Baurecht

Abwägungsgebot und Gebot der Konfliktbewältigung in der Bauleitplanung

Aktenzeichen  2 N 15.619

Datum:
15.3.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 47 Abs. 2a
BauGB BauGB § 1 Abs. 7
BauGB BauGB § 3 Abs. 2
BauGB BauGB § 4a Abs. 3
DIN 18005

 

Leitsatz

1 Ein Unterfall des Gebots der Konfliktbewältigung ist der von der Rechtsprechung vor allem im Zusammenhang mit dem vorbeugenden Immissionsschutz (vgl. auch § 50 BImSchG) entwickelte Trennungsgrundsatz, also der Grundsatz der angemessenen (räumlichen) Trennung sich sonst beeinträchtigender Nutzungen. Insbesondere, wenn der auftretende Konflikt durch gezielte Festsetzung von Schutzmaßnahmen vermieden werden kann, sind auch an sich eher unverträgliche Nutzungen nebeneinander möglich.   (redaktioneller Leitsatz)
2 Ebenfalls zu berücksichtigen sind insoweit bisher vorhandene Vorbelastungen. Selbst wenn ein Konflikt nicht gänzlich durch bauplanerische Maßnahmen ausgeglichen werden kann, kann in einem bestimmten Umfang mit Rücksicht auf andere Belange im Rahmen der Abwägung diesen Belangen, welche die Beeinträchtigung mit hervorrufen, ein vorrangiges Gewicht eingeräumt werden. Zudem ist es möglich, auf nachfolgende Maßnahmen im Vollzug zu verweisen, durch die planerisch nicht ausgeglichene Beeinträchtigungen einer Lösung zugeführt werden können. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller zu 7., 8. sowie 9. tragen je ein Siebtel der Kosten des Verfahrens. Die Antragsteller zu 1. und 2., 3. und 4., 5. und 6. sowie 10. und 11. tragen jeweils als Gesamtschuldner je ein Siebtel der Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragsteller können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zu gelassen.

Gründe

Der zulässige Normenkontrollantrag (§ 47 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 VwGO ist unbegründet. Die geltend gemachten Bedenken gegen die formelle und materielle Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bebauungsplans bestehen nicht.
1. Der Antrag ist zulässig.
Die erforderliche Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist gegeben. Antragsbefugt sind natürliche oder juristische Personen, wenn sie geltend machen können, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt werden zu können. Dies setzt voraus, dass die Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vortragen, die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass sie durch die Norm in ihren Rechten verletzt werden (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BVerwG, U.v. 18.11.2002 – 9 CN 1.02 – BVerwGE 117, 209). Nur dann, wenn eine Rechtsverletzung offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausscheidet, kann die Antragsbefugnis verneint werden. Die Antragsteller sind alle Eigentümer bzw. Miteigentümer von bebauten Grundstücken in der Siedlung A … Diese ist lediglich durch die S-Bahn-Linie vom Bebauungsplangebiet getrennt. Der Schutz der Wohnbebauung der Antragsteller vor Immissionen stellt grundsätzlich einen im Rahmen des Bauleitplanverfahrens abwägungserheblichen privaten Belang dar. Die Antragsteller haben insoweit – die Zulässigkeit betreffend – noch hinreichend substantiiert dargelegt, dass dieser Belang von der Antragsgegnerin möglicherweise bei der Abwägung fehlerhaft behandelt worden ist.
2. Der angegriffene Bebauungsplan ist nicht bereits wegen formeller Fehler unwirksam.
a) Die Auslegung nach § 3 Abs. 2 BauGB war nicht fehlerhaft. Die öffentliche Auslegung des Entwurfs des Bebauungsplans mit der Begründung erfordert, dass jeder Interessierte ohne Weiteres in die Unterlagen Einblick nehmen kann, d.h. ohne noch Fragen und Bitten an die Bediensteten der Gemeinde stellen zu müssen oder gezwungen zu sein, nach Bestandteilen der ausgelegten Unterlagen und Akten zu suchen. Die auszulegenden Unterlagen müssen an dem in der öffentlichen Bekanntmachung genannten Ort vollständig, sichtbar, griffbereit und als zusammengehörig erkennbar der Öffentlichkeit zugänglich sein (vgl. VGH BW, U.v. 22.9.2004 – 5 S 382/03 – NVwZ-RR 2005, 773). Diesen Anforderungen ist vorliegend genügt. Die Unterlagen waren im Gang des Rathauses an der in der Bekanntmachung genannten Stelle auf einem kleinen dreibeinigen, dreieckigen Tisch ausgelegt. § 3 Abs. 2 BauGB stellt keine weiteren Anforderungen an die Bequemlichkeit der Einsichtnahme. Zugegebenermaßen ist die Einsichtnahme auf dem kleinen, dreieckigen Tisch, auf dem es nur eingeschränkt möglich war, den ausgelegten Ordner auszuklappen oder den Planteil in vollem Umfang hinzulegen, und bei dem auch keine Sitzgelegenheit vorhanden war, nicht als optimal zu bezeichnen. § 3 Abs. 2 BauGB verlangt jedoch nur die Zugänglichkeit der Unterlagen. Dies war vorliegend gewährleistet. Im Fall des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (U.v. 22.9.2004 – 5 S 382/03 – NVwZ-RR 2005, 773) waren die Unterlagen in einem Schaukasten, teilweise tief hängend, ausgelegen. Eine Einsichtnahme war hier nur in gebückter Haltung oder auf einem Stuhl sitzend möglich. Im vorliegenden Fall konnten die Unterlagen sogar in die Hand genommen und ggfs. auch einzeln herausgenommen und gelesen werden. Die Auslegung ist daher nicht als fehlerhaft zu betrachten.
b) Es liegt weiterhin kein Verstoß gegen § 4a Abs. 3 BauGB vor, weil die Änderungen der Planung nicht bei der letzten Auslegung hinreichend kenntlich gemacht wurden. Dies war nicht erforderlich, da die Gemeinde ein ergänzendes Verfahren zur Behebung von Fehlern nach § 214 Abs. 4 BauGB durchgeführt hat und das bereits abgeschlossene Bebauungsplanverfahren ab dem Zeitpunkt der Auslegung nach § 3 Abs. 2 BauGB neu durchgeführt hat. Die Vorschrift des § 4a Abs. 3 BauGB hingegen betrifft das noch nicht abgeschlossene Bebauungsplanverfahren, bei welchem die Auslegung nach § 3 Abs. 2 BauGB wegen Änderungen nach der Auslegung erneut und ggfs. beschränkt auf die geänderten Teile oder mit verkürzter Auslegungsfrist durchgeführt wird. In diesem Fall sind die im Vergleich zur vorherigen Auslegung geänderten Teile entsprechend kenntlich zu machen. Dies war hier jedoch gerade nicht der Fall, da das bereits abgeschlossene Bebauungsplanverfahren ab dem Verfahrensschritt der Auslegung nach § 3 Abs. 2 BauGB vollständig zur Heilung von Fehlern gemäß § 214 Abs. 4 BauGB wiederholt wurde.
c) Der Bebauungsplan leidet auch nicht an einem formellen Fehler, weil in der Bekanntmachung vom 25. Juli 2016 zur Auslegung nach § 3 Abs. 2 BauGB in der Zeit vom 2. August bis 2. September 2016 auf die Präklusionswirkung nach § 47 Abs. 2a VwGO hingewiesen wurde.
