Baurecht

Antrag auf Zulassung der Berufung (abgelehnt), abstandsflächenrechtliche Privilegierung einer grenznahen Garage, nachbarrechtsverletzende Unbestimmtheit einer Baugenehmigung (verneint)

Aktenzeichen  15 ZB 21.463

Datum:
14.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 28459
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 1 Nrn. 1, 2 und 3
VwGO § 124a Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2
BayBO a.F. Art. 6 Abs. 9 S. 1 Nr. 1
BayVwVfG Art. 37

 

Leitsatz

Verfahrensgang

RN 6 K 20.998 2020-11-24 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich als Eigentümer eines Nachbargrundstücks gegen einen Bescheid des Landratsamts P … vom 7. Mai 2020, mit dem den Beigeladenen eine Baugenehmigung für die (im Wesentlichen bereits seit Jahren umgesetzten) Vorhaben „1. Ausbau Dachgeschoss mit Einbau einer Dachgaube, 2. Erweiterung Garage / Werken im Untergeschoss, 3. Abgrenzung Terrasse Erdgeschossebene, 4. Ergänzung Kellergeschoss und Errichtung einer grenznahen Garage“ auf der FlNr. … der Gemarkung T … (im Folgenden: Baugrundstück) erteilt wurde. Aus seiner Sicht verletze die Baugenehmigung hinsichtlich der in der Nähe der gemeinsamen Grundstücksgrenze vorgesehenen bzw. bereits errichteten Garage die nachbarschützenden Regelungen des Bauordnungsrechts zu einzuhaltenden Abstandsflächen (Art. 6 BayBO) und sei zudem in einer ihn verletzenden Weise zu unbestimmt.
Mit Urteil vom 24. November 2020 wies das Verwaltungsgericht Regensburg die Klage mit dem Antrag des Klägers, den Baugenehmigungsbescheid vom 7. Mai 2020 aufzuheben, ab. Nach den Entscheidungsgründen des Urteils verstoße die streitgegenständliche Baugenehmigung nicht gegen die Vorschrift des Art. 6 BayBO über die Einhaltung von Abstandsflächen, obwohl sich das auf der Südseite als Garage genehmigte Gebäude in unmittelbarer Nähe zur Grundstücksgrenze befinde und auf seiner Südseite das sich nach Art. 6 BayBO ergebende Maß von 1 H nicht einhalte. Es handele sich um ein abstandsflächenrechtlich privilegiertes Gebäude im Sinne von Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO (in der bis 31. Januar 2021 geltenden Fassung). Zudem scheitere das Vorliegen der abstandsflächenrechtlichen Privilegierung nicht daran, dass das Dach der Garage als Dachterrasse fungiere, weil eine solche Nutzung gerade nicht genehmigt worden sei. Die in Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO a.F. enthaltene Längenbegrenzung werde von der genehmigten Garage eingehalten. Schließlich verstoße die Baugenehmigung nicht in nachbarrechtsrelevanter Weise gegen den Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzbegehren weiter.
II.
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Die von dem Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe, auf die sich die Prüfung des Senats beschränkt, liegen nicht vor bzw. sind nicht in einer Weise dargelegt worden, die den gesetzlichen Anforderungen gem. § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO genügen.
1. Die Berufung ist nicht wegen § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung i.S. dieser Vorschrift können nur dann bestehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung der erstinstanzlichen Entscheidung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BayVGH, B.v. 27.8.2019 – 15 ZB 19.428 – juris Rn. 10 m.w.N.; vgl. auch BayVGH, B.v. 28.3.2018 – 14 ZB 18.45 – juris Rn. 10 m.w.N.).
a) Mit seinen Einwendungen gegen die vom Verwaltungsgericht angenommene Einschlägigkeit der Voraussetzungen der privilegierenden Regelung des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO in der (hier noch relevanten) bis 31. Januar 2021 geltenden Fassung (im Folgenden „a.F.“) vermag der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils des Verwaltungsgerichts vom 24. November 2020 nicht erfolgreich darzulegen.
Mit seiner rechtzeitig im Rahmen der Zweimonatsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenen Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung vom 9. Februar 2021 sowie mit ergänzendem Schriftsatz vom 30. April 2021 lässt der Kläger vorbringen, es fänden sich in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils keine hinreichend begründeten Ausführungen, warum der Gebäudeteil an der südlichen Grundstücksgrenze die Voraussetzungen der abstandsflächenrechtlichen Privilegierung erfülle. Eine kritische Auseinandersetzung mit der in einer zitierten Kommentarfundstelle vertretenen Rechtsauffassung, die auf das Kriterium der selbständigen Benutzbarkeit abstelle, finde im Urteil nicht statt. Es fänden sich keine Ausführungen dazu, warum es gerade nicht darauf ankommen solle, ob und inwieweit die Garage und das Wohnhaus baulich und optisch miteinander verbunden seien. Das Verwaltungsgericht habe auch nicht ausgeführt, warum es eine selbständige Benutzbarkeit vorliegend überhaupt für gegeben erachte. Die Erwägungen des Erstgerichts, dass eine in ausreichendem Maße separierte Räumlichkeit deshalb vorliege, weil die Garage über drei eigene Außenwände verfüge und einen optisch eigenständigen Eindruck vermittele, seien nicht überzeugend. Zwischen Garage und Wohnhaus bestehe vorliegend ein funktionaler Zusammenhang. Gerade das Vorhandensein von nur drei Außenwänden spreche gegen das Vorliegen einer privilegierten Grenzgarage. Eine Garage bestehe, sofern diese als eigenständig gelten solle, üblicherweise aus vier Außenwänden. Das Dach der Garage bilde die baulich in das Haus integrierte Bodenplatte; Letztere bilde auch das Dach des in den genehmigten Bauvorlagen als „Kompressor“ bezeichneten Raumes. In diesem Bereich befände sich auch eine kleine Terrasse. Der Baukörper der – hier nicht nur an-, sondern tatsächlich in das Hauptgebäude eingebauten – Garage könne mithin nicht ohne das Wohnhaus existieren. Wie das Verwaltungsgericht zudem zu der Auffassung gelange, dass die Garage einen optisch eigenständigen Eindruck vermittele, sei nicht ersichtlich; aus den in den Akten befindlichen Lichtbildern ergebe sich das Gegenteil. Das Verwaltungsgericht habe ferner verkannt, dass in der in Bezug genommenen Fundstelle im Kommentar zur BayBO von Simon/Busse zwischen dem privilegierten „Anbau an ein vorhandenes Gebäude“ und einer nicht privilegierten „voll in das Hauptgebäude integrierten Garage“ unterschieden werde. Ein „Anbau“ könne im Gegensatz zu einem „integrierten Gebäudeteil“ vom Wortsinn nur vorliegen, wenn der betreffende Gebäudeteil in sich abgeschlossen sei und separat ohne den restlichen Gebäudeteil existieren könne. Das sei vorliegend bei lediglich drei separaten Außenwänden nicht der Fall. Zudem sei nach einem anderen Kommentar zur BayBO eine selbständige Benutzbarkeit ausgeschlossen, wenn ein untrennbarer Zusammenhang zwischen mehreren Anlagen bestehe. Letzteres sei hier der Fall, weil die Garage baulich und optisch in das Wohngebäude integriert sei. Garage und Haupthaus teilten sich wesentliche Bauteile (Grundmauern, Betonplatten); von außen betrachtet liege ein einheitliches Bauwerk vor. Jede Nutzung der Garage sei daher gleichzeitig eine Nutzung des Wohnhauses. Nach den genehmigten Plänen werde man sogar davon ausgehen müssen, dass durch den Anbau eine einheitliche Außenwand entstanden sei, die abstandsflächenrechtlich alleine maßgebend sei.
Mit diesem Vorbringen vermag der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils nicht zu begründen. Gem. Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO a.F., der im Wesentlichen Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BayBO in der aktuellen (seit 1. Februar 2021 geltenden) Fassung entspricht, sind in den Abstandsflächen eines Gebäudes sowie ohne eigene Abstandsflächen, auch wenn sie nicht an die Grundstücksgrenze oder an das Gebäude angebaut werden, u.a. Garagen einschließlich deren Nebenräume mit einer mittleren Wandhöhe bis zu 3 m und einer Gesamtlänge je Grundstücksgrenze von 9 m zulässig.
Das Verwaltungsgericht hat in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils vom 24. November 2020 diesbezüglich ausgeführt, Voraussetzung für das Vorliegen einer privilegierten Garage im Sinne der genannten Regelung sei es, dass es sich um ein als Garage selbständig benutzbares Gebäude i.S. von Art. 2 Abs. 2 BayBO handele. Dabei dürfe die Garage auch an ein auf dem Baugrundstück vorhandenes Hauptgebäude angebaut sein, solange dieses selbst die nötigen Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO einhalte, wobei dies selbst dann gelte, wenn das Hauptgebäude und die Garage optisch und baulich eine geschlossene Einheit bildeten, solange die selbständige Benutzbarkeit der Garage als solche nicht aufgehoben sei. Lediglich im Falle einer vollumfänglich in das Hauptgebäude integrierten Garage, die ihre selbständige Benutzbarkeit dadurch verlieren würde, sei der Anwendungsbereich der privilegierenden Regelung nicht eröffnet. Letzteres sei nicht der Fall. Zwar sei die Garage auf der Südseite direkt an das Hauptgebäude angebaut und zudem über eine Zugangstür mit der auf der Ostseite vorhandenen weiteren Garage verbunden. Dies führe jedoch nicht dazu, dass die selbständige Benutzbarkeit des Raumes als Garage aufgehoben werde. Die Räumlichkeit sei nämlich nicht vollumfänglich in das Gebäude integriert, sondern stelle sich als eigens zu betrachtendes, separates Gebilde dar, welches lediglich an das Haupthaus angebaut, im Übrigen aber selbständig sei. Auch der von der Klägerseite vorgetragene Umstand, die Stahlbetondecke der Garage fungiere nicht lediglich als Garagendach, sondern bilde zugleich auch einen Teil der Basis des Wohnhauses, da die Betonplatte unter anderem auch Teile des Kellers (insbes. Kompressorraum) bedecke, ändere nichts daran, dass mit der Garage eine vom Haupthaus in ausreichendem Maße separierte Räumlichkeit vorliege.
Diese Erwägungen des Verwaltungsgerichts decken sich mit dem Wortlaut des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO a.F. sowie den in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu dieser Regelung und dessen Vorgängerbestimmungen herausgearbeiteten Grundsätzen. Aus dem Zusatz in Art. 6 Abs. 9 Satz 1 BayBO, wonach die privilegierten Gebäude und Anlagen auch dann in den Abstandsflächen eines Gebäudes zulässig sind, wenn sie nicht an dieses Gebäude angebaut werden, wird indirekt zum Ausdruck gebracht, dass die privilegierten Gebäude an ein (Haupt-) Gebäude angebaut werden dürfen, ohne ihre abstandsflächenrechtliche Sonderstellung zu verlieren (vgl. Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 6 Rn. 40, 44). In einem Urteil des 14. Senats des Verwaltungsgerichtshofs vom 15. Dezember 1986 ist grundsätzlich herausgearbeitet worden, wann eine Grenzgarage ihre Eigenständigkeit gegenüber dem Hauptgebäude derart einbüßt, dass der abstandsflächenrechtliche Privilegierungstatbestand nicht mehr greift. Diese Entscheidung betraf eine Fallgestaltung, bei der eine Grenzgarage über einen Dachbodenraum mit Zugang vom Treppenbereich des Wohnhauses verfügte, sodass sich nach dem dort genehmigten Grundrissplan eine vom Hauptgebäude begehbare und selbständig vom Hauptgebäude aus nutzbare Garagen-Dachraumfläche ergab. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte in Anwendung der inhaltlich vergleichbaren Vorgängerregelung die abstandsflächenrechtliche Privilegierung ab, weil bei einer derartigen Verbindung der Dachbodenraum über der Garage nicht Nebenraum dieser Garage sei, sondern Teil des Hauptgebäudes. Denn der Raum über der Garage habe in der dortigen Fallgestaltung nach den der Baugenehmigung zugrundeliegenden Bauzeichnungen nur vom Hauptgebäude aus betreten werden können und habe deshalb auch unter Berücksichtigung von Art. 2 Abs. 2 BayBO nur Teil dieses Gebäudes sein können. Um als Nebenraum der darunter befindlichen Garage angesehen werden zu können, hätte dieser Dachbodenraum speziell der Garage funktionell zugeordnet und über diese zugänglich und benutzbar sein müssen. „Würde der über der Garage gelegene Dachraum gegenüber den darunter befindlichen Wandteilen des Hauptgebäudes bis an die nördliche Grenze vorspringen, würde man sich mithin die darunterliegende Garage wegdenken, so wären die nach Art. 6 BayBO erforderlichen Abstandsflächen nicht gewahrt. Halten aber Wandteile eines Hauptgebäudes die auf sie treffenden Abstandsflächen (…) nicht ein, so kann das Bauvorhaben nicht dadurch abstandsflächenrechtlich zulässig werden, dass in diesem Bereich – in dessen Erdgeschoß – eine Doppelgarage integriert wird.“ Nicht privilegiert sei – so der Verwaltungsgerichtshof in der Entscheidung aus dem Jahr 1986 resümierend – eine Grenzbebauung, die kumulativ „sich (…) als bauliche Einheit darstellt, ihr G e p r ä g e d u r c h d a s H a u p t g e b ä u d e erhält und bei der lediglich die Garage in das Wohngebäude eingebaut (integriert) ist (‚Wohn-Garagen-Haus‘)“ (vgl. BayVGH, U.v. 15.12.1986 – 14 B 85 A.2085 – BayVBl. 1987, 695 f.; ebenso bei vergleichbaren Fallgestaltungen BayVGH, B.v. 21.11.2006 – 15 CS 06.2862 – juris Rn. 13; B.v. 5.11.2015 – 15 B 15.1371 – juris Rn. 9 f.).
