Baurecht

Antragsgegner, Bebauungsplan, Baueinstellungsverfügung, Baueinstellungsanordnung, Nebenanlage, Isolierte Abweichung, Verwaltungsgerichte, Funktionslosigkeit, Abstandsflächenrecht, Abstandsflächentiefe, Grundstücksgrenze, Zwangsgeldandrohung, Aufschiebende Wirkung, Bauaufsichtsbehörde, Sofortige Vollziehbarkeit, Prozeßbevollmächtigter, Antragstellers, Öffentlich-rechtliche Vorschriften, Streitwertfestsetzung, nachträgliche Zulassung

Aktenzeichen  M 29 S 19.4275

Datum:
21.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 40814
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
BayBO Art. 75
BayBO Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) und Nr. 10 Buchst. a)
BayBO Art. 6 Abs. 9

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 4.375,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller begehren einstweiligen Rechtschutz gegen eine von der Antragsgegnerin für sofort vollziehbar erklärte Baueinstellungsverfügung vom 23. Mai 2019.
Die Antragsteller sind Eigentümer der Grundstücks …, Fl.Nr. …/37, … …, das mit einer Doppelhaushälfte und einer an der östlichen Grundstücksgrenze grenzständig errichteten Garage bebaut ist. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans …, … … … (Nr. …) der Antragsgegnerin vom 20. Februar 1974, der unter anderem rückwärtige Baugrenzen und in § 5 seiner Satzung die grundsätzliche Unzulässigkeit von Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des § 14 Abs. 1 BauNVO 1968 festsetzt.
Bei einer Kontrolle des streitgegenständlichen Grundstücks durch die Antragsgegnerin am 22. Mai 2019 wurde festgestellt, dass die Antragsteller mit der Ausführung eines Schwimmbads sowie eines erhöhten Freisitzes, eines Gerätehauses und einer Sauna begonnen haben. Zum Bauzustand wurde dabei festgestellt, dass an der rückwärtigen Grundstücksgrenze auf die gesamte Grundstücksbreite drei grenzständige Nebengebäude errichtet worden sind. Die zwei rückwärtigen Häuschen (Sauna und Gerätehaus) waren zum Zeitpunkt der Kontrolle bereits fertiggestellt; am erhöhten Freisitz fehlten noch das Geländer und die Treppenstufen. Zwischen diesen Rückgebäuden und dem Wohnhaus ist auf ca. die halbe Grundstücksbreite hinter der Garage ein Schwimmbad als feste Betonwanne errichtet worden. Das Schwimmbad war zum Zeitpunkt der Kontrolle im Rohbau fertiggestellt, wobei Anschlüsse und Abdichtung noch fehlten. Vor Ort sprach die Antragsgegnerin mündlich die sofortige Baueinstellung für sämtliche Anlagen – die rückwärtigen Nebengebäude, den erhöhten Freisitz und das Schwimmbad sowie auch die ausstehenden Abdichtungen und Rohranschlüsse des Schwimmbads – aus.
Mit Bescheid vom … Mai 2019 (Az.: …) bestätigte die Antragsgegnerin die Baueinstellung schriftlich. Nach Ziffer 1 des Bescheides sind die Bauarbeiten auf dem streitgegenständlichen Grundstück für sämtliche Anlagen, die sich im rückwärtigen Grundstücksbereich außerhalb des Bauraums befinden (rückwärtige Nebengebäude, erhöhter Freisitz und Schwimmbad) einzustellen. Für den Fall, dass die Bauarbeiten trotz dieses Verbots fortgesetzt werden, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 7.500,- Euro angedroht (Ziffer 2 des Bescheids). Nach Ziffer 3 des Bescheids wurde außerdem die sofortige Vollziehbarkeit der Verfügung in Ziffer 1 angeordnet. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die mündliche Baueinstellungsverfügung in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens notwendig gewesen sei, da nur auf diese Weise ordnungsgemäße Zustände hätten hergestellt werden können. Unter Abwägung aller Für und Gegen den Baueinstand (sic!) sehe die Antragsgegnerin die Baueinstellung nach pflichtgemäßem Ermessen als geeignetstes Mittel. Der Baueinstand sei notwendig, zumal das Bauvorhaben nicht den Festsetzungen des geltenden Bebauungsplans entspreche. Die sofortige Vollziehbarkeit dieser Verfügung werde angeordnet, weil das öffentliche Interesse an einer geordneten Bebauung ein sofortiges Einschreiten gegen die widerrechtliche Baumaßnahme erfordere. Aus diesem Grund sei auch eine Anhörung der Antragsteller unterblieben.
Mit Schreiben vom 14. Juni 2019 ließen die Antragsteller Klage gegen die Baueinstellung vom 23. Mai 2019 erheben.
Mit Schreiben vom 22. August 2019, bei Gericht am selben Tage eingegangen, stellte der Bevollmächtigte der Antragsteller einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO und beantragte,
die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage der Antragsteller gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom …05.2019 (Az.: …-…) wiederherzustellen.
Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass der aus dem Jahre 1974 stammende Bebauungsplan Nr. 462 funktionslos geworden sei. Dies ergebe sich daraus, dass im Gebiet des Bebauungsplans unzählige Verstöße gegen § 5 (Nebenanlagen) sowie gegen die festgelegten Baugrenzen existieren dürften. Dies werde anhand der als Anlage beigefügten Bilder über die vorhandenen baulichen Anlagen im Bereich des Bebauungsplans deutlich. Allein in der … würden in den Gartenbereichen der Grundstücke zahlreiche Nebengebäude wie etwa Gartenhäuschen existieren – teils in unmittelbarer Angrenzung an Nachbargrundstücke. Teilweise befänden sich auch Schwimmbäder in den Gärten, wie in der … Im Garten der … befinde sich ein Teich. Die Antragstellerin habe ihr Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt, insbesondere seien wirtschaftliche Nachteile für die Antragsteller in Anbetracht des vorangeschrittenen Baufortschritts nicht berücksichtigt worden. Im Übrigen sei jedenfalls eine Abweichung zu erteilen, da ein isoliertes Vorgehen gegen die Antragsteller unangemessen und willkürlich erscheine. Das verfahrensfreie Schwimmbecken beeinträchtige weder öffentliche noch nachbarliche Belange, da weder eine Grenzbebauung vorliege noch in die Höhe gebaut werde. Überdies sei die Antragstellerin zu 1) die falsche Adressatin, da sie das streitgegenständliche Vorhaben nicht veranlasst habe. Betreffend die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit habe die Antragsgegnerin diese nur unzureichend begründet. Es finde sich lediglich ein allgemein gehaltener Hinweis auf das öffentliche Interesse an einer geordneten Bebauung. Im Rahmen der Abwägung nach § 80 Abs. 5 VwGO falle besonders ins Gewicht, dass der Garten der Antragsteller im Moment nicht nutzbar sei und einer offenen Baustelle gleiche.
Der Antragsbegründung sind als Anlage verschiedene Lichtbilder von Grundstücken vor allem in der … beigefügt, die Verstöße gegen den Bebauungsplan Nr. 462 zeigen sollen.
Die Antragsgegnerin beantragte dagegen,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung führte sie mit Schriftsatz vom 5. September 2019 aus, dass durch die Baueinstellung gerade keine endgültigen Verhältnisse geschaffen würden; vielmehr wäre dies durch die Fertigstellung des bereits begonnen, rechtswidrigen und daher unzulässigen Baus des streitgegenständlichen Vorhabens der Fall. Die Antragsgegnerin habe ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt; insbesondere sei der Baueinstand die verhältnismäßig mildeste Maßnahme. Die Antragsteller seien mit Schreiben vom 28. Mai 2019 bereits zur Beseitigung des begonnenen streitgegenständlichen Vorhabens angehört worden. Nach dem Anhörungsverfahren werde die Antragsgegnerin gegebenenfalls eine Beseitigungsanordnung erlassen. Eine Anhörung habe vorliegend unterbleiben können und müssen, da ordnungsgemäßes Behördenhandeln hier eine sofortige Entscheidung erfordert habe und die Antragsgegnerin ein sofortiges Handeln in Form der sofortigen Baueinstellung für notwendig habe halten dürfen. Ein sofortiges Einschreiten sei notwendig gewesen, da andernfalls die Vollendung der unrechtmäßigen Zustände durch Fertigstellung der rechtswidrigen baulichen Anlage gedroht habe, wonach allein eine Beseitigungsverfügung möglich gewesen wäre. Die Anlagen seien außerhalb des im Bebauungsplan festgesetzten Bauraums errichtet worden. Für eine Funktionslosigkeit des Bebauungsplans Nr. 462 sprächen keine Anhaltspunkte. Bei den vorgetragenen Verstößen handle es sich lediglich um Mutmaßungen der Antragsteller, die jeglicher Grundlage entbehren würden. Betreffend des Grundstücks … …, Fl.Nrn. … und …/29 sei der dort befindliche Pool von der Antragsgegnerin unmittelbar nach Kenntnis der dort gleichfalls unzulässigen Anlage aufgegriffen worden. Anhörungsschreiben seien bereits ergangen; auch dort werde dann gegebenenfalls die Beseitigung der Anlage verfügt. Lediglich hilfsweise sei angemerkt, dass sich die Antragsteller nicht auf eine Gleichheit im Unrecht berufen könnten. Die weiteren von den Antragstellern angegebenen vermeintlichen Bezugsfälle seien für die Antragsgegnerin nicht nachvollziehbar. Die angegebenen Flurnummern/Grundstücke stimmten mit den Luftbildern nicht überein. Bei der als Schwimmbad bezeichneten Anlage im rückwärtigen Grundstücksbereich der … … handle es sich nach Kenntnisstand der Antragsgegnerin lediglich um einen Teich. Nach § 5 der Satzung zum Bebauungsplan seien Nebenanlagen und Einrichtungen i.S.d. § 14 BauNVO 1968 nicht zulässig, ausnahmsweise in rückwärtiger Verlängerung der Garage um bis zu 2 m, da die unbebauten Grundstücksflächen bei den ohnehin klein geschnittenen Grundstücksflächen freizuhalten seien und die Versiegelung gering zu halten bzw. zu reduzieren sei. Eigenständige Nebengebäude seien daher unzulässig und allenfalls im Zusammenhang mit der Garage als ein Gebäude zulässig. Weiter widerspreche die Errichtung der Nebenanlagen (Freisitz, Gerätehaus und Sauna) geltendem Abstandsflächenrecht, insbesondere Art. 6 Abs. 9 BayBO. Bei dem erhöhten Freisitz handle es sich aufgrund der Nutzung nicht (mehr) um ein privilegiertes Gebäude in diesem Sinne. Zudem halte er die maximale Wandhöhe von 3 m im Mittel nicht ein. Die danach zulässige Grenzbebauung vom maximal 9 m an einer Grundstücksgrenze sei um ca. 1,50 m auf 10,50 m überschritten und daher auch nachbarliche Belange betroffen. Weiter werde die maximal zulässige Grenzbebauung von 15 m an allen Grundstücksgrenzen um ca. 6 m auf ca. 21 m, unter Berücksichtigung der vorhandenen Grenzgarage, überschritten. Die nachträgliche Zulassung von Befreiungen und Abweichungen komme nicht in Betracht. Wirtschaftliche Nachteile und die Unbenutzbarkeit ihres Gartens hätten die Antragsteller selbst verschuldet und könnten bei einer Abwägung keine Berücksichtigung finden. Da die Antragsteller beide Eigentümer des streitgegenständlichen Grundstücks seien, seien sie als Verantwortliche auch richtige Adressaten der Baueinstellungsverfügung.
Mit Schreiben vom 8. Oktober 2019 führte der Bevollmächtige der Antragsteller weiter aus, dass der Antragsteller vor Durchführung des streitgegenständlichen Vorhabens mehrfach vergeblich versucht habe, Kontakt zur Antragsgegnerin aufzunehmen. Auf der Homepage der Antragsgegnerin habe er sodann die Information gefunden, dass sein Vorhaben genehmigungsfrei sei. Er sei infolgedessen davon ausgegangen, dass er die Vorhaben ohne weiteres umsetzen dürfe, insbesondere weil weitere Hinweise bei den verfahrensfreien Vorhaben nicht enthalten gewesen seien. Weiter sei aufgrund der Vielzahl der Verstöße im Geltungsbereich des Bebauungsplans und der Ausführungen in der Antragserwiderung aus Sicht der Antragssteller davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin an der Einhaltung der Vorgaben des Bebauungsplans nicht wirklich interessiert sei, sondern vielmehr offenbar weiteren Verstößen nicht nachgegangen werden solle. Der Antragsteller habe somit den Eindruck, dass an ihm willkürlich ein Exempel statuiert werden solle. Im Übrigen habe der Antragsteller bis zum Erlass der Baueinstellungsverfügung einen Betrag in Höhe von 40.000,- bis 50.000,- Euro investiert. Aufgrund des bevorstehenden Winters müsse der Antragsteller zudem aufwändige Maßnahmen zum Schutz der bisherigen Umsetzung ergreifen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten auch im Klageverfahren (Az.: …) verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist nicht begründet.
Gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Hat die Behörde gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts im überwiegenden öffentlichen Interesse angeordnet, so kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung des eingelegten Rechtsbehelfs wiederherstellen (§ 80 Abs. 5 Satz 1 HS. 2 VwGO). Das Gericht hat zu prüfen, ob das von der Behörde angenommene Interesse am sofortigen Vollzug ordnungsgemäß begründet wurde und ob es das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt. Ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn ein Rechtsbehelf gegen diesen Verwaltungsakt mit erheblicher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben wird. Ist demgegenüber der Rechtsbehelf voraussichtlich begründet, so überwiegt in der Regel das Interesse des Antragstellers.
Die im Eilverfahren auch ohne Durchführung eines Augenscheins und im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens allein mögliche, aber auch ausreichende summarischen Prüfung anhand der Akten ergibt, dass die angefochtene Baueinstellungsverfügung voraussichtlich rechtmäßig ist und des Weiteren auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung sowie die Zwangsgeldandrohung in der Sache nicht zu beanstanden sind, so dass die Klage der Antragsteller voraussichtlich keinen Erfolg haben wird.
1. Die Anordnung des Sofortvollzugs in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids entspricht den formalen Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 VwGO.
Die Antragsgegnerin hat das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung der Baueinstellungsverfügung damit begründet, dass das öffentliche Interesse an einer geordneten Bebauung ein sofortiges Einschreiten gegen die widerrechtliche Baumaßnahme erfordert. Dies genügt den formalen Anforderungen, die nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO an die Begründung zu stellen sind. Bei Baueinstellungen ergibt sich das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung schon aus der Art der getroffenen Verwaltungsmaßnahme. Das Ziel, zu verhindern, dass gesetzwidrige Bauarbeiten fortgeführt werden, könnte ohne die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht erreicht werden (BayVGH, B.v. 18.02.2000 – 2 ZS 00.371 – juris Rn. 2; Decker in Simon/Busse, BayBO, Stand: August 2019, Art. 75 Rn. 108 m.w.N.).
2. Die in Nr. 1 des Bescheides vom 23. Mai 2019 ausgesprochene Baueinstellungsverfügung ist aller Voraussicht nach rechtmäßig und verletzt die Antragsteller nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
a. Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Die Baueinstellungsverfügung konnte gemäß Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG ohne vorherige Anhörung der Antragsteller ausgesprochen werden.
Nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG kann von einer nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG erforderlichen Anhörung abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist, insbesondere, wenn die sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint. Diese Voraussetzungen sind bei einer Einstellung von Bauarbeiten regelmäßig gegeben. Dies ergibt sich bereits aus dem Zweck der Baueinstellungsanordnung, die dazu dienen soll, den weiteren Fortschritt der Bauarbeiten unmittelbar zu beenden, um eine bauaufsichtliche Prüfung durchzuführen. Angesichts der schnell fortschreitenden Bauarbeiten wäre der Zweck der Baueinstellungsanordnung gefährdet, wenn während einer vorherigen Anhörung und der hierbei erforderlichen Äußerungsfrist vollendete Tatsachen geschaffen werden könnten (vgl. Decker in Simon/Busse, BayBO, Art. 75 Rn. 25). Ein von dieser Regel abweichender atypischer Fall liegt hier nicht vor. Bei der Baukontrolle am 22. Mai 2019 wurde festgestellt, dass das Schwimmbad bereits im Rohbau und die übrigen Anlagen nahezu fertig gestellt waren. Im Übrigen hat die Antragsgegnerin die nachträglichen Einwendungen der Antragsteller zur Kenntnis genommen und sich mit den Einwendungen im Hinblick auf die Fortgeltung der Baueinstellungsverfügung ausführlich auseinandergesetzt, so dass gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG ein etwaiger Anhörungsmangel geheilt wäre.
b. Die Baueinstellung ist auch materiell rechtmäßig.
Nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung der Arbeiten anordnen, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt werden. Eine Baueinstellung kommt sowohl bei genehmigungswie nicht genehmigungspflichtigen Bauvorhaben in Betracht.
Nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift, der einerseits darin besteht, das formelle Recht durchzusetzen und zu gewährleisten, dass Bauvorhaben erst ausgeführt werden, wenn durch Erteilung der erforderlichen Genehmigung(en) ihre Vereinbarkeit mit dem öffentlichen Recht festgestellt wurde, genügt für einen „Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften“ in diesem Sinne grundsätzlich die formelle Rechtswidrigkeit. Bei genehmigungspflichtigen Vorhaben reicht damit für die Anordnung also der Umstand aus, dass für das Vorhaben keine Genehmigung vorliegt oder von genehmigten Plänen abgewichen wird (BayVGH, B.v. 10.04.2017 – 15 ZB 16.672 – juris Rn. 8; B.v. 5.10.2006 – 14 ZB 06.1133 – juris Rn. 2; B.v. 14.11.2011 – 20 ZB 01.2648 – juris Rn. 3). Da andererseits der Sinn und Zweck der Vorschrift auch darin besteht, dem materiellen Recht Geltung zu verschaffen, genügt für eine Baueinstellungsverfügung grundsätzlich auch die materielle Rechtswidrigkeit der begonnenen und noch nicht abgeschlossenen Baumaßnahmen (vgl. BayVGH, B.v. 2.8.2000 – 1 ZB 97.2669 – juris Rn. 5; B.v. 5.10.2006 – 14 ZB 06.1133 – juris Rn. 2; B.v. 14.11.2011 – 20 ZB 01.2648 – juris Rn. 3).
Es kann daher offen bleiben, ob eine formelle Baurechtswidrigkeit, die eine Baueinstellung rechtfertigt, auch bei genehmigungsfreien Vorhaben gegeben sein kann, wenn es sich um ein verfahrensfreies Vorhaben im Sinne von Art. 57 BayBO handelt und die dann erforderliche isolierte Abweichung (Art. 63 Abs. 2 Satz 2 BayBO) nicht eingeholt wurde (so BayVGH, U.v. 01.07.2005 – 25 B 01.2747 – juris Rn. 10).
Eine solche Situation würde hier vorliegen, weil für die Errichtung des Schwimmbades und der weiteren Nebenanlagen zwar nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) und Nr. 10 Buchst. a) BayBO keine Baugenehmigung erforderlich ist, sehr wohl aber ein Antrag auf Zulassung einer isolierten Abweichung nach Art. 63 Abs. 2 Sätze 1 und 2 i.V.m. Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO, § 31 Abs. 2 BauGB.
Allerdings sind vorliegend jedenfalls die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 75 BayBO deshalb erfüllt, weil die Baueinstellungsverfügung vom 23. Mai 2019 materiell rechtmäßig ist. Bei den nach Art. 57 BayBO verfahrensfreien Vorhaben führt ein etwaiger Verstoß gegen materielles Recht, das von der Bauaufsichtsbehörde im Baugenehmigungsverfahren nicht geprüft wurde und auch nicht geprüft werden musste, dazu, dass die Behörde zur Einstellung der Bauarbeiten nach Art. 75 Abs. 1 berechtigt ist (vgl. Decker in Simon/Busse, BayBO, Stand: August 2019, Art. 75 Rn. 38 f, 50). Nach Art. 55 Abs. 2 BayBO entbindet die Genehmigungsfreiheit u.a. nach Art. 57 BayBO nicht von der Verpflichtung zur Einhaltung der Anforderungen, die durch öffentlich-rechtliche Vorschriften an Anlagen gestellt werden.
(1) Aus den in der Behördenakte befindlichen Lichtbildern ergibt sich, dass die auf dem Baugrundstück durchgeführten Baumaßnahmen verfahrensfrei sein dürften.
Die Errichtung des Schwimmbeckens an der östlichen Grundstücksgrenze im Garten des Grundstücks der Antragsteller ist verfahrensfrei. Nach Art. 55 Abs. 1 BayBO bedarf die Errichtung, Änderung und Nutzungsänderung von Anlagen der Baugenehmigung, sofern in den Art. 56 bis 58, 72 und 73 BayBO nichts anderes bestimmt ist. Nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 10 Buchst. a) BayBO sind Schwimmbecken mit einem Beckeninhalt bis zu 100 m³ verfahrensfrei zulässig. Diese Voraussetzungen sind vorliegend wohl – da von beiden Parteien nicht bestritten – erfüllt. Sowohl die Antragsteller als auch die Antragsgegnerin gehen davon aus, dass das Schwimmbecken die Größe von 100 m³ nicht überschreitet. Nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) BayBO sind auch Gebäude mit einem Brutto-Rauminhalt bis zu 75 m³ verfahrensfrei. Da die drei Gebäude an der rückwärtigen südlichen Grundstücksgrenze sich nach unbestrittener Ausführung der Antragsgegnerin über eine Länge von 10,50 m erstrecken, ist davon auszugehen, dass keine der drei Anlagen – wobei der Freisitz nach den in den Akten befindlichen Lichtbilder am größten ist – den vorgegebenen Rauminhalt überschreitet.
(2) Das Schwimmbecken und die drei Gebäude verstoßen jedoch gegen die Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 462 der Antragsgegnerin vom 20. Februar 1974 und sind damit jedenfalls bauplanungsrechtlich unzulässig, § 30 Abs. 1 BauGB.
Nach § 5 der Satzung über den Bebauungsplan Nr. 462 sind Nebenanlagen und Einrichtungen im Sinne des § 14 Abs. 1 BauNVO 1968 nicht zulässig. Ausnahmsweise kann der Ausbau solcher Anlagen in rückwärtiger Verlängerung der Garagen bis zu 2 m zugelassen werden. Dies ist hier schon nicht der Fall, da sich die Garage der Antragsteller im nord-östlichen Bereich des Grundstücks zur Straßenseite befindet, das Schwimmbecken jedoch hinter dem Haus im rückwärtigen Gartenbereich und die drei Gebäude an der südlichen rückwärtigen Grundstücksgrenze liegen. Das Schwimmbecken gehört zu den Nebenanlagen im Sinne des § 14 Abs. 1 BauNVO 1968 ebenso wie das Gerätehaus, die Sauna und der Freisitz, die dem Wohnen dienen und Anlagen der Hobby- und Freizeitgestaltung sind (Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: September 2019, § 14 BauNVO Rn. 30, 48, 50).
Zum anderen liegen das Schwimmbecken, der Freisitz, die Sauna und das Gerätehaus deutlich außerhalb der im Bebauungsplan Nr. 462 festgesetzten südlichen, rückwärtigen Baugrenze, die ungefähr an der südlichen Außenmauer des bestehenden Doppelhauses verläuft und die auch Nebenanlagen grundsätzlich einzuhalten haben.
Die Zulassung einer Ausnahme nach § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO 1968 scheitert schon an der gegensätzlichen Regelung im Bebauungsplan, nach dem Nebenanlagen ausdrücklich unzulässig sind und nur unter der in § 5 Abs. 2 der Satzung über den Bebauungsplan Nr. 462 genannten Ausnahme zugelassen werden können. Im Übrigen wurde eine isolierte Abweichung nach Art. 63 Abs. 2 BayBO nicht beantragt.
(3) Der Bebauungsplan ist hinsichtlich der Festsetzung der rückwärtigen Baugrenzen und der Unzulässigkeit von Nebenanlagen auch nicht funktionslos geworden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann eine bauplanerische Festsetzung funktionslos sein, wenn und soweit die tatsächlichen Verhältnisse, auf die sie sich bezieht, ihre Verwirklichung auf unabsehbare Zeit ausschließen und diese Tatsache so offensichtlich ist, dass ein in ihre Fortgeltung gesetztes Vertrauen keinen Schutz verdient. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist für jede Festsetzung gesondert zu prüfen. Dabei kommt es nicht auf die Verhältnisse auf einzelnen Grundstücken an. Entscheidend ist vielmehr, ob die jeweilige Festsetzung geeignet ist, zur städtebaulichen Ordnung i.S.d. § 1 Abs. 3 BauGB im Geltungsbereich des Bebauungsplans einen wirksamen Beitrag zu leisten. Die Planungskonzeption, die einer Festsetzung zugrunde liegt, wird nicht schon dann sinnlos, wenn sie nicht mehr überall im Plangebiet umgesetzt werden kann. Erst wenn die tatsächlichen Verhältnisse vom Planinhalt so massiv und so offenkundig abweichen, dass der Bebauungsplan insoweit eine städtebauliche Gestaltungsfunktion unmöglich zu erfüllen vermag, kann von einer Funktionslosigkeit die Rede sein. Das setzt voraus, dass die Festsetzung unabhängig davon, ob sie punktuell durchsetzbar ist, bei einer Gesamtbetrachtung die Fähigkeit verloren hat, die städtebauliche Entwicklung noch in einer bestimmten Richtung zu steuern (vgl. z.B. BVerwG, B.v. 9.10.2003 – 4 B 85/03 – juris Rn. 8).
Nach diesem strengen Maßstab ist vorliegend nicht von der Funktionslosigkeit der Bauraumfestsetzungen und § 5 der Satzung über den streitgegenständlichen Bebauungsplan auszugehen. Den Antragstellern ist zwar zuzugeben, dass auf den vorgelegten Luftbildern der Anwesen entlang der … – die allerdings größtenteils nicht zu den genannten Haunummern passen bzw. Hausnummern mehrmals verschiedenen Häusern zuordnen – vielzählige Nebengebäude im rückwärtigen Gartenbereich zu sehen sind. Selbst wenn diese sämtlich die festgesetzten Baugrenzen überschreiten würden, wäre die städtebauliche Gestaltungs- und Ordnungsfunktion der Bauraumfestsetzungen nicht vollständig ausgeschaltet. Es kann unter den gegeben Umständen nicht davon ausgegangen werden, dass die in Rede stehenden Bauraumfestsetzungen bei einer Gesamtbetrachtung die Fähigkeit verloren haben, die städtebauliche Entwicklung noch in einer bestimmten Richtung zu steuern. Die gebotene Gesamtbetrachtung ergibt, dass die städtebauliche Zielsetzung der Festsetzung von Baugrenzen und dem grundsätzlichen Ausschluss von Nebenanlagen – nämlich eine offene Bebauung und großzügige Freiflächen gerade in den rückwärtigen Grundstücksbereichen zu erhalten – durch möglicherweise bereits vorhandene Baugrenzenüberschreitungen nicht vollständig unmöglich wird.
(4) Überdies sind die streitgegenständlichen Anlagen bauordnungsrechtlich unzulässig, da sie gegen die Vorschriften des Abstandsflächenrechts verstoßen.
Gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO sind vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandflächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten.
Der Freisitz, das Gerätehaus und die Sauna sind nach den in der Behördenakte befindlichen Bildern grenzständig an der südlichen Grundstücksgrenze des streitgegenständlichen Grundstücks errichtet.
Nach Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO sind in den Abstandsflächen eines Gebäudes sowie ohne eigene Abstandsflächen, auch wenn sie nicht an die Grundstücksgrenze oder an das Gebäude angebaut werden, zulässig u.a. Gebäude ohne Aufenthaltsräude und Feuerstätten mit einer mittleren Wandhöhe bis zu 3 m und einer Gesamtlänge je Grundstücksgrenze von 9 m. Nach Art. 6 Abs. 9 Satz 2 BayBO darf die Länge der die Abstandsflächentiefe gegenüber den Grundstücksgrenzen nicht einhaltenden Bebauung nach den Nrn. 1 und 2 auf einem Grundstück insgesamt 15 m nicht überschreiten.
Die gegenständlichen Nebenanlagen bleiben schon nicht im Rahmen der nach Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO geregelten Höchstmaße. Unabhängig davon, ob insbesondere der Freisitz und die Sauna Gebäude i.S.d. Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO darstellen, überschreiten sie mit einer Länge von insgesamt 10,5 m die zulässige Länge von 9 m an der südlichen Grundstücksgrenze. Zudem überschreiten die streitgegenständlichen Gebäude und die ebenfalls auf dem Grundstück befindliche, grenzständig errichtete Garage möglicherweise bereits das nach Art. 6 Abs. 9 Satz 2 BayBO vorgegeben Höchstmaß von 15 m.
c. Die Baueinstellungsverfügung ist auch hinsichtlich der Ermessensausübung durch die Antragsgegnerin nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin hat das für den Erlass der Baueinstellungsverfügung nach Art. 75 Abs. 1 BayBO eingeräumte Ermessen pflichtgemäß und beanstandungsfrei ausgeübt (§ 114 Satz 1 VwGO).
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass dann, wenn – wie vorliegend – die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Baueinstellung vorliegen, in aller Regel ein öffentliches Interesse an der Baueinstellung besteht (BayVGH, U.v. 27.08.2002 – 26 B 00.2110 – juris Rn. 23).
Eine Baueinstellung bezweckt, wie ausgeführt, primär sicherzustellen, dass vor abschließender Prüfung der Zulässigkeit des Vorhabens dessen Fortführung verhindert wird. Es ist daher regelmäßig sachgerecht, eine entsprechende Verfügung zu erlassen, wenn festgestellt wird, dass ein Bauvorhaben ohne die erforderliche Genehmigung bzw. isolierte Abweichung ausgeführt wird (sog. intendiertes Ermessen). Hinsichtlich der Begründung der Ermessensentscheidung reicht es in einem solchen Fall aus, wenn darauf hingewiesen wird, dass die Verfügung im Hinblick auf die formelle Baurechtswidrigkeit, also das Fehlen einer Genehmigung oder sonstigen Zulassungsentscheidung, erfolgt ist (vgl. Decker in Simon/Busse, BayBO, Art. 75 Rn. 83).
Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen in den Gründen des Bescheids, auch wenn diese wenig konkret und formelhaft sind, da sich ihnen gleichwohl noch entnehmen lässt, dass Anlass für die Verfügung der Umstand war, dass mit den Arbeiten zur Errichtung der Anlagen begonnen bzw. diese schon fast fertig gestellt wurden, obwohl sie im Widerspruch zu planungs- und bauordnungsrechtlichen Vorschriften stehen und eine isolierte Abweichung nicht vorlag.
Weiter ist festzustellen, dass die Ermessensentscheidung auch angesichts des Umstands, dass sich im Bereich des Bebauungsplans eine Vielzahl von Nebenanlagen befinden, keinen Bedenken begegnet und insbesondere eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung nicht vorliegt. Was die vorhandenen Gebäude angeht, ist in diesem Zusammenhang zunächst darauf hinzuweisen, dass Anforderungen nach dem geltenden Bebauungsplan Nr. 462 nicht an Nebenanlagen gestellt werden können, die vor dessen Inkrafttreten am 20. Februar 1974 eventuell zulässigerweise errichtet wurden. Weiter ist nach Aktenlage nicht ersichtlich, ob die angeführten Nebenanlagen, soweit auf sie die Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 462 anwendbar sein sollten, seitens der Antragsgegnerin zugelassen wurden oder ob es sich um „Schwarzbauten“ handelt und wenn ja, ob diese der Antragsgegnerin bislang schon bekannt waren und von ihr geduldet werden. Zumindest das Schwimmbecken, das sich auf dem Grundstück … …, Fl.Nrn. 189 und 198/29 befindet, wurde nach dem Vortrag der Antragsgegnerin unmittelbar nach Kenntnis aufgegriffen.
Einer weiteren Sachaufklärung hierzu bedarf es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Baueinstellung aber letztlich nicht, weil bei der Prüfung der Frage, ob das Vorgehen der Antragsgegnerin mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz in Einklang steht, maßgeblich wiederum auf den Zweck der Baueinstellung abzustellen ist. Danach ist es aber für die Ermessenshandhabung ohne Belang, ob im Bereich des Bebauungsplans Nr. 462 unzulässige Nebenanlagen vorhanden sind (seien diese nun genehmigt oder ungenehmigt), denn dies ändert nichts daran, dass die Antragsgegnerin gehalten ist, auf eine Beachtung der jeweiligen Verfahrensanforderungen (Beantragung einer Abweichung) hinzuwirken. Eine unzulässige Ungleichbehandlung wäre daher hier nur dann anzunehmen, wenn die Antragsgegnerin in anderen vergleichbaren Fällen – bei laufenden Arbeiten zur Errichtung von Nebenanlagen, die einer Genehmigung oder isolierten Abweichung bedürfen – von Baueinstellungen abgesehen hätte. Dafür ist aber nichts ersichtlich.
Dass im Umgriff eine Vielzahl von Nebenanlagen vorhanden sind, kann Bedeutung daher allenfalls für ein nachträglich durchzuführendes Verfahren bei Beantragung einer isolierten Abweichung erlangen, sollten die Antragsteller das Vorhaben weiterverfolgen. Für das Vorliegen einer Ermessensreduzierung auf Null, dafür also, dass den Antragstellern ein Rechtsanspruch auf die Erteilung einer Abweichung hinsichtlich der Anforderungen des Bebauungsplans Nr. 462 und des Abstandsflächenrechts zustehen könnte, sind allerdings nach Aktenlage (schon weil bisher keine prüffähige Planung vorliegt und wegen der gebotenen Einzelfallprüfung) keine hinreichenden Anhaltspunkte gegeben.
Zu dem Vorbringen, dass der Garten der Antragsteller durch die offene Baustelle derzeit nicht nutzbar sei und der Antragsteller bereits eine hohe Summe investiert habe, ist festzustellen, dass, wer ohne die erforderliche Genehmigung/Befreiung von Bestimmungen eines Bebauungsplans und des Abstandsflächenrechts Anlagen errichtet, das Risiko ihrer Rechtswidrigkeit selbst zu tragen hat (BVerwG, B.v. 30.8.1996 – 4 B 117/96 – juris Rn. 7; BayVGH, U.v. 12.05.2005 – 26 B 03.2454 – juris Rn. 31). Wirtschaftliche Nachteile, die mit der Baueinstellung verbunden sind, müssen in aller Regel hinter dem öffentlichen Interesse, zu verhindern, dass baurechtswidrige Zustände entstehen, zurücktreten. Es ist Sache des Bauherrn, durch einen Bauantrag oder die Vorlage anderweitiger Unterlagen die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sein Vorhaben den formellen und materiellen Anforderungen des Baurechts entspricht. Es ist dem Bauherrn zuzumuten, gegebenenfalls mit der Fortsetzung der Bauarbeiten zuzuwarten, bis die baurechtliche Zulässigkeit des Bauvorhabens festgestellt ist (BayVGH, B.v. 18.02.2000 – 2 ZS 00.371 – juris Rn. 6), zumal der Betroffene nicht bessergestellt werden soll als ein Bauherr, der für sein Vorhaben ordnungsgemäß einen Bauantrag bzw. einen Antrag auf isolierte Abweichung gestellt hat.
Baurechtliche Entscheidungen sind überdies ausschließlich sachbezogen, daher können persönliche Verhältnisse für die Ermessensausübung keine Rolle spielen.
d. Die Antragsteller sind als (Mit-)Eigentümer des streitgegenständlichen Grundstücks auch die richtigen Adressaten der Baueinstellungsverfügung.
3. Die Zwangsgeldandrohung in Nr. 2 des Bescheides vom 23. Mai 2019 beruht auf Art. 18, 19 Abs. 1 Nr. 3, 29 Abs. 2 Nr. 2, 31 und 36 BayVwZVG. Dass dem Antragsteller keine Frist für die Einstellung der Arbeiten, nach deren Ablauf das Zwangsgeld fällig würde, gesetzt wurde, begegnet keinen Bedenken, da das grundsätzliche Erfordernis einer Fristsetzung für die Erfüllung der Verpflichtung (Art. 36 Abs. 1 Satz 2 BayVwZVG) im Falle einer reinen Unterlassungsverpflichtung entfällt (BayVGH, B.v. 29.03.1993 – 14 CE 93.434 – juris Rn. 31). Auch die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes, das im unteren Bereich des gesetzlich vorgegebenen Rahmens liegt (vgl. Art. 31 Abs. 2 Satz 1 BayVwZVG), ist nicht zu beanstanden.
4. Der Antrag war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 und 1 i. V. m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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