Die Antragsteller vertreten unter Hinweis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 15. Oktober 2015 (Rs. C-137/14 – juris) die Auffassung, dass der Hinweis auf die Präklusionswirkung nach § 47 Abs. 2a VwGO mit unionsrechtlichen Vorgaben unvereinbar ist, weil die Formulierung geeignet sei, Einwender von der Geltendmachung ihrer Bedenken abzuhalten. Zunächst ist festzuhalten, dass die in der Bekanntmachung gewählte Formulierung unstreitig den Vorgaben des § 47 Abs. 2a VwGO entspricht. Im Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof rügte die Kommission, dass die Beschränkung der Klagebefugnis in § 2 Abs. 3 UmwRG und in § 73 Abs. 4 VwVfG gegen Art. 11 der Richtlinie 2011/92 und Art. 25 der Richtlinie 2010/75 verstößt. Die Rechtsordnung der Union lasse es nicht zu, dass die Zulässigkeit von Rügen vor Gericht davon abhängig gemacht werde, dass sie vorher im Rahmen des Verwaltungsverfahrens geltend gemacht worden seien. Dies mag grundsätzlich auch auf die Präklusionswirkung des § 47 Abs. 2a VwGO zutreffen. Ähnlich wie bei einer fehlerhaften Belehrung nach § 47 Abs. 2a VwGO in einer Bekanntmachung kann dies aber lediglich zur Folge haben, dass ein Einwender im gerichtlichen Verfahren nicht mit seinen nicht im Verwaltungsverfahren geltend gemachten Einwendungen präkludiert und damit der Zugang zu den Gerichten uneingeschränkt möglich ist. Nur die Herstellung des uneingeschränkten Zugangs zu den Gerichten war für die Kommission bei ihrer Rüge vor dem Europäischen Gerichtshof erheblich und wurde vom Europäischen Gerichtshof bestätigt. Die Behauptung der Antragsteller, ein Einwender werde von der Geltendmachung seiner Bedenken abgehalten, spielte in der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs hingegen keine Rolle. Dieser bemängelte lediglich, dass eine einem Rechtsmittelführer auferlegte Beschränkung hinsichtlich der Art der Gründe, die er vor Gericht geltend machen darf, das für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der ihn betreffenden Verwaltungsentscheidung zuständig ist, nicht durch Erwägungen gerechtfertigt werden kann, die auf die Wahrung des Grundsatzes der Rechtssicherheit abstellen. Es sei keineswegs erwiesen, dass eine umfassende gerichtliche Kontrolle der sachlichen Richtigkeit dieser Entscheidung diesem Grundsatz abträglich sein könnte (vgl. EuGH, U.v. 15.10.2015 – Rs. C-137/14 – juris).
3. Der Senat sieht auch keine materiellen Fehler, welche die Unwirksamkeit des angegriffenen Bebauungsplans begründen können.
a) Ein Verstoß gegen § 1 Abs. 4 BauGB, nach welchem Bauleitpläne an die Ziele der Raumordnung (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG) anzupassen sind, ist nicht erkennbar. Gemäß Ziffer 3.3 Abs. 2 BayLEP 2013, der als Ziel formuliert ist, sind neue Siedlungsflächen möglichst in Anbindung an geeignete Siedlungseinheiten auszuweisen. Unstreitig liegt keiner der in diesem Ziel im Weiteren definierten Ausnahmefälle vor.
Vorliegend existiert östlich der Kreisstraße bereits ein größeres Gewerbegebiet im Bereich der F …- …-Straße, das auch weit einsehbar ist. Daran schließt sich nur durch die Kreisstraße getrennt das hier geplante Baugebiet an. Die F …- …-Straße wird auf der westlichen Seite der Kreisstraße zum H …weg, welcher die nördliche Begrenzung des geplanten Baugebiets darstellt. Auf der nördlichen Seite der F …- …-Straße reicht die Bebauung bis zur Kreuzung mit der Kreisstraße heran (FlNr. 912/7 / F …- …-Straße 1). Südlich der F …- …-Straße beginnt die Bebauung auf dem Grundstück FlNr. 292/19 (F …- …-Straße 2). Das direkt an der Kreisstraße gelegene Grundstück (FlNr. 344) ist derzeit noch landwirtschaftlich genutzt. In diesem Bereich stellt der Flächennutzungsplan bereits auf der nördlichen Teilfläche an das vorhandene Gewerbegebiet entlang der F …- …-Straße anschließend ein Gewerbegebiet dar (Nr. 201). Dies wird im Süden durch einen den Waldrand des Bannwalds aufnehmenden, gezackten Waldsaum abgegrenzt. Das mit dem angegriffenen Bebauungsplan geplante Gewerbegebiet setzt die auf der anderen Seite der Kreisstraße beabsichtigte Planung fort und nimmt auch den Waldsaum als Abgrenzung zur Rodungsinsel auf. Insbesondere die bestehende Bebauung F …- …-Straße 1 ist von dem geplanten Baugebiet lediglich durch die Straßenkreuzung mit der Kreisstraße getrennt, was ca. einer Entfernung von 50 – 60 m entspricht (Luftlinie). Darüber hinaus kann auch von einer Anbindung auf der westlichen Seite gesprochen werden. Unabhängig davon, ob die Siedlung A … mit 16 Hauptgebäuden bauplanungsrechtlich als Innenbereich oder als Außenbereich zu qualifizieren ist und welchem Gebietscharakter nach der Baunutzungsverordnung die Siedlung entsprechen würde, schließt das geplante Gewerbegebiet die Lücke zwischen der solitär an den Waldrand gebauten Siedlung A … und dem Gewerbegebiet entlang der F …- …-Straße. Die Geeignetheit einer Siedlungseinheit im Sinn des BayLEP 2013 ist lediglich nach landesplanerischen Gesichtspunkten zu beurteilen, auf die bauplanungsrechtliche Einstufung oder sich aus der Bauleitplanung eventuell ergebenden Konflikten kommt es insoweit nicht an. Landesplanerisch stellt die geplante Bebauung einen Lückenschluss dar. Der für das Plangebiet vorgesehene Waldsaum soll auch südlich entlang der Siedlung A … weitergeführt werden und damit den Anschluss an den Bannwald schaffen und die in Richtung S. bestehende Rodungsinsel klarer definieren, deren Kontur durch die Siedlung A … derzeit deutlich beeinträchtigt ist. Im Übrigen hat die zuständige höhere Landesplanungsbehörde in ihrer fachlichen Stellungnahme vom 16. Februar 2012, bestätigt durch die weitere fachliche Stellungnahme vom 30. Mai 2016, die Planung als südliche Arrondierung sowie neue Erschließung eines bereits im Flächennutzungsplan dargestellten Gewerbegebiets bezeichnet und festgestellt, dass der Planung Erfordernisse der Raumordnung grundsätzlich nicht entgegenstehen.
b) Es sind auch keine Mängel in der Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB ersichtlich. Mängel im Abwägungsvorgang sind zudem nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind (§ 214 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB).
Nach dieser Bestimmung sind bei der Aufstellung von Bauleitplänen die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander abzuwägen. Ein Abwägungsmangel liegt vor, wenn eine Abwägung überhaupt nicht vorgenommen worden ist, wenn in die Abwägung Belange nicht eingestellt worden sind, die nach Lage der Dinge eingestellt hätten werden müssen, wenn die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den verschiedenen Belangen in einer Weise vorgenommen worden ist, der die objektive Gewichtung eines dieser Belange verfehlt (vgl. BVerwG, U.v. 12.12.1969 – IV C 105.66 – BVerwGE 34, 301/309). Das Abwägungsgebot erlaubt bei einer Planungsentscheidung einen besonders flexiblen und dem Einzelfall gerecht werdenden Interessenausgleich unter maßgeblicher Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Maßgebend ist nur, ob der erhebliche Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt worden ist und ob anhand dieses Sachverhalts alle sachlich beteiligten Belange und Interessen der Entscheidung zugrunde gelegt sowie umfassend und in nachvollziehbarer Weise abgewogen worden sind (vgl. auch BVerfG, B.v. 19.12.2002 – 1 BvR 1402/01 – NVwZ 2003, 350).
aa) Es ist kein Verstoß gegen das Abwägungsgebot im Hinblick auf die gerügte nicht ausreichende Prüfung von externen Standortalternativen zu erkennen. Die Antragsgegnerin hat sich bereits im Rahmen der Aufstellung des Flächennutzungsplans umfassend mit Standorten für mögliche künftige Gewerbegebiete befasst und ein entsprechendes Konzept aufgestellt. Im Rahmen der 4. Änderung des Flächennutzungsplans wurde hinsichtlich des nun verfahrensgegenständlichen Plangebiets die Darstellung an die nunmehrige Planung angepasst und insbesondere auf Forderung der zuständigen Fachbehörde der das Gebiet südlich einrahmende Waldsaum gezackt statt in gerader Linie dargestellt. Gleichzeitig wurde die Nettobaufläche von bisher 3,04 ha leicht erhöht auf 3,24 ha.
