Baurecht

Abgrenzung Außenbereich, Innenbereich, Rücksichtnahmegebot, Drittschutz, schädliche Umwelteinwirkungen (Lärm)

Aktenzeichen  9 CS 22.793

Datum:
5.5.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 10671
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5
BauGB §§ 34, 35 Abs. 2 und Abs. 3 S. 1 Nr. 3
Nr. 6
Nr. 7.4 TA Lärm.

 

Leitsatz

Verfahrensgang

AN 17 S 21.1513 2022-02-23 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen als Gesamtschuldner zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 6.250,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller sind Eigentümer des bebauten Grundstücks FlNr. …0/9 der Gemarkung B* … (B* Hellip-Straße **). Sie wenden sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Erweiterung und teilweise Nutzungsänderung seines Zimmereibetriebs auf dem nordwestlich gelegenen, etwa 180 m entfernten Grundstück (FlNr. …4).
An das Baugrundstück schließt sich im Süden ein in West-Ost-Richtung verlaufender öffentlicher Feld- und Waldweg (FlNr. …5) sowie das im westlichen Teil mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück (FlNr. …6) an. Auf dem südlich davon gelegenen Grundstück (FlNr. …7) befindet sich eine unbebaute Fläche, die u.a. als Reitplatz genutzt wird, sowie in etwa 90 m Entfernung ein Hofgebäude, an das sich weitere Gebäude anschließen. Östlich davon erstreckt sich ein Bebauungszusammenhang entlang der B* Hellip-Straße, zu der auch das Haus der Antragsteller gehört, das einerseits als Wohnhaus, andererseits von einer Beratungsfirma genutzt wird, deren Geschäftsführer der Antragsteller zu 2 ist.
Westlich des Vorhabengrundstücks, durch die in Nord-Süd-Richtung verlaufende R* …gasse getrennt, liegt der Erlebnisbauernhof „F* …hof“ (FlNr. …, R* … **). Von der R* …gasse zweigt etwa auf Höhe der südlichen Grenze des Grundstücks FlNr. …6 ein Wegegrundstück (FlNr. …1/10) nach Westen ab und weiter südlich, parallel zu diesem die M* Hellip-Straße, die auf beiden Seiten mit Wohnhäusern bebaut ist. Im Norden und Osten des Betriebsgrundstücks bzw. nördlich der B* Hellip-Straße schließen sich unbebaute Flächen an.
Das Landratsamt erteilte mit Bescheid vom 16. Juli 2021 die beantragte Genehmigung. Sie enthält zahlreiche immissionsschutzrechtliche Auflagen, darunter die Vorgabe, dass die Beurteilungspegel aus dem Betrieb des Vorhabens an den Wohnhäusern R* …gasse … (Erlebnisbauernhof „F* …hof“, Immissionsort IO 1) und R* …gasse … (Immissionsort IO 2) die Immissionsrichtwerte von tags 57 dB(A) und nachts 42 dB(A) sowie an den Immissionsorten IO 3 (B* Hellip-Straße 17, westlich des Anwesens der Antragsteller) und IO 4 (M* Hellip- Straße **) die Richtwerte von tags 52 dB(A) und nachts 37 dB(A) nicht überschreiten dürfen. Zudem werden lärmintensive Tätigkeiten im Freien auf bestimmte Zeiträume und Bereiche beschränkt. Bestandteile der Genehmigung sind neben den geprüften Bauvorlagen unter anderem die schalltechnische Untersuchung vom 17. April 2019, die Betriebsbeschreibung vom 14. Oktober 2019 sowie der Maschinenaufstellungsplan mit Angaben zum Fahrverkehr vom 11. Oktober 2019. Aus diesem ergibt sich, dass die betrieblichen „Fahrwege für Lkw/Pkw/Stapler“ nicht nur auf dem Betriebsgrundstück selbst, sondern auch auf dem geschotterten Feld- und Waldweg südlich des Betriebsgrundstücks (FlNr. …5) verlaufen. In der schalltechnischen Untersuchung wird dazu ausgeführt, dass dieser Weg nicht dem Betriebsgrundstück zugerechnet worden sei. Zusammenfassend kommt der Gutachter zum Ergebnis, dass die berechneten Beurteilungspegel (an IO 3 und IO 4) die in der Auflage enthaltenen Immissionsrichtwerte zur Tages- und zur Nachtzeit (von tags 52 dB(A), nachts 37 dB(A)) einhalten bzw. unterschreiten (IO 3 tags 50 dB(A), nachts 30 dB(A); IO 4 tags 45 dB(A), nachts 29 dB(A)).
