Baurecht

Absolutes Werbeverbot in öffentlichen Park- und Grünanlagen

Aktenzeichen  9 B 16.1952

Datum:
6.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 13649
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 161 Abs. 2
BayBO § 59 S. 1, § 68 Abs. 1
BauGB § 34 Abs. 2
BauNVO § 6

 

Leitsatz

1. Im Rahmen einer Entscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO kann die vorläufige Prüfung der Sach- und Rechtslage, die in einem gerichtlichen Hinweisschreiben zur Vorbereitung einer mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebracht wurde, Berücksichtigung finden. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

4 K 14.149 2014-10-28 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt.
II. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 28. Oktober 2014, Az. W 4 K 14.149 ist wirkungslos geworden.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Parteien hat sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt. In entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO wird das Verfahren eingestellt. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist wirkungslos geworden (§ 173 VwGO, § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO).
Über die Kosten ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Vorliegend entspricht es billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens der Beklagten aufzuerlegen (§ 154 Abs. 1, 2 VwGO). Zwar findet im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO eine weitere Sachaufklärung oder die Klärung schwieriger Rechtsfragen nicht statt (vgl. BayVGH, B.v. 20.7.2015 – 9 B 13.192 – juris Rn. 6). Im Hinblick auf die wegen der übereinstimmenden Erledigungserklärungen abgesetzte mündliche Verhandlung und die vorläufige Prüfung der Sach- und Rechtslage, wie sie im gerichtlichen Hinweisschreiben vom 22. März 2019 zur Vorbereitung dieser mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebracht wurde, kann diese jedoch Berücksichtigung finden. Danach blieb die Berufung der Beklagten bis zum Eintritt des erledigenden Ereignisses aufgrund einer Erweiterung des Prüfungsmaßstabs der Baugenehmigung auf die Abstandsflächenvorschriften durch das Gesetz zur Änderung der Bayerischen Bauordnung und weiterer Rechtsvorschriften vom 10. Juli 2018 (GVBl S. 523) voraussichtlich erfolglos. Die Beklagte beruft sich im Wesentlichen darauf, dass der Erteilung der Baugenehmigung Regelungen ihrer Werbeanlagensatzung sowie der Planfeststellungsbeschluss für den Ringschluss Ost vom 26. Oktober 1998 entgegenstünden.
Hinsichtlich der Werbeanlagensatzung erscheint unter Berücksichtigung der auf dem Grundstück bereits vorhandenen gewerblichen Nutzung eine Beeinträchtigung des nach Nord-Osten anschließenden Grünzuges wenig naheliegend, zumal nach den vorliegenden Luftbildaufnahmen dort weitere Parkplätze vorhanden sind. Da sich das Bauvorhaben nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts in einem dem unbeplanten Innenbereich zuzuordnenden faktischen Mischgebiet befindet, können dem Bauvorhaben auch im Rahmen der Werbeanlagensatzung nicht ohne Weiteres die Darstellungen einer öffentlichen oder privaten Grünfläche im Flächennutzungsplan oder im Landschaftsplan entgegengehalten werden. Zudem sind diese Darstellungen nicht parzellengenau, wie beispielsweise der Verlauf des Straßenkörpers, der ebenfalls durch die dargestellte Grünfläche führt, zeigt. Soweit nach der Werbeanlagensatzung ein absolutes Werbeverbot in öffentlichen Park- und Grünanlagen besteht, ist nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts und der tatsächlichen gewerblichen Nutzung des Grundstücks nicht davon auszugehen, dass das Baugrundstück überhaupt Teil einer derartigen Grünanlage ist. Eine entsprechende Widmung des Grundstücks wurde nicht vorgetragen und auch der Planfeststellungsbeschluss vom 26. Oktober 1998 trifft – unabhängig von der Frage, ob hinsichtlich des Baugrundstücks der tatsächliche Bestand überhaupt zutreffend erfasst wurde – insoweit keine bauplanungsrechtlich bindende Festsetzung. Hinsichtlich der übrigen angeführten Regelungen der Werbeanlagensatzung bestehen aufgrund der bauplanungsrechtlichen Beurteilung des Vorhabens nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 BauNVO erhebliche Zweifel an deren Verhältnismäßigkeit (vgl. BayVGH, B.v. 3.3.2016, 9 ZB 15.779 – juris Rn. 15; B.v. 12.1.2015 – 15 ZB 13.1896 – juris Rn. 16; BayVerfGH, E.v. 23.1.2012 – Vf. 18-VII-09 – juris Rn. 93, 106 f.)
Hinsichtlich des Planfeststellungsbeschlusses über den Ringschluss Ost vom 26. Oktober 1998 ist nach vorläufiger Prüfung der Sach- und Rechtslage äußerst fraglich, ob dieser ein dem Bauvorhaben schlechthin nicht ausräumbares entgegenstehendes Hindernis darstellt, welches eine Ablehnung der Baugenehmigung gegebenenfalls nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BayBO rechtfertigen könnte. Aus den vorgelegten Planunterlagen ergibt sich nicht eindeutig, dass das Baugrundstück Teil der Folgemaßnahmen, insbesondere der naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen, ist. Das verfahrensgegenständliche Grundstück wird im Planfeststellungsbeschluss nicht erwähnt und ist auch im Maßnahmeplan lediglich als Bestand aufgeführt. Die Erfassung des Bestands als Grünfläche erscheint im Hinblick auf die – auch damals bereits – tatsächlich vorhandene gewerbliche Nutzung allerdings äußerst fraglich. Dass das Grundstück an der enteignungsrechtlichen Vorwirkung des Planfeststellungsbeschlusses teilnimmt, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Es kann daher nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Beklagte, die auch nicht vorgetragen hat, Eigentümerin des Grundstücks zu sein, eine Nutzung des Grundstücks als Grünfläche überhaupt realisieren kann. Die Planung zweier Baumpflanzungen im Planfeststellungsbeschluss auf dem Baugrundstück, die im Übrigen bislang weder vollzogen noch absehbar ist, dürfte kaum als Festsetzung einer exakten Standortvorgabe anzusehen sein und damit dem Bauvorhaben ebenfalls nicht entgegenstehen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.1.2.3.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1, § 158 Abs. 2 VwGO).


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