Im Hinblick auf das gemeindliche Planungsermessen erweist sich eine Bauleitplanung unter dem Aspekt der Alternativenabwägung nur dann als rechtsfehlerhaft, wenn sich eine andere als die gewählte Lösung unter Berücksichtigung aller abwägungserheblicher Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere Variante hätte aufdrängen müssen (vgl. BayVGH, U.v. 24.5.2012 – 2 N 12.448 – juris; OVG RhPf, U.v. 23.1.2013 – 8 C 10782/12 – NVwZ-RR 2013, 586).
Die Antragsteller sind zunächst der Auffassung, dass im Rahmen der Aufstellung des Flächennutzungsplans keine belastbare Standortprüfung stattgefunden habe. Dazu beziehen sie sich auf den Erläuterungsbericht zum Flächennutzungsplan, hier konkret auf Seite 90 betreffend die Gewerbegebiete Nr. 201 (FlNr. 344 südlich der F …- …-Straße) und Nr. 202 (hier verfahrensgegenständliches Plangebiet). Dem Erläuterungsbericht lässt sich entnehmen, dass die Antragsgegnerin gerade einen Alternativstandort zu diesen beiden Standorten geprüft hat, nämlich zwischen der Bahnlinie und der Kreisstraße unmittelbar an den Nordrand von S. anschließend. Die Antragsgegnerin hat sich laut Erläuterungsbericht nach Abgleich der Standortfaktoren (Erschließung, Hauptbeziehung nach München, Beziehung zum Ort) für die Gebiete Nrn. 201 und 202 entschieden. Die Planfertiger haben zwar den Alternativstandort bevorzugt, weil eine Vergrößerung der Gebiete Nrn. 201 und 202 auf Dauer nicht möglich ist und der Bereich der Rodungsinsel von außen her eingeschränkt wird. Die Antragsgegnerin sah jedoch auch die Ausdehnung des Alternativstandorts nach Norden durch die Sehstrahlmethode begrenzt und bevorzugte die Gebiete Nrn. 201 und 202, weil dadurch der Rand der Rodungsinsel nach innen wiederhergestellt werden kann, der durch Sturmschäden an einer empfindlichen Stelle aufgerissen und nurmehr sehr schmal ausgebildet war. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass sich aus dem Erläuterungsbericht entgegen der Auffassung der Antragsteller deutlich ergibt, dass sich die Antragsgegnerin mit einem Alternativstandort befasst hat. Die Tatsache, dass sie entgegen der Empfehlung der Planfertiger sich für die Standorte Nrn. 201 und 202 entschieden hat, führt nicht zu einer Unwirksamkeit des Flächennutzungsplans als solchem oder einer grundlegend fehlerhaften Standortauswahl. Die Entscheidung ist im Erläuterungsbericht hinreichend begründet und nachvollziehbar.
Die Antragsteller tragen zudem vor, dass sich die Situation seit Aufstellung des Flächennutzungsplans grundlegend durch den Bau der Umgehungsstraße geändert habe. Dadurch seien einzelne Alternativstandorte deutlich besser geeignet. Insoweit ist festzustellen, dass der Flächennutzungsplan bei seiner Aufstellung bereits die nunmehr realisierte Trasse der Ortsumgehung enthalten hat. Die Trasse war bekannt und wurde bei der Planung allgemein auch berücksichtigt.
Die Antragsteller führen im Einzelnen mehrere Alternativstandorte an, die aus ihrer Sicht besser geeignet sind als der hier in Frage stehende Standort. Zunächst wird der im Flächennutzungsplan dargestellte Standort Nr. 201 (Teilfläche FlNr. 344, südlich F …- …-Straße) angeführt. Dieser Standort ist im Hinblick auf die Erschließung sicherlich mit dem verfahrensgegenständlichen Standort gleichzustellen. Die Immissionsschutzproblematik stellt sich zudem ohne Zweifel als geringer im Hinblick auf die Siedlung „A …“ da. Die Antragsgegnerin entgegnet im Rahmen der Abwägung (Gemeinderatssitzung vom 20. Oktober 2016, S. 21ff) jedoch insoweit, dass der Standort mangels aktueller Verfügbarkeit der Flächen nicht vorzugswürdig sei. Die Fläche wird derzeit landwirtschaftlich genutzt. Im Bereich des nunmehrigen Plangebiets verfüge die Antragsgegnerin jedoch über 37% der Flächen und habe einen städtebaulichen Vertrag mit den übrigen Eigentümern zur Entwicklung der Fläche.
Weiterhin wird von den Antragstellern die Fläche östlich Sportplatzstraße als vorzugswürdiger angesprochen. Diese Fläche ist zwar im Flächennutzungsplan als Gewerbefläche dargestellt. Sie befindet sich aber unmittelbar angrenzend an ein kartiertes Biotop und stellt den letzten verbleibenden Rest der Rodungsinsel in diesem Bereich dar.
Die ebenfalls von den Antragstellern angeführte Fläche westlich der M … Straße ist verkehrlich zwar gut an die Umgehungsstraße angebunden und im Hinblick auf den Immissionsschutz weniger problematisch, da die nächstgelegene Wohnbebauung weiter entfernt sei. Die Antragsteller weisen zudem auf die Verfügbarkeit der Fläche hin. Die Fläche ist jedoch im Flächennutzungsplan bereits nicht als Gewerbefläche dargestellt. Zudem würde hier in bislang unberührte landwirtschaftliche Flächen in der Rodungsinsel eingegriffen, während im Plangebiet an bestehende Bebauung und weitere geplante Gewerbeflächen angeknüpft werde.
Abschließend weisen die Antragsteller noch auf Erschließungsprobleme bei dem Plangebiet hin. So müsste die Bahnunterführung an der L …straße verbreitert werden und weise derzeit nur eine Durchfahrtshöhe von 3,60 m auf. Bei dieser Durchfahrtshöhe ist jedoch nach Auffassung der Gemeinde eine Eignung für Lastkraftwagen grundsätzlich gegeben (vgl. Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 9. März 2017, S. 4). Zudem würde nach Auffassung der Antragsteller ausweislich der Verkehrsuntersuchung Ortsumfahrung Hohenbrunn 2008/09 vom 28. Mai 2009 bis zum Jahr 2025 von einer weiteren Verkehrszunahme in Hohenbrunn-Dorf um im Mittel 20% auszugehen sein. Diese Verkehrsprognose stellt jedoch auf die allgemeine Verkehrsentwicklung sowie auf die geplante Verdichtung und Entwicklung der beiden Gewerbeflächen Nrn. 201 und 202 sowie des M …-Geländes und Entwicklungen in Ottobrunn, Brunnthal und Taufkirchen als Ursache für genannte Verkehrserhöhung ab (S. 25 der Verkehrsuntersuchung). Im Einzelnen geht der Gutachter von einem Verkehrsaufkommen von rund 1.600 Kfz/Tag bei voller Entwicklung der beiden Gebiete Nrn. 201 und 202 sowie von rund 1.300 Kfz/Tag bei voller Entwicklung des M …-Geländes aus. Dazu kommen die weiteren angeführten Faktoren für die künftige Verkehrsentwicklung. Die von der Antragstellerseite angeführten 20% sind daher nicht allein bedingt durch das zusätzliche Verkehrsaufkommen aus dem Plangebiet. Erhebliche Erschließungsdefizite des an eine Kreisstraße unmittelbar angebundenen Gewerbegebiets lassen sich daraus nicht ableiten.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich die Antragsgegnerin zum einen im Rahmen der Abwägung in der Sitzung vom 20. Oktober 2016 durchaus mit den Alternativstandorten, die von den Antragstellern vorgetragen wurden, nochmals im Einzelnen befasst hat. Zum anderen haben alle genannten Alternativstandorte ihre Vorteile aber auch Nachteile, so dass hinsichtlich einzelner Faktoren ein Standort vielleicht vorzugswürdiger sein mag, ein offensichtliches Aufdrängen eines bestimmten Standorts als eindeutig schonendere Variante aber nicht erkennbar ist.
