Aktenzeichen RN 6 S 19.1294
Leitsatz
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Abänderungsverfahrens ein schließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert wird auf 3.750 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die Abänderung eines Beschlusses, mit dem die Kammer im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung abgelehnt hat.
Gegenstand im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO war eine der Beigeladenen erteilte Tekturgenehmigung für die Errichtung einer Innenhofüberdachung und einer Brandwand auf dem Grundstück mit der Fl.Nr. 27 (Gemarkung …).
Die Beigeladene ist Eigentümerin des Grundstücks Fl.Nr. 27, welches vom …platz bis zur …gasse reicht und sowohl vom …platz als auch von der …gasse her zugänglich ist. Das Grundstück der Beigeladenen ist mit zwei Gebäuden bebaut. Dazwischen befindet sich ein ca. 10 m² großer Innenhof. Das Baugrundstück liegt innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils. Ein Bebauungsplan besteht für das streitgegenständliche Gebiet nicht. Die Antragstellerin ist Auflassungsvormerkungsberechtigte des Grundstücks Fl.Nr. 72 (…gasse …), welches mit einem denkmalgeschützten Wohnhaus aus dem 17./18. Jahrhundert bebaut ist. Das Wohnhaus liegt direkt an der Grenze zum Grundstück der Beigeladenen. Beide Grundstücke liegen im Bereich des Ensembles Altstadt … Am 21.6.2018 wurde für die Antragstellerin eine am 25.5.2018 bewilligte Auflassungsvormerkung in Abteilung 2 des Grundbuchs eingetragen. In Plänen, welche der bisherige Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. 72 am 1.9.2015 zur Beantragung einer denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis nach Art. 7 Denkmalschutzgesetz vorgelegt hat, sind in der östlichen Außenwand im südlichen mit Anbau bezeichneten Bereich im 1. Obergeschoss zwei Fenster zum Innenhof der Beigeladenen hin eingezeichnet.
Mit Bescheid vom 30.5.2018 (20172985) erteilte das Landratsamt Passau der Beigeladenen eine Baugenehmigung für die Änderung der Nutzung eines Verkaufsladens in ein Lokal, das Erstellen einer Markise und die Erneuerung des Tür- und Fensterelements im Eingangsbereich. Auf die diesbezügliche Bauakte wird Bezug genommen.
Mit Formblättern vom 30.11.2018 beantragte die Beigeladene unter Vorlage von Bau- und Lageplänen eine Tekturgenehmigung für die Errichtung einer Innenhofüberdachung sowie einer Brandwand auf dem Grundstück mit der Fl.Nr. 27. Nach dem vorgelegten Tekturplan soll im westlichen Bereich des Innenhofs ca. 35 cm von der östlichen Außenwand der Antragstellerin entfernt eine 24 cm dicke Brandwand errichtet werden. Im südlichen Bereich nach den Fenstern der Antragstellerin soll die Brandwand direkt an die östliche Außenwand der Antragstellerin angrenzen. Eine Nachbarunterschrift der Grundstückseigentümer der Fl.Nr. 72 ist auf dem vorgelegten Tekturplan nicht ersichtlich.
Mit Formblättern vom 11.12.2018 erteilte die Stadt … das gemeindliche Einvernehmen und führte aus, dass das Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile in einem Gebiet ohne Bebauungsplan (§ 34 Abs. 1 BauGB) liege und die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der BauNVO (MK) entspreche. Das Vorhaben sei als Angelegenheit der laufenden Verwaltung behandelt worden.
Mit Bescheid vom 8. Januar 2019 (Az. 20182883) erteilte das Landratsamt Passau der Beigeladenen die Baugenehmigung für „Innenhofüberdachung und Brandwand – Tektur zu 20172985“ und wies darauf hin, dass der Baugenehmigung die mit Genehmigungsvermerk versehenen Zeichnungen und Beschreibungen zugrunde lägen. Auf den Inhalt des Bescheids wird Bezug genommen. Der Bescheid wurde der Antragstellerin nicht zugestellt. Die Bescheide an die beiden bisherigen Eigentümer des Grundstücks der Antragstellerin wurden am 8.1.2019 zur Post gegeben.
Gegen den Bescheid vom 8.1.2019 hat der bevollmächtigte Ehemann der Antragstellerin am 27.2.2019 zur Niederschrift des Urkundsbeamten Klage erhoben, welche unter dem Aktenzeichen RN 6 K 19.347 geführt wird und über welche noch nicht entschieden wurde. Zugleich ließ die Antragstellerin um vorläufigen Rechtsschutz nachsuchen. Zur Begründung trug ihr Bevollmächtigter vor, dass zwei Wohnungen in ihrem Haus durch Errichtung einer Brandschutzwand am Haus der Beigeladenen unbrauchbar würden. Die Brandschutzwand werde ca. 20 cm vor den jeweiligen Fenstern der Wohnung errichtet und verhindere damit den Einfall von Tageslicht. Die Antragstellerin habe das Haus erst kürzlich erworben. Vom Vorbesitzer des Hauses seien sie bezüglich der Bauvorhaben der Beigeladenen nicht in Kenntnis gesetzt worden. Laut Aussage des Kreisbaumeisters am Landratsamt Passau sei die Baugenehmigung der Beigeladenen lediglich an den Vorbesitzer zugestellt worden. Zum Zeitpunkt der Zustellung des Bescheids an den Vorbesitzer sei die Antragstellerin bereits mit einer Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen gewesen. Zu diesem Zeitpunkt sei sie bereits im Besitz des Grundstücks gewesen und dessen Nutzungen sowie Lasten seien bereits übergegangen gewesen. Der Bevollmächtigte der Antragstellerin möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass die Baumaßnahme bereits begonnen habe und er die Schaffung vollendeter Tatsachen verhindern möchte. Mit weiterem Schreiben vom 28.2.2019 teilte die Antragstellerin mit, dass die Baumaßnahmen auf dem Nachbargrundstück trotz Antragstellung unvermindert fortgeführt würden. Durch die Errichtung der Mauer vor ihren Fenstern würden zwei von drei Wohnungen in ihrem Haus nicht nutzbar. Es werde daher das Gericht gebeten, bis zur endgültigen Entscheidung einen sofortigen Baustopp zu erlassen, um weiteren Schaden an ihrer Immobilie abzuwenden. Durch die jetzt begonnenen Baumaßnahmen werde ihre Immobilie, die ein Einzeldenkmal sei, in der Nutzung so eingeschränkt, dass sie für die Antragstellerin zumindest erheblich an Wert verliere.
Der Antragsgegner trat dem Antrag entgegen und hat zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, dass es sich bei dem Gebäude der Antragstellerin um Grenzbebauung handle. Das Bauvorhaben sei gemäß § 34 BauGB zu beurteilen und entlang der …gasse sei eine geschlossene Bauweise gegeben. Dies bedeute, dass Bauvorhaben grundsätzlich an den seitlichen Grundstücksgrenzen errichtet werden müssten. Bei geschlossener Bauweise sei die grenzständige Wand grundsätzlich ohne Öffnungen zu errichten. Die geschlossene Bauweise schließe daher aufgrund ihres Zwecks nachbarliche Ansprüche auf ungehinderte Belichtung einer derartigen Grenzwand oder des grenznahen von der Festsetzung erfassten Grundstücksbereichs aus (vgl. Jäde/Dirnberger, Baugesetzbuch/Baunutzungsverordnung, 8. Aufl., § 22 BauNVO, Rn. 14). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe ein Zumauern von genehmigten Fenstern eines seit langer Zeit an der Grundstücksgrenze bestehenden Gebäudes gestattet, da es dem Bauherrn nicht zumutbar sei, allein deshalb auf den Grenzbau zu verzichten (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB Kommentar, § 22 Rn. 41 a.E. mit Verweis auf das entsprechende Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes). Im vorliegenden Fall habe nicht festgestellt werden können, dass die Fenster der Antragstellerin jemals genehmigt worden seien, weder baurechtlich noch denkmalschutzrechtlich. Es sei daher davon auszugehen, dass die Fenster ohne Genehmigung errichtet worden seien und materiellrechtlich den Brandschutzanforderungen einer Brandwand nicht genügten. Wenn nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs sogar das Zumauern genehmigter Fenster zulässig sei, müsse dies erst recht für in rechtswidriger Weise errichtete nicht genehmigte Fenster gelten. Im Übrigen habe die Beigeladene sich bereiterklärt, einen Abstand von 35 cm einzuhalten, um noch in einem bestimmten Umfang die Belichtung und Belüftung der Zimmer der Antragstellerin zu gewährleisten. Dies stehe der geschlossenen Bauweise nicht entgegen. Nach herrschender Meinung sei auch bei einem geringfügigen Grenzabstand von einer geschlossenen Bauweise auszugehen (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB Kommentar, § 22 Rn. 38 und Fickert/Fieseler, BauNVO, 13. Auflage, § 22 Rn. 9). Somit würden die nachbarlichen Belange, obwohl eine Rechtspflicht hierzu nicht bestanden habe, noch in einem gewissen Umfang gewahrt. Die Antragstellerin könne sich auch nicht darauf berufen, dass durch die Baugenehmigung ihr denkmalgeschütztes Gebäude beeinträchtigt würde. Zwar sei ihr Gebäude in die Denkmalliste als Einzeldenkmal eingetragen. Das Baugrundstück befinde sich im Ensemblebereich des …platzes. In diesem Zusammenhang dürfe auf beiliegende Bauakte 20172985 verwiesen werden. In diesem Verfahren sei der Beigeladenen die baurechtliche Genehmigung zur Nutzungsänderung eines Verkaufsladens in ein Lokal genehmigt worden. In diesem Verfahren sei das Landesamt für Denkmalpflege zweimal beteiligt worden. In seiner Stellungnahme habe das Landesamt der Errichtung einer Werbetafel, einer Markise und dem Schaufensterbereich nicht zugestimmt. Grund für diese Stellungnahme sei die Wahrung des Erscheinungsbildes vom …platz her gewesen. Im vorliegenden streitgegenständlichen Bereich sei das Landesamt für Denkmalpflege nicht mehr beteiligt worden, da das Erscheinungsbild der Gebäude weder vom …platz aus noch von der …gasse eine Rolle gespielt habe und das Bauvorhaben nicht einsehbar sei. Der zuständige Kreisbaumeister als Vertreter der Unteren Denkmalschutzbehörde habe daher eine weitere Stellungnahme des Landesamtes für Denkmalschutz nicht für erforderlich gehalten und die Beurteilung in denkmalschutzrechtlicher Hinsicht in eigener Zuständigkeit vorgenommen. Dabei habe er keinerlei Beeinträchtigung des denkmalgeschützten Gebäudes der Antragstellerin erkennen können. Es entspreche gängiger Praxis, dass bei geringfügigen baulichen Veränderungen das Landesamt für Denkmalpflege nicht mehr eingeschaltet werde und die Untere Denkmalschutzbehörde die Beurteilung in eigener Zuständigkeit vornehme. Die Situation im streitgegenständlichen Bereich sei geprägt davon, dass die vorhandenen baulichen Anlagen, ob Einzeldenkmäler oder nicht, an den seitlichen Grundstücksgrenzen zusammengebaut seien, wie dies der geschlossenen Bauweise entspreche. Das streitgegenständliche Bauvorhaben entspreche diesen vorgefundenen Verhältnissen. Soweit die Antragstellerin eine Beeinträchtigung der Belichtung ihrer Zimmer befürchte, dürfe Folgendes angemerkt werden: Die bestehenden