei durchschnittlich, die Bedeutung der Angelegenheit sei für den Kläger überdurchschnittlich. Auch hinsichtlich der Terminsgebühr sei von der Mittelgebühr auszugehen. Die durchschnittliche Terminsdauer betrage unter Berücksichtigung der fiktiven Terminsgebühr 13,8 Minuten. Lege man nur die Verfahren zugrunde, in denen tatsächlich verhandelt worden sei, betrage die durchschnittliche Verhandlungsdauer ebenfalls nur 20 Minuten. Im vorliegenden Fall seien 22 Minuten verhandelt worden, sodass es sich um eine durchschnittliche Verhandlungsdauer handle. Die Gebühren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) seien zuletzt im Jahr 2013 erhöht worden, allein der Zeitablauf und die damit verbundenen Kosten- und Lohnsteigerungen rechtfertigten die Festsetzung erhöhter Sätze. Der Beschwerdegegner hat ebenfalls Erinnerung eingelegt und beantragt die Vergütung auf 328,44 € festzusetzen. Die Geschäftsgebühr Nr. 2503 VV RVG (85,00 €) sei gemäß Anm. 2 Satz 1 zur Hälfte (= 42,50 € zzgl. Umsatzsteuer = 50,58 €) auf die Gebühren für ein anschließendes gerichtliches Verfahren anzurechnen. Hierauf teilte der Beschwerdeführer mit, die Beratungskostenhilfegebühr sei an das Amtsgericht Jena erstattet worden. Eine Anrechnung habe nicht stattzufinden.
Mit Beschluss vom 18. November 2019 hat das SG die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung auf 328,44 € festgesetzt. Die Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG sei in Höhe von ⅔ der Mittelgebühr (200,00 €) angemessen. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit sei unterdurchschnittlich. Der Beschwerdeführer habe die Klage erhoben und in einem 2-seitigen Schriftsatz begründet. Darüber hinaus habe er noch einen 2-seitigen und zwei einseitige Schriftsätze gefertigt und Akteneinsicht genommen. Zu Ermittlungen des Gerichts habe er keine Stellung genommen. Ein besonderer Aufwand – insbesondere auch für das Einscannen der Verwaltungsakte – sei nicht dokumentiert. Die Schwierigkeit sei durchschnittlich; die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger überdurchschnittlich, seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse unterdurchschnittlich. Die Terminsgebühr entstehe insbesondere für die Wahrnehmung von gerichtlichen Terminen. Die Dauer des Termins habe 22 Minuten betragen und entspreche einem unterdurchschnittlichen Umfang der Tätigkeit. Kopierkosten nach Nr. 7000 VV RVG könne der Beschwerdeführer nicht geltend machen. Im Übrigen werde auf die Festsetzungen der UdG verwiesen. Die insgesamt festzusetzende Vergütung betrage 315,54 €. Aufgrund des Verböserungsverbotes seien nach dem Antrag des Beschwerdegegners 328,44 € festzusetzen.
Gegen den am 26. November 2019 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 28. November 2019 Beschwerde eingelegt. Er beantrage die Festsetzung der Vergütung auf 640,34 €. Er verweise auf den Inhalt des Urteils des Bundessozialgerichts (BSG) vom 12. Dezember 2019 (B 14 AS 48/18 B). Umfang und Dauer der anwaltlichen Tätigkeit seien durchschnittlich. Er habe insgesamt 14 Schreiben – einschließlich der Schreiben an den Kläger – verfasst. Am 22. Oktober 2018 habe die mündliche Verhandlung stattgefunden; diese habe pünktlich um 12:30 Uhr begonnen und um 13:00 Uhr geendet. Es sei nicht nachvollziehbar aus welchem Grund hier im Protokoll 8 Minuten weniger berücksichtigt worden seien. Der Beschwerdegegner meint, die Beschwerde habe nur hinsichtlich der Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG Erfolg. Hierzu werde die Auffassung vertreten, dass auch Wartezeiten bei der Bestimmung der Gebühren berücksichtigt werden müssten, auch wenn die Wartezeit an sich zu keiner Erhöhung der Gebühren führe. Im vorliegenden Fall sei Termin auf 12:00 Uhr bestimmt worden; tatsächlicher Beginn der Verhandlung sei jedoch erst um 12:37 Uhr gewesen. Der Ansatz der Mittelgebühr sei hier gerechtfertigt. Der Beschwerdeführer erklärte daraufhin, er nehme das Anerkenntnis der Mittelgebühr für die Terminsgebühr an.
