Arbeitsrecht

Vermeintlicher Verstoß gegen die Bestimmungen der Mitarbeitervertretung durch Einstellung in einem Kloster

Aktenzeichen  2 MV 12/20

Datum:
16.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 14337
Gerichtsart:
Kirchliches Arbeitsgericht
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Kirchengerichte
Normen:
MAVO § 33, § 34 Abs. 2
SGB III § 95
KAGO § 55

 

Leitsatz

1. Nichtabhilfe einer Beschwerde gegen die Ablehnung des von der Mitarbeitervertretung beantragten Erlasses einer einstweiligen Verfügung nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage (Nichtabhilfe-Beschluss zu einer Beschwerde gegen den vorangegangenen Beschluss vom 17. Dezember 2020 – Az.: 2 MV 12/20): 1. Die Mitarbeitervertretung kann die Zustimmung zur Einstellung nicht nach § 34 Abs. 2 Nr. 1 MAVO (hier: MAVO Eichstätt) mit der Begründung verweigern, der Dienstgeber müsse vor der Einstellung eines neuen Mitarbeiters erst die Kurzarbeit vorhandener Mitarbeiter – ganz oder teilweise – beenden oder unterbrechen. (Rn. 14 – 17)
2. Eine Verbotsnorm dahingehend, dass während einer angeordneten Kurzarbeit, für die die Bundesagentur für Arbeit den betroffenen Mitarbeitern Kurzarbeitergeld bewilligt hat, dem Dienstgeber die Einstellung eines neuen Mitarbeiters in den von Kurzarbeit betroffenen Bereichen untersagt wäre, lässt sich den sozialrechtlichen Vorschriften der §§ 95 ff. SGB III nicht entnehmen. (Rn. 18 – 22)

Tenor

1. Der Beschwerde der Verfügungsklägerin vom 3. Januar 2021 gegen Ziff. 1 des Beschlusses des Kirchlichen Arbeitsgerichts vom 17. Dezember 2020 – 2 MV 12/20 – wird nicht abgeholfen.
2. Damit ist das Beschwerdeverfahren beendet.

Gründe

I.
(1) Die Verfügungsklägerin (Klägerin) begehrt im Hauptsacheverfahren 2 MV 13/20 die Feststellung, dass die Verfügungsbeklagte (Beklagte) gegen die Bestimmungen des § 34 MAVO in Verbindung mit § 33 MAVO verstoßen hat, und zwar im Zusammenhang mit der Einstellung der Mitarbeiterin A.
(2) Die Beklagte ist eine Kongregation in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie unterhält unter anderem das Kloster XY. Die Klägerin ist die dort gewählte Mitarbeitervertretung (MAV).
(3) Im vorliegenden Verfahren 2 MV 12/20 hat die Verfügungsklägerin beantragt, der Verfügungsbeklagten im Rahmen einer einstweiligen Verfügung nach § 52 KAGO zu untersagen, die Mitarbeiterin Frau A. in der Einrichtung bis zum ordnungsgemäßen Abschluss des Zustimmungsverfahrens zur Einstellung zu beschäftigen.
(4) Das Kirchliche Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 17.12.2020 – 2 MV 12/20 – den Antrag der Verfügungsklägerin vom 13.11.2020 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abgewiesen (Ziff. 1) und gleichzeitig ausgesprochen, dass die Verfügungsbeklagte die notwendigen Auslagen der Verfügungsklägerin im Verfahren 2 MV 12/20 einschließlich der Kosten der Beauftragung ihres Bevollmächtigten zu tragen hat (Ziff. 2).
(5) Der Beschluss vom 17.12.2020 ist den Verfahrensbevollmächtigten der Verfügungsklägerin vorab per E-Mail formlos mitgeteilt und am 29.12.2020 förmlich zugestellt worden.
(6) Mit ihrer vorab per Telefax am 04.01.2021 eingelegten Beschwerde mit Datum vom 03.01.2020 [richtig offensichtlich: 2021], die im Original am 11.01.2021 der Geschäftsstelle des Kirchlichen Arbeitsgerichts vorgelegen hat, beantragt die Verfügungsklägerin, Ziff. 1 des Beschlusses des Kirchlichen Arbeitsgerichts vom 17.12.2020 – 2 MV 12/20 – aufzuheben und der Verfügungsbeklagten im Rahmen einer einstweiligen Verfügung nach § 52 KAGO zu untersagen, die Mitarbeiterin Frau A. in der Einrichtung bis zum ordnungsgemäßen Abschluss des Zustimmungsverfahrens zur Einstellung zu beschäftigen.
(7) Wegen der Begründung der Beschwerde wird auf den Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten der Verfügungsklägerin vom 03.01.2021 verwiesen.
(8) Die Verfügungsbeklagte beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen, wie aus dem Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 14.01.2021 ersichtlich.
II.
(9) Der Beschwerde der Verfügungsklägerin wird nicht abgeholfen.
(10) 1. Gegen die Zulässigkeit der eingelegten Beschwerde bestehen keine Bedenken.
(11) Insbesondere ist die Verfahrensbeschwerde des § 55 KAGO im vorliegenden Fall der statthafte Rechtsbehelf.
(12) Nach § 55 KAGO gilt hinsichtlich der Beschwerde gegen Entscheidungen des Kirchlichen Arbeitsgerichts oder seines Vorsitzenden § 78 Satz 1 ArbGG entsprechend mit der Maßgabe, dass über die Beschwerde der Präsident des Kirchlichen Arbeitsgerichtshofes durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung entscheidet. Aus der Verweisung auf §§ 78 Satz 1 ArbGG folgt, dass die für die Beschwerde gegen Entscheidungen der Amtsgerichte maßgebenden Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend gelten. Nicht aufgenommen in die Verweisung sind Satz 2 und Satz 3 des § 78 ArbGG. Grund dafür ist nicht nur, dass die dort geregelte Zuständigkeit sich auf das Landesarbeitsgericht und das Bundesarbeitsgericht bezieht, sondern entscheidend ist der insoweit andere Aufbau der kirchlichen Gerichte für Arbeitssachen. Es gibt keine zweite Tatsacheninstanz, die als Beschwerdegericht in Betracht kommen kann (vgl. Kirchlicher Arbeitsgerichtshof 6. April 2011 – K 04/11 -).
(13) Richtet sich wie hier die Beschwerde gegen die Versagung einer einstweiligen Verfügung, so muss diese Besonderheit in die Beurteilung einbezogen werden. Ob eine einstweilige Verfügung ergehen kann, regelt § 52 Abs. 1 KAGO und verweist in seinem Abs. 2 für das Verfahren auf die Vorschriften des Achten Buches der Zivilprozessordnung über die einstweilige Verfügung (§§ 935 bis 943). Daraus folgt, dass gegen eine einstweilige Verfügung oder deren Versagung die (sofortige) Beschwerde eingelegt werden kann. Erachtet das Kirchliche Arbeitsgericht erster Instanz oder der Vorsitzende, dessen Entscheidung angefochten wird, die Beschwerde für begründet, so haben sie ihr abzuhelfen (§ 572 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 ZPO). Keine Anwendung findet aber die Bestimmung, dass anderenfalls die Beschwerde unverzüglich dem „Beschwerdegericht“ vorzulegen ist (§ 572 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO), denn nach § 47 Abs. 4 KAGO ist gegen Beschlüsse, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, die Revision nicht zulässig. Die Zulässigkeit einer (sofortigen) Beschwerde wird dadurch zwar nicht ausgeschlossen. Das Beschwerdeverfahren endet aber mit der Entscheidung des Kirchlichen Arbeitsgerichts oder seines Vorsitzenden, ob der Beschwerde abzuhelfen ist (vgl. Kirchlicher Arbeitsgerichtshof 6. April 2011 – K 04/11 -).
(14) 2. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet und hat keinen Erfolg.
(15) Das Kirchliche Arbeitsgericht hält nach nochmaliger summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage an dem angefochtenen Beschluss vom 17.12.2020 – 2 MV 12/20 – fest, mit dessen Ziff. 1 der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abgewiesen worden ist.
