Aktenzeichen M 5 M 17.3418
RVG § 2 Abs. 2
Leitsatz
Wird nach unstreitiger Erfüllung des Klageanspruchs oder aus sonstigen Gründen von beiden Seiten der Rechtsstreit für erledigt erklärt, so sind dies einseitige Erklärungen, so dass schon in Ermangelung einer Vereinbarung keine Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Abs. 1 VV RVG entstehen kann (hier: keine Einigungsgebühr, wenn die Rechtssache nach einem gerichtlichen Hinweis übereinstimmend für erledigt erklärt wird). (Rn. 19 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom … Juli 2017 wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtsgebühren werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Der Bevollmächtigte des Antragstellers wendet sich gegen die Streichung einer beantragten Einigungsgebühr.
Der Antragsteller war Kläger in einem Verfahren wegen Besoldung M 5 K 11.5615, das unter dem Aktenzeichen M 5 K 16.4286 fortgeführt wurde (Zahlung einer Zulage für die Wahrnehmung eines höherwertigen Amtes).
In der mündlichen Verhandlung am 21. März 2017 erteilte das Gericht den Hinweis, dass dem Antragsteller die begehrte Zulage im Zeitraum (nur) vom 15. März 2010 bis zum 31. Dezember 2010 zugestanden habe. Daraufhin erklärte die Vertreterin des Antragsgegners, dass dem Antragsteller die Zulage für diesen Zeitraum gewährt werde. Die Beteiligten waren sich darüber einig, dass im Fall einer übereinstimmenden Hauptsacheerledigungserklärung der Antragsteller 2/3 und der Antragsgegner 1/3 der Kosten des Verfahrens tragen. Daraufhin erklärten die Beteiligten die Hauptsache übereinstimmend für erledigt. Das Verfahren wurde sodann mit Beschluss in der mündlichen Verhandlung eingestellt und die Kosten den Beteiligten entsprechend ihrer Einigung auferlegt.
Mit Schriftsatz vom 17. Mai 2017 stellte der Bevollmächtigte des Antragstellers einen Kostenausgleichungsantrag, in dem er u.a. eine „1,0 Einigungsgebühr § 13 RVG, Nrn. 1003, 1000 VV RVG“ ansetzte. Die Einigungsgebühr sei angefallen, weil durch die vergleichsweise Regelung der Streit über die Ungewissheit des Verfahrensausgangs geregelt wurde. Der Antragsteller habe hier auf Rechtsmittel gegen ein eventuell ergehendes Urteil verzichtet. Es liege hier keine Einigung nur bezüglich der Verfahrenskosten vor. Die Einigungsgebühr sei festzusetzen.
An der Einigungsgebühr hielt der Bevollmächtigte des Antragstellers mit Schriftsatz vom 19. Juni 2017 fest, nachdem die Urkundsbeamtin ihn mit Schreiben vom 8. Juni 2017 zur beabsichtigten Kürzung der Einigungsgebühr bei der Kostenfestsetzung angehört hatte.
Mit Schriftsatz vom 23. Mai 2017 meldete der Antragsgegner seine Aufwendungen zum Kostenausgleichsverfahren an (Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsleistungen).
Im Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin vom 6. Juli 2017, dem Bevollmächtigten des Antragstellers zugestellt am 17. Juli 2017, erfolgte die Festsetzung des Kostenausgleichs ohne Berücksichtigung einer Einigungsgebühr. Deren Streichung begründete die Urkundsbeamtin damit, dass keine Mehrbelastung und erhöhte Verantwortung des Bevollmächtigten des Antragstellers zu erkennen gewesen sei, da erst in der mündlichen Verhandlung am 21. März 2017 aufgrund des Hinweises des Gerichts der Antragsgegner die Zulage gewährt habe.
Am 18. Juli 2017 legte der Bevollmächtigte des Antragstellers dagegen Beschwerde ein und beantragte die Entscheidung des Gerichts im Hinblick auf die Absetzung der Einigungsgebühr. Es gebe keinerlei Veranlassung, die Einigungsgebühr zu streichen. Eine erhöhte Mehrbelastung und Verantwortung des Bevollmächtigten sei für eine Einigungsgebühr im Sinne des RVG nach diesem Gesetz nicht erforderlich. Ebensowenig sei eine Entlastung des Gerichts erforderlich. Erforderlich sei einzig und allein eine Einigung, die nicht mal mehr ein gegenseitiges Nachgeben oder einseitiges Nachgeben erforderlich mache.