Am 16. August 2021 erhoben die Antragsteller beim Verwaltungsgericht Ansbach Klage mit dem Antrag, den Baugenehmigungsbescheid vom 16. Juli 2021 aufzuheben. Ihren am 17. August 2021 gestellten Eilantrag (§ 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO), die aufschiebende Wirkung ihrer Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung anzuordnen, hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 23. Februar 2022 abgelehnt. Zur Begründung führte es aus, der Antrag sei unbegründet, weil die streitgegenständliche Baugenehmigung nicht gegen im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfende nachbarschützende Vorschriften verstoße. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit beurteile sich nach § 35 Abs. 2 BauGB. Mangels Bebauungszusammenhangs mit den umliegenden Baugebieten liege kein Fall des § 34 BauGB vor. Sowohl der R* …gasse als auch dem Wegegrundstück (FlNr. …1/10) komme trennende Wirkung zu. Der Reitplatz vermittle ebenfalls keinen Bebauungszusammenhang. Das Betriebsgrundstück bilde daher mit dem Wohngebäude auf dem Grundstück FlNr. …6, dem Erlebnisbauernhof „F* …hof“ (R* …gasse **) sowie einem weiteren Anwesen (FlNr. …4/1) einen Außenbereichssplitter, der selbst keinen bebauten Ortsteil (im Sinn des § 34 Abs. 1 BauGB) darstelle. Es fehle am erforderlichen städtebaulichen Gewicht und an einer organisch gewachsenen Siedlungsstruktur. Das streitgegenständliche Vorhaben verstoße nicht gegen das Rücksichtnahmegebot, weil aller Voraussicht nach gewährleistet sei, dass es keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervorrufe. Dabei liege das Grundstück der Antragsteller in einem faktischen Dorfgebiet. Die insofern heranzuziehenden Immissionsrichtwerte für ein Allgemeines Wohngebiet seien laut schalltechnischer Untersuchung eingehalten. Die dagegen von den Antragstellern erhobenen Einwände griffen nicht durch. Schließlich sei der geltend gemachte Belang der gesicherten Erschließung eines Vorhabens grundsätzlich nicht drittschützend und die Voraussetzungen für einen Ausnahmefall seien nicht gegeben. Es liege bei Abwägung aller Umstände keine für die Antragsteller unzumutbare Verkehrssituation vor.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsteller. Sie haben beantragt,
I. unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 23. Februar 2022 die aufschiebende Wirkung der Klage, Az. AN 17 K 21.01514, gegen den Bescheid des Landratsamtes Weißenburg-Gunzenhausen vom 16. Juli 2021, Az. 41-602/1-18/0033, anzuordnen sowie
II. unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 23. Februar 2022 dem Beigeladenen einstweilen aufzugeben, die Bauarbeiten sofort einzustellen und alle Maßnahmen zum Ausführen des Bauvorhabens zu unterlassen.
Antragsgegner und Beigeladener verteidigen den angefochtenen Beschluss und haben beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die fristgerecht dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung oder Aufhebung der gerichtlichen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der gegen die Baugenehmigung gerichteten Anfechtungsklage zu Recht abgelehnt. Nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung wird die Klage der Antragsteller gegen den Genehmigungsbescheid vom 16. Juli 2021 im Hauptsacheverfahren voraussichtlich erfolglos bleiben, weil keine die Antragsteller schützenden Rechtsnormen verletzt sind. Daher ist ihr Interesse an der Herstellung der aufschiebenden Wirkung gegenüber dem Vollzugsinteresse nachrangig.
1. Aus den vom Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss dargelegten Gründen spricht nach Aktenlage Überwiegendes dafür, dass das Vorhabengrundstück dem bauplanungsrechtlichen Außenbereich im Sinn des § 35 BauGB zuzuordnen ist und nicht zusammen mit dem Grundstück der Antragsteller in einem faktischen Wohngebiet liegt.
Soweit das Verwaltungsgericht einen Bebauungszusammenhang des Baugrundstücks des Beigeladenen im Sinn des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB mit dem Ortsteil B* … verneint hat, begegnet dies bei summarischer Prüfung auf der Grundlage der fristgerecht dargelegten Gründe keinen durchgreifenden Bedenken. Der Senat hat in seinem Beschluss vom heutigen Tag im Verfahren 9 CS 22.3, in dem die Eigentümerin des Grundstücks FlNr. …6 Rechtsmittelführerin war, Folgendes ausgeführt, das für die entsprechenden Einwendungen der Antragsteller ebenfalls gilt:
„Maßgeblich ist dafür, ob und inwieweit eine tatsächlich aufeinanderfolgende Bebauung – trotz etwa vorhandener unbebauter, aber bebauungsfähiger Grundstücke (Baulücken im engeren Sinne) oder freier Flächen, die wegen ihrer natürlichen Beschaffenheit oder wegen ihrer besonderen Zweckbestimmung einer Bebauung entzogen sind – den Eindruck der Geschlossenheit (Zusammengehörigkeit) vermittelt (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2012 – 4 C 10.11 – juris Rn. 11; BayVGH, U.v. 23.4.2013 – 9 B 11.2375 – juris Rn. 21). Darüber, wo die Grenze des Bebauungszusammenhangs verläuft, ist nicht nach geographisch-mathematischen Maßstäben, sondern aufgrund einer umfassenden, die gesamten örtlichen Gegebenheiten erschöpfend würdigenden Wertung und Bewertung des konkreten Sachverhalts zu entscheiden (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 6.11.1968 – 4 C 2.66 – juris Rn. 17; U.v. 19.4.2012 – 4 C 10.11 – a.a.O.). Geländehindernisse, Erhebungen, aber auch Einschnitte im Landschaftsbild, wie etwa ein Fluss oder ein Graben, unterbrechen hierbei jedenfalls im Regelfall einen Bebauungszusammenhang. Ebenfalls anerkannt ist, dass sich mit wachsender Größe einer Freifläche deren trennender Eindruck verstärken kann und dass eine Straße nicht immer oder auch nur regelmäßig eine verbindende Funktion hat (vgl. zu alledem zusammenfassend BVerwG, U.v. 19.4.2012 – 4 C 10.11 – a.a.O. Rn. 12 m.w.N.).
Gemessen daran sprechen gute Gründe dafür, dass aufgrund der sich an das Anwesen der Antragstellerin im Süden anschließenden Freiflächen auf dem Grundstück FlNr. …7 kein Bebauungszusammenhang zum Innenbereich des Ortsteils B* … besteht. Das Verwaltungsgericht hat insofern auf den erheblichen Abstand zwischen dem südlich gelegenen Hofgebäude und dem Wohnhaus der Antragstellerin (rund 90 m) verwiesen und darauf abgestellt, dass der dazwischenliegende Reit- und Grünbereich einerseits selbst keine maßstabsbildende Kraft entfaltet (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2012 – 4 C 10.11 – juris Rn. 13 m.w.N.) und andererseits der optische Eindruck der Geschlossenheit durch diesen unterbrochen wird, so dass es an einer maßstabsbildenden Wirkung