bb) Im Hinblick auf naturschutzrechtliche Belange sind keine offensichtlichen Fehler in der Abwägung zu erkennen.
Zwar beruht das Abwägungsmaterial grundsätzlich auf einer Erhebung aus dem Jahr 2008. Nach Aussage der Landschaftsarchitektin in der mündlichen Verhandlung, welche das Ausgleichskonzept für den Bebauungsplan erstellt hat, fand jedoch im Jahr 2015 eine Überprüfung des Datenmaterials statt (vgl. Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 9.3.2017, S. 4). Bei der fachlich zuständigen unteren Naturschutzbehörde sei kein neueres Zahlenmaterial vorhanden gewesen. Eine nochmals durchgeführte Begehung des Plangebiets habe keine Änderung ergeben. Es ist festzustellen, dass es sich bei dem Plangebiet um eine intensiv landwirtschaftlich genutzte Fläche handelt. Hinweise auf das Vorliegen geschützter Arten oder eines Verstoßes gegen artenschutzrechtliche Verbotstatbestände liegen nicht vor. Das abgeholzte Stück Bannwald befindet sich nicht im Plangebiet.
Nach § 9 Abs. 1a Satz 1 BauGB können Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich im Sinn des § 1a Abs. 3 BauGB auf Grundstücken, auf denen Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind, oder an anderer Stelle sowohl im sonstigen Geltungsbereich des Bebauungsplans als auch in einem anderen Bebauungsplan festgesetzt werden. Im vorliegenden Fall befinden sich Ausgleichsflächen sowohl direkt im Plangebiet als auch außerhalb. Der Planteil A des angegriffenen Bebauungsplans setzt dabei die außerhalb des eigentlichen Plangebiets befindlichen Flächen fest. In der Anlage „Ausgleichsdurchführung“ werden die einzelnen Maßnahmen auf den jeweiligen Flächen näher beschrieben. Die außerhalb des eigentlichen Plangebiets befindlichen Flächen stehen im Eigentum der Antragsgegnerin. Mit der Festsetzung im Bebauungsplan stehen die Flächen somit auch als Ausgleichsflächen zur Verfügung und sind hinreichend gesichert. Die Kostentragung für die Ausgleichsmaßnahmen regelt § 135a BauGB. Nach § 135a Abs. 2 Satz 1 BauGB soll die Gemeinde, soweit Maßnahmen zum Ausgleich an anderer Stelle den Grundstücken nach § 9 Abs. 1a BauGB zugeordnet sind, diese anstelle und auf Kosten der Vorhabensträger oder Eigentümer der Grundstücke durchführen und auch die erforderlichen Flächen bereitstellen, sofern dies nicht auf andere Weise gesichert ist. In dem von der Antragsgegnerin vorgelegten Vertrag (Kaufvertrag und Städtebaulicher Vertrag zum Vorhaben mögliches Gewerbegebiet „A …“ vom 21.8.2008) regelt Teil B im Rahmen eines Vorvertrags die Kostentragungspflicht der Grundstückseigentümer (Präambel 2. sowie § 2 II.). Auch die Kostenaufteilung nach Grundstücksanteilen in Prozent ist bereits in diesem Vertrag geregelt. Eine nach § 6 mögliche Kündigung ist trotz Ablauf der dort genannten Fristen nicht erfolgt. Der endgültige städtebauliche Vertrag wurde bislang zwar noch nicht geschlossen. Die Verpflichtung der Grundstückseigentümer ergibt sich aber auch schon aus diesem Vertrag.
Nach Auskunft der Landschaftsarchitektin in der mündlichen Verhandlung (vgl. Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 9.3.2017 S. 5) wurde der Antragsgegnerin neben dem Umweltbericht sowie der Anlage „Ausgleichsdurchführung“, welche detailliert die Maßnahmen beschreiben, auch eine Kostenabschätzung übergeben. Diese ist nach Aussage der Antragsgegnerin von dieser auch zur Kenntnis genommen worden und habe die im Zusammenhang mit solchen Maßnahmen üblichen Kosten nicht überschritten. Dies ergibt sich auch aus der Niederschrift zur Sitzung des Bauausschusses vom 20. Oktober 2016 (Anlage tabellarische Zusammenstellung der Einwendungen S. 24 – 26).
cc) Es liegt kein Verstoß gegen das Abwägungsgebot in seiner Ausprägung als sogenanntes Gebot der Konfliktbewältigung vor. Dieses ist nach der Rechtsprechung (vgl. BVerwG, B.v. 7.9.1988 – 4 N 1.87 – BVerwGE 80, 184; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand: 1. Oktober 2016, § 1 Rn. 215 m.w.N.) erst dann verletzt, wenn das durch die Planung hervorgerufene Problem zu Lasten des Betroffenen ungelöst bleibt und diesem ein Opfer abverlangen würde. Eine Verlagerung von Problemlösungen aus dem Bebauungsplanverfahren auf nachfolgendes Verwaltungshandeln ist dadurch jedoch nicht gänzlich ausgeschlossen. Ein Unterfall des Gebots der Konfliktbewältigung ist der von der Rechtsprechung vor allem im Zusammenhang mit dem vorbeugenden Immissionsschutz (vgl. auch § 50 BImSchG) entwickelte Trennungsgrundsatz, also der Grundsatz der angemessenen (räumlichen) Trennung sich sonst beeinträchtigender Nutzungen (vgl. BVerwG, U.v. 5.7.1974 – IV C 50.72 – BVerwGE 45, 309; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand: 1. Oktober 2016, § 1 Rn. 224 m.w.N.). Insbesondere wenn der auftretende Konflikt durch gezielte Festsetzung von Schutzmaßnahmen vermieden werden kann, sind auch an sich eher unverträgliche Nutzungen nebeneinander möglich. Ebenfalls zu berücksichtigen sind insoweit bisher vorhandene Vorbelastungen. Selbst wenn ein Konflikt nicht gänzlich durch bauplanerische Maßnahmen ausgeglichen werden kann, kann in einem bestimmten Umfang mit Rücksicht auf andere Belange im Rahmen der Abwägung diesen Belangen, welche die Beeinträchtigung mit hervorrufen, ein vorrangiges Gewicht eingeräumt werden. Zudem ist es möglich, auf nachfolgende Maßnahmen im Vollzug zu verweisen, durch die planerisch nicht ausgeglichene Beeinträchtigungen einer Lösung zugeführt werden können (vgl. dazu auch Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand: 1. Oktober 2016, § 1 Rn. 233). Ein offensichtlicher Verstoß gegen den Trennungsgrundsatz und das Gebot der Konfliktbewältigung ist nach diesen Maßstäben nicht zu erkennen.
(1) Die Ansiedlung „A …“ bestehend aus 16 Hauptgebäuden in drei Reihen entlang von zwei Stichstraßen mit jeweils Wendeplatten stellt entgegen der Auffassung der Antragsteller wohl noch keinen Bebauungskomplex dar, der nach Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand: 1. Oktober 2016, § 34 Rn. 14 m.w.N.) und damit keinen im Zusammenhang bebauten Ortsteil im Sinn von § 34 BauGB. Vielmehr dürfte es sich um eine Splittersiedlung im Außenbereich handeln. Zwar mag grundsätzlich noch ein Bebauungszusammenhang bestehen, der auch mit seinen 16 Hauptgebäuden ein für einen Ortsteil erforderliche Gewicht besitzt. Es bestehen jedoch Zweifel am Vorliegen einer organischen Siedlungsstruktur. Die organische Siedlungsstruktur setzt eine städtebaulich-wertende Beurteilung voraus, welche die Systemzusammenhänge insbesondere zum Außenbereich berücksichtigen muss. Abzustellen ist dabei auf die Siedlungsstruktur der konkreten Gemeinde im Einzelfall (vgl. BVerwG, U.v. 3.12.1998 – 4 C 7.98 – NVwZ 1999, 527). Die Siedlungsstruktur der Antragsgegnerin ist geprägt durch die Rodungsinsel im Bannwald mit einer zentralen Bebauung in der Mitte der Rodungsinsel. Dies ist typisch für die Münchner Schotterebene. Die Ansiedlung „A …“ liegt am Rand der Rodungsinsel am Bannwald und stellt eher einen „Ausreißer“ in der klar geprägten Siedlungsstruktur der Gemeinde dar. Nach Angabe der ersten Bürgermeisterin in der mündlichen Verhandlung entstand die Siedlung aus Behelfsbauten für Flüchtlinge nach dem Zweiten Weltkrieg, was ebenfalls nicht für eine organische Siedlungsstruktur spricht.
Selbst wenn zugunsten der Antragsteller von einem Ortsteil und damit einem bauplanungsrechtlichen Innenbereich nach § 34 BauGB ausgegangen würde, dann entspräche die Ansiedlung aufgrund der zahlreichen dort befindlichen gewerblichen Nutzungen nicht mehr einem reinen Wohngebiet nach § 3 BauNVO sondern vielmehr eher einem allgemeinen Wohngebiet nach § 4 BauNVO oder einem Mischgebiet nach § 6 BauNVO wenn nicht sogar einer Gemengelage aufgrund der im Gebiet ansässigen Schreinerei, die auch in einem allgemeinen Wohngebiet nicht zulässig wäre. In der Ansiedlung „A …“ sind zahlreiche gewerbliche Betriebe mit ihrem Hauptsitz gemeldet, von einem wohl nebenerwerblichen Verkauf von Nahrungsergänzungsmitteln und Naturkosmetik über den Vertrieb und die Beratung hinsichtlich Mess- und Regeltechnik oder einem Tourguide für englischsprachige Führungen in München bis hin zu einer Schreinerei. Letztere hat auch unbestritten ihre Betriebsstätte im Anwesen B … Weg 3. Aktuell besteht laut Internet-Seite der Schreinerei der Betrieb aus einem Meister sowie einem Gesellen. In einer ebenfalls aktuellen Stellenausschreibung wird ein weiterer Schreiner oder Tischler mit abgeschlossener Berufsausbildung sowie mindestens fünf Jahren Berufserfahrung gesucht (vgl. http: …www. …). Hinsichtlich des von den Antragstellern in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrags (vgl. Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 9.3.2017, S. 7) ist zusätzlich auszuführen, dass es für die Feststellung des Gebietscharakters nach der Baunutzungsverordnung nicht auf die optische oder akustische Wahrnehmbarkeit einer Nutzung ankommt sondern lediglich auf deren Vorhandensein. Generell ist zur Beurteilung des Störgrads in der Regel nicht auf die konkreten Verhältnisse eines konkreten Vorhabens sondern auf die typische Nutzungsweise anhand einer typisierenden Betrachtung abzustellen (vgl. BayVGH, B.v. 6.2.2017 – 15 ZB 16.398 – juris; B.v. 26.2.2013 – 2 ZB 11.2793 – juris; BVerwG, B.v. 9.10.1990 – 4 B 121.90 – NVwZ 1991, 267; Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand: 1. Oktober 2016, § 4 BauNVO Rn. 73). Bei einer typisierenden Betrachtungsweise ist eine Schreinerei grundsätzlich als störender Handwerksbetrieb einzustufen und damit weder im reinen noch im allgemeinen Wohngebiet allgemein zulässig. Lediglich bei atypischen Fallgestaltungen kann ein grundsätzlich nach typisierender Betrachtungsweise als störend einzustufender Handwerksbetrieb ausnahmsweise als nicht störend betrachtet werden (vgl. BVerwG, U.v. 7.5.1971 – IV C 76.68 – NJW 1971, 1626 für eine Tischlerei). In dieser vom Bundesverwaltungsgericht festgestellten atypischen Fallgestaltung wich der Betrieb von dem typischen Erscheinungsbild einer Tischlerwerkstatt in mehrfacher Hinsicht ab. So handelte es sich um einen Ein-Mann-Betrieb in einem 25 m² großen, eher einem Hobbyraum entsprechenden Nebengebäude ohne die typische Ausstattung einer typischen Tischlereiwerkstatt. Ein nicht störender Handwerksbetrieb wäre im reinen Wohngebiet aber nur ausnahmsweise zulässig, wenn er zur Deckung des täglichen Bedarfs für die Bewohner des Gebiets dient (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO). Davon kann hier bei einer Schreinerei nicht ausgegangen werden. Im allgemeinen Wohngebiet wäre hingegen ein nicht störender Handwerksbetrieb grundsätzlich zulässig (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO). Dazu, dass die vorhandene, möglicherweise nicht genehmigte Schreinerei einen Fremdkörper innerhalb der Ansiedlung „A …“ darstellt, wie die Antragsteller behaupten, wird widersprüchlich vorgetragen. Einerseits gehen die Antragssteller wegen der Lage am Rand der Ansiedlung und wegen des Fehlens einer optischen und akkustischen Wahrnehmbarkeit davon aus, dass die Schreinerei nicht gebietsprägend ist. Andererseits soll sie einen Fremdkörper innerhalb des Gebiets darstellen. Selbst bei Nichtberücksichtigung der Schreinerei sind die übrigen kleineren gewerblichen Betriebe aber in einem reinen Wohngebiet weder allgemein noch ausnahmsweise nach § 3 BauNVO zulässig. Damit wäre auch ohne die vorhandene Schreinerei allenfalls von einem allgemeinen Wohngebiet auszugehen.
Unabhängig von der bauplanungsrechtlichen Einstufung der Ansiedlung „A …“ als Innenbereich oder Außenbereich und der im Fall eines Innenbereichs anzusetzenden rechtlichen Schutzwürdigkeit der Ansiedlung „A …“ ging die Antragsgegnerin bei der von ihr in Auftrag gegebenen schalltechnischen Verträglichkeitsuntersuchung (Ingenieurbüro Greiner v. 21.10.2015) zugunsten der Antragsteller vom Schutzniveau eines allgemeinen Wohngebiets aus.
(2) Hinsichtlich des Gewerbelärms sind keine Abwägungsfehler zu erkennen.
Zunächst ist festzuhalten, dass die schalltechnische Verträglichkeitsuntersuchung vom 21. Oktober 2015 (Ingenieurbüro G …, Nr. 208101/8) einschließlich der Stellungnahme vom selben Tag (Nr. 208101/9) auf allgemein anerkannten Regelwerken und den darin vorgeschriebenen Berechnungen beruhen. Offensichtliche Fehler sind hier nicht zu erkennen auch nicht im Hinblick auf Ermittlungs- und Bewertungsfehler.
Für den Schallschutz bei der städtebaulichen Planung gilt zunächst die DIN 18005. Gemäß Nr. 2 DIN 18005 kommt für die Geräuschkontigentierung die DIN 45691 zur Anwendung. Die Immissionsrichtwerte ergeben sich aus der TA Lärm, deren Anwendungsbereich ihrerseits nach der Nr. 1 TA Lärm Anlagen umfasst, die als genehmigungsbedürftige oder nicht genehmigungsbedürftige Anlagen den Anforderungen des Zweiten Teils des Bundes-Immissionsschutzgesetzes unterliegen.
Für das geplante Gewerbegebiet wurden Emissionskontingente gemäß der DIN 45691 berechnet und entsprechend festgesetzt. An den maßgeblichen Immissionsorten in der Ansiedlung „A …“ (IO 1 bis IO 4) werden nach der schalltechnischen Verträglichkeitsuntersuchung vom 21. Oktober 2015 (S. 7) bei Einhaltung der festgesetzten Immissionskontingente Werte von 45,8 bis 48 dB(A) tags und 30,8 bis 33,0 dB(A) nachts erreicht. Damit sind sowohl die Immissionsrichtwerte der TA Lärm (Nr. 6.1 TA Lärm) für ein allgemeines Wohngebiet von 55 dB(A) tags und 40 dB(A) nachts als auch für ein reines Wohngebiet von 50 dB(A) tags und 35 dB(A) nachts eingehalten. Nach der Nr. 3.2.1 Abs. 6 Satz 2 TA Lärm kann die Bestimmung der Vorbelastung entfallen, wenn die Geräuschimmission die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 TA Lärm um mindestens 6 dB(A) unterschreiten. Dies ist hier für ein allgemeines Wohngebiet der Fall, so dass eine Vorbelastung aus anderen in der Nähe liegende Gewerbegebieten nicht hätte berechnet und einbezogen werden müssen. Die Berechnungen in der schalltechnischen Verträglichkeitsuntersuchung vom 21. Oktober 2015 erfolgten insoweit nur hilfsweise.
Im Hinblick auf die bestehenden Gewerbeflächen um die F …- …-Straße hat der Gutachter für diese Vorbelastungsfläche mit insgesamt über 500.000 m² flächenbezogene Schallleistungspegel in Höhe von ca. 64 dB(A)/m² tags sowie 49 dB(A)/m² nachts angenommen. Die schalltechnische Verträglichkeitsuntersuchung vom 21. Oktober 2015 (S. 8) kommt damit bei einer Summenbetrachtung der Vorbelastungsfläche und der Emissionskontingente auf den Teilflächen des geplanten Gewerbegebiets an den Immissionsorten IO 1 bis IO 4 auf einen Gesamtbeurteilungspegel von maximal 50,8 dB(A) tags sowie 35,8 dB(A) nachts. Auch dieser Gesamtbeurteilungspegel unterschreitet die Immissionsrichtwerte der TA Lärm für ein allgemeines Wohngebiet um 4 dB(A) (tags und nachts). Hinsichtlich der gewerblichen Nutzung an der W …straße (ehemaliges landwirtschaftliches Anwesen) kommt die schalltechnische Verträglichkeitsuntersuchung vom 21. Oktober 2015 (S. 8) zu dem Ergebnis, dass an den relevanten Immissionsorten, die im Übrigen durch die dritte und teilweise die zweite Bebauungszeile an der Straße A … noch zusätzlich abgeschirmt werden, kein relevanter Immissionsbeitrag entsteht, da die Immissionsrichtwerte der TA Lärm für allgemeine Wohngebiet im Mittel um etwa 22 dB(A) unterschritten werden, so dass keine zu berücksichtigende Geräuschvorbelastung an den relevanten Immissionsorten IO 1 bis IO 4 auftritt.
Die Antragsteller entgegnen insoweit, dass nach der Nr. 5.2.3 DIN 18005 flächenbezogene Schallleistungspegel von 65 dB(A)/m² für Industriegebiete sowie 60 dB(A)/m² für Gewerbegebiete tags und nachts anzusetzen seien, der Gutachter aber lediglich von 49 dB(A)/m² nachts ausgehe. Hierbei übersehen die Antragsteller jedoch, dass die Nr. 5.2.3 DIN 18005 für die zu überplanende Fläche gilt, wenn die Art der unterzubringenden Anlagen nicht bekannt ist. In diesem Fall ist für die zu überplanende Fläche der genannte flächenbezogene Schallleistungspegel pauschal anzusetzen. Die Nr. 5.2.3 DIN 18005 gilt aber nicht für den flächenbezogenen Schalleistungspegel von bereits beplanten und im Wesentlichen realisierten Baugebieten, so wie dies bei den Gewerbeflächen rund um die F …- …-Straße der Fall ist. In diesem Fall ist die Art der bereits untergebrachten Anlagen bekannt und kann entsprechend beim flächenbezogenen Schallleistungspegel eines bereits bebauten Gebiets berücksichtigt werden. Insoweit ist nicht zu beanstanden, dass der Gutachter bei den von ihm angesetzten flächenbezogenen Schallleistungspegeln von 64 dB(A)/m² tags sowie 49 dB(A)/m² nachts, die jeweils um 1 dB(A) unter den Immissionsrichtwerten der TA Lärm für ein Gewerbegebiet liegen, davon ausgeht, dass er mit diesem Emissionsansatz auf der sicheren Seite liegt.
Ebenfalls von den Antragstellern gerügt wird, dass die gewerbliche Nutzung an der W …straße nicht als Geräuschvorbelastung berücksichtigt worden sei. Die schalltechnische Verträglichkeitsuntersuchung vom 21. Oktober 2015 (S. 8) untersucht auch diesen Bereich und stellt fest, dass insoweit die Immissionsrichtwerte der TA Lärm für ein allgemeines Wohngebiet im Mittel um etwa 22 dB(A) unterschritten werden und daher keine zu berücksichtigende Geräuschvorbelastung an den Immissionsorten IO 1 bis IO 4 auftrete. Dem sind die Antragsteller nicht substantiiert entgegengetreten, sondern tragen lediglich vor, dass der dort befindliche metallverarbeitende Betrieb seine Tätigkeit ausweislich seiner Homepage 2014 deutlich erweitert habe.
Die Antragsteller rügen weiter, dass bei der Geräuschkontigentierung die innerhalb des geplanten Gebiets bei der Ein- und Ausfahrt entstehenden Geräuscheinwirkungen nicht gemäß Nr. 7.4 Abs. 1 Satz 1 TA Lärm berücksichtigt worden seien. Hierzu ist auszuführen, dass gemäß Nr. 7.4 Abs. 1 Satz 1 TA Lärm Fahrzeuggeräusche auf dem Betriebsgrundstück sowie bei der Ein- und Ausfahrt, die im Zusammenhang mit dem Betrieb der Anlage entstehen, der zu beurteilenden Anlage zuzurechnen und zusammen mit den übrigen zu berücksichtigenden Außengeräuschen bei Ermittlung der Zusatzbelastung zu erfassen und zu beurteilen sind. Dies kann denklogisch erst bei der Genehmigung des entsprechenden Einzelbauvorhabens innerhalb der jeweiligen Gewerbegebiete 1 bis 3 berechnet und berücksichtigt werden. Erst wenn die konkrete Baumaßnahme und der durch sie ausgelöste Ein- und Ausfahrtsverkehr bekannt sind, kann eine entsprechende Berechnung stattfinden. Im Rahmen einer zu erteilenden Baugenehmigung oder gegebenenfalls immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ist selbstverständlich gemäß Nr. 7.4 Abs. 1 Satz 1 TA Lärm der entstehende Verkehrslärm bei der Ein- und Ausfahrt dem Gesamtlärm des konkreten Betriebs zuzurechnen. Dieser muss mit dem Gesamtlärm die im Bebauungsplan festgesetzten Emissionskontingente einhalten (gegebenenfalls zusammen mit weiteren Bauvorhaben innerhalb desselben Gewerbegebiets). Eine gesonderte Berechnung im Rahmen der Bauleitplanung ist hingegen nicht möglich.
Zudem rügen die Antragsteller, dass der mit den Parkvorgängen im öffentlichen Straßenraum verbundene Lärm ebenfalls nach Nr. 7.4 Abs. 1 Satz 1 TA Lärm als betriebsbezogener Lärm hätte berücksichtigt werden müssen, da im Plangebiet ausschließlich Verkehr stattfinde, der unmittelbar mit den dort sich ansiedelnden Gewerbebetrieben verbunden sei. Weder aus dem Planteil B des angegriffenen Bebauungsplans noch aus dessen Begründung lässt sich eine Zahl der im öffentlichen Verkehrsraum zu schaffenden Stellplätze entnehmen. Der Planteil B enthält lediglich eine Festsetzung „Straßenbegleitgrün einschließlich Parkplätzen und Grundstückszufahrten“ (A. 8.2 der Festsetzungen). Die von den Antragstellern genannte Zahl von 100 Stellplätzen entlang der öffentlichen Verkehrsflächen ist nicht nachvollziehbar. Zudem gälte auch insoweit, dass eine eventuelle Berücksichtigung des öffentlichen Parkverkehrs erst im Genehmigungsverfahren für einen konkreten Betrieb stattfinden könnte, der dann seinerseits im Rahmen des Emissionskontingents hinsichtlich der Gesamtlärmentwicklung bleiben müsste.
Hinsichtlich des vom Verkehr innerhalb des Plangebiets erzeugten Lärms kommt der Gutachter in seiner Stellungnahme vom 21. Oktober 2015 (S. 2) zu dem Ergebnis, dass der öffentliche Verkehr auf der Erschließungs Straße sowie der Ring Straße im Plangebiet zu einer Geräuschbelastung der Ansiedlung „A …“ in Höhe von maximal ca. 45 dB(A) tags und 35 dB(A) nachts (auf Höhe des Dachgeschosses) führen wird. Durch die abschirmende Wirkung der Lärmschutzanlage liegen die Pegel auf Höhe des 1. Obergeschosses sowie des Erdgeschosses noch niedriger. Die schalltechnischen Orientierungswerte der DIN 18005 für allgemeine Wohngebiete von 55 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts sind damit um mindestens 10 dB(A) unterschritten. Der öffentliche Verkehr leistet daher im Hinblick auf die bereits vorhandenen Verkehrsgeräusche durch die S-Bahnlinie keinen zusätzlichen Immissionsbeitrag und kann im Rahmen der schalltechnischen Beurteilung vernachlässigt werden. Diese Berechnung wurde von den Antragstellern nicht angegriffen.
(3) Ebenfalls keine Abwägungsfehler sind im Hinblick auf den Schienenlärm zu erkennen.
Die schalltechnische Verträglichkeitsuntersuchung vom 21. Oktober 2015 (S. 9) stellt zunächst fest, dass der Emissionspegel der S-Bahnlinie 83,3 dB(A) tags sowie 79,4 dB(A) nachts beträgt. Bei diesem Emissionspegel ist der nach dem bisher angewandten Berechnungsverfahren der SCHALL 03-1990 vorgesehene Schienenbonus von 5 dB(A) nicht berücksichtigt. Empfohlen und auch im angegriffenen Bebauungsplan festgesetzt ist daher eine beidseitig hochabsorbierende Lärmschutzanlage mit einer Höhe von 5 m über dem Geländeniveau und einer beidseitigen Schallabsorption von mindestens 8 dB sowie einer Schalldämmung von mindestens 24 dB. In der Stellungnahme vom 21. Oktober 2015 stellt der Gutachter fest, dass an den beiden der Bahnlinie nächstgelegenen Immissionsorten IO 1 und IO 2 basierend auf dem Emissionspegel aus der schalltechnischen Verträglichkeitsuntersuchung vom 21. Oktober 2015 für den Bestandsfall von einem Beurteilungspegel von 64,2 dB(A) (IO 2) bzw. 68,4 dB(A) (IO 1) tags und 60,3 dB(A) (IO 2) bzw. 64,5 dB(A) (IO 1) nachts auszugehen sei. Bei Berücksichtigung der Reflexionswirkung der Lärmschutzanlage erhöhten sich die Beurteilungspegel um 0,3 dB(A) im 1. Obergeschoss (ca. 0,2 dB(A) im Erdgeschoss und 0,4 dB(A) im Dachgeschoss). Bei Anwendung des sogenannten Schienenbonus lägen die Werte um jeweils 5 dB(A) niedriger.
Die Antragsteller rügen zunächst die Anwendung des Schienenbonus von 5 dB(A). Dieser sei nach § 4 Abs. 3 16. BImSchV vorliegend nicht anwendbar. Die Anlage 2 zu § 3 16. BImSchV (SCHALL 03) sah in der Fassung von 1990 den sogenannten Schienenbonus von 5 dB(A) vor. Mit der seit dem 1. Januar 2015 geltenden Fassung der SCHALL 03 wurde der sogenannte Schienenbonus abgeschafft. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 16. BImSchV ist der sogenannte Schienenbonus jedoch noch anzuwenden, wenn das Planfeststellungsverfahren bis zum 31. Dezember 2014 bereits eröffnet und die Auslegung des Plans bereits öffentlich bekannt gemacht worden ist (vgl. auch BVerwG, U.v. 8.9.2016 – 3 A 5.15 – juris). Vorliegend wurde die letzte Auslegung des hier verfahrensgegenständlichen Bebauungsplans erst am 25. Juli 2016 und damit nach dem Stichtag des § 4 Abs. 3 16. BImSchV bekanntgemacht. Die 16. BImSchV gilt unmittelbar jedoch nach § 1 Abs. 1 16. BImSchV nur für den Bau oder die wesentliche Änderung von öffentlichen Straßen sowie von Schienenwegen der Eisenbahnen und Straßenbahnen. Vorliegend handelt es sich jedoch um ein Verfahren der Bauleitplanung und nicht um eine wesentliche Änderung von Schienenwegen. Daher scheidet eine unmittelbare Anwendung der 16. BImSchV insoweit aus. Die Beurteilungspegel im Einwirkungsbereich von Schienenverkehrswegen richten sich in der Bauleitplanung nach Nr. 7.2 DIN 18005. Diese verweist jedoch in Nr. 2 DIN 18005 auf die SCHALL 03, Richtlinie zur Berechnung der Schallimmissionen von Schienenwegen, Ausgabe 1990. Nr. 2 DIN 18005 legt ausdrücklich in Satz 3 fest, dass bei datierten Verweisungen spätere Änderungen oder Überarbeitungen dieser Publikationen nur zu dieser Norm gehören, falls sie durch Änderung oder Überarbeitung eingearbeitet worden sind. Dies ist jedoch bei der DIN 18005 gerade nicht erfolgt, so dass insoweit von der Weitergeltung des sogenannten Schienenbonus auszugehen ist. Als weiteres Indiz spricht dafür, dass auch Absatz 4 der Nr. 7.4 TA Lärm unverändert die SCHALL 03 in der Ausgabe 1990 für die Ermittlung der Beurteilungspegel für Schienenwege zugrunde legt. Sowohl bei der DIN 18005 als auch bei der TA Lärm handelt es sich somit um statische Verweisungen auf die SCHALL 03 in der Ausgabe 1990. Daher kann im vorliegenden Fall von der Geltung des sogenannten Schienenbonus bei der Ermittlung der Beurteilungspegel im Einwirkungsbereich der S-Bahnlinie ausgegangen werden und sind die in der schalltechnischen Verträglichkeitsuntersuchung vom 21. Oktober 2015 ermittelten Beurteilungspegel entsprechend um 5 dB(A) zu reduzieren. Damit hat sich die Antragsgegnerin in ihrem Abwägungsbeschluss auch ausführlich befasst (vgl. Beschluss zur Sitzung vom 20.10.2016, Anlage tabellarische Zusammenstellung der Einwendungen S. 18ff.).
Aber auch ohne Berücksichtigung des sogenannten Schienenbonus wäre die von den Antragstellern geforderte Summenbildung aus Verkehrs- und Gewerbelärm vorliegend nicht geboten. Eine Berechnung von Lärmbeeinträchtigungen nach Maßgabe eines Summenpegels unter Einbeziehung von Verkehrslärmvorbelastungen kann ausnahmsweise dann geboten sein, wenn es um eine Gesamtlärmbetrachtung geht, die die verfassungsrechtliche Schwelle zur Gesundheitsgefährdung oder zu Eingriffen in die Substanz des Eigentums überschreitet, und sei es auch nur durch Erhöhung einer bereits vorhandenen (bereits insofern kritischen) Gesamtvorbelastung (vgl. BVerwG, U.v. 10.11.2004 – 9 A 67.03 – NVwZ 2005, 591; BayVGH, B.v. 18.8.2016 – 15 B 14.1623 – juris). Eine exakte Grenze im Sinn eines eindeutig grundrechtsrelevanten Grenzwerts lässt sich allerdings bislang nicht fixieren (vgl. BVerwG, B.v. 8.9.2004 – 4 B 42.04 – juris; OVG NW, B.v. 12.2.2015 – 2 B 1323/14.NE – juris). Nach der Rechtsprechung beginnt der aus grundrechtlicher Sicht kritische Wert jedenfalls in Wohngebieten bei einer Gesamtbelastung (summierte Lärmbelastung/Dauerschallpegel) oberhalb vom 70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts (vgl. BVerwG, U.v. 10.11.2004 – 9 A 67.03 -NVwZ 2005, 591; U.v. 23.2.2005 – 4 A 5.04 – BVerwGE 123, 23; U.v. 7.3.2007 – 9 C 2.06 – BVerwGE 128, 177; U.v. 13.5.2009 – 9 A 72.07 – BVerwGE 134, 45; U.v. 15.12.2011 – 7 A 11.10 – NVwZ 2012, 1120; B.v. 30.7.2013 – 7 B 40.12 – juris; BayVGH, B.v. 18.8.2016 – 15 B 14.1623 – juris; B.v. 19.2.2014 – 8 A 11.40040 – BayVBl 2016, 155; OVG NW, B.v. 10.2.2015 – 2 B 1323/14.NE – juris). Die Schwelle reicht nach der Rechtsprechung von 70 bis 75 dB(A) tags und 60 bis 65 dB(A) nachts (vgl. BVerwG, B.v. 8.9.2004 – 4 B 42.04 – juris; U.v. 20.5.1998 – 11 C3.97 – BayVBl 1999, 310). Speziell zur Nachtruhe ist zu berücksichtigen, dass das aus dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG herrührende Abwehrrecht es der öffentlichen Gewalt verwehrt, ohne rechtfertigenden Grund durch aktives Tun mittels einer Entscheidung entsprechend der Nr. 6.4 Abs. 2 TA Lärm am Entstehen von Gesundheitsschäden mitzuwirken (vgl. BayVGH, U.v. 25.11.2015 – 22 BV 13.1686 – GewArch 2015, 204 – Anspruch auf behördliches Einschreiten gegen Gaststättenlärm). Bei Außenpegeln von 60 dB(A) nachts wird die theoretische „Aufweck“-Grenze als erreicht angesehen, so dass langfristig Gesundheitsgefährdungen nicht auszuschließen seien. Die Möglichkeit eines ungestörten, zusammenhängenden Schlafens über acht Stunden hinweg setzt voraus, dass auch die von der TA Lärm oder der DIN 18005 nicht erfassten Geräusche keine Intensität aufweisen, die der Bejahung von „Nachtruhe“ und der Erfüllung des vom Vorschriftengeber damit beabsichtigten Schutzzweck entgegenstehen. Denn es entspräche nicht der Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers, schädliche Umwelteinwirkungen zu vermeiden, die Nachtruhe von Personen, die sich bereits einer hohen Belastung durch nicht der TA Lärm oder DIN 18005 unterfallende Geräusche ausgesetzt sehen, durch die Zulassung eines Vorhabens, das den Lärmsummenpegel insgesamt erhöht, weiter einzuschränken (vgl. BayVGH, U.v. 25.11.2015 – 22 BV 13.1686 – GewArch 2015, 204; VGH BW, U.v. 27.6.2002 – 14 S 2736/01 – GewArch 2003, 204; unter dem Gesichtspunkt des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots vgl. OVG Berlin, B.v. 17.3.1999 – 2 S 6.98 – BauR 1999, 1004). Der von der Rechtsprechung aufgestellte Rahmen der Schwellenwerte befreit den Tatrichter nicht von einer auf die tatsächlichen Umstände des konkreten Streitfalls zugeschnittenen Bewertung (vgl. BVerwG, B.v. 8.9.2004 – 4 B 42.04 – juris).
Im Rahmen der tatrichterlichen Würdigung des Einzelfalls ist vorliegend auch ohne Berücksichtigung des Schienenbonus nicht davon auszugehen, dass im Hinblick auf den Schienenlärm ein Abwägungsfehler vorliegt. Bereits ohne die hier verfahrensgegenständliche Planung befinden sich die Beurteilungspegel in der Nacht oberhalb von 60 dB(A), nämlich bei 60,3 dB(A) (IO 2) bzw. 64,5 dB(A) (IO 1) nachts. Bei Berücksichtigung der Reflexionswirkung der durch die verfahrensgegenständliche Bauleitplanung hinzukommende Lärmschutzanlage erhöhen sich die Beurteilungspegel um 0,3 dB(A) im 1. Obergeschoss (ca. 0,2 dB(A) im Erdgeschoss und 0,4 dB(A) im Dachgeschoss). Die ermittelten Pegelerhöhungen durch die Reflexionswirkung bewegen sich in einem Bereich, der für das menschliche Gehör nicht wahrnehmbar ist. Auch im Hinblick auf den von der Rechtsprechung vorgegebenen Rahmen von 60 bis 65 dB(A) bleiben die ermittelten Beurteilungspegel noch, wenn auch knapp innerhalb dieses Rahmens mit 64,8 dB(A) als höchstem zu erwartenden Beurteilungspegel am IO 1 im ersten Obergeschoss.
Zudem ist der Schienenlärm absolut pegelbestimmend, so dass auch bei einer Summenwirkung von Schienenverkehrslärm und Gewerbegeräuschen – also dem zusätzlichen Immissionsbeitrag durch die Gewerbegeräusche unter Zugrundlegung der Emissionskontingente des geplanten Gewerbegebiets sowie der Vorbelastung durch die Gewerbeflächen südlich und nördlich der F …- …-Straße – durch die Gewerbegeräusche keine weitere Erhöhung an den Immissionsorten in der Ansiedlung „A …“ entsteht (vgl. Stellungnahme Dipl.-Ing. R … v. 8.3.2017). Bei Berücksichtigung des sog. Schienenbonus liegen die Beurteilungspegel nachts dagegen durchgehend unter der von der Rechtsprechung als Beginn des kritischen Bereichs genannten 60 dB(A), so dass bereits aus diesem Grund eine Summenbildung aus Schienenverkehrslärm und Gewerbelärm vorliegend nicht erforderlich ist.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Miteigentümer (Antragsteller zu 1. und 2., 3. und 4., 5. und 6. sowie 10. und 11) haften als Gesamtschuldner nach § 159 Satz 2 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.


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