Baurecht

Asphaltierungen und Geländeauffüllungen auf dem Grundstück sind nicht zu entfernen

Aktenzeichen  1 B 16.2374

Datum:
3.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 15248
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 50 Abs. 1, Art. 76 S. 1
LStVG Art. 9

 

Leitsatz

1. Die Tatsache, dass der Geschäftsführer einer Komplementärgesellschaft nicht bereits im Verwaltungsverfahren eingewandt hat, dass seine persönliche Haftung nicht in Betracht komme, und er sich nur um eine sachliche Lösung der Angelegenheit bemüht habe, sind nicht ausreichend, um eine Anscheinshaftung zu begründen.  (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Inhaber der tatsächlichen Gewalt und damit als Zustandsstörer (Art. 9 Abs. 2 S. 1 LStVG) herangezogen werden kann derjenige, der aufgrund eines tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses eine unmittelbare Einwirkungsmöglichkeit auf die Sache besitzt, also regelmäßig der Besitzer. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 9 K 13.1933 2013-10-02 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 2. Oktober 2013 wird der Bescheid des Beklagten vom 12. April 2013 in der Fassung des Ergänzungsbescheides vom 7. April 2017 in den Nummern 1 und 3 aufgehoben.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Mit Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Berufung des Klägers (§ 124 Abs. 1 VwGO) hat Erfolg.
Der Bescheid des Beklagten vom 12. April 2013 in der Fassung des Ergänzungsbescheides vom 7. April 2017 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger kann nicht persönlich als Handlungsstörer oder Inhaber der tatsächlichen Gewalt in Anspruch genommen werden. Die Bescheide waren daher unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 2. Oktober 2013 aufzuheben.
Gemäß Art. 76 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung baulicher Anlagen anordnen, wenn diese im Widerspruch zu öffentlichen Vorschriften errichtet werden und nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Beseitigungsanordnung kommt es grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung der Bauaufsichtsbehörde an (vgl. BVerwG, B.v. 11.8.1992 – 4 B 161.92 – NVwZ 1993, 476; offen gelassen für rechtserhebliche Änderungen nach Erlass der Beseitigungsanordnung U.v. 12.12.2013 – 4 C 15.12 – NVwZ 2014, 454). Gegen wen eine Beseitigungsanordnung erlassen werden kann, ergibt sich in erster Linie aus den Bestimmungen des Art. 49 bis 52 BayBO über die am Bau Beteiligten, insbesondere aus den Bestimmungen über die Verantwortlichkeit des Bauherrn (Art. 49, Art. 50 Abs. 1 BayBO), im Übrigen aus einer entsprechenden Anwendung von Art. 9 LStVG als der allgemeinen Bestimmung über die sicherheitsrechtliche Verantwortlichkeit (vgl. BayVGH, B.v. 28.5.2001 – 1 ZB 01.664 – juris Rn. 5). Bei der Auswahl zwischen mehreren Störern ist in der Regel der Handlungsstörer vor dem Zustandsstörer in Anspruch zu nehmen, wenn nicht die Wirksamkeit der Maßnahme eine andere Reihenfolge gebietet (vgl. BayVGH, U.v. 22.4.1992 – 2 B 90.1348 – NJW 1993, 81; B.v. 23.3.1999 – 15 ZB 98.2256 – juris Rn. 2). Handlungsstörer ist derjenige, der für die Errichtung der Anlage unmittelbar verantwortlich ist; das ist gemäß Art. 50 Abs. 1 Satz 1 BayBO der Bauherr.
Der Beklagte hat den Kläger zu Unrecht als Bauherrn in Anspruch genommen, da keine belastbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er die Bauarbeiten für die Aufschüttungen und Asphaltierungen persönlich und nicht als Geschäftsführer der S… H… Vermögensverwaltungs GmbH & Co. KG oder der Reparaturwerkstätte H… GmbH & Co. KG in Auftrag gegeben hat. Zwar kann eine Störerhaftung einer Privatperson auch neben einer Inanspruchnahme einer juristischen Person des Privatrechts, für die die Privatperson verantwortlich tätig wird, in Betracht kommen, wenn diese als Bauherr gegenüber der Behörde auftritt (vgl. OVG NW, U.v. 6.9.1993 – 11 A 694.90 – NVwZ-RR 1994, 386; B.v. 28.4.2014 – 10 A 1018/13 – BauR 2014, 2074; BayVGH, U.v. 13.4.2015 – 1 B 14.2319 – juris Rn. 31). Der Kläger ist hier aber für die Grundstücke weder in der Vergangenheit als Bauherr aufgetreten noch hat er nachträglich einen Bauantrag für die Aufschüttungen gestellt. Die Bau- bzw. Tekturgenehmigungen für das Grundstück FlNr. … wurden 2006 und 2009 von der Eigentümerin des Grundstücks, der S… H… Vermögensverwaltungs GmbH & Co. KG, beantragt. Entsprechend hat der Beklagte auch sein Schreiben vom 26. November 2009, in dem darauf hingewiesen wurde, dass die damals schon errichtete (kleinere) Auffüllung auf FlNr. … nicht als Stellplatz genutzt werden könne, an die H… Vermögensverwaltungs GmbH & Co. KG gerichtet. Dass der Kläger auf dieses Schreiben hin bei der Behörde angerufen hat, war kein Grund, das Anhörungsschreiben vom 29. Dezember 2011 an ihn persönlich zu richten, da er hierbei erkennbar als Verantwortlicher der Gesellschaft gehandelt hat.
Der Beklagte hat daher das Anhörungsschreiben vom 29. Dezember 2011 nach den bekannten Umständen fälschlicherweise an den Kläger persönlich gerichtet. Die Tatsache, dass dieser nicht bereits im Verwaltungsverfahren eingewandt hat, dass seine persönliche Haftung nicht in Betracht komme, und er sich (nur) um eine sachliche Lösung der Angelegenheit bemüht habe, sind nicht ausreichend, um eine Anscheinshaftung des Klägers zu begründen. Insbesondere hat er durch sein Auftreten keinen Irrtum bei der Beklagten erzeugt, dass er persönlich für die Nutzung der Grundstücke verantwortlich sei. Er konnte vielmehr davon ausgehen, dass dem Beklagten die Eigentumsverhältnisse auf den Grundstücken bekannt sind. Als Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft war er auch Ansprechpartner der Behörde. Es ist grundsätzlich Sache der Behörde, den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt im Verwaltungsverfahren zu ermitteln und festzustellen. Zwar besteht eine Mitwirkungsobliegenheit für solche Tatsachen, die für den Betroffenen günstig sind und die die Behörde nicht ohne weiteres festzustellen vermag. Eine solche Sachverhaltskonstellation ist hier aber nicht gegeben. Es hätte durch eine Grundbucheinsicht leicht festgestellt werden können, ob die bekannten Eigentumsverhältnisse noch aktuell sind.
Soweit vorgetragen wurde, dass der Kläger bisher nicht angegeben habe, welches der Unternehmen für die Auffüllungen und Asphaltierungen verantwortlich sei, kann dies nicht zu einer persönlichen Haftung des Klägers führen. Zwar ist davon auszugehen, dass der Kläger als Geschäftsführer der S… H… Vermögensverwaltungs GmbH & Co. KG und der Reparaturwerkstätte H… GmbH & Co. KG diese Angabe machen kann und eigene Ermittlungen der Behörde hier nicht zielführend sind. Unabhängig von der Frage, ob er hierzu im Verwaltungsverfahren von der Behörde aufgefordert worden ist, führt die Verweigerung der Angabe des Verantwortlichen aber nur dazu, dass der Zustandsstörer in Anspruch genommen werden kann (vgl. BayVGH, U.v. 22.4.1992 – 2 B 90.1348 – NJW 1993, 81).
Der Kläger kann auch nicht als Inhaber der tatsächlichen Gewalt und damit als Zustandsstörer (Art. 9 Abs. 2 Satz 1 LStVG) herangezogen werden. Inhaber der tatsächlichen Gewalt ist derjenige, der aufgrund eines tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses eine unmittelbare Einwirkungsmöglichkeit auf die Sache besitzt. Inhaber der tatsächlichen Gewalt ist regelmäßig der Besitzer im Sinn von § 854 Abs. 1 BGB (vgl. Decker in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Stand 2016, Art. 76 Rn. 171). Die von den Organen einer juristischen Person ausgeübte Sachherrschaft wird dieser zugerechnet (vgl. BGH, U.v. 27.10.1971 – VIII ZR 48/70 – NJW 1972, 43; U.v. 16.10.2003 – IX ZR 55/02 – NJW 2004, 217). Damit könnte für das Grundstück FlNr. … der Pächter, die Reparaturwerkstätte H… GmbH & Co. KG herangezogen werden (für das Grundstück FlNr. … gelten einheitliche Eigentums- und Besitzverhältnisse), aber nicht der Kläger. Auch wenn der Kläger, wie der Beklagte geltend gemacht, in den Unternehmen das „Sagen“ habe, muss sich die Behörde grundsätzlich an das verantwortliche Unternehmen halten. Nur wenn die Privatperson gegenüber der Behörde als Bauherr auftritt und damit eine Verfügungsmacht über das Grundstück beansprucht, ist es gerechtfertigt, sie auch ordnungsrechtlich in Anspruch zu nehmen. Das ist hier jedoch nicht der Fall.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladene ihre außergerichtliche Kosten, soweit solche überhaupt angefallen sind, trägt, da sie sich nicht aktiv am Verfahren beteiligt hat (§ 162 Abs. 3 VwGO). Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.


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