Arbeitsrecht

Zur Ausschlussfrist für den Beihilfeanspruch; Beihilfefähigkeit von Hautpflegemitteln

Aktenzeichen  B 5 K 17.231

Datum:
6.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 24036
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBG Art. 96 Abs. 3a
BayBhV § 7 Abs. 1 S. 1, § 48 Abs. 6
BayVwVfG Art. 32

 

Leitsatz

1. Bei der Antragsfrist des § 48 Abs. 6 BayBhV, die der Gesetzgeber mit Wirkung zum 1. Januar 2012 in Art. 96 Abs. 3a BayBG verankert hat, handelt es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, deren Nichtbeachtung den Beihilfeanspruch zum Erlöschen bringt. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei Berechnung der Ausschlussfrist, die sich nach § 187 Abs. 1 iVm § 188 Abs. 2 BGB richtet, ist zu berücksichtigen, dass für den Fristbeginn bei Rechnungen von Ärzten, welche nach Abschluss eines Behandlungsfalls ausgestellt werden, auf die Rechnungsstellung, bei Medikamenten und sonstigen Hilfsmitteln auf den Apothekenstempel bzw. das Kaufdatum abzustellen ist. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3. Zu verspätet geltend gemachten Aufwendungen kann eine Beihilfe (nur noch) gewährt werden, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die versäumte Ausschlussfrist nach Art. 32 BayVwVfG vorliegen. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
4. Für die Beurteilung der Beihilfefähigkeit eines medizinischen Körperpflegemittels ist allein maßgeblich die Beantwortung der Frage, ob das Mittel objektiv geeignet ist, herkömmliche Körperpflegemittel zu ersetzen. Es kommt daher weder darauf an, ob das Mittel im Einzelfall auch ohne die Erkrankung beschafft worden wäre, noch darauf, dass es sich bei der (haus-) ärztlichen Verschreibung um die Fortführung einer von fachärztlicher Seite initiierten und noch nicht abgeschlossenen Behandlung gehandelt hat. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Über die Klage konnte gem. § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil die Beteiligten insoweit ihr Einverständnis erklärt haben.
2. Das Gericht legt den Klageantrag dahingehend aus, dass der Kläger unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 8. Dezember 2016 und des Widerspruchsbescheids vom 20. Dezember 2016 die Verpflichtung des Beklagten begehrt, ihm auf seinen Antrag vom 30. November 2016 hin weitere Beihilfeleistungen zu gewähren.
3. Die so verstandene Klage ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid des Beklagten vom 8. Dezember 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Dezember 2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung weiterer Beihilfeleistungen. Zur Begründung nimmt das Gericht auf die zutreffenden Gründe des Widerspruchsbescheids Bezug und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung (§ 117 Abs. 5 VwGO). Ergänzend sei auf Folgendes hingewiesen:
a) Im Hinblick auf das Begehren des Klägers, den Beklagten zur Gewährung von Beihilfeleistungen in Bezug auf die von Dr. P. ausgestellte Rechnung vom 30. November 2015 zu verpflichten, scheitert der dem Grunde nach bestehende Beihilfeanspruch des Klägers daran, dass der Kläger die Antragsfrist nicht gewahrt hat. Nach Art. 96 Abs. 3a, Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 BayBG und § 48 Abs. 6 Satz 1 BayBhV wird eine Beihilfe nur gewährt, wenn sie innerhalb eines Jahres nach Entstehen der Aufwendungen oder der Ausstellung der Rechnung beantragt wird. Bei der Antragsfrist des § 48 Abs. 6 BayBhV, die der Gesetzgeber mit Wirkung zum 1. Januar 2012 in Art. 96 Abs. 3a BayBG verankert hat, handelt es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, deren Nichtbeachtung den Beihilfeanspruch zum Erlöschen bringt. Im Hinblick auf die zwischen den Beteiligten unstreitige Fristberechnung, die sich nach § 187 Abs. 1 i.V.m. § 