Es ist vorliegend weder nach Aktenlage (insbes. nach Maßgabe der mit Genehmigungsstempel versehenen Bauvorlagen) ersichtlich noch vom Kläger mit der Antragsbegründung substantiiert vorgetragen worden, dass hier eine Planung streitgegenständlich ist, bei der die grenznahe Garage in vergleichbarer Weise wie in der Fallgestaltung bei BayVGH, U.v. 15.12.1986 a.a.O. ihr Gepräge durch das Hauptgebäude erhält. Vielmehr könnte das Hauptgebäude der Beigeladenen mit seinen zum dauernden Aufenthalt von Menschen bestimmten Räumlichkeiten konstruktiv-selbständig für sich bestehen bleiben, wenn die drei eigenständigen Seitenwände der Garage (West, Ost- und Südwand) abgerissen und das Flachdach entlang der Südwand des Hauptgebäudes (= Nordwand der Garage) – einschließlich eines wenige cm betragenden Überstandes, der laut den Bauvorlagen für die Pflanztröge als Abgrenzung der Garagennutzung vorgesehen ist (vgl. die Darstellung „Erdgeschoss“ im gestempelten Eingabeplan) – „abgeschnitten“ würde. Bei dieser Sachlage steht außer Frage, dass die grenznahe Garage im Süden des Baugrundstücks „insgesamt als Garage anzusehen ist“, mithin funktional „nur der Garagennutzung zugeordnet“ ist (vgl. BayVGH, B.v. 21.11.2006 a.a.O.). Die bloße bauliche Verbindung mit dem Wohnhaus lässt den ohne Weiteres auch für Anbauten geltenden Privilegierungstatbestand des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO a.F. nicht entfallen (BayVGH, B.v. 21.2.2007 – 15 CS 07.162 – BayVBl 2007, 500 = juris Rn. 19; OVG LSA, B.v. 20.6.2012 – 2 M 38/12 – BRS 79 Nr. 166 = juris Rn. 8 f.; Hahn in Busse/Kraus, BayBO, Stand: Mai 2021, Art. 6 Rn. 501; Molodovsky/Famers/Waldmann, BayBO, Stand: Mai 2021, Art. 6 Rn. 258 m.w.N.; Schönfeld in Spannowsky/Manssen, Bauordnungsrecht Bayern BeckOK, Stand: April 2021, zu Art. 6 BayBO Rn. 202; Jäde in Jäde u.a., Die neue BayBO, Stand: Oktober 2018, Art. 6 Rn. 243a). Soweit es im Kommentar zur Bayerischen Bauordnung bei Schwarzer/König (a.a.O. Art. 6 Rn. 44) heißt, bei einer baulichen Verbindung im Zuge einer einheitlichen Baumaßnahme oder bei einem Anbau müssten der abstandsflächenrechtlich privilegierte Gebäudeteil und das übrige (allgemein für eine Aufenthaltsnutzung bestimmte) Gebäude baulich-konstruktiv voneinander getrennt bleiben, ist damit jedenfalls die Einschlägigkeit des abstandsflächenrechtlichen Privilegierungstatbestands nicht allein dadurch ausgeschlossen, wenn sich – wie hier – die angebaute Garage mit dem Hauptgebäude eine Wand teilt oder das Flachdach der Garage in seiner Fortführung (hier in Richtung Norden) gleichzeitig zum Bauteil des Hauptgebäudes wird. Da Schwarzer/König a.a.O. gerade auf die Grundsatzentscheidung BayVGH, U.v. 15.12.1986 a.a.O. Bezug nehmen, steht es der Anwendung von Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO jedenfalls nicht im Wege, wenn bei Wegdenken des Garagenanbaus und der „gemeinsamen“ Bauteile des Garagen- und des Hauptgebäudes, soweit diese den Garagenteil betreffen, das Hauptgebäude – so wie hier – für sich gesehen konstruktiv bestehen bleiben kann.
Die Einschlägigkeit des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO a.F. scheitert vorliegend auch nicht daran, dass das Dach der Garage als Dachterrasse fungiert (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 26.4.2005 – 2 CS 04.2822 – nicht veröffentlicht; B.v. 15.1.2018 – 15 ZB 16.2508 – juris Rn. 12; B.v. 31.7.2020 – 15 B 19.832 – NVwZ-RR 2020, 1004 = juris Rn. 21; Hahn in Busse/Kraus a.a.O., Art. 6 Rn. 504). Das Verwaltungsgericht hat insofern überzeugend ausgeführt, dass der angefochtene Bescheid ausweislich des Eingabeplans eindeutig nur den Zustand genehmigt, wonach nunmehr die Pflanztröge die Nutzung der Südterrasse des Wohnhauses vom Dach der Garage separieren. Hieraus folge, dass von der streitgegenständlichen Baugenehmigung gerade keine Nutzung des Dachs der Garage als Dachterrasse umfasst sei. Inwiefern vormals eine Nutzung als Dachterrasse stattgefunden habe, könne – so das Verwaltungsgericht (ebenso zu Recht) weiter – dahinstehen, da als streitgegenständlich lediglich der Inhalt der angefochtenen Baugenehmigung zu betrachten sei. Diese Erwägungen sind im Übrigen vom Kläger im Zulassungsverfahren nicht in einer den Anforderungen gem. § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO genügenden Art und Weise substantiiert angegriffen worden [vgl. hierzu auch im Folgenden b) ].
b) Auch der Vortrag in der Antragsbegründung, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass die Baugenehmigung hinsichtlich der Einhaltung nachbarschützender Vorschriften gegen den Bestimmtheitsgrundsatz verstoße, kann die Richtigkeit der erstinstanzlichen Rechtsanwendung durch das Verwaltungsgericht nicht ernstlich infrage stellen.
Eine Baugenehmigung kann Rechte eines Nachbarn verletzen, wenn sie unter Verstoß gegen Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG hinsichtlich nachbarrechtsrelevanter Fragen unbestimmt ist und daher im Falle der Umsetzung des Bauvorhabens eine Verletzung von Nachbarrechten möglich wird. Das ist dann der Fall, wenn wegen Fehlens oder Unvollständigkeit der Bauvorlagen bzw. mangels konkretisierender Inhalts- oder Nebenbestimmungen der Gegenstand und / oder der Umfang der Baugenehmigung nicht eindeutig festgestellt und aus diesem Grund eine Verletzung von Nachbarrechten nicht eindeutig ausgeschlossen werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 30.7.2020 – 15 CS 19.1227 – juris Rn. 16 m.w.N.; B.v. 18.8.2020 – 15 CS 20.1612 – juris Rn. 41; B.v. 23.2.2021 – 15 CS 21.403 – RdL 2021, 246 = juris Rn. 69; vgl. auch BayVGH, B.v. 25.5.2021 – 15 CS 21.1158 – juris Rn. 9 m.w.N.).
Das Verwaltungsgericht hat nach den Ausführungen in den Entscheidungsgründen seines Urteils vom 24. November 2020 eine nachbarrechtsrelevante Unbestimmtheit plausibel wie folgt abgelehnt: Vorliegend ergebe sich bei Betrachtung von Bescheid und Eingabeplan, dass auf der Südseite eine Garage im Sinne des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO a.F. genehmigt sei. Der im Bescheid für die Bezeichnung des Vorhabens verwendete Begriff „Abgrenzung Terrasse Erdgeschossebene“ werde im Eingabeplan mit hinreichender Deutlichkeit konkretisiert. Durch den Rückbau der vormals an den Rändern des Garagendachs platzierten Blumentröge und deren Ersatz durch Pflanztröge und eine Absturzsicherung zurückversetzt entlang der im genehmigten Plan dargestellten südlichen Terrasse solle ausweislich des genehmigten Plans der Terrassenbereich von dem Bereich des Garagendaches abgegrenzt werden. Insofern sei hinreichende Klarheit darüber gegeben, dass eben keine Nutzung als Dachterrasse zulässig sei. Auch dadurch, dass bei der Aufzählung der Bauvorhaben im streitgegenständlichen Baugenehmigungsbescheid (unter „Baumaßnahme“) unter Nr. 4 neben der Formulierung „Errichtung einer grenznahen Garage“ der Terminus „Ergänzung Kellergeschoss“ verwendet werde, ergebe sich keine Unbestimmtheit der Baugenehmigung. Blicke man auf den Eingabeplan, ergebe sich klar, dass eine selbständig nutzbare, eigens zu betrachtende Garage im Sinne des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO a.F. genehmigt sei. Es seien mithin keine Unklarheiten gegeben, die in irgendeiner Form das Merkmal der selbständigen Benutzbarkeit der Garage in Frage stellen könnten. Nur die – hier nicht vorliegende – vollständige Integrierung der Garage in das Hauptgebäude führe zum Entfallen der Privilegierung. Der Anbau an das Hauptgebäude und ein vorhandener Durchgang vom Hauptgebäude zur Garage seien unschädlich. Es sei somit klar zu erkennen, dass der Begriff „Ergänzung Kellergeschoss“, der die von den früheren Genehmigungen noch nicht umfassten, die Erweiterung der Räumlichkeiten im Keller betreffenden Maßnahmen umschreibe, selbständig neben den Begriff der „Errichtung einer grenznahen Garage“ trete.
Soweit der Kläger in der Antragsbegründung – insofern sein erstinstanzliches Vorbringen in den Schriftsätzen vom 12. Juli 2020 (dort Seiten 2 f.) und vom 20. Oktober 2020 (dort Seiten 1 f.) schlicht wiederholend – vorbringen lässt,
– dass der Begriff „Abgrenzung Terrasse-Erdgeschoss“ nicht derart eindeutig zu fassen sei, dass dem Bestimmtheitsgebot genüge getan worden sei,
– dass es nicht aus sich heraus verständlich sei, was mit dieser Formulierung gemeint sein solle und
– dass dadurch, dass der Begriff „Ergänzung Kellergeschoss“ neben der Formulierung „Errichtung einer grenznahen Garage“ benutzt werde, eine genaue Abgrenzung für ihn als Nachbarn nicht möglich sei,
hat er keine ernstlichen Zweifel gegen die Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts in einer den Anforderungen gem. § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO genügenden Art und Weise vorgebracht. Die hiernach geforderte Darlegung dieses Zulassungsgrundes erfordert eine konkret fallbezogene und hinreichend substantiierte Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung; es muss konkret dargelegt werden, dass und weshalb das Verwaltungsgericht entscheidungstragende Rechts- und / oder Tatsachenfragen unrichtig entschieden hat. Eine schlichte, unspezifizierte Behauptung der Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung genügt nicht. Der Rechtsmittelführer muss vielmehr konkret bei der Berufung auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis mit überwiegender Wahrscheinlichkeit falsch ist. „Darlegen“ bedeutet insoweit „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“. Erforderlich ist eine substantiierte – und auch in sich schlüssige – Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, durch die der Streitstoff durchdrungen und aufbereitet wird; der Rechtsmittelführer muss im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen. Mit bloßer Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens wird dem Gebot der Darlegung im Sinn von § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO ebenso wenig genügt wie mit der schlichten Darstellung der eigenen Rechtsauffassung (BayVGH, B.v. 15.10.2019 – 15 ZB 19.1221 – juris Rn. 10 m.w.N.; B.v. 1.2.2021 – 15 ZB 20.747 – juris Rn. 32).
Soweit der Kläger im Zulassungsverfahren darüber hinaus vorbringt, dass ein Nachbar aufgrund der Formulierung der Auflage Nr. 1 des Baugenehmigungsbescheids vom 7. Mai 2020, wonach mit der Bauausführung erst begonnen werden dürfe, wenn die Baubeginnsanzeige vorgelegt worden sei, zwangsläufig davon ausgehen müsse, dass eine weitergehende Genehmigung über den Bestand hinaus erteilt worden sei, legt er jedenfalls nicht substantiiert dar, inwiefern der Baugenehmigungsbescheid gerade in nachbarrechtsrelevanter Hinsicht unbestimmt sein soll resp. warum aus der von ihm bewerteten Unbestimmtheit gerade eine Verletzung von Nachbarrechten nicht eindeutig ausgeschlossen werden könne. Im Übrigen teilt der Senat den Einwand der Landesanwaltschaft Bayern im Schriftsatz vom 21. April 2021, dass es „nicht nachvollziehbar“ ist, „weshalb der Hinweis auf Art. 68 Abs. 5 BayBO a.F. in Ziffer 1. der Auflagen der Baugenehmigung (…) auf irgendeine weitergehende Genehmigung hindeuten soll“. Insofern unterlässt die Antragsbegründung die plausible Darlegung, welche weitergehende Regelung (zumal mit nachbarschutzverletzender Relevanz) insofern konkret betroffen sein soll.
2. Die Berufung ist auch nicht aufgrund von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Sinne dieser Vorschrift weist eine Rechtssache dann auf, wenn die Beantwortung der für die Entscheidung erheblichen Fragen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereitet, wenn sie sich also wegen der Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren heraushebt (vgl. BayVGH, B.v. 10.4.2017 – 15 ZB 16.673 – juris Rn. 42 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt bzw. nicht substantiiert dargelegt, wie sich aus den voranstehenden Ausführungen zu 1. ergibt.
3. Die Berufung ist ferner nicht wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Mit der im Antragsbegründungsschriftsatz vom 21. März 2021 gestellten Frage,
„ob es sich bei der genehmigten ‚Garage‘ um ein eigenständiges Gebäude oder einen Teil des Wohnhauses handelt“,
und den hierzu erfolgenden Ausführungen erfüllt der Kläger die Anforderungen an die Darlegung dieses Zulassungsgrundes nicht.
Zur Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung ist erforderlich, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und klärungsfähig, insbesondere entscheidungserheblich, ist; ferner, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. BayVGH, B.v. 6.7.2020 – 15 ZB 20.96 – juris Rn. 15 m.w.N.). Dem genügt die Antragsbegründung nicht. Der Kläger führt in seinen Schriftsätzen im Zulassungsverfahren lediglich aus, die maßgeblichen Kriterien für die Abgrenzung zwischen selbständiger Grenzgarage und einer voll in ein Hauptgebäude integrierten Garage seien allein aus dem Gesetz nicht ersichtlich und bedürften einer einheitlichen Auslegung. Es sei anzunehmen, dass die Frage der Abgrenzung zukünftig in einer Vielzahl anderweitiger Verfahren zu entscheiden sei. Entgegen dem Vorbringen des Beklagten im Zulassungsverfahren existiere keine obergerichtliche Rechtsprechung, die eindeutige Kriterien für die Abgrenzung zwischen selbständiger Grenzgarage und einer voll in ein Hauptgebäude integrierten Garage aufstelle. Diese Frage werde im Hinblick auf eine immer weiter fortschreitende und politisch gewünschte Nachverdichtung zukünftig eine große Rolle spielen.
Entgegen der Ansicht des Klägers sind die wesentlichen Grundsatzfragen hinsichtlich der Abgrenzung, unter welchen Voraussetzungen eine mit dem Hauptgebäude verbundene Grenzgarage bzw. grenznahe Garage unter den abstandsflächenrechtlichen Privilegierungstatbestand des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO a.F. = Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BayBO n.F. fällt bzw. nicht fällt, in der Rechtsprechung des BayVGH geklärt (s.o. 1.). Die aufgeworfene Frage (s.o.) ist zudem nicht grundsätzlich klärungsfähig, weil sich deren Beantwortung gemäß den (s.o.) in der Rechtsprechung herausgearbeiteten allgemeinen Grundsätzen nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles richtet, sodass insofern in einem Berufungsverfahren keine über den Einzelfall hinausgehende allgemeine Aussage zu erwarten ist.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen, § 162 Abs. 3 VwGO. Denn ein Beigeladener setzt sich im Berufungszulassungsverfahren unabhängig von einer Antragstellung grundsätzlich keinem eigenen Kostenrisiko aus (vgl. BayVGH, B.v. 6.3.2017 – 15 ZB 16.562 – juris Rn. 18 m.w.N.). Ein Grund, der es gebieten würde, die außergerichtlichen Kosten aus Billigkeitsgründen ausnahmsweise als erstattungsfähig anzusehen, ist vorliegend nicht ersichtlich. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47, § 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich an Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt als Anhang in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019) und folgt in der Höhe der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben worden sind.
5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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