Aktenzeichen 8 U 841/21
Verfahrensgang
vorgehend LG Koblenz, 29. April 2021, 3 O 145/20, Urteil
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 29.04.2021, Az. 3 O 145/20, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger ist Verbraucher und streitet mit der beklagten Bank um die Wirksamkeit eines von ihm erklärten Widerrufs seiner auf den Abschluss eines Kfz-Finanzierungsdarlehens gerichteten Willenserklärung.
Die Parteien schlossen zur Finanzierung eines privat genutzten Fahrzeugs … (Fahrgestellnummer …) am 08.11.2017 einen Vertrag über ein Darlehen mit einem Nettodarlehensbetrag von 22.550,72 € zu einem nominalen Festzins von p.a. 2,95 %. Die Beklagte zahlte das Darlehen gemäß den vertraglichen Konditionen an den Verkäufer des Pkws aus. Der Kaufpreis betrug 24.850,00 €. Der Kläger leistete eine Anzahlung in Höhe von 3.750,00 €. Wegen der Einzelheiten des Darlehensvertrages einschließlich der erteilten Widerrufsinformation wird auf die Anlage B1 zur erstinstanzlichen Klageerwiderung Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 14.10.2019 widerrief der Kläger seine auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung.
Am 10.11.2021 schloss der Kläger zur Finanzierung der Schlussrate und eines Beitrags zum KSB in Höhe von 520,27 € im Wege einer neuen Darlehensfinanzierung einen Darlehensvertrag (DV-Nr.: …7, Anlage BE 1) über einen Nettodarlehensbetrag von 10.500,50 € und einem für die gesamte Vertragslaufzeit von 48 Monaten festgeschriebenen Sollzinssatz 3,92 % p.a. ab. Die Rückzahlung sollte durch 48 monatlich zu erbringenden Raten in Höhe von 227,07 € sowie einer Schlussrate in Höhe von 500,00 € erfolgen. Als Sicherheit für die Ansprüche der Beklagten vereinbarten die Parteien erneut die Sicherheitsübereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs.
Der Kläger hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, er habe den Darlehensvertrag rechtzeitig widerrufen. Die erteilte Widerrufsinformation sei unzutreffend. Aufgrund der kaskadenartigen Verweisung habe die Beklagte falsch zum Beginn der Widerrufsfrist informiert. Auf die Gesetzlichkeitsfiktion könne sich die Beklagte nicht berufen. In dem Darlehensvertrag sei nicht vollständig über die Pflichtangaben belehrt worden.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt:
1. Es wird festgestellt, dass die Klagepartei aus dem mit der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrag vom 08.11.2017 über 24.499,75 € weder die Zahlung der Zinsen in Höhe von 2,95 % p.a. noch die Erbringung von Tilgungsleistungen aufgrund des Widerrufs seit dem 14.10.2019 schuldet.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 12.219,72 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.06.2020 zu zahlen nach Rückgabe und Rückübereignung des Kraftfahrzeugs der Marke … mit der Fahrgestellnummer ….
3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer … in Annahmeverzug befindet.
4. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 1.666,95 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.06.2020 freizustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat hilfsweise für den Fall, dass das Gericht von einem wirksamen Widerruf der Klagepartei ausgeht, beantragt,
1. festzustellen, dass der Kläger verpflichtet ist, der Beklagten Wertersatz für den Wertverlust des Fahrzeugs … mit der Fahrzeugidentifikationsnummer … zu leisten, der auf einen Umgang mit dem Fahrzeug zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise nicht notwendig war.
2. festzustellen, dass der Kläger verpflichtet ist, an die Beklagten den vereinbarten Sollzins in Höhe von 2,95 % p.a. für den Zeitraum zwischen Auszahlung des Darlehens und Rückgabe des Fahrzeugs … mit der Fahrzeugidentifikationsnummer … zu zahlen.
Der Kläger hat beantragt,
die Hilfswiderklage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Widerruf sei verfristet, da die Widerrufsinformation dem Muster entspreche und alle Pflichtangaben vollständig erteilt worden seien. Ein etwaiges Widerrufsrecht des Klägers sei verwirkt, dessen Ausübung sei jedenfalls rechtsmissbräuchlich.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass die erteilte Widerrufsinformation nicht zu beanstanden sei, da sie dem gesetzlichen Muster entspreche. Jedenfalls stelle sich das Berufen auf den fehlenden Musterschutz als rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB) dar. Die Widerrufsinformation über den Fristbeginn sei hinreichend klar und deutlich. Zudem habe die Beklagte alle Pflichtangaben ordnungsgemäß erteilt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen.
Dieses Urteil greift der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung an und beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgericht Koblenz vom 29.04.2021 – 3 O 145/20
1. Festzustellen, dass die Klagepartei aus dem mit der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrag vom 08.11.2017 über 24.499,75 € weder die Zahlung der Zinsen in Höhe von 2,95 % p.a. noch die Erbringung von Tilgungsleistungen aufgrund des Widerrufs seit dem 14.10.2019 schuldet.
2. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klagepartei 15.849,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz abzüglich 6.214,70 € Wertverlust seit Rechtshängigkeit zu zahlen, nach Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer ….
3. Festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer … in Annahmeverzug befindet.
4. Die Beklagte zu verurteilen, die Klagepartei von außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 1.666,95 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.
Der Kläger nimmt Bezug auf sein gesamtes erstinstanzliches Vorbringen und rügt unter anderem, die Beklagte könne sich wegen fehlender Musterkonformität der Widerrufsinformation nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion berufen. Darüber hinaus beanstandet er die aus seiner Sicht bestehende Unvollständigkeit bzw. Unrichtigkeit einzelner näher bezeichneter Pflichtangaben. Auf die Berufungsbegründung und seine weiteren Schriftsätze wird Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie tritt dem klägerischen Vorbringen unter Aufrechterhaltung ihres erstinstanzlichen Rechts- und Tatsachenstandpunkts entgegen und wiederholt hilfsweise für den Fall, dass das Oberlandesgericht von einer Wirksamkeit des Widerrufs ausgeht, ihren erstinstanzlichen Hilfsantrag, dessen Zurückweisung der Kläger beantragt. Auf die Berufungserwiderung der Beklagten und ihre weiteren Schriftsätze wird verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Der Antrag zu 1. auf Feststellung, dass der Kläger aus dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag aufgrund des Widerrufs weder die Zahlung der Zinsen noch die Erbringung von Tilgungsleistungen schuldet, ist unzulässig (siehe nachfolgend unter Ziffer 1.).
Die Ansprüche auf Rückzahlung der geleisteten Darlehensraten (abzüglich Nutzungsersatz) nebst Zinsen (Antrag zu 2.), auf Feststellung des Annahmeverzuges (Antrag zu 3.) und auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (Antrag zu 4.) sind unbegründet.
Zwar war der von dem Kläger am 14.10.2019 erklärte Widerruf des streitgegenständlichen, gemäß § 358 Abs. 3 BGB unter anderem mit einem Kaufvertrag über ein Kraftfahrzeug verbundenen Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrags wegen einer fehlerhaften Pflichtangabe zum Verzugszinssatz nicht verfristet (siehe nachfolgend unter Ziffer 2. (a)). Den klägerischen Ansprüchen aus dem Rückabwicklungsschuldverhältnis steht jedoch zum einen der von der Beklagten erhobene Einwand des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Klägers (siehe nachfolgend unter Ziffer 2. (b)) sowie ein Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten entgegen (siehe nachfolgend unter Ziffer 2. (c) ).
Gemäß Art. 229 §§ 32 Abs. 1, 38 Abs. 1, 40 Abs. 1 EGBGB finden die für die Entscheidung maßgeblichen Vorschriften von BGB und EGBGB in ihrer im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (November 2017) gültigen Fassung Anwendung. Die im Folgenden zitierten Vorschriften des BGB und des EGBGB beziehen sich jeweils auf Vorschriften in dieser Fassung, soweit nicht anders vermerkt.
1.
Der klägerische Antrag zu 1. auf Feststellung, dass der Kläger aus dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag aufgrund des Widerrufs weder die Zahlung der Zinsen noch die Erbringung von Tilgungsleistungen schuldet, ist bereits mangels Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO) unzulässig.
Zwar kann eine auf die Feststellung des Nichtbestehens vertraglicher Erfüllungsansprüche gerichtete Klage zulässig sein (BGH, Urteil 16.05.2017 – XI ZR 586/15 -, juris Rn. 10 ff.). Voraussetzung ist jedoch, dass sich die beklagte Bank solcher Ansprüche berühmt (BGH, Urteil vom 19.02.2019 – XI ZR 225/17 -, beck-online Rn. 9 ff.; OLG Stuttgart, Urteil vom 24.05.2022 – 6 U 176/21 -, beck-online Rn. 31). Dies ist hier aber nicht der Fall. Denn das streitgegenständliche Darlehen vom 08.11.2017 ist unstreitig inzwischen vollständig zurückgezahlt und die Beklagte behauptet nicht mehr, ihr stünden aus diesem Darlehensvertrag noch vertragliche Erfüllungsansprüche zu. Damit ist das erforderliche Feststellungsinteresse in dem für die Beurteilung der Zulässigkeit der Klage maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung nicht mehr gegeben, weil sich die Beklagte keiner Ansprüche mehr aus diesem Darlehensvertrag berühmt.
2.
Die weiteren Klageanträge sind unbegründet.
(a)
Zwar stand dem Kläger zum Zeitpunkt des Widerrufs am 14.10.2019 noch ein Widerrufsrecht gemäß §§ 495 Abs. 1, 492 Abs. 2, 355 BGB zu, weil der Darlehensvertrag nicht sämtliche nach Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB erforderlichen Pflichtangaben enthielt und deshalb die Widerrufsfrist nicht angelaufen ist.
Es kann offenbleiben, ob die Widerrufsinformation ordnungsgemäß erteilt wurde, ob sich die Beklagte auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB berufen kann und ob die sonstigen, vom Kläger beanstandeten Pflichtangaben (Vertragskündigung, Auszahlungsbedingungen, Art des Darlehens, Ratenfälligkeit, Auszahlungsbedingungen u.a., Vorfälligkeitsentschädigung, außergerichtliches Beschwerdeverfahren) ordnungsgemäß erteilt wurden.
Denn die Beklagte hat ‒ was der Kläger mit Schriftsatz vom 04.02.2022 (Bl. 215 f. eAkte OLG) gerügt hat ‒ jedenfalls ihre aus § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB resultierende Verpflichtung, über den Verzugszinssatz und die Art und Weise seiner etwaigen Anpassung zu unterrichten, nicht ordnungsgemäß erfüllt. Dies hat gemäß § 356b Abs. 2 Satz 1, 3 BGB zur Folge, dass die Frist für den Widerruf nicht begonnen hat.
Der streitgegenständliche Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag fällt in den Geltungsbereich der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.04.2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (; im Folgenden: Verbraucherkreditrichtlinie; ABl. 2008, L 133, S. 66, berichtigt in ABl. 2009, L 207, S. 14, ABl. 2010, L 199, S. 40 und ABl. 2011, L 234, S. 46). Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 09.09.2021 (C-33/20, C-155/20 und C-187/20, WM 2021, 1986 Rn. 81 ff. ‒ Volkswagen Bank) entschieden, dass Art. 10 Abs. 2 Buchst. l der Verbraucherkreditrichtlinie dahin auszulegen ist, dass in dem Kreditvertrag der zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Vertrags geltende Satz der Verzugszinsen in Form eines konkreten Prozentsatzes anzugeben ist.
Auf der Grundlage dieses Urteils des Europäischen Gerichtshofs hat der Bundesgerichtshof seine bisherige Rechtsprechung, wonach die Information über den Verzugszinssatz nach Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB nicht die Angabe des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden konkreten Prozentsatzes fordert (vgl. BGH, Urteil vom 05.11.2019 – XI ZR 650/18 -, BGHZ 224, 1 Rn. 52 m.w.N.), für Allgemein-Verbraucherdarlehensverträge im Geltungsbereich der Verbraucherkreditrichtlinie ausdrücklich aufgegeben (BGH, Urteile vom 24.05.2022 – XI ZR 166/21 -, beck-online Rn. 10; vom 12.04.2022 – XI ZR 179/21 -, beck-online Rn. 12).
Der erkennende Senat schließt sich der vorgenannten Rechtsprechung an, dass bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 und § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB die bloße Wiedergabe der abstrakten gesetzlichen Regelung den Anforderungen nicht genügt, sondern der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltende konkrete Prozentsatz anzugeben ist (ebenso: OLG Stuttgart, Urteil vom 24.05.2022 – 6 U 176/21 – beck-online Rn. 20 m.w.N.; OLG Brandenburg, Urteil vom 04.05.2022 – 4 U 65/21 -, beck-online Rn. 24 ff.; OLG Celle, Teilanerkenntnis- und Schlussurteil vom 25.03.2022 – 3 U 130/21- beck-online Rn. 29 ff.).
Mit ihrem Hinweis in Ziffer 5. der Darlehensbedingungen („Der gesetzliche Verzugszinssatz – als Mindestschaden – beträgt 5 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz pro Jahr. Der Basiszinssatz wird von der Deutschen Bundesbank ermittelt und jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres festgesetzt.“) hat die Beklagte den Verzugszinssatz im Vertrag lediglich abstrakt als variablen Zinssatz beschrieben, ohne den im Zeitpunkt des Vertragsschlusses konkret geltenden Verzugszins als bezifferten Prozentsatz anzugeben. Sie hat damit ihre Verpflichtung, über den Verzugszinssatz zu unterrichten, nicht ordnungsgemäß im Sinne der richtlinienkonformen Auslegung des § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB erfüllt. Rechtsfolge der fehlerhaften Pflichtangaben ist, dass die Widerrufsfrist gem. § 356b Abs. 2 BGB vorliegend nicht zu laufen begonnen hat (BGH, Urteil vom 12.04.2022 – XI ZR 179/21 – beck-online Rn. 10) und damit der Kläger im Jahre 2019 den Darlehensvertrag noch widerrufen konnte.
(b)
Der Kläger ist aber wegen seines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens, in dem ein Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) liegt, daran gehindert, seine aus dem Widerruf resultierenden Ansprüche geltend zu machen.
(aa)
Nach Auffassung des erkennenden Senats kann die Frage des Verstoßes gegen Treu und Glauben, die im Falle ihrer Bejahung zur endgültigen Abweisung der Klage führt, nicht offen bleiben mit der Begründung, dass die Klage wegen des Leistungsverweigerungsrechts der Beklagten (vgl. dazu sogleich unter Ziffer 3.) jedenfalls derzeit unbegründet ist (so aber: OLG Stuttgart, Urteil vom 24.05.2022 – 6 U 176/21 – beck-online Rn. 21; OLG Brandenburg, Urteil vom 04.05.2022 – 4 U 65/21 -, beck-online Rn. 33). Will die Beklagte − wie hier − die endgültige Abweisung der Klage erreichen, ist sie beschwert, wenn die Klage im Hinblick auf ihr Leistungsverweigerungsrecht nur als derzeit unbegründet abgewiesen wird (BGH, Urteile vom 07.09.2017 – III ZR 618/16 -, beck-online Rn. 23 m.w.N.; vom 04.05.2000 – VII ZR 53/99 -, NJW 2000, 2988, 2989 m.w.N.). Folglich setzt eine in Betracht kommende Klageabweisung als „derzeit unbegründet“ voraus, dass die Klage nicht an einem anderen Tatbestandsmerkmal scheitert, weshalb alle Feststellungen zur endgültigen Klageabweisung vorrangig zu treffen sind. Diese Prüfungsfolge entspricht zugleich den klaren Vorgaben des Bundesgerichtshofs (vgl. etwa Urteil vom 15.06.2021 – XI ZR 376/20 -, dort Rn. 22: „Das Berufungsgericht wird sich zunächst mit dem Rechtsmissbrauchseinwand der Beklagten zu befassen haben (…). Sofern das Berufungsgericht den Widerruf des Darlehensvertrags durch den Kläger für wirksam erachtet, wird es zu bedenken haben, dass der mit dem Antrag zu 1 verfolgte Zahlungsanspruch wegen der Vorleistungspflicht des Klägers (§ 358 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB) derzeit unbegründet ist.“).
(bb)
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sieht die Verbraucherkreditrichtlinie keine zeitliche Beschränkung der Ausübung des Widerrufsrechts durch den Verbraucher für den Fall vor, dass ihm diese Informationen nicht erteilt wurden, so dass eine solche Beschränkung auch nicht in einem Mitgliedstaat durch die nationalen Rechtsvorschriften auferlegt werden dürfen (EuGH, Urteil vom 09.09.2021, a.a.O., Rn. 117). Es ist dem Darlehensgeber daher verwehrt, sich gegenüber der Ausübung des Widerrufsrechts gemäß Art. 14 der Verbraucherkreditrichtlinie durch den Verbraucher auf den Einwand der Verwirkung oder des Rechtsmissbrauchs zu berufen, wenn eine der in Art. 10 Abs. 2 dieser Richtlinie vorgesehenen zwingenden Angaben weder im Darlehensvertrag enthalten noch nachträglich ordnungsgemäß mitgeteilt worden ist, unabhängig davon, ob der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht Kenntnis hatte, ohne dass er diese Unkenntnis zu vertreten hat (EuGH a.a.O. Tenor zu 6. und zu 7. und Rn. 113 ff., 119 ff.).
Allerdings hat der Bundesgerichtshof durch Aussetzungs- und Vorlagebeschluss vom 31.01.2022 (- XI ZR 113/21, XI ZR 144/21, XI ZR 196/21, XI ZR 215/21, XI ZR 228/21, XI ZR 279/21, XI ZR 304/21, beck-online) dem Europäischen Gerichtshof erneut die Frage vorgelegt, ob Art. 14 Abs. 1 der Verbraucherkreditrichtlinie dahin auszulegen ist, dass es den nationalen Gerichten nicht verwehrt ist, im Einzelfall bei Vorliegen besonderer, über den bloßen Zeitablauf hinausgehender Umstände die Berufung des Darlehensnehmers auf sein wirksam ausgeübtes Widerrufsrecht als missbräuchlich oder betrügerisch zu bewerten mit der Folge, dass ihm die vorteilhaften Rechtsfolgen des Widerrufs versagt werden können. Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt, dass aus seiner Sicht unter diesen Umständen angenommen werden kann, der Darlehensnehmer berufe sich nicht auf sein Widerrufsrecht, um die Ziele der Richtlinie zu verwirklichen, sondern um in den Genuss eines im Unionsrecht vorgesehenen Vorteils zu gelangen, obwohl die entsprechenden Voraussetzungen lediglich formal erfüllt sind, während die Gesamtumstände, insbesondere unter Berücksichtigung des Verhaltens des Darlehensnehmers nach erfolgtem Widerruf, die Annahme sowohl des objektiven als auch des subjektiven Tatbestands missbräuchlicher Rechtsausübung erlauben. Denn sie stehen weder in Zusammenhang mit der Auswahl des den Bedürfnissen des Darlehensnehmers am ehesten entsprechenden Vertrags noch sonst mit einem Informationsdefizit. Auch das Gebot der praktischen Wirksamkeit des Widerrufsrechts aus Art. 14 der Verbraucherkreditrichtlinie steht der Annahme des Rechtsmissbrauchs aus Sicht des Bundesgerichtshofs nicht entgegen. Der Zweck, dem Darlehensnehmer zu ermöglichen, vom Vertrag zurücktreten zu können, weil sich dieser als nicht seinen Bedürfnissen entsprechend erwiesen hat, kommt vorliegend nicht zum Tragen und kann nicht beeinträchtigt werden. Ebenso wenig kann der Zweck verfehlt werden sicherzustellen, dass der Darlehensnehmer alle Informationen erhält, die erforderlich sind, um den Umfang seiner vertraglichen Verpflichtung zu beurteilen. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs darf die Intention der Richtlinie, den Darlehensgeber, der die dort vorgesehenen Informationen nicht erteilt hat, zu bestrafen, nicht durchgreifen. Soweit nämlich der Darlehensgeber von einer solchen Pflichtverletzung abgeschreckt werden soll, wird dies hinreichend dadurch gewährleistet, dass die Widerrufsfrist gemäß Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b der Verbraucherkreditrichtlinie im Falle fehlender oder fehlerhafter Pflichtangaben im Sinne von Art. 10 der Verbraucherkreditrichtlinie nicht anläuft, so dass das Widerrufsrecht zwar weiterhin wirksam ausgeübt werden kann, dem Verbraucher aber die hieran knüpfenden vorteilhaften Rechtsfolgen versagt werden können. Im Falle eines Pflichtverstoßes hat der Gewerbetreibende mit einem wirksamen Verbraucherwiderruf auch nach Ablauf der Widerrufsfrist zu rechnen. Da die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Widerrufsrechts nur ausnahmsweise in Betracht kommt, wird der Darlehensgeber im Regelfall einen hierauf gestützten Einwand nicht mit Erfolg erheben können. Die regelhafte Folge einer Pflichtverletzung liegt vielmehr in der Rückabwicklung der Vertragsbeziehung, und zwar auch dann, wenn seit dem Vertragsschluss erhebliche Zeit verstrichen ist. Die Annahme des Rechtsmissbrauchs dürfte unter diesen Umständen nicht hinter den unionsrechtlichen Anforderungen zurückbleiben.
Der erkennende Senat teilt diese Erwägungen des Bundesgerichtshofs, die eine differenzierende Beurteilung anstrebt in Fällen, in denen sich der Verbraucher nach Abschluss des Vertrages treuwidrig gegenüber seinem Vertragspartner verhalten hat. Denn mit seiner Entscheidung vom 09.09.2021 (a.a.O.) hat der Europäische Gerichtshof zwar klargestellt, dass der Einwand der Verwirkung oder des Rechtsmissbrauchs im Rahmen der Erteilung der Pflichtangaben, d.h. bei Abschluss des Vertrages, unzulässig ist. In den von dem Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 31.01.2022 (a.a.O.) vorgelegten Fällen geht es jedoch stets um ein konkretes „Nachtatverhalten“ des Darlehensnehmers, das in keinem inneren Zusammenhang steht mit der nicht ordnungsgemäßen Erteilung der Pflichtangaben bei Vertragsschluss. Wenn ein solches Verhalten nach (an sich zulässigem) Widerruf im konkreten Einzelfall so diametral in Widerspruch zu dem aus dem Widerruf entstandenen Rückabwicklungsschuldverhältnis steht, sollte es in rechtlicher Hinsicht nicht von vornherein unbeachtlich bleiben dürfen. Nach Auffassung des erkennenden Senats gebieten weder der sich aus Art. 14 Abs. 1 lit. b) Verbraucherkreditrichtlinie ergebende Schutz des Verbrauchers noch die Sanktionierung des Darlehensgebers wegen fehlerhafter Pflichtangaben bei Vertragsschluss, dass der Einwand des (späteren) treuwidrigen Verhaltens grundsätzlich ausnahmslos ausgeschlossen ist, was zur Folge hätte, dass dem Darlehensnehmer im Verlaufe und nach Ende des Vertrages jegliches missbräuchliches oder betrügerisches Verhalten gestattet wäre. Denn Gerichte sollen nicht nur richtig, sondern auch gerecht entscheiden. Die Anwendung der Gebote von Treu und Glauben ist stets Ausdruck des Strebens, auch im Einzelfall ein angemessenes und gerechtes Ergebnis zu erreichen. Bei genereller Unanwendbarkeit des Gebots von Treu und Glauben und einem starren Festhalten am Buchstaben der Richtlinie droht dagegen die Gerechtigkeit auf der Strecke zu bleiben (summum ius, summa iniuria; Pfeiffer, Missbrauchseinwand im europäischen Verbraucherkreditrecht, LMK 2022, 803748, beck-online).
Aus diesen Gründen ist der erkennende Senat der Ansicht, dass ‒ auch unter Berücksichtigung des Urteils des EuGH vom 09.09.2021 (a.a.O.) ‒ die Berufung auf einen an sich zulässigen Widerruf in Widerspruch zu § 242 BGB stehen kann, wenn im Einzelfall und ausnahmsweise ein besonders gewichtiger objektiver und subjektiver Missbrauch auf Seiten des Darlehensnehmers während oder nach Endes des Darlehensvertrages vorliegt. Das in § 242 BGB verankerte Prinzip von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten immanente Inhaltsbegrenzung. Welche Anforderungen sich daraus im Einzelfall ergeben, ob insbesondere die Berufung auf eine Rechtsposition rechtsmissbräuchlich erscheint, kann regelmäßig nur mit Hilfe einer umfassenden Bewertung der gesamten Fallumstände entschieden werden, wobei die Interessen aller an einem bestimmten Rechtsverhältnis Beteiligten zu berücksichtigen sind (BGH, Urteil vom 12.07.2016 – XI ZR 564/15 -, juris Rn. 43). Eine Rechtsausübung kann unzulässig sein, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig erscheinen (BGH, Urteil vom 12.07.2016 – IX ZR 501/15 -, juris Rn. 20), insbesondere auch dann, wenn diese Umstände erst nach Erklärung des Widerrufs eingetreten sind (BGH, Urteil vom 07.11.2017 – XI ZR 369/16 -, juris Rn. 17).
Nach seinem Widerruf am 14.10.2019 hat der Kläger am 10.11.2021 zur Finanzierung der Schlussrate des streitgegenständlichen Darlehensvertrages im Wege einer neuen Darlehensfinanzierung einen Darlehensvertrag (DV-Nr.: …7, Anlage BE 1) über einen Nettodarlehensbetrag von 10.500,50 € und einem für die gesamte Vertragslaufzeit von 48 Monaten festgeschriebenen Sollzinssatz 3,92 % p.a. geschlossen. Als Sicherheit für die Ansprüche der Beklagten haben die Parteien erneut die Sicherheitsübereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs vereinbart.
Der Kläger hat sich durch den Abschluss der Anschlussfinanzierung nach Widerruf in einen unauflösbaren Selbstwiderspruch (venire contra factum proprium) begeben: Einerseits hat er im Jahre 2019 den Widerruf des streitgegenständlichen Darlehensvertrages erklärt und andererseits im Jahre 2021 diesen Vertrag bestätigt, indem er eine Anschlussfinanzierung abgeschlossen hat. Ein Vertragspartner, der nicht mehr an einem Vertrag festhalten will, bestätigt diesen aber nicht später durch eine Anschlussfinanzierung. Zudem hat der Kläger der Beklagten im Rahmen der Anschlussfinanzierung ein Sicherungsmittel (Sicherungsübereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs) angeboten, das ihm bei Annahme eines wirksamen Widerrufs nicht zustehen würde, da mit dem Widerruf die Verpflichtung des Klägers zur Rückübertragung des Eigentums an dem Fahrzeug an die Beklagte einhergeht. Damit hätte er das streitgegenständliche Fahrzeug, das bei Annahme eines infolge des Widerrufs entstandenen Rückabwicklungsverhältnisses an die Beklagte zu übergeben gewesen wäre, dieser nicht als Sicherheit für die Ansprüche aus dem Vertrag vom 10.11.2021 anbieten können. Die Interessen der Beklagten sind auch als vorrangig schutzwürdig anzusehen, weil sie dem Kläger deutlich zu erkennen gegeben hat, dass sie den von ihm erklärten Widerruf nicht akzeptieren werde und der Kläger sie dennoch um die Einräumung eines weiteren Kapitalnutzungsrechts ersucht hat, welches sie ihm antragsgemäß gewährt hat. Im Hinblick auf dieses widersprüchliche Verhalten des Klägers, das die Interessen der Beklagten erheblich beeinträchtigt, erachtet der Senat die Berufung des Klägers auf den Widerruf im vorliegenden Einzelfall als treuwidrig (ebenso: Oberlandesgericht Braunschweig, Hinweisbeschluss vom 28.06.2021 – 11 U 284/20 -, Anlage BE2 zum Schriftsatz der Beklagten vom 13.05.2022, dort Seite 9; OLG Brandenburg, Urteil vom 28.04.2021 – 4 U 171/20 -, beck-online Rn. 31 ff.).
Im Rahmen der gebotenen umfassenden Bewertung der gesamten Fallumstände unter Einbeziehung der Interessen aller an einem bestimmten Rechtsverhältnis Beteiligten hat der Senat mitberücksichtigt, dass der Kläger seine Pflicht zur Leistung von Wertersatz dem Grunde nach ausdrücklich anerkannt und den Wertersatzanspruch der Beklagten von seinen eigenen Ansprüchen in Abzug gebracht hat. Damit hat er zwar deutlich gemacht, dass er gewillt ist, die Beklagte für die weitere Nutzung zu kompensieren, auch wenn die Höhe der Kompensation im Einzelnen streitig ist. Doch ausschlaggebend im Rahmen der Gesamtbetrachtung ist das widersprüchliche Verhalten des Klägers, der durch den Abschluss der Anschlussfinanzierung der Beklagten nach dem Widerruf klar signalisiert hat, dass er in der Sache an dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag festhalten möchte, und ‒ wie bereits dargelegt ‒ ein Sicherungsmittel angeboten hat, das ihm bei Annahme eines wirksamen Widerrufs nicht zur Verfügung gestanden hätte.
(c)
Unabhängig von den unter Ziffer 2. erörterten Fragen (grundsätzliche Anwendbarkeit des § 242 BGB in den Fällen des Widerrufs von Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen im Geltungsbereich der Verbraucherkreditrichtlinie; konkrete Einordnung des klägerischen Verhaltens im Einzelfall als rechtsmissbräuchlich) ist der vom Kläger mit der Berufung verfolgte Zahlungsanspruch aus § 358 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB auf Rückgewähr der von ihm an die Beklagte geleisteten Zins- und Tilgungszahlungen (jedenfalls) derzeit unbegründet.
Insoweit steht der Beklagten – was sie mit Schriftsatz vom 12.05.2022 (Bl. 239 eAkte OLG) geltend gemacht hat – nach § 358 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB gegenüber dem vorleistungspflichtigen Kläger ein Leistungsverweigerungsrecht zu, bis sie das finanzierte Fahrzeug zurückerhalten hat oder der Kläger den Nachweis erbracht hat, dass er das Fahrzeug abgesandt hat (BGH, Urteile vom 24.05.2022 – XI ZR 166/21 -, juris Rn. 12; vom 12.04.2022 – XI ZR 179/21 -, juris Rn. 14; vom 25.01.2022 – XI ZR 559/20 -, juris Rn. 15 f.; vom 26.10.2021 – XI ZR 608/20 -, juris Rn. 14 f.; vom 15.06.2021 – XI ZR 365/20 -, juris Rn. 21; vom 30.03.2021 – XI ZR 193/20 -, juris Rn. 16; vom 10.11.2020 – XI ZR 426/19 -, juris Rn. 21; vom 27.10.2020 – XI ZR 498/19 -, juris Rn. 23). Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Beklagte angeboten hätte, das Fahrzeug beim Kläger abzuholen (§ 357 Abs. 4 Satz 2 BGB). Die Vorleistungspflicht des Darlehensnehmers hat auch Bestand, auch wenn die Darlehensgeberin den Widerruf zurückgewiesen hat und den Rückgewähranspruch des Klägers bereits dem Grunde nach in Abrede stellt (BGH, Urteil vom 12.04.2022 – XI ZR 179/21 -, juris Rn. 14). Das Leistungsverweigerungsrecht nach § 358 Abs. 4 S. 1 i.V.m. § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB steht der Beklagten auch in Bezug auf die von dem Kläger nach der Widerrufserklärung auf das Darlehen erfolgten Zahlungen zu (BGH, Urteile vom 12.04.2022 – XI ZR 179/21 -, beck-online Rn. 14; vom 25.01.2022 – XI ZR 559/20 -, juris Rn. 17).
Insoweit verhilft es dem Kläger nicht zum Erfolg, dass er Zahlung „nach“ Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs begehrt. Dies setzt in entsprechender Anwendung des § 322 Abs. 2 BGB voraus, dass die Beklagte mit der Entgegennahme des Fahrzeugs im Verzug der Annahme ist. Die gesetzlichen Voraussetzungen des Annahmeverzugs liegen aber hier nicht vor:
Der Kläger hat das Fahrzeug der Beklagten nicht im Sinne des § 294 BGB tatsächlich angeboten. Die Leistung muss dem Gläubiger zur richtigen Leistungszeit und am richtigen Leistungsort dergestalt angeboten werden, dass dieser nur noch zuzugreifen braucht (Grüneberg/Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 294 Rn. 2 f.). Die bloße Leistungsbereitschaft ist nicht ausreichend.
Soweit unter den Voraussetzungen des § 295 BGB ein wörtliches Angebot genügen kann, liegen dessen Tatbestandsvoraussetzungen hier nicht vor. Insbesondere fehlt es an einer bestimmten und eindeutigen Erklärung der Beklagten, dass sie die Leistung nicht annehmen werde (Grüneberg/Grüneberg a.a.O. § 295 Rn. 4). Allein darin, dass die Beklagte vorgerichtlich und im Rechtsstreit das Vorliegen der materiell-rechtlichen Voraussetzungen eines wirksamen Widerrufs bestritten hat, liegt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht die Erklärung, dass sie die Leistung nicht annehmen werde (BGH, Urteil vom 01.06.2021 – XI ZR 149/20 -, juris Rn. 17). Die Beklagte hat vielmehr vorgetragen, sie habe sich darauf eingerichtet, Fahrzeuge im Rahmen der Rückabwicklung von widerrufenen Fahrzeugfinanzierungen an ihrem Sitz in Braunschweig entgegenzunehmen. Es war auch keine Mitwirkungshandlung der Beklagten erforderlich, insbesondere keine Benennung eines Herausgabeorts oder eines -zeitpunkts. Gemäß § 357 Abs. 4 Satz 1 BGB stellt die Herausgabe des Fahrzeugs eine Bring- oder Schickschuld dar (BGH, Urteil vom 27.10.2020 – XI ZR 498/19 -, juris). Leistungsort ist somit der Sitz der Beklagten, deren Anschrift im Darlehensvertrag und in der Widerrufsinformation genannt wird.
(d)
Die Ansprüche auf Zinsen, Feststellung des Annahmeverzuges und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten kann der Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt beanspruchen. Die Beklagte befand sich zum Zeitpunkt der Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers mit der Erfüllung ihrer aus dem Widerruf folgenden Zahlungspflichten nicht gemäß § 286 BGB in Verzug, weil der Kläger die Rückgabe des Fahrzeugs zuvor nicht – wie vorstehend ausgeführt – in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten hat.
Die Hilfswiderklage der Beklagten steht nicht zur Entscheidung an, da die vorgegebene Bedingung („für den Fall, dass das Gericht von einem wirksamen Widerruf der Klagepartei ausgeht“) nicht eingetreten ist.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
4.
Die Revision wird unbeschränkt zugelassen (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO) im Hinblick auf die offenen europarechtlichen Fragen zu der Auslegung der Verbraucherkreditrichtlinie in Bezug auf rechtsmissbräuchliches Verhalten (BGH, Aussetzungs- und Vorlagebeschluss vom 31.01.2022 – XI ZR 113/21, XI ZR 144/21, XI ZR 196/21, XI ZR 215/21, XI ZR 228/21, XI ZR 279/21, XI ZR 304/21, beck-online; Vorabentscheidungsersuchen des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 13.10.2021, Rechtssache C-630/21 ‒ Mercedes-Benz Bank AG; Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Ravensburg vom 12.04.2021, Rechtssache C-232/21 ‒ Volkswagen Bank GmbH, Audi Bank; Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Ravensburg vom 22.01.2021, Rechtssache C-38/21 ‒ BMW Bank GmbH).
Zwar wäre die Berufung ‒ jedenfalls soweit es die Zahlungsanträge betrifft ‒ unabhängig von den Ausführungen zum Rechtsmissbrauch jedenfalls auch unbegründet, weil die Klage wegen des Leistungsverweigerungsrechts der Beklagten derzeit unbegründet ist. Allerdings würde das Rechtsmittel bei einer Verneinung des Rechtsmissbrauchs mit der Maßgabe, dass die Klage derzeit unbegründet ist, zurückgewiesen werden, was für den Kläger einen erheblichen Unterschied hinsichtlich des Umfangs der Rechtskraft und der materiell-rechtlichen Entscheidungsweite bedeutet.
5.
Die Voraussetzung einer Vorlage an den EuGH nach Art. 267 2, 3 AEUV sieht der Senat nicht als gegeben an.
Eine Vorlage an den EuGH im Hinblick auf die offenen europarechtlichen Fragen zu der Auslegung der Verbraucherkreditrichtlinie in Bezug auf rechtsmissbräuchliches Verhalten ist nicht geboten. Zum einen kann die Entscheidung des Senats aufgrund der Zulassung der Revision noch mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden, so dass keine Vorlagepflicht besteht. Zum anderen ‒ wie bereits unter Ziffer 4. ausgeführt ‒ wäre die Berufung vorliegend unabhängig von den Ausführungen zum Rechtsmissbrauch wegen des Leistungsverweigerungsrechts der Beklagten unbegründet, so dass die Entscheidung nicht von der Beantwortung der Rechtsfrage abhängt.
Es besteht auch keine Veranlassung, im Hinblick auf die bereits in der Rechtssache des EuGH C-232/21 (dort Ziffer 5.) vorliegende Frage der Vereinbarkeit der Vorleistungspflicht mit Art. 14 Abs. 1 der Verbraucherkreditrichtlinie das Verfahren auszusetzen oder die Sache selbst dem EuGH vorzulegen. Die Rechtsfragen zur Vorleistungspflicht des Käufers und Darlehensnehmers und eine diesbezügliche Vorlagepflicht hat der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 26.10.2021 – XI ZR 608/20 -, beck-online Rn. 19 f.) erschöpfend beantwortet. Sie ergeben sich aus dem nationalen Recht, dessen Auslegung nach dem Wortlaut der einschlägigen Vorschriften, der Gesetzgebungsgeschichte und der Systematik der aufeinander bezogenen Normen eindeutig ist (BGH, Urteile vom 24.05.2022 – XI ZR 237/21 -, beck-online Rn. 14; vom 26.10.2021 – XI ZR 608/20 -, beck-online Rn. 19 ff.; vom 27.10.2020 – XI ZR 498/19 – beck-online Rn. 22 ff., 29 ff.).
Die Vorleistungspflicht des Käufers und Darlehensnehmers verletzt auch nicht den Effektivitätsgrundsatz, der gebietet, innerstaatlich die Verfahrensmodalitäten für Klagen, die den Schutz der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, so zu regeln, dass die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden darf (vgl. EuGH, Urteil vom 22.04.2021 – C-485/19 -, beck-online Rn. 53 f.). Die − in Umsetzung des Art. 13 Abs. 3 der RL 2011/83/EU eingeführte − Vorleistungspflicht des § 358 Abs. 4 i.V.m. § 357 Abs. 4 BGB genügt den Anforderungen des Effektivitätsgrundsatzes. Insbesondere führt die Vorleistungspflicht nicht dazu, dass der Bank einen Vorteil dadurch gewährt wird, dass der Verbraucher „die Ware zurückzuerstatten hat in Unkenntnis darüber, ob der Widerruf auch tatsächlich wirksam vorgenommen wurde“. Denn der Verbraucher hat − bis zur endgültigen Ablösung des Darlehens − nicht nur die Möglichkeit, durch Erhebung der negativen Feststellungsklage mit Rechtskraft feststellen zu lassen, dass er infolge seines Widerrufs nicht mehr zur Zahlung von vertraglichen Zins- und Tilgungsleistungen verpflichtet ist. Seine auf Rückzahlung des Geleisteten gerichtete Zahlungsklage wird, kommt der Verbraucher nicht seiner Vorleistungspflicht nach, nicht endgültig, sondern lediglich als „derzeit unbegründet“ abgewiesen, und selbst dieser Einschränkung kann der Verbraucher dadurch begegnen, dass er die Bank (wirksam) in Annahmeverzug setzt.
6.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG auf bis zu 13.000,00 € (Feststellungsantrag zu 1. und Zahlungsantrag zu 2.) angesetzt.
Dem Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs (Antrag zu 3.) kommt neben einem auf eine Zug-um-Zug-Verurteilung gerichteten Zahlungsantrag (BGH, Beschluss vom 09.05.2017 – XI ZR 484/15 -, beck-online Rn. 4 m.w.N.) und damit erst recht im vorliegenden Fall des Antrags auf Zahlung „nach“ Herausgabe des Fahrzeugs keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zu.
Die geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten (Antrag zu 4.) wirken sich als Nebenforderung nach § 43 Abs. 1 GKG wertmäßig nicht aus (BGH a.a.O. Rn. 5).
Die nicht zur Entscheidung angefallene Hilfswiderklage bleibt bei der Wertbemessung außer Ansatz (§ 45 Abs. 1 Satz 2 GKG).