Baurecht

Anordnung zum Rückschnitt von Pflanzenbewuchs

Aktenzeichen  8 ZB 19.1855

Datum:
11.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 30503
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124a Abs. 4 S. 4
BayStrWG Art. 29 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Eine im Stil einer Berufungsbegründung abgefasste Zulassungsbegründung verfehlt die Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 S. 4 VwGO, der eine Auseinandersetzung mit den entscheidungstragenden Darlegungen des angefochtenen Urteils verlangt. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wegen einer fehlerhaften Beweiswürdigung ist der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur dann gegeben, wenn die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts augenscheinlich nicht zutreffen oder beispielsweise wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft sind. Allein die Möglichkeit einer anderen Bewertung der Beweisaufnahme rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 8 K 19.673 2019-07-30 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin wendet sich gegen eine Anordnung des Beklagten zum Rückschnitt von Pflanzenbewuchs, der von ihrem Grundstück in den öffentlichen Verkehrsraum ragt.
Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. … der Gemarkung K…, das mit einem Einfamilienhaus und einer Garage bebaut ist. Das Grundstück der Klägerin grenzt an der Nordseite direkt an die als Gemeindestraße gewidmete Ortsstraße „A…“, eine Sackgasse; einen Bordstein oder Gehweg gibt es auf dieser Seite nicht. Die Fahrbahnbreite zwischen dem klägerischen und dem gegenüberliegenden Grundstück beträgt etwa 5,30 m. An der Nordgrenze ist das Grundstück der Klägerin zur Straße hin eingefriedet mit einem Gartenzaun und einer Thujenhecke. Der streitgegenständliche Bewuchs ragt teilweise bis zu 1,40 Meter in den Verkehrsraum.
Nach mehreren formlosen Aufforderungen verpflichtete der Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 29. April 2019 zum Rückschnitt des Bewuchses an der Nordseite des Grundstücks, soweit dieser aus ihrem Grundstück in den Straßenraum der Straße „A…“ in einer Höhe von weniger als 4,50 Meter hineinragt (Ziffer I.) und drohte ein Zwangsgeld in Höhe von 100,00 Euro für die nicht ordnungsgemäße Durchführung des geforderten Rückschnitts an (Ziffer II.). Der Bescheid war gestützt auf Art. 6, 7 LStVG i.V.m. Art. 66 Nr. 4 und Art. 29 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG.
Die dagegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Augsburg mit Urteil vom 30. Juli 2019 abgewiesen. Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Rechtsschutzbegehren weiter.
II.
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.
1. Der von der Klägerin – nicht ausdrücklich genannte, im Wege der Auslegung ermittelte – Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils ist nicht hinreichend dargelegt bzw. liegt nicht vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124a Abs. 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Aus dem Vorbringen der Klägerin ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
1.1 Die im Stil einer Berufungsbegründung abgefasste Zulassungsbegründung verfehlt weitgehend die Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, der eine Auseinandersetzung mit den entscheidungstragenden Darlegungen des angefochtenen Urteils verlangt (vgl. BayVGH, B.v. 6.8.2019 – 20 ZB 18.2418 – juris Rn. 3; OVG NW, B.v. 5.6.2019 – 3d A 1849/18.O – juris Rn. 12). Die Zulassungsbegründung befasst sich nur stellenweise und größtenteils nicht substanziell mit der erstinstanzlichen Begründung.
1.2 Die Wertung des Verwaltungsgerichts, die Klage sei unbegründet, da die Anordnung zum Rückschnitt des Pflanzenbewuchses rechtmäßig sei, begegnet keinen ernstlichen Zweifeln. Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht die Eröffnung des Schutzzwecks des Art. 29 Abs. 2 Satz 1 und 2 BayStrWG angenommen habe.
Ob im Hinblick auf den Wortlaut des Art. 29 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG („beeinträchtigen können“, vgl. Wiget in Zeitler, BayStrWG, Stand März 2019, Art. 29 Rn. 24) und seiner Entstehungsgeschichte (vgl. LT-Drs Nr. III/2832 S. 33) an der Rechtsprechung des Senats, welche bisher das Vorliegen einer sog. konkreten Gefahr fordert (vgl. BayVGH, B.v. 15.12.2004 – 8 B 04.1524 – BayVBl 2005, 274 = juris Rn. 24), festzuhalten ist, kann offen bleiben. Die Klägerin richtet sich mit ihrem Vortrag, dass sämtliche in der Gerichtsakte befindlichen Fotos des Grundstücks der Klägerin und der Bepflanzung keine konkrete Gefahr aufzeigen, allein gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts.
Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Das Gericht ist im Grundsatz nicht an bestimmte Beweisregeln gebunden. Es würdigt den Prozessstoff auf seinen Aussage- und Beweiswert für die Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen nur nach der ihm innewohnenden Überzeugungskraft. Trotz des besonderen Charakters der Beweiswürdigung, der dem Gericht einen Wertungsrahmen eröffnet, ist das Gericht allerdings nicht gänzlich frei. Die richterliche Überzeugung muss auf rational nachvollziehbaren Gründen beruhen, d.h. sie muss insbesondere die Denkgesetze, die Naturgesetze sowie zwingende Erfahrungssätze beachten. Ein Verstoß gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO liegt vor, wenn das Gericht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, namentlich Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätten aufdrängen müssen, oder wenn die Beweiswürdigung objektiv willkürlich ist, gegen die Denkgesetze verstößt oder einen allgemeinen Erfahrungssatz missachtet. Wegen einer fehlerhaften Beweiswürdigung ist der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO folglich nur dann gegeben, wenn die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts augenscheinlich nicht zutreffen oder beispielsweise wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft sind. Allein die Möglichkeit einer anderen Bewertung der Beweisaufnahme rechtfertigt die Zulassung der Berufung jedoch nicht (vgl. BVerwG, B.v. 26.9.2016 – 5 B 3.16 D – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 21.1.2013 – 8 ZB 11.2030 – ZfW 2013, 176 = juris Rn. 17 m.w.N.; B.v. 6.10.2014 – 22 ZB 14.1079 u.a. – NuR 2014, 879 = juris Rn. 21). Solche zur Zulassung der Berufung führende Mängel der Beweiswürdigung lassen sich dem Vorbringen der Klägerin nicht entnehmen und sind auch sonst nicht ersichtlich.
Das Erstgericht hat nachvollziehbar dargelegt, warum im vorliegenden Fall die überhängenden Äste nicht nur eine Sichtbehinderung darstellen, sondern konkret die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs in der Gemeindestraße gefährden (vgl. UA S. 7). Die Klägerin hat dies nicht mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 3 und Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 2 GKG; sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben wurden.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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