Die Urkundsbeamtin half diesem Antrag nicht ab, sondern legte ihn dem Gericht mit Schreiben vom 24. Juli 2017 zur Entscheidung vor und begründete dies ergänzend damit, dass eine zusätzliche Mitwirkung des Bevollmächtigten des Antragstellers, die nicht schon mit der Verfahrensgebühr abgegolten sei, nicht vorgelegen habe.
Der Antragsgegner äußerte sich mit Schriftsatz vom 22. August 2017, dass dessen Vertreterin durch ihre Erklärung im Termin am 21. März 2017 dem Antragsteller die Gewährung der Zulage zugesichert habe. Der Vertreter des Antragstellers habe nicht mitgewirkt beim Abschluss eines Vertrages um den Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis zu beseitigen. Auch Abs. 1 Ziff. 2 sowie die weiteren Absätze von VV 1000 RVG seien nicht einschlägig. Ein Anspruch auf eine Einigungsgebühr bestehe nicht.
Der Bevollmächtigte des Antragstellers erklärte hierzu mit Schriftsatz vom 11. Oktober 2017 im Wesentlichen, dass die Mitwirkung eines Anwalts beim Abschluss eines Vergleichs ausreichend sei. Es spiele keine Rolle, ob der Vergleich auf Vorschlag des Gerichts zu Stande gekommen oder anderweitig ausgehandelt worden sei. Die (damalige) Klageseite habe selbstverständlich mitgewirkt, indem sie einer entsprechenden Einigung zugestimmt habe. Ohne die Mitwirkung des Antragstellers – vertreten durch den Prozessbevollmächtigten – würde überhaupt kein Vergleich abgeschlossen worden sein. Andernfalls würden für die zu zahlende Summe auch jahrelange Zinsen angefallen sein. Auf diese habe der Antragsteller – zumindest konkludent – verzichtet. Des Weiteren sei Einigkeit über die Kostentragung für das Verfahren erzielt worden. Die Einigungsgebühr sei anzusetzen.
Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird ergänzend auf die Gerichtsakten (M 5 K 16.4286 und M 5 M 17.3418) verwiesen.
II.
Über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung (Erinnerung) entscheidet nach § 165 Satz 2, § 151 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung / VwGO das Gericht des ersten Rechtszuges. Funktionell zuständig ist, wer die zugrunde liegende Kostenentscheidung getroffen hat (Happ in: Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 165 Rn. 7), hier also die Kammer. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss außerhalb einer mündlichen Verhandlung, daher ohne ehrenamtliche Richter, § 5 Abs. 3 Satz 2 VwGO. § 87a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 5 VwGO ist nicht einschlägig, da der Beschluss nicht (mehr) im vorbereitenden Verfahren ergeht.
Die vom Bevollmächtigten des Antragstellers erhobene Erinnerung ist zulässig, aber unbegründet und daher ohne Erfolg.
Der Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin vom 6. Juli 2017 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die beantragte 1,0 Einigungsgebühr wurde zu recht nicht festgesetzt bzw. im Kostenausgleich nicht berücksichtigt.
Eine 1,5 Einigungsgebühr nach Nr. 1000 der Anlage 1 „Vergütungsverzeichnis“ (VV) zu § 2 Abs. 2 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz / RVG) entsteht nach Abs. 1 Nr. 1 (neben der hier offensichtlich nicht einschlägigen Nr. 2) für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird.
Nach Nr. 1002 VV RVG entsteht eine 1,5 Erledigungsgebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Das gleiche gilt, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt.
Ist über den Gegenstand ein anderes gerichtliches Verfahren als ein selbständiges Beweisverfahren anhängig, betragen die Gebühren 1000 bis 1002 nach Nr. 1003 VV RVG 1,0.
Nr. 1000 Abs. 1 VV RVG verlangt einen wirksamen Einigungsvertrag. Dieser kann auch stillschweigend geschlossen werden. Bloße einseitige Erklärungen, auch wenn sie von beiden Seiten abgegeben werden und zur Beendigung des Rechtsstreits führen, genügen nicht. Wird nach unstreitiger Erfüllung des Klageanspruchs oder aus sonstigen Gründen von beiden Seiten der Rechtsstreit für erledigt erklärt, so sind dies einseitige Erklärungen, sodass schon in Ermangelung einer Vereinbarung keine Einigungsgebühr entstehen kann (Müller-Rabe in: Gerold / Schmidt, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – Kommentar, 22. Auflage 2015, 1000 VV Rn. 34, 35).
