Baurecht

allgemeine Leistungsklage auf Beseitigung einer Werbeanlage

Aktenzeichen  M 2 K 18.632

Datum:
26.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 21933
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayStrWG Art. 18 Abs. 1 S. 1, Art. 18b Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Eine allgemeine Leistungsklage auf Beseitigung einer Werbeanlage ist wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, wenn die klagende Gemeinde dieses Klageziel schneller und einfacher durch den Erlass einer Beseitigungsanordnung hätte erreichen können, ohne gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Es besteht grundsätzlich kein Wahlrecht der Verwaltung, ob sie einen Verwaltungsakt erlässt oder eine allgemeine Leistungsklage erhebt. (Rn. 16 und 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Gemeinde kann als zuständige Straßenbaubehörde nach pflichtgemäßem Ermessen eine Anordnung auf Beseitigung eines nicht nur geringfügig in den Luftraum der öffentlichen Straße  hineinragenden Werbeschildes erlassen, wenn die Werbeanlage ohne die erforderliche Sondernutzungserlaubnis errichtet wurde. (Rn. 17 – 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
1. Die auf Beseitigung der an der Grundstücksmauer des Grundstücks Fl.Nr. … der Gemarkung … angebrachten und in das Grundstück Fl.Nr. … der Klägerin hineinragende beleuchtete Werbeanlage gerichtete allgemeine Leistungsklage ist unzulässig, da der Klage insoweit das notwendige Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Denn die Klägerin hätte dieses Klageziel schneller und einfacher durch den Erlass einer Beseitigungsanordnung auf der Grundlage des Art. 18b Abs. 1 Bayerisches Straßen- und Wegegesetz (BayStrWG) erreichen können, ohne gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Nach Art. 18 b Abs. 1 BayStrWG kann die zuständige Straßenbaubehörde die erforderlichen Anordnungen, d. h. auch eine Beseitigungsanordnung, erlassen, wenn eine Straße ohne die erforderliche Erlaubnis nach Art. 18 BayStrWG benutzt wird.
Bei der Errichtung der streitgegenständlichen Werbeanlage handelt es sich um eine Sondernutzung gem. Art. 18 Abs. 1 BayStrWG. Der Begriff der Sondernutzung ist in Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG gesetzlich definiert als Benutzung der Straße über den Gemeingebrauch hinaus. Gemeingebrauch ist nach der Legaldefinition des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG die Benutzung der Straße im Rahmen ihrer Widmung für den Verkehr. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayStrWG stellt klar, dass kein Gemeingebrauch vorliegt, wenn die Straße nicht vorwiegend zum Verkehr, sondern zu anderen Zwecken benutzt wird. Die Widmung (Art. 6 Abs. 1 BayStrWG), die einer Straße die Eigenschaft einer öffentlichen Straße verleiht und von widersprechenden bürgerlich-rechtlichen Verfügungen des Eigentümers nicht berührt wird (Art. 6 Abs. 5 BayStrWG), erfasst alle Bestandteile einer Straße (Art. 2 BayStrWG). In der Rechtsprechung ist geklärt (VGH München, U.v. 22.11.2006 – 8 BV 05.1918, NVwZ-RR 2007, 223), dass sich die Widmung mit ihren Rechtswirkungen nicht nur auf den Verkehrsraum über der Straße, sondern auch auf den Luftraum erstreckt.
Dies zugrunde gelegt, stellt die Anbringung eines in den Luftraum der öffentlichen Straße hineinragenden Werbeschildes eine Sondernutzung dar. Die Benutzung der Straße durch die Werbeanlage erfolgt nicht zum Verkehr, sondern zu anderen Zwecken, wobei die Benutzung – bei einer Tiefe des in den Luftraum über der Straße hineinragenden Schildes von 12 cm sowie der Beleuchtung von 50 cm – nicht nur geringfügig ist.
Die Werbeanlage wurde ohne die erforderliche Sondernutzungserlaubnis errichtet. Im Zeitpunkt der Klageerhebung wäre es der Klägerin möglich gewesen, nach pflichtgemäßem Ermessen eine Beseitigungsanordnung gem. Art. 18 b Abs. 1 BayStrWG zu erlassen. Entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten besteht grundsätzlich kein Wahlrecht der Verwaltung, ob sie einen Verwaltungsakt erlässt oder eine allgemeine Leistungsklage erhebt. Eine wahlweise Inanspruchnahme der Gerichte entspricht nicht der Aufgabenverteilung zwischen Judikative und Exekutive. Die Verwaltung darf erst dann die Hilfe der Gerichte in Anspruch nehmen, wenn ihre eigenen Möglichkeiten nicht hinreichen (Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 35. EL 2018, § 40 Rdnr. 85, Rdnr. 171). Zwar sind in der Rechtsprechung zwei Fallgruppen anerkannt, in denen das Rechtsschutzbedürfnis für eine Leistungsklage trotz der Möglichkeit zur Verwirklichung des Anspruchs durch Leistungsbescheid zu bejahen ist, nämlich, wenn der Anspruch nach Grund oder Höhe streitig ist und deshalb sowieso mit einer späteren gerichtlichen Auseinandersetzung gerechnet werden muss (BVerwG, U.v. 27.10.1998 – 1 C 38-97; Wysk, VwGO, 2. Aufl. 2016, § 42 Rdnr. 76), sowie, wenn eine Vollstreckung im Ausland nur auf der Grundlage eines gerichtlichen Titels möglich ist (VG Schleswig, NJW 1991, 1129 f.; Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 42 Rdnr. 52). Ein derartiger Fall ist jedoch vorliegend nicht gegeben.
Auch der weitere Fall, dass aufgrund der Streitlage ohnehin mit einer Anfechtung der verwaltungsrechtlichen Entscheidung – hier einer Beseitigungsanordnung – zu rechnen ist (vgl. z.B. BVerwGE 157, 203) ist vorliegend nicht gegeben. Denn die Frage der etwaigen Anfechtung einer Beseitigungsanordnung stellt sich hier nicht, weil die Klägerin der Beklagten eine Sondernutzungserlaubnis erteilte und damit ihrem zivilrechtlichen Beseitigungsverlangen den Boden entzog.
Vor diesem Hintergrund kann die Frage, ob eine Gemeinde als Straßenbaulastträger – anders als ein privater Dritter (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.2013 – 8 ZB 12.648 – juris) – Ansprüche aus § 1004 BGB neben dem Regelungssystem des Straßen- und Wegerechts, das sich aus der Widmung ergibt, selbständig geltend machen kann, offen bleiben.
2. Der Klägerin steht auch kein Anspruch auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten zu, die mit der vorgerichtlichen Geltendmachung des Anspruches auf Beseitigung der Werbeanlage auf der Grundlage des § 1004 BGB in Zusammenhang stehen.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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