Bankrecht

1 K 904/14

Aktenzeichen  1 K 904/14

Datum:
7.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Gründe

Finanzgericht Nürnberg
1 K 904/14
Im Namen des Volkes
Urteil
Tenorberichtigung durch Beschluss vom 11.08.2016
In dem Rechtsstreit
A. A-Straße, A-Stadt
– Klägerin –
Prozessbev.: Steuerberatungsgesellschaft B.
gegen
Finanzamt
– Beklagter –
wegen Körperschaftsteuer 2007
hat der 1. Senat des Finanzgerichts Nürnberg durch den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht, die Richterin am Finanzgericht und den Richter am Finanzgericht sowie die ehrenamtliche Richterin und den ehrenamtlichen Richter aufgrund mündlicher Verhandlung in der Sitzung
vom 7. Juni 2016
für Recht erkannt:
1. Der Körperschaftsteuerbescheid 2007 vom 05.08.2014 wird dahin geändert, dass die Körperschaftsteuer auf € festgesetzt wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Revision zu.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bundesfinanzhof schriftlich einzulegen. Die Revisionsschrift muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Eine Abschrift oder Ausfertigung des Urteils soll ihr beigefügt werden. Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. Die Begründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit das Urteil angefochten und seine Aufhebung beantragt wird. Sie muss ferner die bestimmte Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich eine Rechtsverletzung durch das Urteil ergibt; soweit Verfahrensmängel gerügt werden, muss sie auch die Tatsachen angeben, aus denen sich der Mangel ergibt.
Bei der Einlegung und Begründung der Revision muss sich jeder Beteiligte durch einen Steuerberater, einen Steuerbevollmächtigten, einen Rechtsanwalt, einen niedergelassenen europäischen Rechtsanwalt, einen Wirtschaftsprüfer oder einen vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, die durch einen der in dem vorherigen Satz aufgeführten Berufsangehörigen tätig werden. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie durch Diplomjuristen im höheren Dienst vertreten lassen.
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Abkürzungen:
AO (Abgabenordnung), BFH (Bundesfinanzhof), BFH/NV (Sammlung nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH), BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), BStBl (Bundessteuerblatt), EFG (Entscheidungen der Finanzgerichte), EStG (Einkommensteuergesetz), FGO (Finanzgerichtsordnung), GKG (Gerichtskostengesetz), GewStG (Gewerbesteuergesetz), HFR (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung), KStG 2002 n. F. (Körperschaftsteuergesetz), RVG (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz), UStG (Umsatzsteuergesetz)
Tatbestand
Streitig ist das wirtschaftliche Eigentum an Aktien, die im Rahmen eines Wertpapierdarlehensvertrags als Wertausgleich in ein Sicherheitendepot der Klägerin eingebucht wurden.
Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in A-Stadt. Gegenstand des Unternehmens ist die Herstellung von Maschinen.
Das Finanzamt veranlagte die Klägerin zunächst gemäß den eingereichten Steuererklärungen und erließ am 14.01.2009 den Körperschaftsteuerbescheid 2007, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 AO erging.
Vom 27.04.2011 bis 14.02.2012 fand bei der Klägerin eine Betriebsprüfung für die Jahre 2007 bis 2009 statt. Der Prüfer traf dabei u. a. die folgenden Feststellungen zu einem Wertpapierdarlehen (vgl. Anlage 7 zum Bericht über die Außenprüfung vom 02.03.2012):
Die Klägerin unterzeichnete am 13.04.2007 einen „Rahmenvertrag für Wertpapierdarlehen“ (im Folgenden: RV) mit der Bank KG, den die Bank KG am 21.03.2007 gezeichnet hatte. Nach diesem Formularvertrag beabsichtigten die Parteien, auf der Grundlage dieses Rahmenvertrages Wertpapierdarlehen abzuschließen.
Der Vertrag regelte unter „Nr. 1 Vertragsgegenstand“ Folgendes:
„Für jedes Geschäft, das unter Zugrundelegung dieses Rahmenvertrages abgeschlossen wird („Einzelabschluss“), gelten die nachfolgenden Bestimmungen. Alle Einzelabschlüsse bilden untereinander und zusammen mit dem Rahmenvertrag einen einheitlichen Vertrag („Vertrag“); sie werden im Sinne einer einheitlichen Risikobetrachtung und im Vertrauen darauf getätigt“ (Nr. 1 (2) RV).
Mit Schreiben vom 17.04.2007 (Dienstag) bestätigte die Bank KG der Klägerin die Vereinbarung über den Abschluss eines Wertpapierdarlehens unter Zugrundelegung des bestehenden RV am 13.04.2007. Danach verlieh die Klägerin im Rahmen eines „Optimierten Wertpapierdarlehens“ der Bank KG eine 2% Bundesschatzanweisung 05/07 (WKN 113710, mit einem Nominalwert von 30 Mio. € und einem Kurs von 99,705 € bis auf weiteres („b.a.w.“) zu einem Leihsatz von 0,05% p.a. Dazu entnahm die Bank KG die Stücke dem Depot der Klägerin bei der Bank KG (Depot-Nr. Z) und buchte ebenfalls mit Valuta 17.04.2007 als Wertausgleich in deren Sicherheitendepot Nr. Y Aktien der Deutsche Lufthansa AG (500.000 Stück, WKN 823212), der MPC AG (8.000 Stück, WKN 518760) sowie festverzinsliche Wertpapiere der DNB Bank (3,87%, WKN A 0G4YL, 10 Mio. €) und der Eurohypo (5,375%, WKN 313192, 20 Mio. DM nominal) ein. Die Leihgebühr sollte nach erfolgter Rückabwicklung des Geschäfts auf das Konto bei der Bank KG überwiesen werden.
Nach „Nr. 4 Wertausgleich“ des RV ist die Vertragspartei, deren Darlehenssumme diejenige der anderen Partei überschreitet, berechtigt, von Letzterer – hier der Bank KG –
Wertausgleich zu verlangen. Gemäß Nr. 4 (5) RV sollen auf Wertpapiere, die zum Zwecke des Wertausgleichs geliefert werden, die Bestimmungen des Rahmenvertrages über die Darlehenspapiere mit Ausnahme der Vorschriften über das Darlehensentgelt (Nr. 5), der Kündigung (Nr. 7 (1) bis (3)) und der Regelungen bei nicht fristgemäßer Rücklieferung (Nr. 8) entsprechende Anwendung finden.
Mit Datum vom 20.04.2007 übersandte die Bank KG der Klägerin eine „Änderungs-Bestätigung eines optimierten Wertpapierdarlehens“ und tauschte den Wertausgleich aus, so dass sie nunmehr in das Sicherheitendepot (Nr. Y) Aktien der Continental (300.000 Stück, WKN 543900) ein- und die 7 Tage zuvor eingebuchten Aktien und weiteren Wertpapiere wieder entnahm (sämtlich Valuta 23.04.2007). Den Austausch der Wertpapiere teilte die Bank KG der Klägerin ohne Angabe von Werten mit. In der internen Buchhaltung der Klägerin wurden die Wertpapiere in das Sicherheitendepot mit dem Marktwert ein- und wenige Tage mit identischen Wert wieder ausgebucht. Der Austausch der Wertpapiere im Sicherheitendepot erfolgte jeweils zum gleichen Wertstellungstag. Die jeweilige Summe des Marktwertes aus den einzelnen Wertpapieren belief sich auf ca. 30 Mio. €. Die Aktien wurden kurz vor dem Tag der Dividendenzahlung ein- und tags oder wenige Tage darauf wieder ausgebucht. Nachdem sich die Aktien am Tag der jeweiligen Hauptversammlung im Depot der Klägerin befanden, wurden die Dividenden an sie ausgeschüttet und auf dem Konto bei der Bank KG (Konto Nr. X) gutgeschrieben.
Der Bank KG stand in entsprechender Anwendung von Nr. 6 RV ein Anspruch auf die geleisteten Zinsen, Gewinnanteile sowie sonstige Ausschüttungen aus den als Wertausgleich bezeichneten Wertpapieren zu. Die Klägerin hatte den Gegenwert mit Wertstellung zum Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung durch den Emittenten zuzüglich des Betrages einbehaltener Steuern und Abgaben sowie Steuergutschriften an die Bank KG zu zahlen.