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) richtet, ist zu berücksichtigen, dass für den Fristbeginn bei Rechnungen von Ärzten, welche nach Abschluss eines Behandlungsfalls ausgestellt werden, auf die Rechnungsstellung, bei Medikamenten und sonstigen Hilfsmitteln auf den Apothekenstempel bzw. das Kaufdatum abzustellen ist (vgl. Mildenberger, Beihilferecht in Bund, Ländern und Kommunen, Stand: November 2017, Anm. 11 zu § 48 Abs. 6 BayBhV). Gemessen daran hat der Beklagte zu Recht die mit Beihilfeantrag vom 30. November 2016, eingegangen bei dem Beklagten am 7. Dezember 2016, begehrte Beihilfe für die Rechnung des Arztes Dr. P. vom 30. November 2015 wegen Ablaufs der gesetzlichen Ausschlussfrist abgelehnt.
Zu verspätet geltend gemachten Aufwendungen kann eine Beihilfe (nur noch) gewährt werden, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die versäumte Ausschlussfrist nach Art. 32 des Bayer. Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) vorliegen (vgl. auch VV-BayBhV zu § 48 Abs. 7 BayBhV). Voraussetzung für die Gewährung von Wiedereinsetzung ist nach Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG, dass der Betroffene ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert war, wobei nach Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG das Verschulden eines Vertreters dem Vertretenen zuzurechnen ist. Verschuldet ist ein Fristversäumnis dann, wenn der Betroffene nicht die Sorgfalt walten lässt, die für einen gewissenhaften, seine Rechte und Pflichten sachgerecht wahrnehmenden Beteiligten geboten und ihm nach den gesamten Umständen zumutbar ist (st.Rspr. BVerwG, U.v. 8.3.1983 – 1 C 34.80 – NJW 1983, 1923; vgl. auch: BayVGH, B.v. 14.6.2016 – 14 ZB 14.1508 – juris Rn. 9; VG Bayreuth, U.v. 27.5.2014 – B 5 K 12.590 – juris Rn. 17).
Gemessen daran sind Gründe für die Gewährung von Wiedereinsetzung nicht ersichtlich, so dass der Beklagte eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in nicht zu beanstandender Weise abgelehnt hat. Weder die vom Kläger im Verwaltungsverfahren noch die von seinem Prozessbevollmächtigten im Klageverfahren detailliert vorgetragenen Belastungen u.a. durch die Betreuung seiner pflegebedürftigen und mittlerweile verstorbenen Eltern, seiner chronisch kranken Ehefrau und seiner in der Ausbildung befindlichen Kinder, durch die Vorgaben der staatlichen Bauverwaltung, durch die Arbeiten in der Land- und Forstwirtschaft sowie im Vermietungsbetrieb seiner Ehefrau und durch seinen eigenen, durch die vorgelegten Gesundheitszeugnisse belegten Gesundheitszustand, der – nach seinen Angaben – zu seiner Ruhestandsversetzung geführt hat, sind geeignet, ein fehlendes Verschulden zu begründen. Denn auch wenn der Kläger stark belastet gewesen sein mag, so ist doch nicht erkennbar, dass er durchgehend nicht in der Lage gewesen wäre, bis zum Ablauf der Jahresfrist einen Beihilfeantrag zu stellen, zumal der Zeitaufwand hierfür nicht sehr hoch ist.
Dahinstehen kann, ob der Beklagte den Kläger konkret auf die Bedeutung der Jahresfrist hingewiesen hat, weil der Beamte bzw. sein Vertreter verpflichtet ist, sich selbst in geeigneter Weise zuverlässig über die geltenden Anforderungen zu informieren (VG Bayreuth, U.v. 27.5.2014 – B 5 K 12.590 – juris Rn. 17; VG Ansbach, U.v. 3.8.2011 – AN 15 K 11.01045 – juris Rn. 28). Eine allgemeine Pflicht des Dienstherrn, seine Beamten über alle für sie einschlägigen Vorschriften zu belehren, lässt sich aus der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht nicht ableiten (st.Rspr. BVerwG, U.v. 30.1.1997 – 2 C 10.96 – BVerwGE 104, 55/57 f.).
b) Der Beklagte hat auch zu Recht die Gewährung einer Beihilfe im Hinblick auf das Rezept vom 2. September 2016, welches Aufwendungen für Präparate „Eucerine Handwaschöl, PH 5 200 ml“ (9,81 Euro) und „Allpresan Hand Aufbauschaum 100 ml“ (8,95 Euro) beinhaltete, abgelehnt. Denn von der Beihilfefähigkeit sind gemäß § 18 Satz 4 Nr. 2 BayBhV Aufwendungen für solche Mittel ausgenommen, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Hierbei handelt es sich um Güter, die zur allgemeinen Lebenshaltung zählen und deshalb unabhängig von einer Erkrankung grundsätzlich von jedermann benutzt werden können, wie beispielsweise Mittel für Hygiene und Körperpflege. Es mag sein, dass die Abgrenzung zu beihilfefähigen Mitteln schwierig ist, zumal medizinische Körperpflegemittel auch dann ausgeschlossen sein können, wenn sie Arzneimittel sind. Für die Beurteilung der Beihilfefähigkeit eines medizinischen Körperpflegemittels ist allein maßgeblich die Beantwortung der Frage, ob das Mittel objektiv geeignet ist, herkömmliche Körperpflegemittel zu ersetzen. Es kommt daher weder darauf an, ob das Mittel im Einzelfall auch ohne die Erkrankung beschafft worden wäre (OVG NRW, U.v. 23.8.1993 – 12 A 1031/91 – juris Rn. 24; Jakubith, Beihilfe für den öffentlichen Dienst in Bayern, Stand Juni 2017, § 18 BayBhV Anm. 1.7 und 3; Mildenberger, Beihilferecht in Bund, Ländern und Kommunen, Stand: November 2017, Anm. 5 zu § 18 BayBhV), noch darauf, dass es sich – wie die Klägerseite vorträgt – bei der (haus-)ärztlichen Verschreibung um die Fortführung einer von fachärztlicher Seite initiierten und noch nicht abgeschlossenen Behandlung gehandelt hat. Denn letztlich kann eine Erkrankung nicht dazu führen, dass Güter des täglichen Bedarf, d.h. Aufwendungen der allgemeinen Lebenshaltung, von einem Krankenfürsorgesystem erstattet werden (so: Mildenberger, a.a.O.).
c) In nicht zu beanstandender Weise hat der Beklagte auch die Gewährung einer Beihilfe im Hinblick auf die Rechnung vom 31. Oktober 2016 abgelehnt. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass bereits der streitgegenständliche Bescheid vom 8. Dezember 2016 den folgenden Hinweis enthielt: „Der Beleg war dem Antrag nicht beigefügt. Bitte machen Sie diese Aufwendungen in einem künftigen Beihilfeantrag nochmals geltend. Auf die Ausschlussfrist von einem Jahr ab Entstehen der Aufwendungen gemäß Art. 96 Abs. 3a und Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BayBG i.V.m. § 48 Abs. 6 BayBhV wird ausdrücklich hingewiesen.“ In dem Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 2016 hat der Beklagte ferner ausgeführt: „Nach nochmaliger Überprüfung wird festgestellt, dass der Beleg Ihrem Antrag nicht beilag, daher konnte ein Beihilfe nicht festgesetzt werden. Ich stelle Ihnen anheim, den Beleg von der privaten Krankenversicherung in Kopie anzufordern und unter Einhaltung der Jahresfrist der Beihilfestelle mit Antrag erneut vorzulegen.“ Letztmalig erfolgte ein entsprechender Hinweis in der Klageerwiderung des Beklagten vom 24. August 2017, d.h. mehr als zwei Monate vor Ablauf der Ausschlussfrist. Warum der Kläger diese klaren, unmissverständlichen, von der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht getragenen und erstmalig bereits mehr als zehn Monate vor Ablauf der o.g. beihilferechtlichen Ausschlussfrist erfolgten Hinweise nicht aufgegriffen und entsprechend reagiert hat, erschließt sich dem Gericht nicht.
4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO. Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO bedurfte es angesichts der – wenn überhaupt anfallenden – dann allenfalls geringen, vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen des Beklagten nicht, zumal dieser auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache eventuell eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.
5. Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht nach § 124 Abs. 1, § 124a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO liegen nicht vor.


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