Die Berichterstatterin hat den Sitzungsplan der 49. Kammer des SG vom 22. Oktober 2018 beigezogen.
Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 28. November 2019) und die Akten dem Thüringer Landessozialgericht (LSG) zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Anzuwenden ist das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in der ab dem 1. August 2013 bis zum 31. Dezember 2020 gültigen Fassung (a.F.), denn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG ist vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung am 1. Januar 2021 erfolgt (§ 60 Abs. 1 Satz 1 RVG). Die Beschwerde ist nach §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG) statthaft und zulässig. Der Beschwerdewert übersteigt 200,00 €.
Die Beschwerde ist nur im tenorierten Umfang begründet.
Gegenstand der Überprüfung ist die gesamte Kostenfestsetzung (vgl. Thüringer LSG, Beschluss vom 15. April 2015 – L 6 SF 331/15 B und vom 9. Dezember 2015 – L 6 SF 1286/15 B m.w.N., nach juris). Der Beschwerdegegner hat hier entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers und obwohl er eine Terminsgebühr in Höhe von 280,00 € für angemessen hält, nach dem Wortlaut seiner Ausführungen im Schriftsatz vom 15. Februar 2021 kein (Teil-)Anerkenntnis abgegeben, dessen Annahme der Beschwerdeführer erklären könnte (vgl. hierzu auch Senatsbeschluss vom 28. September 2020 – L 1 SF 531/20 B, nach juris).
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren, die dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse zu erstatten sind (§ 45 Abs. 1 RVG). Das SG hat dem Kläger mit Beschluss vom 24. Februar 2016 PKH bewilligt und er war kostenprivilegierter Beteiligter i.S.d. § 183 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG); damit scheidet die Anwendung des GKG aus (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG).
Die Höhe der Vergütung errechnet sich nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG. Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm ein Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20 v.H. zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 – B 4 AS 21/09 R m.w.N., Thüringer LSG,  u.a. Beschlüsse vom 19. März 2012 – L 6 SF 1983/11 B und 17. Dezember 2010 – L 6 SF 808/10 B, nach juris). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Thüringer LSG vom 17. Dezember 2010, a.a.O); dann erfolgt eine Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren.
Die Verfahrensgebühr nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. Nr. 3102 VV RVG ist in Höhe der Mittelgebühr (300,00 €) angemessen. Beim Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ist vor allem der zeitliche Aufwand im Verfahren zu berücksichtigen, den der Rechtsanwalt im Vergleich mit den übrigen beim Sozialgericht anhängigen Verfahren (nicht eingeschränkt auf Verfahren nach dem SGB II) tatsächlich in der Sache betrieben hat und objektiv auf die Sache verwenden musste (vgl. Thüringer LSG, Beschluss vom 21. Januar 2013 – L 6 SF 1578/12 B m.w.N., nach juris). Der Senat bewertet den Aufwand des Beschwerdeführers hier noch als durchschnittlich. Er fertigte den Klageschriftsatz, zwei einzeilige Schriftsätze, die Klagebegründung und einen weiteren halbseitigen Schriftsatz zu den Ausführungen der Beklagten. Der Beschwerdeführer nahm Akteneinsicht und musste sich auf den Termin zur mündlichen Verhandlung vorbereiten. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, d.h. die Intensität der Arbeit (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009, a.a.O.) war – ausgehend von einem objektiven Maßstab – allenfalls durchschnittlich. Der Kläger wandte sich gegen die Berücksichtigung von Einkommen aus Gewerbebetrieb bei der vorläufigen Bemessung seiner Leistungen nach dem SGB II. Die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger bewertet der Senat als überdurchschnittlich. Hierdurch werden seine unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse kompensiert. Ein besonderes Haftungsrisiko des Beschwerdeführers ist nicht ersichtlich.
Die nach Nr. 2302 VV RVG entstandene Geschäftsgebühr ist nach Vorb. 3 Abs. 4 Satz 1 VV RVG auf die Gebühren für ein anschließendes gerichtliches oder behördliches Verfahren zur Hälfte (hier: 150,00 €) der tatsächlich gezahlten Gebühr anzurechnen (vgl. Senatsbeschluss vom 1. November 2018 – L 1 SF 1358/17 B, nach juris).
Die Terminsgebühr nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. Nr. 3106 VV RVG ist in Höhe der Mittelgebühr (280,00 €) angemessen. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit liegt bei der Dauer des Termins von ca. 22 Minuten zuzüglich der Wartezeit von 37 Minuten über dem durchschnittlichen zeitlichen Ansatz von über 30 Minuten (ständige Rechtsprechung des Thüringer LSG, vgl. z.B. Beschluss vom 22. November 2013 – L 6 SF 1313/13 B m.w.N., nach juris).