fehlt. Es spricht nach Aktenlage vieles dafür, dass die Gebäude nicht geschlossen bzw. zusammengehörig, sondern vielmehr deutlich voneinander abgesetzt wirken und dass die Freifläche in die im Westen angrenzenden Außenbereichsflächen eingebunden sein dürfte. Der insofern von der Antragstellerin erhobene Einwand, es handle sich um keinen gewöhnlichen Reitplatz, sondern um eine Betriebsfläche des angrenzenden Reiterhofs, greift nicht durch. Dass die unbebauten Bereiche dem Hofgebäude als typische Bestandteile der Anlage erkennbar zugeordnet wären, so dass sich daraus der Eindruck der Geschlossenheit ergeben könnte (vgl. BVerwG, B.v. 17.6.1993 – 4 C 17.91 – juris Rn. 11 f.), ist nicht ersichtlich. Ein befestigter Reitplatz stellt grundsätzlich keine Bebauung dar (vgl. BVerwG, B.v. 6.3.1992 – 4 B 35.92 – juris Rn. 5; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand August 2021, § 34 Rn. 19). Daher erscheint es nachvollziehbar, dass die Fläche nach außen als unbebauter Bereich erscheint und nicht geeignet ist, an der Entstehung eines Bebauungszusammenhangs mitzuwirken (vgl. BayVGH, U.v. 17.5.2019 – 1 B 17.2077 – juris Rn. 19 m.w.N.). Entsprechendes gilt für die Freifläche zwischen dem F* …hof (FlNr. …4) und den südlich, in etwa 60 m Entfernung gelegenen Wohngebäuden (M* Hellip- Straße … …, FlNr. …1/8, …1/9). Sie dient nach den Angaben der Antragstellerin zwar ebenfalls dem dortigen Betriebskonzept, dürfte aber auch aufgrund der teilweisen Bewaldung die Wirkung eines unbebauten Bereichs nach außen entfalten. Schließlich vermittelt die Bebauung im Bereich der R* …gasse und der M* Hellip- Straße keinen stark aufgelockerten, sondern eher einen engen bzw. aneinandergereihten Eindruck, was ebenfalls dafür spricht, dass die größeren Lücken durch den Reit- und Grünbereich (FlNr. …7) sowie die teils bewaldete landwirtschaftliche Fläche südlich des F* …hofs (FlNr. …4) den jeweiligen Zusammenhang entscheidend unterbrechen (vgl. BVerwG, B.v. 13.9.2012 – 4 C 4.12 – juris Rn. 6). Dies steht im Übrigen – neben der insofern trennenden Wirkung der R* …gasse – auch einem Bebauungszusammenhang zwischen den Häusern in der M* Hellip- Straße und dem Wohnhaus der Antragstellerin entgegen. Maßgeblich ist dabei auf die rein äußerlichen Verhältnisse abzustellen (vgl. BVerwG, B.v. 10.7.2000 – 4 B 39.00 – juris Rn. 7). Entgegen der Einwendung der Antragstellerin kommt es dagegen nicht entscheidend darauf an, aus welchen Gründen sich die jeweilige bauliche Entwicklung so vollzogen haben mag. Der Umstand, dass die Wohnbebauung entlang der M* Hellip- Straße im Unterschied zur Bebauung auf bestimmten Grundstücken östlich der R* …gasse städtebaulich geordnet verlaufen sein dürfte, führt nicht dazu, dass die tatsächlichen Verhältnisse ganz oder teilweise auszublenden wären. Der Eindruck der Geschlossenheit ist nicht von der Einhaltung eines bestimmten Ordnungsbildes abhängig (vgl. BVerwG, U.v. 22.3.1972 – 4 C 121.68 – juris Rn. 17). Ebenso wenig spielen Grundstücksgrenzen bei der Beurteilung eine entscheidende Rolle (vgl. Söfker a.a.O., § 34 Rn. 21 m.w.N.).
Das Verwaltungsgericht hat auch in nachvollziehbarer Weise dargelegt, dass die Bebauung auf dem Vorhabengrundstück (FlNr. …4) sowie auf den umliegenden Grundstücken (FlNr. …4, …4/1 und …6) sowohl in quantitativer, als auch in qualitativer Hinsicht keinen Ortsteil im Sinn des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bildet. Dabei ist es zu Recht davon ausgegangen, dass nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein Bebauungskomplex dafür nicht nur nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzen, sondern auch Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur sein muss (vgl. BVerwG, U.v. 6.11.1968 – 4 C 31.66 – BVerwGE 31, 20/26 f. = juris Rn. 23; B.v. 2.4.2007 – 4 B 7.07 – juris Rn. 4; BayVGH, U.v. 23.4.2013 – 9 B 11.2375 – juris Rn. 20 m.w.N.). Daran kann es bei einer völlig regellosen und in dieser Anordnung geradezu funktionslosen Bebauung fehlen, wobei auch eine historisch gewachsene Bebauung eine unorganische Splittersiedlung darstellen kann, wenn die Fortführung der Siedlungsstruktur eine angemessene Fortentwicklung der Bebauung innerhalb des gegebenen Bereichs nicht zulässt (vgl. BVerwG, B.v. 19.02.2014 – 4 B 40.13 – juris Rn. 5 m.w.N.; OVG ST, U.v. 26.8.2015 – 2 K 174/13 – juris Rn. 29). Das Beschwerdevorbringen gibt keinen Anlass, entgegen dem Verwaltungsgericht von einem Ortsteil auszugehen. Soweit die Einwendungen so zu verstehen sind, dass jedenfalls die Bebauung auf den Grundstücken FlNr. …4, …4, …4/1 und …6 einen Ortsteil darstellen soll, hätte es einer Auseinandersetzung mit der Frage der fehlenden organischen Siedlungsstruktur bedurft.
Vor allem weist das Verwaltungsgericht aber zutreffend darauf hin, dass ein derartiger Ortsteil jedenfalls nicht als faktisches allgemeines Wohngebiet einzuordnen sein dürfte, sondern eher als Dorf- oder Mischgebiet, in dem das Vorhaben nach der Art der baulichen Nutzung grundsätzlich zulässig wäre.“
2. Die Antragsteller können sich auch nicht mit Erfolg auf einen Verstoß der Baugenehmigung gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme berufen.
Dem hier über § 35 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB anwendbaren bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebot kommt drittschützende Wirkung zu, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, hängen wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BayVGH, B.v. 4.12.2019 – 15 CS 19.2048 – juris Rn. 23 m.w.N.; B.v. 9.6.2020 – 15 CS 20.901 – juris Rn. 27).
Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Beschluss eine Beeinträchtigung drittschützender Belange zu Recht verneint, weil das Vorhaben voraussichtlich in Bezug auf die Antragsteller keine schädlichen Umwelteinwirkungen (§ 3 Abs. 1, § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BImSchG) durch Geräuschimmissionen hervorrufen kann (§ 35 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB). Bei der Beurteilung hat es zutreffend die Technische Anleitung Lärm (TA Lärm) herangezogen und ist auf der Grundlage der vom Beigeladenen im Genehmigungsverfahren vorgelegten schalltechnischen Untersuchung vom 17. April 2019 und unter Berücksichtigung der immissionsschutzrechtlichen Nebenbestimmungen unter Nr. II.5. des Baugenehmigungsbescheids nachvollziehbar zu diesem Ergebnis gelangt. Grundsätzlich ist es zulässig, den Lärmschutz – wie hier geschehen – durch zielorientierte Festlegungen zu regeln (vgl. BayVGH, U.v. 16.10.2013 – 15 B 12.1808 – juris Rn. 15), wenn durch Nebenbestimmungen gewährleistet ist, dass diese Immissionsrichtwerte im regelmäßigen Betrieb auch eingehalten werden können (BayVGH, B.v. 18.10.2017 – 9 CS 16.883 – juris Rn. 26).
Die gegen die erstinstanzliche Eilentscheidung rechtzeitig (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) mit der Beschwerdebegründung erhobenen Einwendungen der Antragsteller vermögen die Richtigkeit dieser Annahmen des Verwaltungsgerichts nicht infrage zu stellen.
2.1 Auf die Überschreitung von Immissionsrichtwerten auf fremden Grundstücken (etwa auf FlNr. …, …4, …4/1 oder …6) können sich die Antragsteller mangels drittschützender Wirkung nicht mit Erfolg berufen. Dem entsprechend verhilft auch die fehlerhafte Einbeziehung von betrieblich verursachten Verkehrsgeräuschen auf dem öffentlichen Feld- und Waldweg FlNr. …5 ihrer Beschwerde nicht zum Erfolg. Insofern sowie hinsichtlich impulshaltiger Geräusche im Bereich des Gerüstlagers ist die schalltechnische Untersuchung vom 17. April 2019, die Bestandteil der Baugenehmigung wurde, zwar möglicherweise lückenhaft, aus der im Beschwerdeverfahren vorgelegten immissionsfachlichen Plausibilitätsprüfung vom 10. Februar 2022 ergeben sich jedoch keine relevanten Auswirkungen auf die Belange der Antragsteller, deren Wohngebäude in erheblicher Entfernung zu dem Wegegrundstück liegt (rund 180 m) und auch keinen maßgeblichen Immissionsort darstellt. In diesem Gutachten wird lediglich auf die Immissionsorte IO 1 und IO 2 (R* …gasse … und **) eingegangen. Es bestehen daher bei summarischer Prüfung keine fachlich begründeten Zweifel daran, dass die maßgeblichen Immissionsrichtwerte und das Spitzenpegelkriterium auf dem Grundstück der Antragsteller eingehalten werden.
2.2 Die Antragsteller können auch mit ihrer Kritik in Bezug auf die Berücksichtigung der übrigen Verkehrsgeräusche nicht durchdringen. Sie wiederholen insofern im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag, mit dem sich das Verwaltungsgericht bereits hinreichend auseinandergesetzt hat. Es ist nachvollziehbar davon ausgegangen, dass ihr Vortrag zu Geräuschen aufgrund von Rangier- und Parkvorgängen auf dem Betriebsgelände, die im Immissionsschutzgutachten berücksichtigt wurden, nicht hinreichend substantiiert ist und dass ihre Einwendungen im Ergebnis als nicht relevant anzusehen sind.
Gegen die Heranziehung von Nr. 7.4 Abs. 1 Satz 3 der TA Lärm bei der Beurteilung der Verkehrsgeräusche auf den öffentlichen Verkehrsflächen der R* …gasse bestehen ebenfalls keine Bedenken. Solche ergeben sich auch nicht aus der vorgelegten immissionsfachlichen Plausibilitätsprüfung.
2.3 Auch die Kritik an der schalltechnischen Untersuchung vom 17. April 2019 hinsichtlich der durch Holzbearbeitungsmaschinen verursachten Anlagengeräusche verfängt nicht. Soweit in der Beschwerdebegründung im Einzelnen Maschinen aufgeführt werden, die bereits Bestandteil der bisherigen Genehmigungen sind, sowie solche, die zusätzlich genehmigt wurden, erschließt sich nicht, warum die Genehmigung insofern unplausibel oder unvollständig sein soll. Der Maschinenaufstellungsplan (mit Angaben zum Fahrverkehr) vom 11. Oktober 2019 ist Gegenstand des Genehmigungsbescheids. Die Nebenbestimmung Nr. II. 5.8 regelt, dass lärmerzeugende Holzbearbeitungsmaschinen (grundsätzlich) nur innerhalb der Hallen betrieben werden dürfen. Die ins Freie führenden Türen, Tore und Fenster von Räumen, in denen derartige Maschinen und Anlagen betrieben oder lärmerzeugende Tätigkeiten durchgeführt werden, sind gemäß Auflage Nr. II. 5.11 geschlossen zu halten. Eine Ausnahme davon enthält die Nebenbestimmung Nr. II. 5.9, die abschließend regelt, welche lärmintensiven Maschinen für wie lange und in welchen Bereichen im Freien betrieben werden dürfen. Dies deckt sich mit der Betriebsbeschreibung, die wiederum Grundlage der schalltechnischen Begutachtung war. Der Gutachter ist im Übrigen sogar sicherheitshalber davon ausgegangen, dass die Tore zu 10% der Zeit (insofern wurde wiederum eine längere Betriebszeit von 16 Stunden als worst case-Szenario zugrunde gelegt) geöffnet sind (vgl. Behördenakte, Az. 18/0033T, S. 92, 95).
2.4 Entgegen dem Beschwerdevorbringen bestehen auch keine Bedenken im Hinblick auf die Überwachung der Auflagen. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass Nebenbestimmungen, die die Einhaltung von Immissionsrichtwerten sicherstellen sollen, ausnahmsweise ungeeignet sein können, wenn sich deren Einhaltung praktisch nicht oder nur mit einem nicht mehr vertretbaren Verwaltungsaufwand überwachen lässt und sie daher keinen zuverlässigen sowie dauerhaften Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen gewährleisten (BayVGH, B.v. 29.11.2006 – 25 ZB 05.1958 – juris Rn. 5 [unter Bezugnahme auf BVerwG, B.v. 3.1.1973 – IV B 171.12 – BRS 27, 123]; B.v. 14.8.2008 – 14 B 06.1181 – juris Rn. 35 m.w.N.). Etwas Anderes gilt jedoch dann, wenn etwaige Verstöße hinreichend manifestiert und deshalb nach pflichtgemäßem Ermessen der Bauaufsichtsbehörde zum Gegenstand bauaufsichtlicher Maßnahmen und Anordnungen gemacht werden können (BayVGH, B.v. 29.11.2006 – 25 ZB 05.1958 – a.a.O.).
Das Verwaltungsgericht hat einen gesteigerten Überwachungsaufwand anerkannt, aber nachvollziehbar dargelegt, warum dieser noch tragbar erscheint. Dem setzt die Beschwerdebegründung nichts Durchgreifendes entgegen. Hinsichtlich der Betriebszeiten bestimmter lärmintensiver Maschinen im Freien beschränkt sich die Überwachung auf einzelne Betriebsteile und es ist keine Vermischung mit weiteren Holzverarbeitungstätigkeiten zu befürchten. Im Übrigen kann als Überwachungsmittel in derartigen Fallkonstellationen auch eine Verpflichtung des Betriebsinhabers in Betracht kommen, den Einsatz bestimmter Geräte in zeitlicher Hinsicht selbst zu erfassen und die dabei gewonnenen Ergebnisse der Baurechtsbehörde vorzulegen (vgl. BVerwG, B.v. 22.12.2011 – 4 B 32.11 – juris Rn. 7).
3. Bezüglich der Erschließungssituation gibt die Beschwerde ebenfalls keinen Anlass zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Grundsätzlich entfaltet das Gebot ausreichender wegemäßiger Erschließung des Baugrundstücks weder in bauplanungsrechtlicher noch in bauordnungsrechtlicher Hinsicht nachbarschützende Funktion (vgl. BayVGH, B.v. 26.1.2021 – 9 ZB 18.2316 – juris Rn. 7 m.w.N.). Eine Ausnahme kommt in Betracht, wenn das genehmigte Bauvorhaben eine unmittelbar gegenständliche Inanspruchnahme des Nachbargrundstückes zur Folge hat (BayVGH, B.v. 18.2.2020 – 15 CS 20.57 – juris Rn. 30; B.v. 26.1.2021 – 9 ZB 18.2316 – juris Rn. 7 m.w.N.), was hier jedoch nicht der Fall ist. Soweit die Antragsteller geltend machen, die Belastung sei bei Abwägung aller Umstände unzumutbar (vgl. VGH BW, B.v. 15.11.2017 – 8 S 2101/17 – juris Rn. 7 m.w.N.), überzeugt dies nicht. Der insofern ausführlich begründeten Abwägung des Verwaltungsgerichts halten sie lediglich ihre eigene Bewertung entgegen. Vor allem begründen sie die von ihnen geltend gemachten Einwendungen nicht näher, etwa hinsichtlich des Umfangs der zu erwartenden Beeinträchtigungen, der mangelnden Erkennbarkeit entgegenkommender Fahrzeuge, der Ungeeignetheit der aufgezeigten Alternativen oder der Untragbarkeit möglicher Verkehrsrisiken.
4. Liegt somit voraussichtlich kein Verstoß der angefochtenen Baugenehmigung gegen Rechte der Antragsteller vor, besteht kein Anlass, von der gesetzgeberischen Entscheidung, dem Vollzugsinteresse eines Bauherrn gegenüber den Interessen Dritter (insbesondere von Nachbarn) in der Regel den Vorrang einzuräumen (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 212a Abs. 1 BauGB), abzuweichen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen entspricht der Billigkeit, weil dieser im Beschwerdeverfahren einen Antrag gestellt und damit ein Kostenrisiko übernommen hat (§ 154 Abs. 3 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs. Sie entspricht der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben