Baurecht

Antrag auf Zulassung der Berufung – Darlegung eines Zulassungsgrunds

Aktenzeichen  15 ZB 18.1907

Datum:
9.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 26924
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124a Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2

 

Leitsatz

Im Antrag auf Zulassung der Berufung muss der Rechtsmittelführer konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis mit überwiegender Wahrscheinlichkeit falsch ist. Erforderlich ist eine substantiierte Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, durch die der Streitstoff durchdrungen und aufbereitet wird. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 7 K 17.605 2018-06-28 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Der vom Kläger ausschließlich geltend gemachte Zulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht in einer Weise dargelegt worden, die den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 2 Satz 2 VwGO genügt.
Der Kläger wendet sich gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 28. Juni 2018, mit dem die von ihm als Nachbarn gegen die der Beigeladenen für das Vorhaben „Neubau eines Büro- und Geschäftshauses mit Großgarage“ erteilte Baugenehmigung vom 25. November 2015 in der Fassung der Ergänzungsbescheide vom 14. Juni 2016 und vom 14. März 2017 abgewiesen wurde (vgl. hierzu auch die Beschwerdeentscheidung des Senats BayVGH, B.v. 23.11.2016 – 15 CS 16.1688).
In den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils wird vom Verwaltungsgericht umfassend ausgeführt, warum aus seiner Sicht die angegriffene Baugenehmigung keine subjektiven Rechte des Klägers verletzt. Insbesondere komme aufgrund der zu prognostizierenden Lärmbelastung keine Verletzung des in § 15 Abs. 1 BauNVO verankerten Rücksichtnahmegebots in Betracht. Von dem Vorhaben der Beigeladenen gingen keine unzumutbaren Lärmimmissionen aus, weil die maßgeblichen Immissionsrichtwerte der TA Lärm als normkonkretisierender Verwaltungsvorschrift eingehalten würden. Die Aktualisierung der schalltechnischen Untersuchung eines Gutachterbüros vom 20. Februar 2017 sowie weitere Unterlagen, die mit dem Ergänzungsbescheid vom 14. März 2017 zum Bestandteil der Baugenehmigung gemacht worden seien, dienten dem Nachweis der Einhaltung der TA Lärm. Die darin getroffenen Angaben, insbesondere zu den geplanten Nutzungen, den Nutzungszeiten sowie zu den Stellplätzen seien danach einzuhalten. Nach der schalltechnischen Untersuchung vom 20. Februar 2017 sei für das Wohnhaus des Klägers – ohne Berücksichtigung der Vorbelastung – eine Immissionsbelastung von tags 47 dB(A) und nachts 33 dB(A) zu prognostizieren. Gemessen an den Immissionsrichtwerten der TA Lärm für ein Mischgebiet von 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts liege damit eine Unterschreitung um 13 dB(A) tags und um 12 dB(A) nachts vor. Wegen Unterschreitung des Beurteilungspegels um mehr als 10 dB(A) sei mithin das Wohnhaus des Klägers gem. Nr. 2.2 Buchst. a) TA Lärm nicht mehr als im Einwirkungsbereich des Vorhabens gelegen anzusehen. Zudem sei die von der Anlage ausgehende Zusatzbelastung, die die einschlägigen Immissionsrichtwerte um mehr als 6 dB(A) unterschreite, gem. Nr. 3.2.1 Abs. 2 TA Lärm als nicht relevant anzusehen, sodass auf die Ermittlung der Vorbelastung habe verzichtet werden können. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass aufgrund besonderer Umstände von der im Regelfall geltenden Irrelevanzregelung ausnahmsweise abzuweichen wäre, seien nicht vorgebracht worden, zumal selbst eine Verdoppelung der angenommenen Verkehre nur zu einer Schallpegelzunahme von 3 dB(A) führe. Erst bei einer Vervierfachung der angenommenen Verkehrsbewegungen würde damit im Hinblick auf die Immissionsrichtwerte für ein Mischgebiet ein kritischer Bereich bezüglich der nicht untersuchten Vorbelastung erreicht. Hinsichtlich der Zugrundelegung des Schutzniveaus eines Mischgebiets werde zur Begründung auf die Ausführungen im Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts vom 4. August 2016 (Az. RO 7 S 16.914) verwiesen. Unabhängig davon würden laut der Ergänzung der Schalluntersuchung vom 20. Februar 2017 auch die maßgeblichen Immissionsrichtwerte eines allgemeinen Wohngebiets von tags 55 dB(A) und nachts 40 dB(A) um mindestens 6 dB(A) unterschritten, sodass auch in diesem Fall das Irrelevanzkriterium greifen würde. Einwände gegen die Rechtmäßigkeit des Ergänzungsbescheids vom 14. März 2017 und gegen die Plausibilität der in Bezug genommenen Aktualisierung der schalltechnischen Untersuchung vom 20. Februar 2017 sowie weiterer für die Immissionsprognose maßgeblichen Unterlagen seien von der Klägerseite nicht vorgebracht worden. Die angesetzte Verkehrsabschätzung sei laut dem vorgelegten verkehrstechnischen Gutachten hoch bzw. sehr hoch angesetzt. Nach den Nutzungen, wie sie mit den vorgenannten Unterlagen im Ergänzungsbescheid vom 14. März 2017 als verbindlich erklärt worden seien, sei es auch plausibel, dass nachts keine Verkehre zu erwarten seien, die über den Ansatz im Schallgutachten vom 20. Februar 2017 hinausgingen. Nach dem der aktuellen Schallprognose vom 20. Februar 2017 zugrundeliegenden verkehrstechnischen Gutachten vom 17. Februar 2017 sei die Verkehrsbelastung der Parkflächen unter Berücksichtigung der Beschwerdeentscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 23. November 2016 (Az. 15 CS 16.1688) nunmehr ermittelt worden. Auch diesbezüglich seien Einwände gegen die Richtigkeit oder Plausibilität der Eingangsdaten für das Schallgutachten und gegen die Aktualisierung des Schallgutachtens selbst nicht vorgebracht worden; diesbezüglich begründete Zweifel seien auch nicht erkennbar. Die von der Klägerseite gerügte Unbestimmtheit der Baugenehmigung sei nicht ersichtlich: Die von der Beigeladenen vorgelegte Flächenaufstellung vom 17. Januar 2017 sei hinsichtlich der geplanten Nutzungen ausdrücklich zum Gegenstand der Baugenehmigung gemacht worden; zudem werde im zuletzt ergangenen Bescheid ausdrücklich bestimmt, dass diese das geplante Vorhaben hinsichtlich der geplanten Nutzungen konkretisiere. Alle darin getroffenen Angaben – insbesondere zu den geplanten Nutzungen – seien einzuhalten. Aus der Flächenaufstellung ergebe sich in Verbindung mit den genehmigten Planunterlagen damit ausreichend konkret, welche Nutzungen auf welchen Flächen in den jeweiligen Bauabschnitten bzw. Einheiten zulässig seien.
Die vom Kläger hiergegen vorgebrachten Einwendungen vermögen eine Zulassung der Berufung gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht zu rechtfertigen. Es fehlt insofern schon an einer den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 2 Satz 2 VwGO genügenden Auseinandersetzung mit den tragenden Erwägungen der Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils. Das Darlegungsgebot im Berufungszulassungsverfahren erfordert auch bei der Geltendmachung ernstlicher Zweifel i.S. von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO eine substantielle Erörterung des in Anspruch genommenen Zulassungsgrundes. Schon wegen der unterschiedlichen Prüfungsmaßstäbe im Zulassungsverfahren einerseits und im nachfolgenden Berufungsverfahren andererseits genügt es in der Regel nicht, etwa unter Bezugnahme auf das bisherige Vorbringen und unter schlichter Wiederholung der eigenen Ansichten die erstinstanzliche Entscheidung in Frage zu stellen. Auch eine schlichte, unspezifizierte Behauptung der Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung genügt nicht. Der Rechtsmittelführer muss vielmehr konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis mit überwiegender Wahrscheinlichkeit falsch ist. „Darlegen“ bedeutet insoweit „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“. Erforderlich ist eine substantiierte Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, durch die der Streitstoff durchdrungen und aufbereitet wird; der Rechtsmittelführer muss im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (BayVGH, B.v. 26.9.2016 – 15 ZB 16.1365 – juris Rn. 8 m.w.N.; zuletzt auch z.B. BayVGH, B.v. 21.8.2018 – 15 ZB 17.2351 – juris Rn. 8). Diesen Anforderungen wird die Zulassungsbegründung nicht ansatzweise gerecht.
Der Kläger beschränkt sich im vorliegenden Verfahren auf den Vortrag, er könne „nach der Realisierung des Vorhabens erhebliche Lärmbelastungen geltend machen“. Das Urteil und die ihm zugrundeliegenden Bescheide basierten „lediglich auf der Grundlage von Prognosen“. Es sei erheblich störenderer Lärm zu besorgen, als mit den Prognosen vorhergesagt worden sei, weil „eine Situierung der Tiefgaragenzufahrt zum klägerischen Anwesen hin genehmigt“ worden sei. Das Verwaltungsgericht sei „zu unkritisch“ davon ausgegangen, „dass lediglich das Schutzniveau eines Mischgebiets zugrunde zu legen wäre“, wobei er – der Kläger – „nach wie vor jedoch von einem Wohngebietsschutz“ ausgehe. Ferner gehe er weiterhin von der Unbestimmtheit des Bescheids aus. Die Nutzungen seien auch über den Ergänzungsbescheid in ihrer Intensität nicht ausreichend konkretisiert. Dies wirke sich „mutmaßlich“ auf die Lärmimmissionsbelastungen zu Lasten des Klägergrundstücks aus, sodass die Unbestimmtheit auch nachbarrechtliche Relevanz habe.
Die Zulassungsbegründung begrenzt sich mit diesen Ausführungen auf ein lediglich pauschales Infragestellen der tatsächlichen und rechtlichen Bewertungen des Verwaltungsgerichts, ohne qualitativ über die bereits erstinstanzlich vorgebrachten Argumente hinauszugehen und ohne dass eine substantiierte Auseinandersetzung mit den Argumenten der Entscheidungsgründe des Urteils vom 28. Juni 2018 erfolgt. Insbesondere vermag die Zulassungsbegründung die fachlich-gutachterlichen Aussagen, auf die sich sowohl der streitgegenständliche Baugenehmigungsbescheid als auch die erstinstanzliche Entscheidung stützen, nicht im Ansatz zu erschüttern (vgl. BayVGH, B.v. 20.4.2016 – 15 ZB 14.2686 u.a. – juris Rn. 68 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO). Denn ein Beigeladener setzt sich im Berufungszulassungsverfahren unabhängig von einer Antragstellung grundsätzlich keinem eigenen Kostenrisiko aus (vgl. BayVGH, B.v. 6.3.2017 – 15 ZB 16.562 – juris Rn. 18 m.w.N.). Ein Grund, der es gebieten würde, die außergerichtlichen Kosten aus Billigkeitsgründen ausnahmsweise als erstattungsfähig anzusehen, ist nicht ersichtlich. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47, § 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich an Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57) und folgt in der Sache der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben worden sind.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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