Damit lagen hier die Voraussetzungen für das Entstehen einer 1,0 Einigungsgebühr nach Nrn. 1003, 1000 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG nicht vor. Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 21. März 2017 führte allein der richterliche Hinweis in der mündlichen Verhandlung dazu, dass die Vertreterin des Antragsgegners dem Antragsteller zusagte, die Zulage für den Zeitraum vom 15. März 2010 bis 31. Dezember 2010 zu gewähren. Diese Zusage erging ersichtlich nicht im Wege einer in der mündlichen Verhandlung zwischen den Beteiligten geschlossenen Vereinbarung. Der Hinweis des Gerichts kann auch nicht als gerichtlicher Vergleichsvorschlag angesehen werden, der von den Beteiligten angenommen worden wäre. Er war vielmehr der Auslöser für die eigenständige Entscheidung der Vertreterin des Antragsgegners. Entsprechendes hatte sich im Schriftsatz des Antragsgegners vom 10. März 2017 bereits angedeutet („So könnte beispielsweise unter bestimmten Voraussetzungen bei einem dahingehenden richterlichen Hinweis auch eine Abhilfe in Betracht kommen.“). Hierauf hat der Bevollmächtigte des Antragstellers prozessual reagiert, weil insoweit Erledigung eingetreten war und eine Weiterverfolgung des diesbezüglichen Begehrens zu einer Klageabweisung als unzulässig geführt hätte. Andererseits war dem Bevollmächtigten des Antragstellers durch den richterlichen Hinweis auch deutlich gemacht worden, dass ein weitergehendes klägerisches Begehren hinsichtlich anderer Zeiträume keine Aussicht auf Erfolg hatte. Auch hierauf hat der Bevollmächtigte des Antragstellers prozessual reagieren, indem er insgesamt die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache erklärte. Wenn es in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 21. März 2017 heißt, „Daraufhin erklären die Beteiligten die Hauptsache übereinstimmend für erledigt“, so bedeutet dies keine Vereinbarung, sondern eben nur die einseitige prozessuale Erklärung der damaligen Klagepartei, der die damalige Beklagtenpartei ebenso einseitig zustimmte. Überdies beruhte dieser Vorgang nicht auf einer Vereinbarung auch zum materiellen Recht, weil sich die Beteiligten in der Sache geeinigt hätten (Müller-Rabe, a.a.O., 1000 VV Rn. 128).
Soweit geltend gemacht wird, der Antragsteller habe zumindest konkludent auf Zinsen verzichtet, so konnte auch dies nach Nr. 1000 Abs. 1 Satz 2 VV RVG keine Einigungsgebühr auslösen.
Auch die Einigung über die Kosten des Verfahrens (hier: Klagepartei 2/3, Beklagter 1/3) stellt keinen Vertrag im Sinne einer Einigungsgebühr dar. Die Einigung über die Kostentragung betrifft nicht das klägerische Begehren als solches und führt allein dazu, dass über die Kosten nicht mehr durch das Gericht nach billigem Ermessen entschieden werden muss, § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Die Folge hiervon ist, dass nicht drei Gerichtsgebühren anfallen, sondern nur noch eine.
Eine 1,0 Erledigungsgebühr nach Nr. 1003, 1002 VV RVG ist – alternativ – auch nicht angefallen. Denn auch im Sinne dieser Vorschrift fehlt es an einer kausalen anwaltlichen Mitwirkung des Bevollmächtigten des Antragstellers über die Abgabe der Prozesserklärung hinaus (BayVGH, B.v. 5.4.2017 – 19 C 15.1844 – BayVBl. 2017, S. 826). Die Abhilfe durch den Antragsgegner ist – wie oben ausgeführt – allein auf den richterlichen Hinweis zurückzuführen.
Der Antragsteller hat als unterlegener Beteiligter (§ 154 Abs. 1 VwGO) die Kosten des gerichtsgebührenfreien Verfahrens zu tragen.