(16) Zur Begründung wird zunächst auf die Ausführungen im Abschnitt II. des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen. Im Hinblick auf die Beschwerdebegründung vom 03.01.2021 wird zur Verdeutlichung der dort vertretenen Rechtsauffassung ergänzend Folgendes ausgeführt:
(17) a) Es ist weiterhin durchaus fraglich, ob die von der Verfügungsklägerin zur Begründung der Zustimmungsverweigerung angeführten Umstände vom Regelungsbereich des § 34 Abs. 2 Nr. 1 MAVO Eichstätt erfasst sind. (Die entsprechende Bestimmung im weltlichen Betriebsverfassungsrecht findet sich in § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG).
(18) Die sozialrechtlichen Vorschriften der §§ 95 ff. SGB III regeln die Voraussetzungen für den Anspruch von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auf den Bezug der Sozialleistung Kurzarbeitergeld. Sie dienen – anders als § 164 SGB IX n.F. (bzw. § 81 SGB IX a.F.) und § 1 Abs. 1b AÜG n.F. (bzw. § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG a.F.) nicht dem Schutz einer bestimmten Personengruppe (schwerbehinderte Bewerber oder „Stammarbeitnehmer“). Den §§ 95 ff. SGB III lässt sich nicht entnehmen, dass dem Arbeitgeber/Dienstgeber während laufender Kurzarbeit Neueinstellungen verwehrt sind (arg. § 98 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) SGB III).
(19) Die arbeitsrechtliche Zulässigkeit der Einführung von Kurzarbeit richtet sich in der Regel nach einem Tarifvertrag oder nach einzelvertraglicher Vereinbarung. Der Arbeitgeber/Dienstgeber ist ansonsten nicht berechtigt, durch Reduzierung der vertraglichen Arbeitszeit in das Gegenseitigkeitsverhältnis (Synallagma) des § 611a BGB einzugreifen. Im vorliegenden Fall richtet sich die arbeitsrechtliche Zulässigkeit der Einführung von Kurzarbeit nach § 5 der Anlage 5 zu den AVR Caritas sowie nach der Dienstvereinbarung über Kurzarbeit vom 23.03. 2020 und nach der Dienstvereinbarung zur Fortführung von Kurzarbeit vom 24.09.2020. Diese Rechtsnormen enthalten keine Bestimmungen dahingehend, dass der Dienstgeber während laufender Kurzarbeit keine Neueinstellungen vornehmen darf. Aus § 4 der Dienstvereinbarung vom 24.09.2020 ergibt sich „nur“, dass während der Kurzarbeit keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen werden.
(20) Das Ziel der Einführung von Kurzarbeit ist es, bei vorübergehendem Arbeitsausfall betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden (vgl. auch § 2 Nr. 1 Satz 1 der Dienstvereinbarung vom 24.09.2020). Dieses Ziel unterstützt die Bundesagentur für Arbeit durch die Gewährung von Kurzarbeitergeld nach §§ 95 ff. SGB III. Der Arbeitgeber/Dienstgeber hat der Agentur für Arbeit auf Verlangen die Voraussetzungen für die Erbringung von Kurzarbeitergeld nachzuweisen und das Kurzarbeitergeld kostenlos zu errechnen und auszuzahlen (vgl. § 320 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGB III). Es ist daher Sache des Arbeitgebers/Dienstgebers, gegebenenfalls der Agentur für Arbeit die Neueinstellung einer Mitarbeiterin zu „erklären“. Es ist nicht zwingend, dass das Merkmal des erheblichen Arbeitsausfalls (vgl. § 96 SGB III) schon durch die Neueinstellung einer Mitarbeiterin widerlegt wird.
(21) Nach alledem bezweckt die Einführung von Kurzarbeit die Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen, jedoch nicht die Vermeidung jeglicher Neueinstellung während der Kurzarbeit.
(22) b) Hätte sich der vorliegende Sachverhalt nicht in einer Einrichtung ereignet, die dem kirchlichen Mitarbeitervertretungsrecht unterfällt, sondern in einem Betrieb, der dem weltlichen Betriebsverfassungsrecht unterfällt, so hätte der Betriebsrat seine Zustimmung zur Neueinstellung einer Mitarbeiterin nach § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG verweigern können mit der Begründung, dass infolge der personellen Maßnahme im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer, die in Kurzarbeit geschickt worden sind, sonstige – auch finanzielle – Nachteile erleiden, ohne dass dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt ist.
(23) Einen dem § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG entsprechenden Zustimmungsverweigerungsgrund sieht jedoch § 34 Abs. 2 MAVO Eichstätt nicht vor.
(24) c) Dem Gebot effektiven Rechtsschutzes lässt sich nicht entnehmen, dass ein nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage eher nicht gegebener Verfügungsanspruch bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren durch den Erlass einer einstweiligen Verfügung gesichert werden müsste.
(25) 3. Das Kirchliche Arbeitsgericht erachtet somit die Beschwerde der Verfügungsklägerin für unbegründet und hilft ihr nicht ab.
(26) Das Beschwerdeverfahren ist damit beendet. Eine Vorlage an den Kirchlichen Arbeitsgerichtshof findet mit Rücksicht auf § 47 Abs. 4 KAGO nicht statt (vgl. Kirchlicher Arbeitsgerichtshof 6. April 2011 – K 04/11 -).
III.
(27) Durch den vorliegenden, im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 52 KAGO ergangenen Nichtabhilfe-Beschluss wird das Urteil im Hauptsacheverfahren 2 MV 13/20, für das die aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnene Überzeugung des Kirchlichen Arbeitsgerichts maßgeblich ist (vgl. § 43 Abs. 1 KAGO), nicht vorweggenommen.


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