Arbeitsrecht

Unzulässige Beschwerde gegen den die PKH ablehnenden Beschluss wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses bei Erledigung der Hauptsache ohne anwaltliche Tätigkeit

Aktenzeichen  L 15 AS 57/17 B PKH

Datum:
26.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
GG GG Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4

 

Leitsatz

1 Die Beschwerde ist bei fehlendem Rechtsschutzbedürfnis unzulässig. Die Gerichte können nicht in Anspruch genommen werden, wenn der Anspruchsteller aus dem gerichtlichen Verfahren keinerlei rechtlichen Nutzen ziehen kann. Das ist der Fall bei Abschluss des sozialgerichtlichen Verfahrens in der Hauptsache durch Beschluss gemeinsam mit der Ablehnung der PKH eines unvertretenen Beschwerdeführers. Denn die Gewährung von PKH danach wäre ohne jeden Nutzen, weil anwaltliche Hilfe für ein abgeschlossenes Verfahren nicht mehr möglich ist. (redaktioneller Leitsatz)
2 Hat sich folglich das Anliegen auf Gewährung von PKH dadurch erledigt, dass in der Hauptsache eine Entscheidung ergangen ist, und sind bis dahin mangels Tätigkeit keine anwaltlichen Kosten entstanden, fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis der Beschwerde gegen die Ablehnung der PKH (Anschluss an LSG Bayern BeckRS 2011, 79090 ; Beschl. v. 10.2.2014 – L 15 VK 4/13 B PKH). (redaktioneller Leitsatz)
3 Die ausnahmsweise Annahme des Rechtsschutzbedürfnisses trotz Erledigung des ursprünglichen Begehrens durch das BVerfG (BeckRS 1994, 120205) ist auf das sozialgerichtliche Verfahren nicht übertragbar, weil es in diesem nicht zu einer vergleichbaren grundrechtsrelevanten  Auswirkung kommt. Ein etwaiger Verstoß kann grundsätzlich immer im Beschwerde- oder Berufungsverfahren durch die weitere Tatsacheninstanz geheilt werden. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 19 AS 2870/16 ER 2017-01-02 Bes SGMUENCHEN SG München

Tenor

Die Beschwerde gegen Ziff. III. des Beschlusses des Sozialgerichts München vom 2. Januar 2017 wird als unzulässig verworfen.

Gründe

I.
Zugrunde liegt ein Rechtsstreit aus dem Recht der Grundsicherung für Arbeitssuchende (Sozialgesetzbuch Zweites Buch – SGB II) wegen Leistungen für Januar 2017.
Im Rahmen des unter dem Aktenzeichen S 19 AS 2870/16 ER geführten Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Sozialgericht (SG) München hat der Antragsteller und jetzige Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 04.12.2016 Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt; einen beizuordnenden Rechtsanwalt hat der Beschwerdeführer erst am 27.12.2016 benannt. Mit Schreiben vom 21.12.2016 haben die Rechtsanwälte H. und Kollegen lediglich mitgeteilt, dass sie den Beschwerdeführer im Fall der Bewilligung von PKH vertreten würden.
Mit Beschluss vom 02.01.2017 hat das SG im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes entschieden und gleichzeitig den Antrag auf PKH wegen fehlender Erfolgsaussichten abgelehnt (Ziff. III. des Beschlusses).
Mit Schreiben vom 05.01.2017 hat der Beschwerdeführer umfassend Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt.
Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,
den die Bewilligung von PKH ablehnenden Beschluss des SG München vom 02.01.2017 aufzuheben und ihm PKH für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem SG zu bewilligen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Akten des SG zum Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sowie die vom Beschwerdegegner übersandten Kopien aus seinen Akten verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist nicht zulässig, da das Rechtsschutzbedürfnis für die Beschwerde fehlt.
Es ist ein allgemeiner, rechtswegübergreifender Grundsatz, dass jede Rechtsverfolgung ein Rechtsschutzbedürfnis voraussetzt (vgl. z.B. Keller, in: Meyer-Ladewig/ders./Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, vor § 51, Rdnr. 16a). Die Gerichte haben die Aufgabe, den Bürgern bzw. den Verwaltungsträgern zu ihrem Recht zu verhelfen, die Rechtsprechung ist aber kein Selbstzweck. Daraus resultiert, dass die Gerichte nicht in Anspruch genommen werden können, wenn der Anspruchsteller aus dem gerichtlichen Verfahren keinerlei Nutzen rechtlich relevanter materieller oder immaterieller Art ziehen kann.
Dies bedeutet für eine Beschwerde gegen die zusammen mit der Entscheidung in der Hauptsache erfolgte Ablehnung von PKH Folgendes: Hat sich das Anliegen auf Gewährung von PKH dadurch erledigt, dass in der Hauptsache eine Entscheidung ergangen ist, und sind bis dahin keine anwaltliche Tätigkeit im Verfahren und damit keine anwaltliche Kosten angefallen, fehlt es am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis für eine Beschwerde gegen die Ablehnung von PKH (ständige Rspr, vgl. z.B. Bayer. LSG, Beschlüsse vom 29.11.2011, Az.: L 7 AS 745/11 B PKH, vom 10.02.2014, Az.: L 15 VK 4/13 B PKH, und vom 30.06.2016, Az.: L 7 AS 379/16 B PKH; ähnlich zum Rechtsschutzbedürfnis bei einer Verfassungsbeschwerde: vgl. Bundesverfassungsgericht – BVerfG -, Beschluss vom 01.10.2008, Az.: 1 BvR 2733/04, 1 BvR 2782/04).
Wenn das BVerfG ausnahmsweise das für die Inanspruchnahme des verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzes erforderliche allgemeine Rechtsschutzbedürfnis trotz Erledigung des ursprünglichen Begehrens auch dann als gegeben ansieht, wenn andernfalls die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage von grundsätzlicher Bedeutung unterbliebe oder der gerügte Grundrechtseingriff besonders schwer wiege oder eine Wiederholung der angegriffenen Maßnahme zu befürchten sei oder die gegenstandslos gewordene Maßnahme den Beschwerdeführer weiterhin beeinträchtige (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.07.1994, Az.: 1 BvR 1595/92, 1 BvR 1606/92), können diese Ausnahmen vom Grundsatz des Wegfalls des Rechtsschutzbedürfnisses mit Erledigung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30.11.1989, Az.: 2 BvR 3/88) nicht auf das sozialgerichtliche Verfahren übertragen werden. Denn die verfassungsgerichtliche Ausdehnung des Rechtsschutzbedürfnisses ist darauf zurückzuführen, dass anderenfalls der Grundrechtsschutz des Betroffenen in unzumutbarer Weise verkürzt würde (vgl. BVerfG, Urteil vom 06.12.1972, Az.: 1 BvR 230/70, 1 BvR 95/71). Derartige grundrechtsrelevante Auswirkungen sind bei PKH-Beschwerdeverfahren im sozialgerichtlichen Verfahren nicht zu erwarten, wenn die Heilung eines erstinstanzlichen, möglicherweise grundrechtstangierenden Verfahrensverstoßes im Beschwerde- oder Berufungsverfahren als weiterer Tatsacheninstanz erfolgen kann, wohingegen es im Verfahren der Verfassungsbeschwerde vor dem BVerfG eine derartige Heilungsmöglichkeit nicht gibt (vgl. Beschluss des Senats vom 10.02.2014, Az.: L 15 VK 4/13 B PKH).
Im vorliegenden Fall kann der Beschwerdeführer kein Rechtsschutzbedürfnis geltend machen. Aus einem aufhebenden und PKH gewährenden Beschluss des Beschwerdegerichts könnte er keinerlei Nutzen mehr ziehen.
Sinn und Zweck der PKH ist nach der Rechtsprechung des BVerfG eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung effektiven Rechtsschutzes. Das ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip, das in Art. 19 Abs. 4 GG seinen besonderen Ausdruck findet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.06.1979, Az.: 1 BvL 97/78). Das bedeutet, dass PKH nur verweigert werden darf, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990, Az.: 2 BvR 94/88).
An dieser Möglichkeit, für das sozialgerichtliche Verfahren anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, fehlt es vorliegend, da das sozialgerichtliche Verfahren des unvertretenen Beschwerdeführers in der Hauptsache bereits (zusammen mit der Ablehnung von PKH) mit Beschluss vom 02.01.2017 beendet worden ist. Würde dem Beschwerdeführer jetzt, d.h. nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens PKH, gewährt, wäre dies für ihn ohne jeden Nutzen. Denn anwaltliche Hilfe für ein abgeschlossenes Verfahren ist nicht mehr möglich. Anders zu beurteilen wäre der Fall nur dann, wenn der die PKH Beantragende anwaltliche Hilfe auch ohne positiven Beschluss in Anspruch genommen hätte, was vorliegend nicht der Fall war. Dem Schreiben der Rechtsanwälte H. und Kollegen vom 21.12.2016 ist deren Absicht zu entnehmen, erst nach Bewilligung von PKH und Beiordnung tätig zu werden. Tatsächlich sind sie im erstinstanzlichen Verfahren auch nicht inhaltlich tätig geworden.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.


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