Die Bank KG richtete bis zur Kündigung des Wertpapierdarlehens acht Schreiben zum Austausch der Sicherheiten an die Klägerin mit der Bezeichnung „Änderungs-Bestätigung eines optimierten Wertpapierdarlehens“ oder „Austausch von Sicherheiten für ein OWD“. Das Darlehen über die Bundesanleihe und dessen Laufzeit „b.a.w.“ blieben dabei unverändert. In jedem ihrer Schreiben tauschte die Bank KG die als Wertausgleich in das Sicherheitendepot der Klägerin eingebuchten Wertpapiere aus. In der Summe wiesen die in das Sicherheitendepot übertragenen Aktien oder fest verzinslichen Wertpapiere jeweils einen Marktwert zum Zeitpunkt der Einbuchung in das Sicherheitendepot von ca. 30 Mio. € aus. Die Ausbuchung der Wertpapiere erfolgte jeweils zum Kurs/Kurswert, den die Wertpapiere zum Zeitpunkt der Einbuchung hatten.
Mit Ankündigungsschreiben von Dienstag, den 12.06.2007 (Betreff: „Rückführung eines Wertpapierdarlehens“), führte die Bank KG nach ca. acht Wochen „wie vereinbart zum 13.06.2007“ das Wertpapierdarlehen zurück. Mit Valuta 13.06.2007 wurden die von der Klägerin ausgeliehenen 2% Bundesschatzanweisungen 05/07 (WKN 113710), mit einem Nominalwert von 30 Mio. €, in das Wertpapierdepot Nr. Z wieder rückübertragen und die mit dem achten Schreiben (vom 06.06.2007) über den „Austausch von Sicherheiten“ übertragenen Wertpapiere aus dem Sicherheitendepot entnommen. Damit befand sich die Bundesschatzanweisung noch vor dem Zins- bzw. Fälligkeitstermin am 15.06.2007 wieder im Wertpapierdepot (Nr. Z) der Klägerin. Die Bank KG hatte aus dem entliehenen festverzinslichen Wertpapier keine Zinserträge erzielt. Mit der Rückübertragung der Bundesanleihe zum 13.06.2007 wurde das vereinbarte Darlehensentgelt in Höhe von 2.407,82 € (Leihsatz 0,05% aus dem „Marktwert“ im Sinne von Nr. 11 (2) RV von 30.414.513,70 € (= 29.911.500,00 € -Kurswert bei Kauf- + 503.013,70 € -Stückzinsen bei Kauf-) für 57 Tage) der Klägerin gutgeschrieben.
Die Klägerin hatte die ausgeschütteten Dividenden aus den als Sicherheit übertragenen Aktien i. H. v. insgesamt 6 Mio. € als steuerfrei nach § 8b Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes 2002 i. d. F. des Unternehmersteuerreformgesetzes (UntStRefG) 2008 vom 14.08.2007 (BGBl I 2007, 1912, BStBl I 2007, 630) – KStG 2002 n. F. – bzw. als steuerfreie Einnahmen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG i. V. m. § 8 Abs. 1 KStG 2002 n. F. (Ausschüttungen aus dem Einlagenkonto i. H. v. 20.900 €) behandelt und 5% der Bezüge nach § 8b Abs. 1 KStG 2002 n. F. als nicht abziehbare Ausgaben nach § 8b Abs. 5 Satz 1 KStG 2002 n. F. (298.955,00 €) berücksichtigt.
Es kam zu folgenden Auswirkungen durch Überlassung der Wertpapiere bei der Klägerin:
Summe geleisteter Kompensationszahlungen: 6.000.000,08 €
abzügl. erhaltene Nettodividendenerträge 4.738.409,98 €
Negativer Saldo der Zahlungsflüsse zum 10.07.2007 -1.261.590,10 €
Anspruch auf Steueranrechnung in der Körperschaftsteuererklärung 2007 (aus Depot-Nr. Y):
Anrechenbare Kapitalertragsteuer 1.195.820,02 €
Anrechenbarer SolZ 65.770,08 €
Saldo Liquidität nach Erstattung im Steuerbescheid v. 14.01.2009 0,00 €
Bezahlte Zinsen und Spesen (Konto W) -315,65 €
Verlust: -315,65 €
Auswirkungen auf HB zu verst. Einkommen
(wie erklärt)
Dividendeneinnahmen brutto 6.000.000,08 € 6.000.000,08 €
bisher steuerfrei aus Einlagenrückgewähr,
§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG i. V. m. § 27 KStG 2002 n. F. -20.900,00 €
sowie bisher steuerfrei § 8b Abs. 1 KStG 2002 n. F. -5.979.100,08 €
nicht abziehbare Ausgaben, § 8b Abs. 5 KStG 2002 n. F. 298.955,00 €
(Summe § 8b Abs.e 1 und 5 KStG 2002 n. F.: -5.680.145,08 €)
abzüglich geleistete
Kompensationszahlungen -6.000.000,08 € -6.000.000,08 €
Zinsen/Spesen: -315,65 € -315,65 €
Auswirkung auf den HB-Gewinn/ -315,65 €
das zu versteuernde Einkommen: -5.701.360,73 €
Aus der Anlage der 2% Bundesschatzanweisung 05/07 (WKN 113710) selbst erzielte die Klägerin durch Kursgewinn (88.500,00 €) und Zinsertrag (96.986,30 € = Zinsen abzüglich Stückzinsen bei Kauf) zuzüglich des Darlehensentgelts (2.407,82 €) einen Gewinn bei Fälligkeit in Höhe von 187.894,12 € (vgl. die Einzeldarstellung der Beträge in der Akte über die Betriebsprüfung).
Die Betriebsprüfung betrachtete die rechtliche Gestaltung mit der Bank KG als unangemessen i. S. d. § 42 AO, da sie einen gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil bewirke. Ein vernünftiger wirtschaftlicher Grund für diese Gestaltung sei nicht zu erkennen. Der aus diesem Wertpapierleihgeschäft resultierende steuerliche Verlust von 5.701.360 € sei außerbilanziell zuzurechnen. Das Finanzamt folgte den Feststellungen der Betriebsprüfung, setzte die Körperschaftsteuer im geänderten Körperschaftsteuerbescheid 2007 nach § 164 Abs. 2 AO vom 18.04.2012 auf € fest und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
Mit Einspruchsentscheidung vom 17.06.2014 wies das Finanzamt den hiergegen eingelegten Einspruch vom 10.05.2012 als unbegründet zurück. Für die Unangemessenheit der Gestaltung spreche, dass ein wirtschaftlicher oder sonstiger beachtlicher Zweck nicht erkennbar sei, sondern die Gestaltung allein auf der Steuerersparnis beruhe.
Wirtschaftlich betrachtet habe die Klägerin aus den verbundenen Geschäften einen Verlust erzielt. Dabei sei zu berücksichtigen, dass sie zunächst nur die Nettodividende erhalten habe, der Steuererstattungsanspruch sich erst zu einem späteren Zeitpunkt ausgewirkt habe und für den entgangenen oder aufzuwendenden Zins in 2007 mindestens ein Satz von 2,5 zugrunde zu legen sei. Auf ein Jahr berechnet ergebe sich, dass für die Finanzierung des Steuerabzugsbetrags von 1,261 Mio. € x 2,5% sich ein Verlust von ca. 30.000 € errechne, dem ein Ertrag durch das Darlehensentgelt für 30 Mio. € Wertpapierdarlehen x 0,05% von 15.000 € (p.a.) gegenüber stehe. Spätestens ab dem 29. Tag der Zwischenfinanzierung der Kapitalertragsteuer sei wirtschaftlich ein (Zins-) Verlust entstanden, der das vereinnahmte sog. Darlehensentgelt für die 57 Tage übersteige.
Für die Klägerin habe sich erst und nur durch die Anwendung steuerlicher Normen ein Gewinn ergeben. Dieser resultiere aus der Steuerfreistellung (zu 95%) der durch die Klägerin erzielten Dividenden gemäß § 8b Abs. 1 KStG 2002 n. F. i. V. m. § 8b Abs. 5 KStG 2002 n. F. sowie der vollständigen Abzugsfähigkeit der gleich hohen Kompensationszahlung (wirtschaftlich ein Nullergebnis) an die Bank KG als Betriebsausgaben. Nach den Wertungen des Gesetzgebers sei die im Streitfall gewählte Rechtsgestaltung in ihrer Gesamtheit unangemessen. Außersteuerliche Gründe, die die vorgenommenen Wertpapiergeschäfte für die Klägerin wirtschaftlich vernünftig erscheinen lassen würden, seien nicht erkennbar. Das Geschäft werde erst durch die unterschiedliche steuerliche Behandlung der Dividenden-Einnahmen und Kompensations-Ausgaben lukrativ. Bei rechtsmissbräuchlicher Gestaltung i. S. d. § 42 AO bestimme sich die Steuerlast anhand eines fiktiv angenommenen Sachverhalts, der als angemessen angesehen werde. Da sich die Kompensationszahlung und die erhaltene Dividende decken würden, wirke sich steuerlich lediglich die an die Klägerin gezahlte Leihgebühr aus. Die Zurechnung der als steuerfrei behandelten Beträge sei zu Recht erfolgt.
Im Übrigen sei nicht ersichtlich, inwiefern dem von der Klägerin errechneten „Ertrag von ca. 2.000 €“ (Darlehensentgelt i. H. v. 2.407,82 € ./. Kontoführungs- und Depotentgelt i. H. v. 315,65 €) ein wirtschaftliches Geschäft mit der Bank KG zugrunde liegen solle. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Bank KG für die Dauer der Verwahrung der festverzinslichen Wertpapiere etwas bezahlen solle, und sei es nur in Höhe des „Leihsatzes“ von 0,05%, da der Wertpapierdarlehensvertrag vor dem Zinszahlungstermin der Bundesanleihe geendet habe.
Die Klägerin hat am 17.07.2014 Klage erhoben und trägt vor:
Eine außerbilanzielle Zurechnung nach § 8b Abs. 10 Satz 1 KStG komme im Streitjahr 2007 nicht zur Anwendung.
Soweit die Bank KG im Rahmen der leihweise zur Verfügung gestellten Sicherungsmittel bestehend aus diversen dividendenberechtigten Aktien sowie festverzinslichen Wertpapieren als Wertpapierverleiher auftrete, sei für sie als Personengesellschaft die Vorschrift des § 8b Abs. 10 Satz 1 KStG erst für nach dem 31.12.2013 erfolgte Wertpapierdarlehensgeschäfte anwendbar.
Bei dem Vertragskonstrukt zwischen der Bank KG und der Klägerin sei zum einen nach Maßgabe von Nr. 1 (2) des RV abgeschlossenen Einzelabschlusses vom 17.04.2004 eine festverzinsliche Bundesanleihe i. H. v. nominal 30 Mio. € bis auf weiteres an die Bank KG verliehen worden. Zu dessen Besicherung habe die Bank KG der Klägerin ebenfalls auf Basis von Nr. 1 (2) des RV abgeschlossenen Einzelabschlüssen diverse dividendenberechtigte Aktien sowie festverzinsliche Wertpapiere Im Rahmen des Sicherungsverleihvertrages leihweise zur Verfügung gestellt. Die Bank KG habe gegenüber der Klägerin einen Anspruch auf „Kompensationszahlungen“ (Nr. 6 RV) erhalten. Die Klägerin sei verpflichtet gewesen, sämtliche Erträge der überlassenen Wertpapiere, d. h. die Bruttodividenden ungekürzt und zeitnah an die Bank KG gutzuschreiben.
Die sich für die Klägerin im Zusammenhang mit der Wertpapierleihe errechnenden steuerlichen Verluste i. H. v. 5.701.360,00 € könnten auch nicht auf Grundlage der Vorschrift des § 42 Abs. 1 Satz 1 AO a. F. außerbilanziell hinzugerechnet werden. Die streitgegenständlichen Wertpapierdarlehensgeschäfte der Klägerin hätten keinen ungewöhnlichen Weg zur Erreichung des beabsichtigten wirtschaftlichen Ziels dargestellt und würden daher rein definitionsgemäß nicht als unangemessene rechtliche Gestaltung gelten. Sie seien vielmehr marktüblich und nicht komplex oder kompliziert, sondern seien auf Basis der für diese Geschäfte vorgesehenen von der Bank KG vorformulierten Rahmenvereinbarung kontrahiert und abgewickelt worden.
Ihr wirtschaftliches Ziel liege in der temporären Übertragung der Wertpapiere gegen Entgelt. Die abgeschlossenen Wertpapierdarlehensgeschäfte in ihrer Gesamtheit – alle gegenseitigen Wertpapierdarlehensgeschäfte mit einerseits der Klägerin und andererseits der Bank KG als Wertpapierverleiher – dienten wirtschaftlichen bzw. beachtlichen außersteuerlichen Zwecken der Klägerin. Für die Klägerin habe sich insgesamt eine positive Vorsteuerrendite i. H. v. 2.092,17 € ergeben (2.407,82 € ./. 315,65 €). Die vom Finanzamt theoretisch zu errechnenden negativen Liquiditätseffekte, da zunächst nur die Nettodividende ausgezahlt werde und die Kapitalertragsteuer erst im Folgejahr anrechenbar sei, können nicht das Vorliegen von wirtschaftlichen oder sonst beachtlichen Gründen ausschließen. Im Übrigen könne bereits im Jahr der Dividendenvereinnahmung ein Antrag auf Herabsetzung der Körperschaftsteuervorauszahlungen gestellt werden. Die Wertpapierdarlehensgeschäfte seien für die Klägerin bezogen auf die Vorsteuerrendite neutral gewesen. Die gleichwohl vorliegenden wirtschaftlichen bzw. sonst beachtlichen außersteuerlichen Gründe würden sich insbesondere daraus ergeben, dass diese Wertpapierdarlehensgeschäfte in erster Linie der notwendigen Sicherung des zunächst abgeschlossenen Wertpapierdarlehens der Klägerin zugunsten der Bank KG über ca. 30 Mio. € gedient hätten. Bei Darlehensgewährungen in dieser Größenordnung entspreche die Stellung von Sicherungsmitteln dem gewöhnlichen Geschäftsverkehr und werde sowohl zivil- bzw. gesellschaftsrechtlich als auch steuerrechtlich als angemessen und fremdüblich angesehen bzw. sogar vorausgesetzt.
Ein weiterer beachtlicher außersteuerlicher Vorteil ergebe sich aus der Vermittlung von Stimmrechten und sonstigen Mitgliedschaftsrechten an den verschiedenen Unternehmen. Die Angemessenheit bzw. Unangemessenheit einer Gestaltung könne nach geltender BFH-Rechtsprechung nur mit Blick auf den Zweck des umgangenen oder – bei Steuervorteilen – desjenigen Steuergesetzes beurteilt werden, dessen Anwendung erschlichen worden sein soll. Die steuerlich vorteilhafte Rechtsfolge, dass der Entleiher als wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien die bezogenen Dividenden grundsätzlich steuerfrei nach § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG 2002 n. F. vereinnahme, entspreche gerade der Absicht des Gesetzgebers, zumindest sei sie von ihm bewusst in Kauf genommen worden.
Kompensationszahlungen bei Wertpapierdarlehensgeschäften betreffend Aktien würden in einem direkten wirtschaftlichen Zusammenhang mit bezogenen, nach § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG 2002 n. F. steuerfreien Dividenden des Entleihers stehen und dürften deshalb eigentlich nicht als Betriebsausgabe abgezogen werden. Allerdings habe der Gesetzgeber in § 8b Abs. 5 Satz 2 KStG 2002 n. F. explizit angeordnet, dass die Abzugsbeschränkung nach § 3c Abs. 1 EStG im Zusammenhang mit bezogenen Dividenden gerade nicht gelten solle. Vielmehr pauschaliere der Gesetzgeber den steuerlich nicht abziehbaren Anteil der Betriebsausgaben auf 5% der erhaltenen Dividenden.
Das Nichtvorliegen einer unangemessenen rechtlichen Gestaltung bei den streitgegenständlichen Wertpapierdarlehensgeschäften folge darüber hinaus aus den Wertungen und der Entstehungsgeschichte der vom Gesetzgeber einzelgesetzlich normierten Vorschrift des § 8b Abs. 10 Satz 1 KStG 2002 n. F.. In den Kollisionsregelungen des § 42 Abs. 1 und Satz 2 AO n. F. werde nunmehr eindeutig geregelt, dass spezielle Missbrauchsregelungen vorgehen würden. Durch die Kodifizierung der speziellen Anti-Missbrauchsregelung in § 8b Abs. 10 KStG 2002 n. F. habe der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass er die Wertpapierleihe gerade nicht als eine unangemessene rechtliche Gestaltung werte, sondern lediglich bestimmte steuerliche Rechtsfolgen mit dieser Transaktion unter genau definierten Voraussetzungen verbunden sein sollten. Es liege somit gerade keine unangemessene Gestaltung vor, wenn nicht alle Tatbestandsmerkmale der Anti-Missbrauchsregelung erfüllt seien. Da hier die Bank KG als „unschädlicher Verleiher“ agiere, sei die Gestaltung nicht als unangemessen anzusehen.
Aus dem BFH-Urteil vom 18.08.2015 I R 88/13, BFH/NV 2016, 341, ergebe sich keine Folgewirkung auf das anhängige Verfahren. Die Klägerin sei im jeweils für die Zurechnung der Erträge maßgeblichen Zeitpunkt der Dividendenvereinnahmung nach § 20 Abs. 2a EStG i. S.v. § 39 AO wirtschaftlicher Eigentümer der entliehenen Aktien gewesen. Die Dividendenerträge seien ihr für steuerliche Zwecke zuzurechnen. Die Entscheidung des BFH und die dort von diesem erwähnten besonderen Umstände seien aufgrund des Ausnahmecharakters der Entscheidung nicht auf andere Fälle der Wertpapierleihe rechtlich übertragbar. Die steuerliche Zurechnung richte sich vielmehr weiterhin nach den allgemeinen Rechtsprechungsgrundsätzen zum Übergang des zivilrechtlichen und wirtschaftlichen Eigentums von Kapitalgesellschaftsanteilen. Die Klägerin habe eine rechtlich geschützte, nicht entziehbare Position auf den Erwerb der entliehenen Aktien erhalten. Sie seien in ihrem Depot auf den Namen der Entleiherin hinterlegt worden. Dass der Bundesfinanzhof aus der kurzen Haltedauer der Aktien Anhaltspunkte für die Nichtausübung der Stimmrechte und mithin für den Verbleib des wirtschaftlichen Eigentums bei dem Verleiher ableite, entspreche nicht der bisherigen Rechtsprechung.
Das BFH-Urteil vom 18.08.2015 widerspreche auch der Neuregelung in § 8b Abs. 10 KStG 2002 n. F., dass die im Rahmen der Wertpapierleihe „entliehenen“ Anteile dem Entleiher zuzurechnen seien. Wären diese weiterhin dem Verleiher zuzurechnen, so wäre die Regelung des § 8b Abs. 10 KStG 2002 n. F. entbehrlich gewesen.
Im Übrigen habe die Klägerin als Entleiher die Verfügungsmacht über die entliehenen Aktien grundsätzlich ohne jegliche Verfügungsbeschränkung erworben. Sie habe die Aktien rechtswirksam an Dritte veräußern oder diese selbst im Rahmen einer Wertpapierleihe verleihen können.
Zusammenfassend weiche der vorliegende Sachverhalt in wesentlichen Punkten von dem Sachverhalt des BFH-Urteils vom 18.08.2015 ab.
Es habe keine kurze Kündigungsmöglichkeit für den Verleiher bestanden. Die Regelung in Nr. 7. (1) lit. A RV werde im Streitfall durch die Regelung in Nr. 9 (1) Satz 1 RV überlagert, wonach „sofern Einzelabschlüsse getätigt und nicht vollständig abgewickelt sind, der Vertrag nur aus wichtigem Grund kündbar ist“. Im Streitfall habe die Bank KG auf Basis von Nr. 1 Abs. 2 RV eine Vielzahl von Einzelabschlüssen als Verleiher abgeschlossen.
Anders als in dem BFH-Urteil vom 18.08.2015 sei von einer wirtschaftlich sinnhaften Nutzung der entliehenen Aktien durch die Klägerin auszugehen. Nach dem eindeutigen Parteiwillen und den Regelungen im entsprechenden Rahmenvertrag dienten die Aktien in erster Linie der notwendigen Sicherung eines zeitlich früher vereinbarten Wertpapierdarlehens über festverzinsliche Wertpapiere i. H. v. ca. 30 Mio. €. Weiterhin habe sich insgesamt eine positive Vorsteuerrendite aus den streitgegenständlichen Wertpapierdarlehensgeschäften ergeben. So habe dem vereinnahmten Darlehensentgelt i. H. v. 2.407,82 € nur geringe Ausgaben in Form von Kontoführungs- und Depotgebühren i. H. v. 315,65 € gegenüber gestanden. Weitere Kosten, insbesondere ein gesondertes Darlehensentgelt für die Entleihe der Aktien, habe die Klägerin nicht zahlen müssen. Dies rühre daher, dass diese Wertpapierdarlehensgeschäfte allein der Sicherung der seitens der Klägerin verliehenen verzinslichen Bundesanleihen gedient hätten.
Im Laufe des Klageverfahrens änderte das Finanzamt den Körperschaftsteuerbescheid 2007 mit Bescheid vom 05.08.2014 entsprechend der Einigung in einem Verständigungsverfahren. Die festgesetzte Körperschaftsteuer minderte sich auf €.
Die Prozessbevollmächtigten führten in der mündlichen Verhandlung ergänzend aus, dass es keine weitere schriftliche Vereinbarung im Zusammenhang mit der Wertpapierleihe gebe. Es existiere keine Sicherungsvereinbarung. Sie seien von der Klägerin dahin informiert worden, dass wechselseitige Wertpapierdarlehen gegeben worden seien und die erhaltenen Wertpapiere jeweils als Sicherheit für die hingegebenen dienen sollten.
Der wirtschaftliche Grund für die Klägerin könne in einer Änderung der Struktur der liquiden Mittel liegen. Für die Bank KG habe sich ein Kostenvorteil durch geringere Depot-gebühren ergeben.
Sofern der BFH die Umschlaghäufigkeit als Kriterium für das wirtschaftliche Eigentum betrachten würde, wäre zu prüfen, ob nicht zumindest bis zur ersten Ersetzung im Depot von Lufthansa und MPC durch Conti das wirtschaftliche Eigentum bei der Klägerin liegen müsste.
Die Klägervertreter beantragen, den Körperschaftsteuerbescheid 2007 vom 05.08.2014 dahingehend abzuändern, die in dem Bescheid bislang auf € festgesetzte Körperschaftsteuer 2007 um 1.425.340 € zu mindern.
Hilfsweise die Revision zuzulassen, da durch die BFH-Entscheidung vom 18.08.2015 I R 88/13 die Rechtsfragen um die Wertpapierleihe nicht voll umfänglich geklärt wurden.
Das Finanzamt hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die vom Bundesfinanzhof formulierten Voraussetzungen in seinem Urteil vom 18.08.2015 I R 88/13 würden vorliegen. Falls das Gericht das BFH-Urteil vom 18.08.2015 anwende, sei die Klage unbegründet.
Die Klage sei aber unabhängig hiervon schon deshalb unbegründet, weil nach Ansicht des Finanzamts aufgrund der Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 24.03.2016 Seite 10 der Aspekt der Sicherungsübereignung zutreffe („nach dem eindeutigen Parteiwillen … in erster Linie der notwendigen Sicherung eines zeitlich früher vereinbarten Wertpapierdarlehens …“). Hieraus ergebe sich die Rechtsfolge des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO, d. h. die entliehenen Aktien seien dem Sicherungsgeber zuzurechnen, so dass § 8b KStG 2002 n. F. bei der Klägerin keine Anwendung finde. Die Ausführungen der Klägerin, der Entleiher hätte eine rechtlich geschützte auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position in vollem Umfang erworben (Schriftsatz vom 24.03.2015, Seite 6), seien mit den Ausführungen auf Seite 10 nicht vereinbar.
Schließlich wäre die Klage auch dann unbegründet, wenn das Gericht von einem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums vom Verleiher auf die Klägerin ausgehen würde (so die bisherige Verwaltungsauffassung, OFD Frankfurt vom 17.02.2016 – S 2134 A-15-ST210 -, unter Bezug auf BMF vom 03.04.1990, IV B 2-S 2134-2/90).
Das Finanzamt halte an der Auffassung in seiner Einspruchsentscheidung fest, wonach die Ausgestaltung der Wertpapierleihgeschäfte als Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten i. S. d. § 42 AO zu beurteilen sei.
Wegen der weiteren Regelungen im Vertrag über das Wertpapierdarlehen samt aller Änderungen hierzu, der Zahlungs- und Buchungsvorgänge sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzgerichts- und Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nur zum Teil begründet.
Die Ausschüttungen sind weder als steuerfreie Dividenden gem. § 8b Abs. 1 KStG 2002 n. F. noch die damit im Zusammenhang stehenden Kompensationszahlungen als abziehbare Betriebsausgaben zu berücksichtigen, da die Aktien der Klägerin nicht steuerlich zuzurechnen sind.
1. Unabhängig von der Frage der steuerlichen Zurechnung ist § 8b Abs. 10 KStG nicht anwendbar, da die Vorschrift auf Personengesellschaften als Überlassende im Streitjahr 2007 noch keine Anwendung findet.
Gem. § 34 Abs. 7 Satz 15 KStG AmtshilfeRLUmsG findet die Ausweitung auf Personengesellschaften als Entleiher durch die Anwendung von § 8b Abs. 10 Satz 1 bis 5 und 7 bis 11 i. d. F. vom 26.06.2013 erstmals für nach dem 31.12.2013 überlassene Anteile Anwendung. Die weiteren Anwendungsvoraussetzungen von § 8b Abs. 10 KStG 2002 n. F. sind daher für die im Jahr 2007 überlassenen Wertpapiere nicht zu prüfen.
2. Die von der Klägerin begehrte Berücksichtigung von gemäß § 8b Abs. 1 KStG 2002 n. F. steuerfreien Dividenden sowie von damit im Zusammenhang stehenden und gemäß § 8b Abs. 5 Satz 2 KStG 2002 n. F. abziehbaren Betriebsausgaben setzt voraus, dass die Dividenden ihr steuerrechtlich zuzurechnen sind. Die persönliche Zurechnung von Dividenden richtet sich nach der im Streitjahr 2007 maßgeblichen Rechtslage nach § 20 Abs. 2a EStG 2002 i. d. F. vor Inkrafttreten des UntStRefG 2008 – hier: EStG 2002 a. F. -.
Anteilseigner, der die Einkünfte im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG 2002 a. F. erzielt, ist derjenige, dem nach § 39 AO die Anteile an dem Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2002 n. F. im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses zuzurechnen sind.
Gem. § 39 Abs. 1 AO sind Wirtschaftsgüter dem Eigentümer zuzurechnen. „Eigentümer“ im Sinne dieser Vorschrift ist der zivilrechtlichen Eigentürmer oder der Inhaber des Wirtschaftsguts. Abweichend hiervon ist einem anderen als dem Eigentümer das Wirtschaftsgut gem. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO zuzurechnen, wenn dieser die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann (wirtschaftlicher Eigentümer). Bei Treuhandverhältnissen sind die Wirtschaftsgüter dem Treugeber, beim Sicherungseigentum dem Sicherungsgeber und beim Eigenbesitz dem Eigenbesitzer zuzurechnen (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO).
Bei Aktien erlangt der Erwerber wirtschaftliches Eigentum im Allgemeinen ab dem Zeitpunkt, von dem ab er nach dem Willen der Vertragspartner über die Wertpapiere verfügen kann. Das ist in der Regel der Fall, sobald Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten, insbesondere die mit Wertpapieren gemeinhin verbundenen Kursrisiken und
-chancen, auf den Erwerber übergegangen sind (BFH-Urteile vom 15.12.1999 I R 29/97, BStBl II 2000, 527; 02.05.1984 VIII R 276/81, BStBl II 1984, 820).
Die Klägerin hat nach den Gesamtumständen des vorliegenden Falles kein wirtschaftliches Eigentum an den zwischen dem 17.04.2007 und 13.06.2007 in ihrem Sicherheitendepot Depot-Nr. Y befindlichen Wertpapieren erlangt, die im Laufe des mit der Bank KG geschlossenen Wertpapierdarlehnsvertrages dort eingebucht wurden.
2.1. Die Klägerin als Verleiher schloss mit der Bank KG unter Zugrundelegung des Rahmenvertrages am 13.04.2007 einen Vertrag über ein optimiertes Wertpapierdarlehen. Nach der vorliegenden „Korrektur-Bestätigung“ vom 17.04.2007 war Gegenstand des Wertpapierdarlehens eine 2% Bundesschatzanweisung 05/07 (WKN 113710). Zur Abwicklung wurde die Bundesschatzanweisung aus dem Depot der Klägerin entnommen. Unter dem Punkt „Wertausgleich“ wird die Buchung verschiedener Wertpapiere in ein Depot der Klägerin bei der Bank KG vorgenommen. Eine Leihgebühr hatte nur die Bank KG nach erfolgter Rückabwicklung des Geschäfts an die Klägerin zu zahlen.
Bei einem Vertrag über ein „Wertpapierdarlehen“, das teilweise auch als „Wertpapierleihe“ bezeichnet wird, handelt es sich zivilrechtlich um einen Sachdarlehensvertrag gem. § 607 BGB. Als Vertragsgegenstand kommen neben Geld auch andere vertretbare Sachen, d. h. bewegliche Sachen, die im Verkehr nach Zahl, Maß oder Gewicht bestimmt zu werden pflegen (§ 91 BGB), in Frage. Vertragstypische Pflichten des Sachdarlehensvertrags sind für den Darlehensgeber, dem Darlehensnehmer eine vereinbarte vertretbare Sache bzw. das zivilrechtliche Eigentum daran zu verschaffen und für die vereinbarte Zeit zu belassen. Der Darlehensnehmer hingegen ist zur Zahlung eines Darlehensentgelts und bei Fälligkeit zur Rückerstattung von Sachen gleicher Art, Güte und Menge verpflichtet. Bei festverzinslichen Wertpapieren sind dies Wertpapiere einer Emission, sie haben also die gleiche Ausstattung (gleiches Ausgabedatum, gleicher Nennbetrag, gleiche Laufzeit und Verzinsung); bei Aktien sind Emittent und Art der Aktie (z. B. Inhaberaktie, Vorzugsaktie) identisch, für alle Wertpapiere erkennbar an der gleichen Wertpapierkennnummer (WKN) bzw. International Securities Identification Number (ISIN).
2.2. Bei einem Wertpapierdarlehen sind grundsätzlich die allgemeinen Grundsätze zum Übergang des zivilrechtlichen und wirtschaftlichen Eigentums anzuwenden. Danach werden die Erträge aus den „verliehenen“ Wertpapieren regelmäßig dem Entleiher zuzurechnen sein, weil er der zivilrechtliche Eigentümer der Wertpapiere wurde (BFH-Urteil vom 16.04.2014 I R 2/12, BFH/NV 2014, 1813 unter Hinweis auf BFH-Urteil vom 17.10.2001 I R 97/00, BFH/NV 2002, 240).
Hiervon abweichend ist ein Wertpapier dem wirtschaftlichen Eigentümer zuzurechnen, wenn die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den (zivilrechtlichen) Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann. So sind die Wirtschaftsgüter bei Sicherungseigentum gem. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO dem Sicherungsgeber zuzurechnen.
2.3. Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich bei den streitigen Aktien, die in das Sicherheitendepot der Klägerin eingebucht und wenige Tage später nach dem jeweiligen Hauptversammlungstermin wieder entnommen wurden um einen Wertausgleich im Rahmen des Wertpapierleihvertrages über die 2% Bundesschatzanweisung 05/07. Die Aktien sind nicht Gegenstand eines gesonderten Darlehensvertrags.
Wechselseitige Wertpapierdarlehen sind weder schriftlich belegt noch spricht die tatsächliche Durchführung für einen Darlehensvertrag über die Aktien.
Der Rahmenvertrag sieht die Möglichkeit wechselseitiger Darlehensverträge grundsätzlich vor, so dass es nicht ausgeschlossen ist, dass die Klägerin auch als Darlehensnehmerin auftritt. Einzelabschlüsse von Wertpapierdarlehen bedürfen zu ihrer Wirksamkeit nicht zwingend einer unterzeichneten Ausfertigung (Nr. 2 Abs. 2 RV). Nr. 2 Abs. 1 RV sieht jedoch vor, dass die Bank nach einer Einigung über einen Einzelabschluss dem Vertragspartner den Inhalt dieses Einzelabschlusses schriftlich bestätigen wird. Dies verlangt die Rechtssicherheit in Bankgeschäften, nachdem ein Einzelabschluss auch abweichende Regelungen von dem Rahmenvertrag beinhalten kann (Nr. 2 Abs. 3 RV). Die Äußerung der Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung, dass die Klägerin sie dahingehend informiert hätte, dass wechselseitig Wertpapierdarlehen gegeben wurden, reicht für den Nachweis weiterer Wertpapierdarlehensverträge nicht aus.
Die Bestätigung der Bank KG vom 17.04.2007 sowie die acht folgenden „Änderungs-Bestätigungen“, zuletzt vom 06.06.2007, geben als Gegenstand des bis auf weiteres abgeschlossenen optimierten Wertpapierdarlehens jeweils die Bundesanleihe mit der WKN 113710 an. Hier fungiert die Klägerin als Darlehensgeber. Darüber hinaus liegen dem Gericht keine schriftlichen Bestätigungen über Wertpapierdarlehensverträge mit der Hingabe von Darlehen durch die Bank KG als Darlehensgeber an die Klägerin als Darlehensnehmerin vor. Nach Einlassung der Prozessbevollmächtigten existieren keine weiteren schriftlichen Vereinbarungen. Die Aktien selbst werden in allen in den Akten befindlichen Bestätigungen zum Darlehen an die Bank KG (nur) als Wertausgleich bezeichnet. Dementsprechend bestätigt die Bank KG, dass ausschließlich die Bank KG als „Entleiher“ eine „Leihgebühr“ in Höhe von 0,05% p.a. nach der Rückabwicklung zu zahlen hat.
Nach der tatsächlichen Durchführung des Wertpapierdarlehens entsprechend der Bestätigung der Bank KG und den Bestimmungen des Rahmenvertrages wurden die Wertpapiere als Wertausgleich an die Klägerin übertragen.
Nr. 4 RV regelt den Anspruch des Darlehensgebers auf Wertausgleich, wenn seine Darlehenssumme die Darlehenssumme der anderen Partei übersteigt. Im Streitfall hat nur die Klägerin ein Darlehen zu einem Marktwert von 29.911.500 € hingegeben, so dass sie einen Anspruch auf einen Wertausgleich in gleicher Höhe hatte, da die Darlehenssumme 500.000 € (vgl. die Festlegung der Vertragsparteien in Nr. 11 Abs. 7 RV) überschritten hat.
Die Abwicklung dieses Wertausgleichs entspricht den Regelungen des RV, dessen Bestimmungen auf den Wertausgleich mit bestimmten Ausnahmen grundsätzlich für entsprechend anwendbar erklärt werden. Hiervon ausgenommen sind die Nr. 5 (Darlehensentgelt), Nr. 7 Abs. 1 bis 3 (Kündigung bzw. Ende des Vertrages) und Nr. 8 (nicht fristgemäße Rücklieferung). Infolgedessen ist für die Übertragung von Wertpapieren als Wertausgleich bzw. Sicherheit kein Darlehensentgelt nach Nr. 5 RV zu zahlen, da Nr. 4 Abs. 5 RV die Nr. 5 RV ausdrücklich nicht für entsprechend anwendbar erklärt. Dies entspricht auch der tatsächlichen Durchführung. Die Klägerin zahlte kein Darlehensentgelt für die Überlassung der in das Sicherheitendepot eingebuchten Wertpapiere. Auch die zeitnahe Einbuchung der Wertpapiere in das Sicherheitendepot häufig am Tag der Bestätigung der Bank KG bzw. am nächsten Bankarbeitstag entspricht Nr. 4 Abs. 3 RV, der vorsieht, dass Wertausgleichleistungen vor Ende des ersten auf den Zugang der Mitteilung folgenden Bankarbeitstages zu erbringen sind. Der Klägerin wurden keine Kosten für die Aktienübertragungen berechnet. Steuern, Kosten, Gebühren und Abgaben für die Lieferung und Rücklieferung bei Leistungen nach Nr. 4 RV sind gem. Nr. 10 RV vom Leistungspflichtigen, hier der Bank KG, zu tragen.
Der entgegenstehenden Auffassung von Ebel (FR 2016, 369) geht davon aus, dass bei banküblichen Wertpapierleihen vorwiegend wechselseitige Darlehensgeschäfte vorliegen. Doch ohne eine entsprechende vertragliche Vereinbarung kann diese Wechselseitigkeit nicht unterstellt werden. Würden nämlich bei der Verpflichtung zu einem Wertausgleich stets wechselseitige Darlehensverträge vorliegen, hätte es der entsprechenden Anwendung von Bestimmungen des RV in Nr. 4 Abs. 5 RV gar nicht mehr bedurft. Selbst daraus, dass an den als Wertausgleich übertragenen Wertpapieren das unbeschränkte Eigentum übertragen wird, kann nicht auf die darlehensweise Hingabe geschlossen werden, denn dies ist Folge der entsprechenden Anwendung von Nr. 3 Abs. 2 RV. Auch der RV macht einen Unterschied zwischen Darlehensvertrag und Wertausgleich. So sieht er nicht die entsprechende Anwendung aller Vorschriften vor, sondern schließt die entsprechende Anwendung der Kündigungsvorschriften (vgl. Nr. 7 Abs. 1 bis 3 RV) für den Wertausgleich gerade aus (Nr. 4 Abs. 5 RV).
2.4. Unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des vorliegenden Falles hat die Klägerin kein wirtschaftliches Eigentum an den als Wertausgleich übertragenen Wertpapieren erlangt.
§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO sieht für Sicherungseigentum vor, dass sie dem Sicherungsgeber, hier der Bank KG, zuzurechnen sind.
Mit der herrschenden Kommentar- und Rechtsprechungsmeinung ist davon auszugehen, das Satz 2 des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO nur beispielhaft den Sicherungsgeber als wirtschaftlichen Eigentümer ansieht, so dass nicht allein die „Stellung“ der Bank KG als Sicherungsgeber dafür ausreicht, das wirtschaftliche Eigentum bei der Klägerin zu verneinen (vgl. hierzu Düren in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 39 AO Tz. 30; Schmieszek in Beermann/Gosch, § 39 AO Rz. 111). Vielmehr sind die Gesamtumstände des Falles zu betrachten und die Gesichtspunkte des BFH in seinem Urteil vom 18.08.2015 I R 88/13 zu prüfen, auch wenn sich der Streitfall dadurch unterscheidet, dass die Aktien nicht selbst den Gegenstand des Darlehensvertrages darstellen sowie ein Darlehensentgelt für die Überlassung zu zahlen war, sondern der Absicherung der Klägerin dienen.
Aus den Gesamtumständen ergibt sich, dass das wirtschaftliche Eigentum bei der Bank KG als Sicherungsgeberin verblieb. Dies folgt aus den Bestimmungen des abgeschlossenen Vertrags über ein optimiertes Wertpapierdarlehen samt den jeweiligen Änderungen hierzu bei Austausch einer Sicherheit und der Art des Vollzugs.
2.4.1. Das streitgegenständliche Wertpapierdarlehen war nicht darauf angelegt, der Klägerin in einem wirtschaftlichen Sinne die Erträge aus den überlassenen Aktien zukommen zu lassen.
Die Klägerin hatte keinerlei Liquiditätsvorteile aus einer etwaigen zeitversetzten Vereinnahmung und Verausgabung. Die Erträge aus den Ausschüttungen musste sie zeitgleich an die Bank KG überweisen. Die Dividenden für die 17 Aktienpakete abzüglich Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag zur Kapitalertragsteuer wurden auf ihr Konto Nr. X gutgeschrieben. Aufgrund der entsprechenden Anwendung von Nr. 6 Abs. 1 RV auf den Wertausgleich, standen jedoch die Ausschüttungen auf die Aktien dem Sicherungsgeber, der Bank KG, zu. Die Klägerin überwies die Kompensationszahlungen in Höhe der Bruttodividende, d. h. Auszahlungsbetrag incl. einbehaltener Steuern, nach einer internen Umbuchung von Konto Nr. W an die Bank KG. Damit erfolgte die Zahlung der Kompensationszahlung zu demselben Tag der Wertstellung wie für die Gutschrift der Nettodividende auf dem Konto Nr. X. Ausschließlich die Kompensationszahlung (100.749,88 €) für den letzten Dividendenertrag der TS Eventim AG (Nettodividende: 79.491,66 €) wurde erst mit zeitlicher Verzögerung von einem Monat und Wertstellung am 10.07.2007 durchgeführt.
Die Überweisung der Kompensationszahlung erfolgte zeitgleich und zugleich mit einem höheren Betrag, da die Klägerin den Gegenwert zuzüglich einbehaltener Steuern und Abgaben sowie etwaiger Steuergutschriften an die Bank KG überweisen musste (Nr. 6 Abs. 1 Satz 2 RV entsprechend). So war zusätzlich zu den gutgeschriebenen Nettodividenden im Rahmen der Kompensationszahlung ein Betrag in Höhe der einbehaltenen Steuern von 1.261.590,10 € zu finanzieren. In der Summe brachte die Übertragung der Aktien im Rahmen des Wertpapierdarlehens über die Bundesanleihe nur einen Liquiditätsnachteil. Von der von Klägerseite erwähnten Möglichkeit, einen Antrag auf Herabsetzung der Vorauszahlungen zu stellen, hat die Klägerin zumindest selbst nach dem Anhörungsschreiben des Finanzamts vom 18.03.3008 zur beabsichtigten Erhöhung der Körperschaftsteuervorauszahlungen für 2007 tatsächlich keinen Gebrauch gemacht.
2.4.2. Es erfolgte kein endgültiger Übergang der Chancen und Risiken, die mit dem Eigentum an Wertpapieren typischerweise verbunden sind.
Nach den vorliegenden Buchungsbelegen wurden der Eingang und der Ausgang der Wertpapiere auf den Soll- und Habenkonten bei der Klägerin jeweils mit dem Kurswert am Wertstellungstag der Einbuchung in das Sicherheitendepot erfasst. Nachdem die Aktien meist am Tag vor der Hauptversammlung in das Depot gebucht und einige Tage danach wieder entnommen wurden, hätte sich für die Klägerin i.d.R. ein Verlust ergeben, wenn bei den Buchungen jeweils der aktuelle Kurswert am Tag der Ausbuchung angesetzt worden wäre. Üblicherweise sinkt der Wert der Aktien unmittelbar nach dem Termin der Hauptversammlung, da sie bei einem Erwerb keinen (zeitnahen) Anspruch auf eine Ausschüttung vermitteln, sondern quasi ex Dividende „erworben“ werden. Aus den zusätzlich zu den „Änderungs-Bestätigungen“ des Wertpapierdarlehens eingereichten Unterlagen der Klägerin errechnet sich insgesamt ein Verlust in Höhe von 4.190.985,85 €, wenn die Ein- und Ausbuchungen der Aktien zum Kurswert an den jeweiligen Wertstellungstagen erfasst worden wären (vgl. hierzu die Belege in der Finanzgerichtsakte). Dieses Kursrisiko hat die Klägerin aber tatsächlich nie getragen. Von der Zweckrichtung der Übertragung der Wertpapiere durch die Bank KG zur Sicherheit für das hingegebene Darlehen an die Bank KG war dies wirtschaftlich auch gar nicht gewollt.
So hat sich die von der Klägerin errechnete positive Vorsteuerrendite aus Wertpapierdarlehen und Wertausgleich in Höhe von 2.092,17 € (Darlehensentgelt für die Bundesanleihe abzüglich Kontoführungsgebühren für das Girokonto Nr. W) nur deshalb ergeben, weil die Klägerin gerade nicht wie ein wirtschaftlicher Eigentümer das Risiko von Gewinnen und Verlusten der Wertpapiere getragen hat.
2.4.3. Auch der Gesichtspunkt einer Kostentragung spricht gegen die Verlagerung der wirtschaftlichen Risiken auf die Klägerin. Nicht die Klägerin, sondern die Bank KG hat die Steuern, Kosten, Gebühren oder Abgaben zu zahlen, die auf die Lieferung und Rücklieferung der als Wertausgleich übertragenen Aktien anfallen (Nr. 10 RV).
Insofern ist das Argument der Prozessbevollmächtigten nicht nachvollziehbar, dass sich für die Bank KG aus dem Wertpapierdarlehensvertrag und dem zu leistenden Wertausgleich ein Kostenvorteil ergeben habe.
2.4.4. Die Klägerin ist nicht deshalb als wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien anzusehen, weil es ihr bei dem Erwerb der Aktientitel um die Ausübung von Stimmrechten in der Hauptversammlung der jeweiligen Aktiengesellschaft ging.
Angesichts des achtfachen Austauschs der überlassenen Sicherheiten, jeweils in der Summe mit einem Marktwert in Höhe von ca. 30. Mio. €, ergab sich für den Zeitraum vom 17.04.2007 bis 13.06.2007 eine durchschnittliche Haltedauer der Aktien von 6,33 Tagen pro „Sicherheitenpaket“. Dabei wurde in nur vier Fällen mit einer Haltedauer von drei bzw. 13 und 14 Tagen von diesem Durchschnittswert in größerem Umfang abgewichen.
Bereits diese Umschlaghäufigkeit mit 9 „Sicherheitenpaketen“ mit Aktien und teils festverzinslichen Wertpapieren während insgesamt 57 Tagen spricht gegen die Absicht, die Stimmrechte auf den Hauptversammlungen auszuüben. In der Gesamtschau wurde die Klägerin auch nicht wirtschaftliche Eigentümerin an den als erstes, am 17.04.2007 übertragenen Aktien der Lufthansa AG und der MPC AG, da auch hier die weiteren Gründe wie u. a. der Unmöglichkeit einer Stimmrechtsausübung an den Hauptversammlungen vom 18.04.2007 und 19.04.2007, die kurze Haltedauer und das fehlende wirtschaftliche Risiko dagegen sprechen.
Die zur Sicherheit überlassenen Aktien wurden zumeist erst einen Tag vor oder sogar erst am Tag der Hauptversammlung auf die Klägerin übertragen, da dies ausreichend ist, um in den Genuss der Dividendenzahlung zu kommen. Aktien können nach den Hinweisen der Deutschen Bank noch am Tag der Hauptversammlung erworben werden, da der „Schlusstag des Geschäfts“ maßgeblich ist.
2.4.5. Aufgrund der sehr kurzfristigen Übertragung der Aktien fast ausnahmslos vor oder am Tag der Hauptversammlung ist es überhaupt nur im Fall der Aktien der Deutschen Bank AG (Buchung ins Depot mit Wert 14.05.2007) aus rechtlichen Gründen möglich und denkbar, dass die Klägerin ein Stimmrecht an der Hauptversammlung am 24.05.2007 ausüben konnte und durfte. Die Anmeldung musste spätestens am 21.05.2007 erfolgen (https://hauptversammlung.db.com/de/docs/HV_Tagesordnung_dt_3003.pdf).
Gegenüber der Gesellschaft gilt als Aktionär nur, wer als solcher im Aktienregister eingetragen ist (§ 67 Aktiengesetz i.d. Fassung vom 10.11.2006). Aus arbeitstechnischen Gründen kann das Aktienregister nicht mehr bis zum Tag der Hauptversammlung korrigiert werden. So besteht ein „Umschreibestopp“ für Umschreibungen im Aktienregister ab einem Stichtag vor der Hauptversammlung (von der Deutschen Bank als „Technical Record Date“ bezeichnet) bis zum Tag der Hauptversammlung (vgl. beispielhaft die Einladung der Deutschen Bank zu ihrer Hauptversammlung am 19.05.2016, http://www.dgap.de/dgap/News/hauptversammlung/deutsche-bank-aktiengesellschaft-bekanntmachung-der-einberufung-zur-hauptversammlung-frankfurt-main-mit-dem-ziel-der-europaweiten-verbreitung-gemaess-aktg/?newsID=932935). Zwar können Aktien noch nach diesem Stichtag erworben werden, eine Ausübung des Stimmrechts scheidet für diese Erwerber jedoch aus (vgl. dazu auch BGH-Urteil vom 21.09.2009 II ZR 174/08, DStR 2009, 2207). Der Tag des Umschreibestopps für die Deutsche Bank im Jahr 2007 konnte nicht ermittelt werden. Letztlich kann dies dahinstehen, da das wirtschaftliche Eigentum anhand der Gesamtumstände des Wertpapierdarlehens im Ganzen, samt aller Änderungen zu den Sicherheiten (Wertausgleich) einheitlich zu beurteilen ist.
Die beispielhaft eingesehenen Einladungen zu den Hauptversammlungen im Jahr 2007 der Lufthansa AG, Baywa AG, Lanxess AG und DIC Asset AG bestätigen die Ausführungen der Deutschen Bank (im Jahr 2016) auch für das Streitjahr. Die Aktien der Lufthansa AG wurden am 17.04.2007 übertragen. Anmeldungen zur Hauptversammlung mit der Möglichkeit einer Stimmrechtsausübung konnten jedoch nur noch bei einer Eintragung im Aktienregister bis 13.04.2007 vorgenommen werden (vgl. http://investor-relations.lufthansagroup.com/fileadmin/downloads/de/hauptversammlung/LH-HV-2007-Tagesordnung.pdf). Eine Stimmrechtsausübung auf der Hauptversammlung der Baywa AG am 31.05.2007 war bei einer Anmeldung bis zum 25.05.2007 möglich. Da die Klägerin erst am 31.05.2007 zivilrechtliche Eigentümerin wurde, war die Stimmrechtsausübung aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen (vgl. http://www.baywa.com/fileadmin/media/relaunch/Downloads/Investor_Relations/Hauptversammlungen/Broschuere_Einladung-HV-2007.pdf). Gleiches gilt für die am Tag der Hauptversammlung am 06.06.2007 erworbenen Aktien der DIC Asset AG. Nach der Einladung dieser Gesellschaft musste der Anteilsbesitz durch eine von dem depotführenden Institut erstellte Bestätigung nachgewiesen werden, die sich auf den Beginn des 16.05.2007, 00.00 Uhr bezog (vgl. http://www.dic-asset.de/download/publikationen/ir/DAZ_Einladung_HV2007.pdf). Der Nachweis des Aktienbesitzes bei der Lanxess AG muss sich auf den Beginn des 21. Tages vor der Hauptversammlung am 31.05.2007, also auf den 10.05.2007, 0:00 Uhr beziehen (http://lanxess.de/de/corporate/investor-relations/events-praesentationen/hauptversammlung/archiv/downloads/). Zu diesen Zeitpunkten war die Klägerin jedoch noch nicht zivilrechtliche Eigentümerin dieser Aktien.
Allein im Fall der Deutschen Bank AG liegen zwischen dem Tag der Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums an den Aktien (14.05.2007) und dem Tag der Hauptversammlung (25.05.2007) mehr als nur wenige Tage. Hier wäre es möglich, dass der Nachweis der Stellung als Aktionär durch Eintragung im Aktienregister noch zu erbringen war und der Anmeldung zur Hauptversammlung rechtzeitig bis 21.05.2007 erfolgen konnte (vgl. https://hauptversammlung.db.com/de/docs/HV_Tagesordnung_dt_3003.pdf).
Von Klägerseite wurde im Laufe des Klageverfahrens auch niemals vorgetragen, dass tatsächlich bei einer Hauptversammlung der 17 Aktiengesellschaften ein Stimmrecht ausgeübt worden sei.
2.4.6. Wirtschaftliche Eigentümerin der Aktien ist vielmehr die Bank KG, da sie die Klägerin von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut gegen deren Willen wirtschaftlich ausschließen konnte.
Dabei ist der Klägerin beizupflichten, dass die Bank KG der Klägerin die Aktien nicht durch eine Kündigung mit einer Kündigungsfrist von lediglich drei Bankarbeitstagen – wie nach den Ausführungen des BFH im Urteil vom 18.08.2015 I R 88/13, BFH/NV 2016, 341 – entziehen kann. Die Kündigung nach Nr. 7 Abs. 1 Buchst. a RV ist jedoch entgegen der Ansicht der Klägerin nicht aufgrund der Regelung in Nr. 9 Abs. 1 RV ausgeschlossen, weil die Einzelabschlüsse noch nicht vollständig abgewickelt sind. Vielmehr finden die Kündigungsvorschriften in Nr. 7 Abs. 1 bis 3 RV auf den Wertausgleich keine entsprechende Anwendung (vgl. Nr. 4 Abs. 5 RV). Hier sieht das Gericht einen Sachverhaltsunterschied zum BFH-Urteil vom 18.08.2015 I R 88/13, BFH/NV 2016, 341.
Die Bank KG hatte aufgrund einer speziell für den Wertausgleich anzuwendenden Regelung des RV die Möglichkeit, der Klägerin die Aktien mit der Vorlaufzeit von einem Bankarbeitstag zu entziehen. Der Sicherungsgeber kann die im Rahmen des Wertausgleichs erbrachten Leistungen ganz oder teilweise ohne Zustimmung der anderen Partei durch Geldzahlungen in Euro oder auf Euro lautende Schuldverschreibungen der Bundesrepublik Deutschland ersetzen (vgl. Nr. 4 Abs. 4 RV). Die Ersetzung erfolgt danach einen Bankarbeitstag nach Zugang einer entsprechenden Benachrichtigung gegen Rückgewähr der zu ersetzenden Leistungen.
Die Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls ergibt, dass der Klägerin lediglich eine formale zivilrechtliche Rechtsposition, eine leere Eigentumshülle, verschafft wurde, die es ihr ermöglichen sollte, formal steuerfreie Dividenden zu beziehen und zugleich abziehbare Betriebsausgaben – die Kompensationszahlungen – zu generieren, um hieraus einen Steuervorteil zu erzielen. Aufgrund des fehlenden wirtschaftlichen Eigentums an den Wertpapieren wurde sie auch nicht wirtschaftliche Eigentümerin der Erträge aus den Wertpapieren, die der Klägerin nur aus den als Wertausgleich übertragenen Aktien zugeflossen sind. Dies gilt unabhängig davon, ob die Ausschüttungen aus dem steuerlichen Einlagekonto nach § 20 Abs. 1 Satz 3 EStG i. V. m. § 8 Abs. 1 KStG erfolgten oder von der Klägerin als steuerfrei nach § 8b Abs. 1 KStG behandelt wurden.
Erträge aus den festverzinslichen Wertpapieren, die als Wertausgleich auf die Klägerin übertragen wurden, hat die Klägerin nie erzielt. Die Frage des wirtschaftlichen Eigentums an diesen ist nicht streitbefangen.
3. Es kann dahinstehen, ob die Übertragungsvorgänge bzw. das Wertpapierdarlehensgeschäft in seiner Gesamtheit als Missbrauch von Gestaltungmöglichkeiten nach § 42 AO zu beurteilen wären und es aufgrund dieser Begründung zu einer Klageabweisung käme.
Der von der Klägerin genannte wirtschaftliche Grund, die Stimmrechte auf den Hauptversammlungen der Aktiengesellschaften auszuüben, könnte dabei jedoch nicht maßgeblich sein. Wie oben dargelegt, schied die Ausübung aufgrund der Übertragung kurz vor oder am Hauptversammlungstermin aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen aus.
Die Prüfung der weiteren von der Klägerin genannten wirtschaftlichen Gründe, wie die Absicherung des Wertpapierdarlehens an die Bank KG als Darlehensnehmerin oder die Änderung der Struktur der liquiden Mittel, ist entbehrlich.
4. Verbleibt das wirtschaftliche Eigentum an den im Rahmen eines Wertpapierdarlehens als Wertausgleich hingegebenen Aktien aber bei der Bank KG als Sicherungsgeber, findet § 8b KStG 2002 n. F. bei der Klägerin als Sicherungsnehmer, die zugleich Darlehensgeber des Wertpapierdarlehens ist, bezogen auf die als Sicherheit übertragenen Anteile und die daraus resultierenden Einkünfte von vornherein insgesamt keine Anwendung. Für eine außerbilanzielle Korrektur ist somit kein Raum; Maßgröße für die Besteuerung der streitigen Papiere ist der Steuerbilanzgewinn (BFH-Urteil vom 18.08.2015 I R 88/13, BFH/NV 2016,341, Rn. 23).
Die Verneinung des wirtschaftlichen Eigentums der Klägerin an den Wertpapieren wirkt sich auch im Rahmen des § 20 EStG i. V. m. § 8 Abs. 1 KStG aus. Ebenso wie die Erträge aus den Aktien nicht als Betriebseinnahmen steuerlich zuzurechnen sind, können damit in Zusammenhang stehenden Aufwendungen nicht nach § 4 Abs. 4 EStG i. V. m. § 8 Abs. 1 KStG als Betriebsausgaben berücksichtigt werden. Dies gilt auf der Einnahmenseite für sämtliche Dividendenerträge, incl. der Ausschüttungen aus dem steuerlichen Einlagekonto nach § 27 KStG, sowie auf der Ausgabenseite für die Kompensationszahlungen an die Bank KG in Höhe der Bruttodividenden. Die Aufwendungen für das Girokonto Nr. W der Klägerin in Höhe von 315,65 € sind nach dem vorliegenden Abschluss für den 31.03.2007 – 30.06.2007 als Betriebsausgaben zu berücksichtigen. Sie weisen keinen eindeutigen Bezug zu den als Wertausgleich überlassenen Wertpapieren aus, sondern betreffen neben Sollzinsen allgemeine Kontoführungsgebühren für ein Girokonto.
Aufgrund der Nichtanwendung des § 8b KStG 2002 n. F. in seiner Gesamtheit ergeben sich folgende Änderungen des angegriffenen Körperschaftsteuerbescheids vom 05.08.2014:
Veränderung der KStB-Posten

Auswirkung auf das Einkommen

Änderungen Steuerbilanzgewinn:
Einnahmen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG i. V. m. § 8 Abs. 1 KStG
-5.979.100,08
Steuerfreie Einnahmen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG i. V. m. § 8 Abs. 1 KStG
-20.900,00
Kompensationszahlungen
6.000.000,08
0,00
0,00
Hinzurechnung der nichtabziehbaren Aufwendungen: sonstigen nichtabziehbaren Aufwendungen
-5.701.360,73
-5.701.360,73
Minderung der steuerfreien Einnahmen
-20.900,00
20.900,00
Minderung der inländischen Bezüge i. S. d. § 8b Abs. 1 KStG
-5.979.100,08
5.979.100,08
Minderung der nicht abziehbaren Ausgaben i. S. d. § 8b Abs. 5 KStG
-298.955,00
-298.955,00
Auswirkung auf die Summe der Einkünfte
-315,65
Festzusetzende Körperschaftsteuer 2007 laut Urteil:
Die während der mündlichen Verhandlung aufgeworfene Frage, inwieweit es bei dieser Auffassung zu Auswirkungen bei der Anrechnung von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag kommt, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Klageverfahrens. Die Klage richtet sich gegen die Höhe der festgesetzten Körperschaftsteuer. Die Anrechnung von Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag entsprechend der Steuerbescheinigung der Bank KG vom 25.01.2008 ist Teil des Erhebungsverfahrens.
5. Die Revision wird zur Fortbildung des Rechts gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO für den Fall einer Wertpapierübertragung als Wertausgleich im Rahmen eines Wertpapierdarlehensvertrags zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens sind der Klägerin aufzuerlegen, da sie nur zu einem geringen Teil von 79 € im Vergleich zum Klageantrag in Höhe von 1.425.340 € obsiegt hat (§ 136 Abs. 1 Satz 3 KStG).


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