Bankrecht

Widerruf eines Verbraucherdarlehens zur Finanzierung des Erwerbs eines BMW 318d

Aktenzeichen  5 U 6519/19

Datum:
27.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 28349
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
AEUV Art. 267 Abs. 3
BGB § 305, § 355 Abs. 2 S. 2, § 492 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Höchstrichterlich entschieden ist, dass es hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der sogenannten Kaskadenverweisung in Verbraucherdarlehensverträgen unter Verwendung des Gesetzestextes nach  § 492 Abs. 2 BGB einer Vorlage zur Überprüfung an den EuGH nicht bedarf (ebenso BGH BeckRS 2020, 2020).  (Rn. 10) (red. LS Andy Schmidt)
2. Eine formal und inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen genügende Widerrufsbelehrung in Verbraucherdarlehensverträgen wird nicht dadurch undeutlich, dass die Vertragsunterlagen an anderer Stelle einen inhaltlich nicht ordnungsgemäßen Zusatz enthalten (ebenso BGH BeckRS 2017, 131330).  (Rn. 11) (red. LS Andy Schmidt)

Verfahrensgang

27 O 5880/19 2019-10-17 LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die Berufung der Kläger gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 17.10.2019, Aktenzeichen 27 O 5880/19, wird zurückgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des insgesamt vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 35.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Parteien streiten über den Widerruf eines von der beklagten Bank gewährten Verbraucherdarlehens zur Finanzierung des Erwerbs eines Kfz. Hinsichtlich aller Einzelheiten des Verfahrens im ersten Rechtszug, auch der dort gestellten Anträge, wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf das Urteil des Landgerichts München I vom 17.10.2019 Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage durch den Klägern am 18.10.2019 zugestelltes Endurteil vom 17.10.2019 abgewiesen, weil der Widerruf verfristet gewesen sei. Dagegen wenden sich die Kläger mit ihrer am 18.11.2019 eingelegten Berufung, die sie nach Fristverlängerung bis 20.01.2020 am 17.01.2020 begründet haben. Die Gesetzlichkeitsfiktion greife wegen der Festlegung des täglich zu zahlenden Zinssatzes auf 0,00 € nicht. Die bekannte Rechtsprechung des BGH sei bereits überholt. Hierzu wird auf den Vorlagebeschluss des Landgerichts Ravensburg vom 07.01.2020, Az. 2 O 315/19 hingewiesen und die Vorlage an den europäischen Gerichtshof gemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV beantragt. Die Beklagte belehre undeutlich über die Widerrufsfolgen. Der Kaskadenverweis sei nicht klar und verständlich. Der BGH verstoße, indem er einen „acte clair“ behaupte, gegen seine Vorlagepflicht an den EuGH. Hieraus ergebe sich zumindest für die Instanzgerichte eine Pflicht zur Vorlage an den EuGH oder zumindest eine Pflicht zur Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung der Vorlagefragen durch den EuGH. Das unzulässige Aufrechnungsverbot in den AGB habe Auswirkungen auf die Widerrufsklausel. Die Wechselwirkung zwischen den Klauseln müsse gewürdigt werden. Die unwirksame Aufrechnungsklausel führe zwingend dazu, dass auch die Widerrufsklausel als unwirksam zu beurteilen sei. Ferner gebiete auch das europarechtlich verankerte Gebot der generalpräventiven Funktion der Richtlinie 93/13/EWG die Annahme der Unwirksamkeit der Widerrufsklausel.
Die Kläger beantragen in der Berufungsinstanz unter Abänderung des Urteils des LG München I vom 17.10.2019:
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 31.805,75 € zzgl. Zinsen ab Rechtshängigkeit zu zahlen Zug-um-Zug gegen Herausgabe des Kfz BMW 318d mit der Fahrzeugidentifikationsnummer …76 nebst Fahrzeugschlüsseln und Fahrzeugpapieren.
2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des vorgenannten Kfz in Annahmeverzug befindet.
3. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung aus einem Gegenstandswert über 30.983,78 € in Höhe von 1.809,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 07.02.2018 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt in der Berufungsinstanz:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Senat hat die Kläger mit seinem am 27.01.2020 zugestellten Beschluss vom 20.01.2020 darauf hingewiesen, dass er unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beabsichtige, die Berufung durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Dem sind die Kläger mit Schriftsatz vom 24.02.2020 entgegengetreten. Sie rügen die Verletzung rechtlichen Gehörs. Soweit der BGH die Vorlage des LG Saarbrücken zum sog. „Kaskadenverweis“ ignoriere, tue er dies lediglich, da seiner Ansicht nach die Richtlinie 2008/48/EG für Immobiliardarlehensverträge nicht einschlägig sei. Der Senat setze sich mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht ausreichend auseinander. Bezeichnend dafür, dass offensichtlich berechtigte Zweifel an der Vereinbarkeit der Auslegung durch den XI. Zivilsenat mit dem Unionsrecht bestünden, sei der Vorlagebeschluss des LG Saarbrücken an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung vom 17.01.2029, Az. 1 O 164/18, der in dem Verfahren C-66/19 gemündet sei und in dem die Kommission der Europäischen Union bereits in ihrer Stellungnahme aus Mai 2019 mitgeteilt habe, dass sie die Auffassung der Kläger zu den Voraussetzungen des Gebots der Klarheit und Prägnanz nach Art. 10 Abs. 2 lit p) der Richtlinie 2008/48/EG teile. Gleiches gelte für die am 10.12.2019 – in Kenntnis der europa- und verfassungsrechtswidrigen Rechtsprechung des XI. Zivilsenats – ergangene Entscheidung des LG Freiburg im Verfahren zum Aktenzeichen 5 O 125/19, mit der aktuell die Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Verfahren C-66/19 beschlossen worden sei. Ein „acte clair“, der den XI. Zivilsenat dazu berechtigen würde, von einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union abzusehen, liege offenkundig nicht vor. Der XI. Zivilsenat des BGH verstoße sehenden Auges gegen seine sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergebende Vorlageverpflichtung. Diese bewusste Missachtung des Auslegungsmonopols des Gerichtshofs der Europäischen Union führe für den Kläger zum Entzug des gesetzlichen Richters. Zum Verzugszinssatz sei bereits nicht ersichtlich, wie sich der erkennende Senat hinsichtlich des Verzugszinssatzes im Hinblick auf die erfolgte Vorlage des Landgerichts Ravensburg auf die Rechtsprechung des BGH vom 05.11.2019 – XI ZR 650/18 zurückziehen wolle. Der BGH thematisiere die europarechtlichen Implikationen der Frage nicht. Es fehle an jedweder Abwägung der klägerischen Interessen gegenüber den Interessen der Beklagten. Zum Aufrechnungsverbot setze sich weder der BGH, noch der erkennende Senat mit der klägerischen Argumentation auseinander. Es bestehe eine Wechselwirkung zwischen der Aufrechnungsklausel und der Widerrufsklausel. Der Verbraucher werde aufgrund der Aufrechnungsklausel zu keinem Zeitpunkt in die Lage versetzt, sein Widerrufsrecht geltend machen zu können.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf das Urteil des Landgerichts München I vom 17.10.2019, den Hinweisbeschluss des Senats vom 20.01.2020 und die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 17.10.2019, Aktenzeichen 27 O 5880/19, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen. Die weiteren Ausführungen der Kläger mit Schriftsatz vom 24.02.2020 veranlassen keine geänderte Beurteilung:
1. Kaskadenverweisung:
Für sich klar und verständlich ist die Wendung, die Widerrufsfrist beginne „nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem Sie alle Pflichtangaben nach § 492 Abssatz 2 BGB […] erhalten haben.“. Mit der Passage „nach Abschluss des Vertrags“ übernahm die Beklagte den Gesetzestext aus § 355 Abs. 2 S. 2 BGB. Eine weitere Präzisierung des dort gemeinten Zeitpunkts konnte von ihr nicht verlangt werden. Der Unternehmer muss nicht genauer formulieren als der Gesetzgeber selbst. Ebenso klar und verständlich ist die Bezugnahme der Beklagten auf § 492 Abs. 2 BGB. Eine Verweisung auf eine konkret bezeichnete gesetzliche Vorschrift stellt keinen Verstoß gegen das Transparenzgebot dar. Das gilt insbesondere dann, wenn der Gesetzestext – wie hier das Bürgerliche Gesetzbuch und Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche – für jedermann ohne weiteres zugänglich ist. Ohne solche Verweisungen könnten allzu detaillierte, unübersichtliche, nur schwer durchschaubare oder auch unvollständige Klauselwerke entstehen. Es überspannte die Anforderungen des Verständlichkeitsgebots, verlangte man den gesonderten Abdruck oder die Aushändigung einer für den Geschäftszweig geltenden Vorschrift, die der Kunde unschwer einsehen kann. Diese im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen geltenden Grundsätze sind auf vorformulierte Widerrufsbelehrungen und Widerrufsinformationen der hier in Rede stehenden Art, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 BGB sind, übertragbar. Die Information zum Beginn der Widerrufsfrist leidet in ihrer Klarheit und Verständlichkeit auch nicht aufgrund des Umstands, dass die Beklagte den Regelungsgehalt des § 492 Abs. 2 BGB anhand von Beispielen erläuterte. Aus der Gesetzgebungsgeschichte und den Materialien der zum 30. Juli 2010 in Kraft getretenen Änderungen des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche ergibt sich, dass der Gesetzgeber selbst eine Erläuterung des Gehalts des § 492 Abs. 2 BGB anhand von Beispielen für sinnvoll erachtete. Das entspricht dem im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen geltenden Grundsatz, dass Beispiele den Regelungsgehalt einer Klausel erläutern und verständlich machen können. Eine nicht nur beispielhafte, sondern auf Vollständigkeit bedachte Auflistung der Pflichtangaben führte dagegen dazu, dass dem Verbraucher anstelle der von der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. L Nr. 133 vom 22. Mai 2008, S. 66) geforderten knappen und prägnanten eine redundante und kaum mehr lesbare „Information“ erteilt werden müsste (vgl. zum ganzen BGH, Urteil vom 22. November 2016 – XI ZR 434/15 -, BGHZ 213, 52-64, Rn. 16 ff, juris m.w.N.). Der BGH hat mit Beschluss vom 04.02.2020 – XI ZR 175/19 erneut – auch unter Berücksichtung der Argumentation des Landgerichts Saarbrücken in seinen Beschlüssen vom 17.01.2019 (WM 2019, 1444 ff) und vom 27.02.2019 (1 O 176/18, juris) entschieden, dass eine Vorlage nach Art. 267 Abs. 3 AEUV hinsichtlich der sog. Kaskadenverweisung nicht erforderlich ist. Soweit die Kläger einwenden, dass die Entscheidungen zur Kasksadenverweisung in Bezug auf Immobiliardarlehensverträge ergangen sei, hat der BGH nicht allein darauf abgestellt, dass die Richtlinie 2008/48/EG nach ihrem Art. 2 Abs. 2 Buchst. a und c auf den (Immobiliar-)Darlehensvertrag der Parteien keine Anwendung findet, sondern ausgeführt, dass der Wortlaut des Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der Richtlinie 2008/48/EG offenkundig und ohne dass für vernünftige Zweifel Raum bliebe, ergebe, dass in der Widerrufsinformation bei der Umschreibung der Bedingungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist nicht sämtliche Informationen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b der Richtlinie 2008/48/EG aufgelistet sein müssen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 4. Februar 2019 – 6 U 88/18, juris Rn. 23). Dem entspricht, dass die Studie der Generaldirektion Interne Politikbereiche, Fachabteilung A: Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik (Implementation of the Consumer Credit Directive, PE 475.083, 2012, S. 33 f. und S. 36 f.) die deutschen Regelungen zur Umsetzung der Richtlinie 2008/48/EG und den Verweis auf eine gesetzliche Vorschrift zwecks Umschreibung der Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist nicht als der Richtlinie widersprechend beanstandet hat (OLG Stuttgart, Beschluss vom 4. Februar 2019, aaO, Rn. 28). Schließlich ist das deutsche Gesetz und der Wille des deutschen Gesetzgebers derart eindeutig, dass eine entgegenstehende richtlinienkonforme Auslegung ausscheidet (Senatsurteil vom 3. Juli 2018 – XI ZR 702/16, WM 2018, 1601 Rn. 13; OLG Stuttgart, Beschluss vom 4. Februar 2019, aaO, Rn. 12 ff., 19) (siehe beispielhaft BGH, Beschluss vom 19. März 2019 – XI ZR 44/18 -, Rn. 17, juris). Da der Bundesgerichtshof diese Rechtsfrage bereits unter Anwendung der einschlägigen europarechtlichen Bestimmungen geklärt hat, besteht auch keine Veranlassung zur Vorlage an den EuGH oder zu einer Aussetzung des Verfahrens.
2. Aufrechnungsverbot:
In der Rechtsprechung des BGH ist geklärt, dass eine inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Widerrufsbelehrung nicht dadurch undeutlich wird, dass die Vertragsunterlagen an anderer, drucktechnisch nicht hervorgehobener Stelle einen inhaltlich nicht ordnungsgemäßen Zusatz enthalten (BGH, Urteil vom 10. Oktober 2017 – XI ZR 443/16 -, Rn. 25, juris). Erst recht gilt dies ohne Rücksicht auf die Art ihrer Gestaltung, soweit Zusätze außerhalb der Widerrufsbelehrung zwar eine unzulässige und damit unwirksame Abweichung von Vorschriften des Verbraucherschutzrechts aufweisen, aber nicht in Zusammenhang mit der Unterrichtung über das Widerrufsrecht als solches stehen. Dass diein den Darlehensvertrag einbezogenen AGB der Beklagten eine unwirksame Regelung zu einer Beschränkung der Aufrechnungsbefugnis enthalten, ist damit für die Ordnungsmäßigkeit der Widerrufsbelehrung ohne Auswirkung (BGH, Beschluss vom 02. April 2019 – XI ZR 463/18 -, juris). Denn eine formal und inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen genügende Widerrufsbelehrung wird nicht dadurch undeutlich, dass die Vertragsunterlagen an anderer, wie hier drucktechnisch nicht hervorgehobener Stelle (vgl. die AGB der Beklagten Nr.10.3), einen inhaltlich nicht ordnungsgemäßen Zusatz enthalten (BGH, Urteil vom 10. Oktober 2017 – XI ZR 443/16 -, Rn. 25, juris unter Verweis auf BGH, Urteil vom 16.12.2015, IV ZR 71/14, Rn.11). Die abweichende Meinung von Maier (VuR 2019, 142, 148) ist – soweit ersichtlich – vereinzelt geblieben und trifft das Problem nicht. Denn in der Aufrechnungsklausel der Beklagten ist nicht die Rede davon, das der Vertrag nicht widerruflich sei. Der BGH hat mit Beschluss vom 04.02.2020 – XI ZR 175/19 unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Rechtsprechung, insbesondere der von den Klägern angeführten Entscheidung des EuGH vom 16.01.2014, C-226/12 [Constructora Principado] entschieden, dass eine Vorlage nach Art. 267 Abs. 3 AEUV hinsichtlich der Auswirkungen einer unwirksamen vertraglichen Aufrechnungsbeschränkung auf die Widerrufsinformation nicht erforderlich ist. Dem schließt sich der Senat an.
3. Soweit sich die Kläger auf die Entscheidungen des LG Saarbrücken, des LG Freiburg und des LG Ravensburg berufen, schließt sich der Senat nicht deren Argumentation, sondern der – den Klägervertretern bekannten – Argumentation des Bundesgerichtshofs an.
4. Revisionsvorlage und Vorlage an den EuGH:
Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO für eine Revisionszulassung liegen nicht vor. Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 04.02.2020 XI ZR 175/19 erneut über die Vorlagepflicht betreffend die sog. Kaskadenverweisung und der Auswirkungen einer unzulässigen Aufrechnungsbeschränkung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen entschieden. Entsprechende Widerrufsbelehrung waren bereits Gegenstand der Entscheidungen des BGH im Termin vom 05.11.2019 (vgl. BGH, Urteile vom 05.11.2019 – XI ZR 650/18 und XI ZR 11/19). Es war eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung möglich, § 522 Abs. 2 Nr. 3, 4 ZPO. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten, weil die Rechtsverfolgung weder für die Kläger noch die Beklagte existentielle Bedeutung hat und das erstinstanzliche Urteil zutreffend begründet ist (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO; vgl. dazu Bericht und Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags vom 1. Juli 2011, BT-Drucks. 17/6406, Seite 9). Soweit der Senat zur Begründung weitere Gesichtspunkte, die die Entscheidung des Ersturteils untermauern, anführt, wird die Entscheidung weder auf eine umfassende neue rechtliche Würdigung gestützt, noch ist es erforderlich, die aufgeworfenen Rechtsfragen mündlich zu erörtern. Der Umstand, dass eine einheitliche Entscheidung des Revisionsgerichts in mehreren denselben Sachverhaltskomplex betreffenden Parallelverfahren angestrebt wird, gibt der Sache keine allgemeine, mithin grundsätzliche Bedeutung. Dies gilt auch dann, wenn es sich zwar um eine Vielzahl von Einzelverfahren handelt, es aber nicht ersichtlich ist, dass deren tatsächliches oder wirtschaftliches Gewicht Allgemeininteressen in besonderem Maße berührt (BGH, Beschluss vom 21. November 2018 – VII ZR 1/18 -, Rn. 13, juris, m.w.N.). Es liegt auch kein Fall der Divergenz vor. Die Revision ist zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung wegen Divergenz zuzulassen, wenn in der Entscheidung des Berufungsgerichts ein abstrakter Rechtssatz aufgestellt wird, der von einem in anderen Entscheidungen eines höheren oder eines gleichgeordneten Gerichts aufgestellten abstrakten Rechtssatz abweicht. Eine solche Abweichung ist nicht ersichtlich (vgl. BGH, Beschluss vom 28.06.2016, II ZR 290/15, Rn. 7, juris m.w.N.). Die Voraussetzungen für ein Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 Abs. 3 AEUV liegen nicht vor. Es bestehen keine vernünftigen Zweifel an der Auslegung des Unionsrechts, noch Zweifel an der Gesetzeskonformität des innerstaatlichen Umsetzungsrechts (vgl. BGH, Beschluss vom 04.02.2020 – XI ZR 175/19; BGH, Urteil vom 03.07.2018 – XI ZR 520/16; BGH, Urteil vom 22.05.2012 – XI ZR 290/11; EuGH, Urteil vom 06.10.1982 – Rs 283/81, NJW 1983, 1257, Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 148 ZPO, Rn. 3b).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.


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