Bankrecht

Verwirkung des Widerspruchs- und Rücktrittsrechts

Aktenzeichen  21 O 61/19 Ver

Datum:
18.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 43529
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Weiden
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 242, § 346, § 812
VVG aF § 5a, § 8

 

Leitsatz

1. Auch bei einer wegen unzureichender Belehrung nicht in Lauf gesetzten Widerspruchsfrist kann ein Bereicherungsanspruch unabhängig von einer etwaigen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells wegen widersprüchlichen Verhaltens des Versicherungsnehmers ausgeschlossen sein, wenn besonders gravierende Umstände vorliegen (Anschluss an BGH BeckRS 2016, 6037). (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2. Solche Umstände liegen vor, wenn der Widerspruch erst mehr als 17 Jahre nach Versicherungsbeginn erklärt wurde und die Ansprüche aus dem Vertrag auch auf die Todesfallleistung zur Sicherung eines Darlehens an eine Bank abgetreten waren. (Rn. 36 – 37) (redaktioneller Leitsatz)
3. Diese Grundsätze gelten sinngemäß auch für die Rückabwicklung einer im Antragsmodell geschlossenen Lebensversicherung. (Rn. 53 – 58) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird bis 23.04.2020 auf 1.431.420,27 € und sodann auf 1.362.414,23 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
I.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist (BGH, Urteil vom 11. Juli 2012 – IV ZR 164/11 -, juris Rn. 22), gegeben. Dies folgt aus Art. 11 Abs. 1 lit. b), 66 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1215/2012 (Brüssel Ia-VO), da der Kläger seinen Wohnsitz zur Zeit der Klageerhebung in Deutschland hatte.
II.
Die Klage ist unbegründet.
Dem Kläger stehen weder hinsichtlich der im Jahr 1999 abgeschlossenen „S-Police“ noch der zum 01.01.2002 abgeschlossenen „G-Police“ Rückabwicklungsansprüche zu (1. – 3.). Damit entfällt auch ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten (4.).
Auf die Versicherungsverträge des Klägers ist nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 lit. a), Art. 8 EGVVG i.d.F. v. 21.07.1994 zwingend deutsches Sachrecht anzuwenden. Der Kläger hatte bei Vertragsabschluss seinen Wohnsitz in Deutschland. Dies entspricht auch der Vereinbarung der Parteien in den Versicherungsbedingungen.
1. Dem Kläger steht hinsichtlich der „S-Police“ ein Anspruch auf Rückzahlung der Prämien samt von der Beklagten gezogener Nutzungen aus §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 818 Abs. 1 BGB nicht zu.
1.1. Der Vertrag wurde nach dem Policenmodell geschlossen, da die Beklagte nicht nachweisen konnte, dass der Kläger bei Antragstellung die vollständige Verbraucherinformation erhalten hat (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2018 – IV ZR 68/17 -, juris).
Die Kammer konnte sich, gemessen am Beweismaß des §§ 286 Abs. 1 ZPO, nicht die Überzeugung bilden, dass dem Kläger bei Antragstellung zur im Jahr 1999 abgeschlossenen Lebensversicherung auch die Verbraucherinformation vorlag. Vorgenanntes Beweismaß verlangt einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2019 – V ZR 255/17 -, juris Rn. 27).
Es verbleiben zunächst Zweifel, dass die damals dem Kläger vorgelegten Antragsunterlagen aus einer einheitlichen Broschüre bestanden, die mit der Anlage B 1 in Übereinstimmung steht. Nach Einsicht in die vom Kläger vorgelegten Unterlagen konnte festgestellt werden, dass dem Kläger zu diesem Vertrag ein isoliertes Geheft mit den Policenbedingungen vorliegt, außerdem ein isoliertes Antragsformular. Dagegen befanden sich die Unterlagen zur „G-Police“ tatsächlich entsprechend der von der Beklagten vorgelegten Anlage B 3 in einer einheitlichen Broschüre, in die auch der Antrag eingeklebt war. Es ist nicht ersichtlich, warum der Kläger hinsichtlich der „S-Police“ eine Broschüre in Teile hätte zerlegen sollen, wenn er auch die Broschüre für die „G-Police“ wie erhalten abgeheftet hat. Hinzu kommt, dass die Versicherungsbedingungen tatsächlich in einem isolierten Geheft vorhanden waren. Die Zweifel der Kammer werden durch die Aussage des Zeugen Dr. … bestärkt. Dieser hatte zwar aufgrund des Zeitablaufs an den konkreten Beratungsvorgang keine Erinnerung mehr. Er meinte sich jedoch daran erinnern zu können, dass Anträge und Bedingungsgehefte zumindest zeitweise auch getrennt waren, entsprechend getrennt auch bestellt und geliefert wurden.
Angesichts des Inhalts des vom Kläger vorgelegten Ordners hat die Kammer auch Zweifel, ob dem Kläger neben dem Antragsformular und den Policenbedingungen die Verbraucherinformation in einem weiteren Geheft übergeben wurde. Der Zeuge Dr. … hat zwar angegeben, dass er die ihm vorliegende Broschüre mit den Bedingungen und der Verbraucherinformation entweder per Post an die Kunden zugesandt oder bei der Beratung übergeben habe. Aus dieser, allgemein seine Handlungsweise darstellenden Aussage kann aber angesichts der entgegenstehenden Indizien aus den augenscheinlich sorgfältig geführten Unterlagen des Klägers nicht mit der gebotenen Sicherheit darauf geschlossen werden, dass dem Kläger im konkreten Einzelfall die Verbraucherinformation tatsächlich bei Antragstellung vorlag. Die Kammer verkennt dabei auch nicht, dass der Kläger im Rahmen der im Antragsformular enthaltenen Erklärungen den Erhalt unter anderem der Verbraucherinformation bestätigt hat. Angesichts des Fehlens einer insoweit isolierten Unterschrift und der drucktechnisch nicht hervorgehoben Erklärung, vermag dieser Umstand auch in Zusammenschau mit der Aussage des Zeugen Dr. … eine Überzeugungsbildung der Kammer nicht zu begründen.
1.2. Der Kläger wurde über sein damit bestehendes Widerspruchsrecht nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG i.d.F. v. 21.07.1994 (nachfolgend: § 5a VVG aF) nicht gesetzeskonform belehrt.
Es fehlt bei den in Abschnitt N. und O. des Antrags enthaltenen Belehrungen bereits an der von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG aF geforderten drucktechnisch deutlichen Form der Belehrung. Diese geht im Antragsformular unter. Sie wird dem Verbraucher weder gesondert präsentiert noch drucktechnisch so stark hervorgehoben, dass sie ihm beim Durchblättern des Antrags nicht entgehen könnte (vgl. zu den Anforderungen: BGH, Urteil vom 28. Januar 2004 – IV ZR 58/03 -, juris).
Im Übrigen hat die Belehrung bei Aushändigung des Versicherungsscheins zu erfolgen, was von der Beklagten nicht einmal behauptet wird. Auch die Versicherungsbedingungen wurden bereits bei Antragstellung übergeben.
1.3. Eine fehlerhafte Widerspruchsbelehrung führt zwar dazu, dass dem Versicherungsnehmer grundsätzlich ein unbefristeter bereicherungsrechtlicher Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1, Alt. 1 BGB zusteht (BGH, Urteil vom 07. Mai 2014 – IV ZR 76/11 -, BGHZ 201, 101-121).
Auch bei einer nicht in Lauf gesetzten Widerspruchsfrist kann allerdings ein Bereicherungsanspruch nach § 242 BGB unabhängig von Wirksamkeitszweifeln nach dem Policenmodell geschlossener Versicherungsverträge wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. (vgl. hierzu: BGH, Urteil vom 16. Juli 2014 – IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 16 ff.; BVerfG, Beschluss vom 2. Februar 2015 – 2 BvR 2437/14 -, juris, Rn. 30 ff.) wegen widersprüchlichen Verhaltens des Versicherungsnehmers ausgeschlossen sein, wenn besonders gravierende Umstände vorliegen (BGH, Beschluss vom 27. Januar 2016 – IV ZR 130/15 -, juris, Rn. 16). Ob dies der Fall ist, ist eine den Tatsacheninstanzen zukommende Einzelfallentscheidung, für die keine allgemein gültigen Maßstäbe bestehen (BGH, Beschluss vom 11. November 2015 – IV ZR 117/15 -, juris, Rn. 16).
Ein Recht ist verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (BGH, Urteil vom 7. Mai 2014 – IV ZR 76/11 -, BGHZ 201, 101-121, Rn. 39). Zeit- und Umstandsmoment können nicht voneinander unabhängig betrachtet werden, sondern stehen in einer Wechselwirkung (BGH, Urteil vom 16. Oktober 2018 – XI ZR 45/18 -, juris).
Hier sind zwischen Vertragsabschluss im November 1999 mit Versicherungsbeginn zum 11.11.1999 und dem erklärten Widerspruch im Mai 2017 mehr als 17 Jahre vergangen, die der Kläger nicht zum Widerspruch genutzt hat. Am erforderlichen Zeitmoment kann daher kein Zweifel bestehen.
Auch die erforderlichen besonders gravierenden Umstände liegen hier in der Gesamtschau der Umstände vor. Der Kläger hat mit der „G-Police“ zum 01.01.2002 einen inhaltlich im Wesentlichen identischen Vertrag nochmals abgeschlossen und dadurch zu erkennen gegeben, dass er mit dem Versicherungsmodell hinter der „S-Police“ grundsätzlich zufrieden war. Er hat die Ansprüche aus der „G-Police“ unmittelbar im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss zur Sicherung eines Darlehens über 1.200.000,00 DM vom 28.11.2011 an die …bank abgetreten (Anl. B 5) und auf eine rasche Vertragsannahme gedrängt (Anl. B 6). Mit Abtretungsvertrag vom 19.11.2003 wurden dann auch die Ansprüche aus der „S-Police“ an die …bank abgetreten (Anl. B 9). Die Abtretungen erfassten jeweils auch die Todesfallleistungen, die einen bestehenden Vertrag als Anspruchsgrundlage voraussetzen. Die Versicherungssumme wurde nach Ablauf der „S-Police“ auf Anweisung der …bank ausbezahlt.
2. Hinsichtlich der „G-Police“ scheidet ein Anspruch des Klägers auf Rückzahlung der Prämien samt von der Beklagten gezogener Nutzungen aus §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 818 Abs. 1 BGB ebenfalls aus.
Ein Widerspruchsrecht nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG i.d.F. v. 13.07.2001 (nachfolgend: § 5a VVG aF), das einen bereicherungsrechtlichen Anspruch begründen könnte, stand dem Kläger nicht zu, da der Vertrag nicht nach dem Policen-, sondern nach dem Antragsmodell geschlossen wurde.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger bei Antragstellung die Verbraucherinformation, einen Antragsdurchschlag und die Versicherungsbedingungen erhalten hat (vgl. Anl. K 2 bis K 4).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es zwar grundsätzlich auch dann zur Anwendung des Policenmodells, wenn nur einzelne Informationen bei Antragstellung dem Versicherungsnehmer nicht erteilt worden sind. Denn sonst hätte es der Versicherer in der Hand, bestimmte Informationen zunächst nicht zu übergeben, mit der Belehrung über das Rücktrittsrecht die Rücktrittsfrist auszulösen und nach deren Ablauf eine Bindung an den Vertrag zu schaffen (BGH, Urteil vom 18. Juli 2018 – IV ZR 68/17 -, juris Rn. 15).
Eine Verbraucherinformation ist dabei unvollständig, wenn sie keine Angaben über die Frist, während der der Antragsteller an den Antrag gebunden sein sollte, enthält, da der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an der Information über diese gesetzliche Annahmefrist hat (BGH, aaO Rn. 17).
Diese Information muss aber nicht unbedingt in den mit Verbraucherinformation überschriebenen Unterlagen enthalten sein, vielmehr genügt auch der entsprechende Hinweis im Antrag (OLG Stuttgart, Urteil vom 09. Mai 2019 – 7 U 169/18 -, juris Rn. 64; vgl. auch OLG Celle, Urteil vom 10. September 2020 – 8 U 45/20 -, juris Rn. 37).
Danach war die dem Kläger erteilte Verbraucherinformation vollständig, da der Antrag (Anl. K 2) im Abschnitt M den Hinweis auf die sechswöchige Antragsfrist enthielt.
3. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Prämienrückzahlung einschließlich Nutzungen aus § 346 Abs. 1 BGB zu.
3.1. Der Kläger hat sein Rücktrittsrecht gemäß § 8 Abs. 5 Satz 1 VVG i.d.F. v. 21.07.1994 (nachfolgend: § 8 VVG aF) nicht fristgerecht ausgeübt.
3.1.1. Nach § 8 Abs. 5 S. 1 VVG aF kann der Versicherungsnehmer bei der Lebensversicherung innerhalb einer Frist von 14 Tagen nach Abschluss des Vertrages vom Vertrag zurücktreten. Die Frist beginnt gemäß § 8 Abs. 5 Satz 3 VVG aF erst zu laufen, wenn der Versicherer den Versicherungsnehmer über sein Rücktrittsrecht belehrt und der Versicherungsnehmer die Belehrung durch Unterschrift bestätigt hat.
Eine Belehrung über das Rücktrittsrecht muss zur Erreichung ihres gesetzlichen Zweckes inhaltlich möglichst umfassend, unmissverständlich und aus Sicht der Verbraucher eindeutig sein. Das erforderte eine Form der Belehrung, die dem Aufklärungsziel Rechnung trägt und darauf angelegt ist, den Angesprochenen aufmerksam zu machen und das maßgebliche Wissen zu vermitteln (BGH, Urteil vom 28. September 2016 – IV ZR 41/14 -, juris Rn. 16). Der Versicherer ist nicht gehalten, dem Versicherungsnehmer die Anforderungen an das Rücktrittsrecht über den Gesetzeswortlaut hinaus zu erklären (BGH, Urteil vom 17. Oktober 2018 – IV ZR 106/17 -, juris Rn. 15). Dabei ist die Verwendung des Begriffs „Widerspruch“ statt „Rücktritt“ unschädlich. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass es für den abschlusswilligen Verbraucher keinerlei Unterschied macht, ob er seine Mitteilung, dass er sich vom Vertrag lösen, bzw. doch nicht an ihm festhalten wolle, als „Rücktritt“ oder als „Widerspruch“ bezeichnet. Insoweit verbinden sich für ihn mit den unterschiedlichen Begriffen keinerlei unterschiedliche Rechtsfolgen, so dass ein schützenswertes Interesse selbst bei einer Fehlbezeichnung nicht erkennbar ist. Entscheidend ist in jedem Falle, dass dem Verbraucher klar die Möglichkeit vor Augen geführt wird, dass und wie er sich vom Vertrag lösen kann, wenn er dies beabsichtigt (OLG Dresden, Beschluss vom 23. November 2018 – 4 U 1333/18 -, juris Rn. 6).
3.1.2. Ob die im Antragsformular enthaltene Belehrung (Anl. K 2, Abschnitt M), die den inhaltlichen Anforderungen durchaus genügt, ohne weitere Hervorhebung geeignet war, ausreichende Aufmerksamkeit beim Kläger zu generieren, kann offen bleiben.
Der Kläger wurde jedenfalls in inhaltlich zutreffender Weise in den übergebenen Versicherungsbedingungen (Anl. K 3) unter Ziffer 14 in der gebotenen Deutlichkeit belehrt. Diese Ziffer befasst sich mit entsprechender Überschrift im Fettdruck alleine mit dem Rücktrittsrecht. Bereits auf dem Deckblatt der Versicherungsbedingungen wird auf diese Ziffer, erneut mit dem Wort „RÜCKTRITTSRECHT“ im Fettdruck hingewiesen.
Der Kläger hat diese Belehrung auch unterschriftlich bestätigt. Er hat mit seiner Unterschrift unter den Antrag (Anl. K 2, Abschnitt K) die Abgabe seiner Schlusserklärung (Anl. K 2, Abschnitt M) bestätigt, die ihrerseits die Erklärung enthält, die Versicherungsbedingungen erhalten zu haben. Eine über den Erhalt der Belehrung hinausgehende unterschriftliche Bestätigung verlangt § 8 Abs. 5 S. 3 VVG aF nicht, insbesondere keine gesonderte Unterschrift hinsichtlich der Belehrung.
Damit konnte der mit Schreiben vom 16.05.2017 erklärte „Widerruf“ die Frist des § 8 Abs. 5 S. 1 VVG aF nicht mehr wahren, die mit Zugang der Versicherungspolice mit Schreiben vom 10.01.2002 in Lauf gesetzt wurde.
3.2. Auch bei einer – unterstellt – nicht wirksamen Belehrung des Klägers bestünde ein Anspruch des Klägers aus § 346 Abs. 1 BGB nicht.
Eine fehlerhafte Rücktrittsbelehrung führt zwar dazu, dass dem Versicherungsnehmer grundsätzlich ein unbefristeter Anspruch aus § 346 Abs. 1 BGB zusteht (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2014 – IV ZR 260/11 -, juris).
Auch bei einer nicht in Lauf gesetzten Rücktrittsfrist kann allerdings ein Anspruch nach § 242 BGB wegen widersprüchlichen Verhaltens des Versicherungsnehmers ausgeschlossen sein, wenn besonders gravierende Umstände vorliegen. Ob dies der Fall ist, ist eine den Tatsacheninstanzen zukommende Einzelfallentscheidung, für die keine allgemein gültigen Maßstäbe bestehen (BGH, Beschluss vom 11. November 2015 – IV ZR 117/15 -, juris).
Ein Recht ist verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (BGH, Urteil vom 7. Mai 2014 – IV ZR 76/11 -, BGHZ 201, 101-121, Rn. 39). Zeit- und Umstandsmoment können nicht voneinander unabhängig betrachtet werden, sondern stehen in einer Wechselwirkung (BGH, Urteil vom 16. Oktober 2018 – XI ZR 45/18 -, juris).
Hier sind zwischen Vertragsabschluss im Januar 2002 mit Versicherungsbeginn zum 01.01.2002 und dem erklärten Widerspruch im Mai 2017 mehr als 15 Jahre vergangen, die der Kläger nicht zum Rücktritt genutzt hat. Am erforderlichen Zeitmoment kann daher kein Zweifel bestehen.
Auch die erforderlichen besonders gravierenden Umstände liegen hier in der Gesamtschau der Umstände vor. In die Bewertung muss auch hier das Verhalten bezüglich beider Verträge, der „S-Police“ sowie der „G-Police“ in die Gesamtschau einbezogen werden. Die Ausführungen zur „S-Police“ gelten daher entsprechend (vgl. oben unter 1.3.).
4. Dem Kläger steht ein Schadenersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 u. 2 BGB, der allein einen Anspruch auf die geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten begründen könnte, nicht zu. Mangels fälligen Hauptansprüchen scheidet ein Verzug der Beklagten nach § 286 Abs. 1 BGB aus.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den hierzu vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätzen (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2018 – IV ZB 10/18 -, juris).


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