Bankrecht

Unwirksamer Widerruf eines Darlehensvertrages zur Finanzierung eines Kraftfahrzeuges

Aktenzeichen  19 U 6818/19

Datum:
21.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 24329
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 296 Abs. 1, § 522 Abs. 2, § 530
EGBGB Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 9, § 6 Abs. 1, Abs. 2 S. 3, § 12 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

1. Die Frist zur Stellungnahme i. S. v.  § 522 Abs. 2 ZPO soll nicht eine Art “zweite Berufungsbegründung” ermöglichen. Soweit in dem weiteren Schriftsatz im Berufungsverfahren neue Angriffs- und Verteidigungsmittel enthalten sind, sind diese deshalb gemäß §§ 530, 296 Abs. 1 ZPO zwingend zurückzuweisen. (Rn. 13) (red. LS Andy Schmidt)
2. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage nur dann, wenn sie zweifelhaft ist, also über Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift Unklarheiten bestehen. Derartige Unklarheiten bestehen u.a. dann, wenn die Rechtsfrage vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden ist und von einigen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird, oder wenn in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden (ebenso BGH BeckRS 2018, 9330).  (Rn. 20 – 22) (red. LS Andy Schmidt)

Verfahrensgang

27 O 9521/19 2019-11-07 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 07.11.2019, Aktenzeichen 27 O 9521/19, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Dem Kläger wird nachgelassen, die Sicherheitsleistung durch die schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts zu bewirken.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
6. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 25.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger verfolgt mit der Berufung seine erstinstanzlich geltend gemachten Ansprüche wegen des Widerrufs eines Darlehensvertrages zur Finanzierung eines Kraftfahrzeuges und dessen Rückabwicklung gegenüber der Beklagten weiter.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München I vom 07.11.2019 Bezug genommen (§ 522 Abs. 2 S. 4 ZPO).
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, welcher beantragt unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts München I vom 07.11.2019 – 27 O 9521/19 – hier am 13.11.2019 zugestellt,
1.die Beklagte kostenpflichtig und vorläufig vollstreckbar zu verurteilen, an den Kläger 8.792,68 € nebst jährlichen Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.02.2019 Zug-um-Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs BMW, Typ 525d Limousine, Fahrzeug-Identnummer …33 zu zahlen,
2.festzustellen, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug befindet,
3.festzustellen, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, seit dem 14.12.2018 (Zugang der Widerrufserklärung) weitere Zahlungen aus dem Darlehensvertrag mit der Darlehensnummer …23 an die Beklagte zu leisten,
4.die Beklagte kostenpflichtig und vorläufig vollstreckbar zu verurteilen, an den Kläger weitere 1.358,86 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
5.im Unterliegensfalle dem Kläger nachzulassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung (Bank- oder Sparkassenbürgschaft) abzuwenden.
6.die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 22.01.2020 (Bl. 180/187 d.A.), auf die Bezug genommen wird, wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass und warum der Senat beabsichtigt, seine Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
Mit Schriftsatz vom 19.02.2020 nahm der Kläger Stellung und vertiefte seine Ausführungen aus der Berufungsbegründung zum angeblich fehlerhaften Tageszins und den Auszahlungsbedingungen Im Übrigen und ergänzend wird auf die im Berufungsverfahren eingegangenen Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I, Aktenzeichen 27 O 9521/19, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Der Senat hält das angefochtene Urteil des Landgerichts München I für offensichtlich zutreffend und nimmt auf dieses Bezug. Bezug genommen wird ferner auf den Hinweis des Senats vom 22.01.2020, wonach er die Berufung im Sinne von § 522 Abs. 2 ZPO für unbegründet hält.
Ergänzend ist auf die Stellungnahme des Klägers vom 19.02.2020 noch auszuführen:
1. Es verbleibt dabei, dass dem Kläger im streitgegenständlichen Darlehensvertrag die Auszahlungsbedingungen gemäß Art. 247 §§ 6 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 9 EGBGB klar und verständlich mitgeteilt wurden. Auf Ziffer 2.2. des Hinweises vom 22.01.2020 wird Bezug genommen.
Die von der Berufung dargestellten Ausführungen anderer Banken in deren Darlehensverträgen (BB Seite 5 ff) sind nicht maßgeblich. Es kommt lediglich darauf an, dass dem Kläger in dem hier streitgegenständlichen Darlehensvertrag die Auszahlungsbedingungen für das ihm gewährte Darlehen klar und verständlich mitgeteilt wurden, was der Senat bejaht.
Soweit der Kläger im Schriftsatz vom 19.02.2020 neu rügt, ihm hätte mitgeteilt werden müssen, dass er bei Auszahlung der Darlehensvaluta an einen Dritten statt der Auszahlung des Kreditbetrages etwas anderes erhält z.B die Befreiung von einer Verbindlichkeit (KlSS vom 10.02.2020 Seite 7), ist vorauszuschicken, dass die dem Kläger eingeräumte Frist zur Stellungnahme gem. § 522 II 2 ZPO nicht etwa eine Art „zweite Berufungsbegründung“ ermöglicht. Soweit in dem weiteren Schriftsatz im Berufungsverfahren neue Angriffs- und Verteidigungsmittel enthalten sind, sind diese deshalb gem. §§ 530, 296 I ZPO zwingend zurückzuweisen (vgl. z.B. Thomas/Putzo, ZPO, 36. Aufl. 2015, § 530 Rnr. 4; Rimmelspacher in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2012, § 522 Rnr. 28). Darauf hatte der Senat als nobile officium auch bereits in seinen Allgemeinen Verfahrenshinweisen ausdrücklich aufmerksam gemacht.
Auch der verspätete Vortrag hätte aber keine andere Entscheidung gerechtfertigt:
Für den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher lag bei gebotenen Befassung mit dem Darlehensvertrag auf der Hand, dass er durch die Auszahlung der Darlehensvaluta an den Fahrzeugverkäufer insoweit von seinen Verbindlichkeiten aus dem Kaufvertrag befreit wurde und er den Kaufpreis nicht nochmals an den Verkäufer zu zahlen hatte. Dies ergibt sich schon eindeutig daraus, dass der Darlehensvertrag zur Finanzierung des näher bezeichneten Fahrzeugs geschlossen wurde und vereinbart wurde, dass das Darlehen zum Zeitpunkt der Fahrzeugauslieferung an den Fahrzeugverkäufer ausbezahlt wird. Des darüber hinaus vom Kläger geforderten Hinweises bedurfte es nicht.
2. Auch soweit der Kläger weiter die Angabe des Tageszinses von 1,92 € in der streitgegenständlichen Widerrufsinformation für fehlerhaft hält, hat es sein Bewenden bei dem Hinweis vom 22.01.2020, dort Ziffer 1. Darauf wird Bezug genommen. Der Kläger lässt weiter vollständig außer Acht, dass die Beklagte das Muster aus Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3, § 12 Abs. 1 Satz 2 EGBGB verwendete und den Besonderheiten bei verbundenen Verträge mit der gesetzlich gebotenen Verwendung der Gestaltungshinweise Ziffer 5, 5a, 5b, 5c und 5f genügte.
Soweit der Kläger meint, sich insoweit auf die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 05.11.2019 – XI 650/19 und XI ZR 11/19 stützen zu können (KlSS vom 19.02.2020, Seite 5), irrt er sich. Der Bundesgerichtshof hat die Information, dass der Darlehensnehmer die Darlehensvaluta zurückzuzahlen hat, nicht für fehlerhaft erachtet. Desweiteren hat der Bundesgerichtshof nicht bestätigt, dass der Tageszins wegen der vorliegenden verbundenen Geschäfte in der Widerrufsinformation mit 0,00 € anzugeben sei. Er führte vielmehr aus, dass die Bank mit der Angabe des Tageszinses mit 0,00 € auf einen etwaigen ihr zustehenden Zinsanspruch verzichtet und der Verbraucher durch Unterzeichnung des Darlehensvertrages dieses Angebot annimmt, mithin die Angabe auf einer vertraglichen Vereinbarung beruht.
3. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht gegeben.
Es liegt weder eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache vor noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 522 Abs. Nr. 2 und 3 ZPO).
(1) Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH, Beschluss vom 23.01.2018 – II ZR 76/16, Rn. 12).
Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage im Übrigen nur dann, wenn sie zweifelhaft ist, also über Umfang und Bedeutung einer Rechtsvorschrift Unklarheiten bestehen. Derartige Unklarheiten bestehen u.a. dann, wenn die Rechtsfrage vom Bundesgerichtshof bisher nicht entschieden ist und von einigen Oberlandesgerichten unterschiedlich beantwortet wird, oder wenn in der Literatur unterschiedliche Meinungen vertreten werden (BGH, Beschluss vom 23.01.2018 – II ZR 76/16, Rn. 12; Beschluss vom 22. September 2015 – II ZR 310/14, ZIP 2016, 266 Rn. 3 mwN). Dies ist nicht der Fall, zumal mit den Urteilen der BGH vom 05.11.2019 – XI ZR 650/18 und XI ZR 11/19 bereits höchstrichterliche Entscheidungen vorliegen. Darauf, ob eine fehlerhafte Pflichtangabe einer fehlenden Pflichtangabe gleichsteht, kommt es vorliegend schon deshalb nicht an, da keine fehlerhaften Pflichtangaben erteilt wurden.
Der Umstand, dass – wie vorliegend – eine einheitliche Entscheidung des Revisionsgerichts in mehreren denselben Sachverhalt betreffenden Parallelverfahren angestrebt wird, gibt der Sache keine allgemeine, mithin grundsätzliche Bedeutung (BGH, Beschluss vom 23.01.2018 – II ZR 76/16, Rn. 14; Beschluss vom 22. September 2015 – II ZR 310/14, ZIP 2016, 266 Rn. 5).
(2) Die Revision ist nicht zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung wegen Divergenz zuzulassen.
Das wäre dann der Fall, wenn in der Entscheidung des Berufungsgerichts ein abstrakter Rechtssatz aufgestellt würde, der von einem in anderen Entscheidungen eines höheren oder eines gleichgeordneten Gerichts aufgestellten abstrakten Rechtssatz abweicht (BGH, Beschluss vom 23.01.2018 – II ZR 76/16, Rn. 10; Beschluss vom 29. Mai 2002 – V ZB 11/02, BGHZ 151, 42, 45; Beschluss vom 1. Oktober 2002 – XI ZR 71/02, BGHZ 152, 182, 186; Beschluss vom 27. März 2003 – V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 293 mwN; Beschluss vom 9. Juli 2007 – II ZR 95/06, ZIP 2007, 2074 Rn. 2).
Eine solche Abweichung ist nicht ersichtlich und wird von der Berufung auch nicht vorgetragen. Der Senat weicht in seiner Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ab. Divergenzen zu oberlandesgerichtlichen Endentscheidungen sind nicht bekannt und werden auch von der Berufung nicht dargelegt.
(3) Die Fortbildung des Rechts erfordert ebenfalls keine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Der vorliegende Fall gibt keine Veranlassung, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen. Hierzu besteht nur dann Anlass, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungsweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (vgl. BGH, Beschluss vom 23.01.2018 – II ZR 76/16, Rn. 15; Beschluss vom 4. Juli 2002 – V ZB 16/02, BGHZ 151, 221, 225). Dies ist nach Ansicht des Senats und – soweit bekannt – erkennbar auch der überwiegenden Mehrheit der Oberlandesgerichte nicht der Fall.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgt gemäß §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.
V.
Der Streitwert bis zu 25.000,00 € (Nettodarlehensbetrag in Höhe von 23.756,23 € zzgl. Anzahlung von 1.000,00 €) für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 40, 47, 48 GKG, § 3, 4 ZPO bestimmt.


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