Die Wartezeit ist beim Umfang der anwaltlichen Tätigkeit zu berücksichtigen (hierzu schon: Bayerisches LSG, Beschluss vom 23. Mai 2018 – L 12 SF 94/18 Rn. 24 und 1. April 2015 – L 15 SF 259/14 E; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 2. Februar 2018 – L 19 AS 1472/17 B Rn. 60; differenzierend: Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 22. November 2016 – L 5 SF 91/15 B E, Rn. 17; Riedel/Sußbauer, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz beck-online, 10. Aufl. 2015, § 14 RVG Rn. 70; a.A. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 3. Juni 2019 – L 7 AS 5/17 B, Rn. 24, Sächsisches LSG, Beschluss vom 8. Januar 2014 – L 8 AS 585/12 B KO, Rn. 27, alle nach juris).
Findet ein Termin statt, wird der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit durch die Dauer des Termins bestimmt. Nach der Vorb. 3 Abs. 3 Satz 1 VV RVG entsteht die Terminsgebühr u.a. für die Wahrnehmung von gerichtlichen Terminen. Nach der Überzeugung des Senats beinhaltet diese Formulierung nicht, dass lediglich die Zeit vom tatsächlichen Beginn des Erörterungstermins bzw. der mündlichen Verhandlung – mit dem Aufruf der Sache – bis zum Ende des Termins zu berücksichtigen ist. Die Wahrnehmung des Termins liegt schon vor, wenn der Rechtsanwalt aufgrund seiner Anwesenheit bereit ist, sich zum Zeitpunkt des mit der Ladung verfügten Beginns des Termins im Sitzungsaal einzufinden. In dem Zeitraum zwischen dem anberaumten Termin und dem Aufruf der Sache kann der Anwalt typischerweise nicht sinnvoll einer anderweitigen Tätigkeit nachgehen. Er verbleibt regelmäßig wartend am Sitzungssaal, weil er jederzeit mit dem Aufruf der Sache zu rechnen hat (vgl. für den Bereich des Strafrechts: Landgericht Osnabrück, Beschluss vom 3. März 2021 – 3 KLs 6/21, Juristisches Büro 9/21, Seite 465). Dem steht aus der Sicht des Senats nicht entgegen, dass sonstige Vorbereitungshandlungen oder Anreisezeiten bei der Terminsgebühr unstreitig nicht zu berücksichtigen sind. Diese Tätigkeiten stehen nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem vom Gericht auf eine bestimmte Uhrzeit anberaumten Termin. Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer ab 12:00 Uhr – der Uhrzeit des anberaumten Termins – nicht mit Warten verbracht hat, bestehen hier nicht. Laut Sitzungsplan vom 22. Oktober 2018 war dies der erste von insgesamt zehn Terminen, die der Beschwerdeführer an diesem Tag wahrzunehmen hatte. Bezüglich der weiteren Kriterien nach § 14 RVG nimmt der Senat auf seine Ausführungen zur Verfahrensgebühr Bezug.
Die Dokumentenpauschale § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. Nr. 7000 Nr. 1a) VV RVG ist nicht entstanden (vgl. z.B. den zwischen denselben Beteiligten ergangenen Senatsbeschluss vom 29. August 2018 – L 1 SF 855/16 B).
Zu vergüten sind weiter die zwischen den Beteiligten nicht streitige Pauschale nach Nr. 7002 VV RVG, das Tage- und Abwesenheitsgeld und die Fahrtkosten nach Nr. 7003 VV RVG und Nr. 7005 VV RVG sowie die Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG.
Danach errechnet sich die Vergütung des Beschwerdeführers für das Klageverfahren wie folgt:
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG
300,00 €
abzüglich Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG
– 150,00 €
Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG
280,00 €
Fahrtkosten Nr. 7003 VV RVG
4,50 €
Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV RVG
4,00 €
Post- und Telekommunikationsentgelt Nr. 7002 VV RVG
20,00 €
Zwischensumme
458,50 €
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG
87,12 €
Gesamtbetrag
545,62 €           
Hierauf ist nach § 58 Abs. 2 RVG der bereits gezahlte Vorschuss in Höhe von 151,73 € sowie die bereits gezahlte Vergütung in Höhe von 227,29 € anzurechnen. Es verbleibt ein Nachzahlungsbetrag von 166,60 €.
Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 RVG). Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben