Bankrecht

Formelle und materielle Anforderungen an die Rücktrittsbelehrung nach VVG aF

Aktenzeichen  1 U 48/16

Datum:
17.11.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 134730
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 147 Abs. 2, § 150 Abs. 1, Abs. 2, § 346 Abs. 1
VVG § 5a, § 8 Abs. 4, Abs. 5 S. 1, S. 3

 

Leitsatz

1. Eine Belehrung über das Rücktrittsrecht nach § 8 VVG aF ist ausreichend drucktechnisch hervorgehoben, wenn sie unmittelbar über der Unterschriftsleiste vom übrigen Fließtext abgehoben, farblich blau unterlegt und mit einer in Fettdruck und vergrößerter Schriftform gehaltenen Überschrift versehen ist, selbst wenn auch andere wichtige Informationen in ähnlicher Weise hervorgegeben werden.  (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Inhaltlich genügt die Rücktrittsbelehrung den Anforderungen, wenn sie den Gesetzestext wiedergibt (ebenso OLG München BeckRS 2014, 20160 Rn. 42). Es bedarf keiner ergänzenden Erläuterung des Rechtsbegriffs des Vertragsabschlusses und keines Hinweises auf ein Schriftformerfordernis (ebenso OLG Hamm BeckRS 2016, 1454). (Rn. 30 – 33) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

22 O 539/15 2016-03-04 Endurteil LGSCHWEINFURT LG Schweinfurt

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das am 04.03.2016 verkündete Urteil des Landgerichts Schweinfurt (Az.: 22 O 539/15) wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; das in Ziffer 1. bezeichnete Urteil des Landgerichts Schweinfurt ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

II.
Die Berufung hat keinen Erfolg. Der mit der Klage geltend gemachte Anspruch besteht bereits dem Grunde nach nicht.
1. Der Kläger kann seinen Anspruch auf Prämienrückzahlung nicht auf § 812 Abs. 1 S. 1 BGB stützen. Der mit Schreiben vom 25.09.2013 erklärte Widerspruch hatte nicht zur Folge, dass der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustandegekommen ist und deshalb kein Rechtsgrund für die Prämienzahlung schaffen konnte. Dem Kläger stand vorliegend kein Widerspruchsrecht zu. Ein solches hätte sich nur aus § 5 a VVG im Geltungsraum vom 29.07.1994 bis 31.12.2007 ergeben können. Die vorgenannte Bestimmung regelte den Vertragsschluss nach dem sog. Policenmodell. Sie betraf daher nur Fälle, in denen der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen zunächst nicht übergeben und eine den Anforderungen des § 10 a VAG a.F. genügende Verbraucherinformation unterlassen hatte. Vorliegend ist jedoch zwischen den Parteien unstreitig, dass dem Kläger die des § 10 AVAG a.F. genügenden Verbraucherinformationen bereits bei Antragstellung ausgehändigt worden waren. Es lag somit ein Vertragsschluss nach dem sog. Antragsmodell vor. Somit stand dem Kläger statt eines Widerspruchsrecht ein Rücktrittsrecht gemäß § 8 Abs. 6 i.V.m. 5 VVG im Geltungsraum vom 29.07.1994 bis 07.12.2004 (im Folgenden: VVG a.F.) und damit eine Rückabwicklung nach den §§ 346 ff. BGB offen (vgl. BGH, Urteil vom 17.12.2014 – IV ZR 260/11 – NJW 2015, 1023).
2. Ein Anspruch des Klägers auf Rückzahlung der Prämien und Herausgabe der gezogenen Nutzung folgt auch nicht aus § 346 Abs. 1 BGB.
a) Steht dem Versicherungsnehmer – wie hier – ein Widerspruchsrecht nach § 5 a VVG a.F. nicht zu, ist er nach § 8 Abs. 5 S. 1 VVG a.F. berechtigt, innerhalb einer Frist von 14 Tagen nach Abschluss des Vertrags vom Vertrag zurückzutreten.
Der Kläger hat im Schreiben vom 25.09.2013 (Anl. K 5) sowohl den Widerspruch als auch den Rücktritt erklärt. Insoweit liegt auch eine Rücktrittserklärung nach § 8 Abs. 5 VVG a.F. vor, ohne dass dies noch einer gesonderten Auslegung bedurft hätte.
b) Allerdings ist der Rücktritt nicht rechtzeitig erklärt, da zum Zeitpunkt der Erklärung die in § 8 Abs. 5 S. 1 VVG a.F. normierte Frist von 14 Tagen nach Abschluss des Vertrages längst abgelaufen war.
aa) Der Kläger wurde über sein Rücktrittsrecht ordnungsgemäß im Sinne des § 8 Abs. 5 S. 3 VVG a.F. belehrt.
(1) Die Belehrung über das Rücktrittsrecht muss zur Erreichung ihres gesetzlichen Zwecks inhaltlich möglichst umfassend, unmissverständlich und aus Sicht der Verbraucher eindeutig sein. Das erfordert eine Form der Belehrung, die dem Aufklärungsziel Rechnung trägt und darauf angelegt ist, den Angesprochenen aufmerksam zu machen und das maßgebliche Wissen zu vermitteln (BGH, Urteil vom 17.12.2014 – IV ZR 260/11 – VersR 2015, 224 zu § 8 Abs. 5 VVG a.F.; Urteil vom 16.10.2013 – IV ZR 52/12 – VersR 2013, 1513 zu § 8 Abs. 4 VVG a.F.; OLG Köln, Urteil vom 01.08.2014 – 20 U 21/14 – zitiert nach Juris).
(2) In formaler Hinsicht wird die vorliegende Belehrung den Anforderungen gerecht. Sie ist durch Absätze vom übrigen Fließtext abgehoben und mit der Überschrift „Rücktrittsrecht“ versehen, die fett und in vergrößerter Schriftform abgedruckt ist. Das genügt, um eine Kenntnisnahme des Versicherungsnehmers zu gewährleisten. Der Kläger hat die Belehrung auch durch Unterschrift bestätigt (§ 8 Abs. 5 S. 3 VVG a.F.). Die Tatsache, dass vorliegend in einem gesonderten abgegrenzten Feld die dort enthaltenen Informationen weiß unterlegt wurden, führt nicht dazu, dass die Rücktrittserklärung nicht mehr genügend hervorgehoben ist. Die Belehrung ist neben dem Fettdruck noch durch die farblich blaue Hinterlegung hervorgehoben. Damit erfüllt sie vollumfänglich ihren Zweck, denn sie kann einem verständigen Versicherungsnehmer, der den Antrag unmittelbar unterhalb der Belehrung unterzeichnet, aufgrund dieser Hervorhebung schlechterdings nicht verborgen bleiben. Dem steht nicht entgegen, dass weitere Belehrungen und Hinweise in vergleichbarer Weise hervorgehoben sind. Es handelt sich bei diesen weiteren Hinweisen ebenfalls um wichtige Informationen. Zudem wird über das Rücktrittsrecht unmittelbar oberhalb der Unterschrift belehrt. Angesichts dieser grafischen Gestaltung kann sich ein Versicherungsnehmer auch bei einer nur oberflächlichen Betrachtung des Antragsformulars leicht einen Überblick verschaffen (so auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.12.2014, Az.: I 4 U 135/13; OLG Hamm, Beschluss vom 24.10.2014, 20 U 73/14). Gerade durch den Wechsel von blau und weiß unterlegten Feldern stechen Informationen und Belehrungen geradezu ins Auge.
Soweit der Kläger die Belehrung inhaltlich beanstandet, sind seine Einwände unbegründet.
Dies gilt insbesondere für die Ansicht des Klägers, die – den Gesetzestext entsprechende -Formulierung der Belehrung, der Versicherungsnehmer könne innerhalb von 14 Tagen nach Abschluss des Vertrags zurücktreten, genüge den an die Belehrung zu stellenden Anforderungen schon deshalb nicht, weil einem rechtlichen Laien nicht bekannt sei, unter welchen Voraussetzungen beim Antragsmodell der Vertrag zustande kommt.
Eine Belehrung, die den oben beschriebenen Anforderungen genügt, muss dem Versicherungsnehmer insbesondere das Ereignis benennen, das die Frist in Lauf setzt (vgl. BGH, Urteil vom 23.09.2010 – VII ZR 6/10 – NJW 2010, 3503). Um diesen Genüge zu tun, ist dabei im Rahmen der Belehrung nach § 8 Abs. 5 S. 1 VVG a.F. aber keine ergänzende Erläuterung des Rechtsbegriffs des Vertragsschlusses erforderlich. Insoweit ist für eine eindeutige Benennung des Zeitpunkts des Fristbeginns nicht der Hinweis notwendig, dass die Rücktrittsfrist nach Zugang des Versicherungsscheins zu laufen beginne. Ein solcher Hinweis kann die Belehrung sogar unrichtig machen.
Im vorliegenden Antragsverfahren kommt der Vertragsschluss dadurch zustande, dass der Versicherer den Versicherungsantrag des Versicherungsnehmers durch eine entsprechende Erklärung annimmt. Dies ist allerdings nicht zwingend mit der Übersendung des Versicherungsscheins verbunden (vgl. auch K. Johannsen in Beckmann/Matusche-Beckmann, VersR – Handbuch 3. Aufl. 2015, § 8 Rn. 10). Im Übrigen musste eine den Rechtsbegriff des Vertragsschlusses näher erläuternde Belehrung berücksichtigen, dass die für den Vertragsschluss erforderliche Annahme des Antrags nach § 148 BGB nur innerhalb einer vom Versicherungsnehmer gegebenenfalls bestimmten Annahmefrist erfolgen kann, andernfalls nur bis zu dem Zeitpunkt, in welchem der Versicherungsnehmer die Annahme unter regelmäßigen Umständen erwarten darf (§ 147 Abs. 2 BGB). Eine vollständige Erläuterung müsste dann außerdem den Fall einer verspäteten Annahmeerklärung erwähnen, der gemäß § 150 Abs. 1 BGB als neuer Antrag gilt sowie den Fall einer Annahme und Erweiterung, Einschränkung oder sonstigen Änderungen (§ 150 Abs. 2 BGB) und die Besonderheiten der versicherungsvertragsrechtlichen Billigungsklausel des § 5 VVG nennen, die ihrerseits weitere Hinweispflichten auf ein dann gegebenes Widerspruchsrecht begründet. Dass eine solche Belehrung keine Klarheit schaffen, sondern den versicherungsvertraglichen Laien überfordern würde, liegt auf der Hand. Dem Landgericht, das dies ebenso sieht, ist dementsprechend beizupflichten.
Die Beklagte durfte sich deshalb – wie hier – mit einer Belehrung begnügen, die den Gesetzestext wiedergibt (vgl. OLG München, Urteil vom 23.10.2014 – 14 U 875/14 – zitiert nach Juris). Hierdurch entsteht auch keine nicht hinnehmbare Unsicherheit über den Fristbeginn, denn einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer dürfte im Regelfall bewusst sein, dass der Versicherungsvertrag durch die Annahme seines Antrags zustande kommt; als solche wird er eine Übersendung des Versicherungsscheins verstehen (ebenso Saarländisches Oberlandesgericht, Urteil vom 27.05.2015 – 5 U 57/14 – zitiert nach Juris; dessen Ansicht sich der Senat im Ergebnis und in der Begründung angeschlossen hat).
Auch der Einwand des Klägers geht fehl, es fehle der Hinweis, dass der Rücktritt schriftlich zu erfolgen habe. Entgegen der Auffassung des Klägers schreibt § 8 VVG a.F. – anders § 5 a VVG a.F. -nicht vor, dass der Rücktritt schriftlich erklärt werden muss. Da eine besondere Form rechtlich nicht vorgeschrieben ist, muss über sie auch nicht belehrt werden, denn es ist grundsätzlich ausreichend, wenn die Belehrung die gesetzliche Formulierung verwendet (OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.12.2014 – Az.: I 4 U 165/13; OLG Hamm, Beschluss vom 24.10.2014, 20 U 73/14; Saarländisches Oberlandesgericht a.a.O.).
bb) Die ordnungsgemäße Belehrung nebst Bestätigung durch Unterschrift setzte die 14-tägige Frist auf Vertragsschluss in Gang (§ 8 Abs. 5 S. 3 VVG a.F.). Dem Kläger stand deshalb zum Zeitpunkt seines Schreibens vom 25.09.2013 kein Rücktrittsrecht mehr zu.
4. Damit steht zugleich fest, dass der Kläger von der Beklagten nicht die Erstattung der geltend gemachten vorprozessualen Rechtsanwaltskosten verlangen kann.
5. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zuzulassen. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert vorliegend die Entscheidung des Revisionsgerichts, da der Senat bei der Frage der inhaltlichen Richtigkeit der Rücktrittsbelehrung der Beklagten im Hinblick auf die Erläuterung des Rechtsbegriffs des Vertragsschlusses von der Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 10.10.2015 – 3 U 51/15 – abweicht.


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