Fenster in ihrer Grenzwand, die als Brandschutzwand auszubilden wäre, seien nicht zulässig und weder baurechtlich noch denkmalschutzrechtlich genehmigt. Denkmalschutzrechtliche Bestimmungen hätten nicht den Sinn und Zweck, baurechtlich unzulässige Zustände zu schützen. Im Übrigen sei auch die Beeinträchtigung der von der Antragstellerin geltend gemachten Zimmer im Inneren des Gebäudes unklar. Es dürfte wohl so sein, dass der ursprüngliche Zustand des Gebäudes eine Belichtung nicht vorgesehen habe. Wie die Beigeladene vorgetragen habe, seien die Zimmer offenbar in den 1960er Jahren errichtet worden. Dies bedeute, dass davor keine Fensteröffnungen vorhanden gewesen seien. Wie der beiliegenden Akte 20152562 zu entnehmen sei, seien die streitgegenständlichen Fenster auch in diesen Grundrisszeichnungen nicht so vorhanden, wie in Wirklichkeit. Nach diesen Grundrisszeichnungen würde eines der Fenster zugemauert sein. Unklar sei weiterhin, inwieweit die Zimmeraufteilung im Laufe der Zeit verändert worden sei. Jedenfalls sei es nicht Absicht des Denkmalschutzes, die im Inneren des Gebäudes vorgenommene Aufteilung der Zimmer zu erhalten. Aus all diesen Gründen könne eine Beeinträchtigung des Baudenkmals der Antragstellerin nicht angenommen werden.
Die Beigeladene trat dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ebenfalls entgegen und trug zur Begründung im Wesentlichen vor, dass für die Nutzungsänderung des bisherigen Verkaufsladens in ein Lokal ein Brandschutzkonzept erforderlich sei. Die Beigeladene sei vom Ersteller des Brandschutzkonzepts im Rahmen der Besichtigung der Örtlichkeiten darauf aufmerksam gemacht worden, dass die beiden ca. 100 x 120 cm großen Fenster, die sich im Anwesen der Antragstellerin befänden, brandschutzrechtlich absolut unzulässig seien, da sie sich in einer Brandwand befänden. Die Beigeladene habe deshalb mehrmals das Gespräch mit der Antragstellerin gesucht. Die Antragstellerin und ihr Ehemann seien über die Bauarbeiten informiert gewesen. Sie wohnten in einem Teil ihres Anwesens. Einen anderen Teil nutzen sie als Café sowie als Obst- und Gemüseladen. Der Teil, in dem sich die streitgegenständlichen Fenster befänden, stehe allerdings leer. Es bestehe massiver Instandhaltungsrückstau und das Haus sei in einem desolaten Zustand. Allenfalls nach größeren Renovierungsarbeiten könnten die Räume eventuell als Wohnräume genutzt werden. Weil die Beigeladene die Interessen der Antragstellerin möglichst geringfügig beeinträchtigen wolle, habe sie nach Rücksprache mit dem Landratsamt die Genehmigung für die Brandschutzmauer und die Überdachung mit der Besonderheit beantragt, dass zwischen der Außenwand des Anwesens der Antragstellerin und der neuen Brandwand der Beigeladenen ein Spalt zwischen 35 cm und 50 cm gelassen werde. Dadurch sei sichergestellt, dass die Antragstellerin ihre Fensteröffnungen behalten könne. Sie könne lüften. Auch komme Licht in ihre Zimmer, wenn auch wenig. Die Beigeladene verzichte durch diese Maßnahme des Abstandhaltens auf 10 bis 15% der Fläche des Innenhofes. Sie komme der Gegenseite freiwillig entgegen. Außerdem lasse die Beigeladene die Fläche zwischen den beiden Wänden (ca. 3 m x 0,35 bis 0,50 m) von einem Spengler fachmännisch abdichten, baue ein kleines Gefälle ein und versehe die Fläche mit zwei Abläufen nach unten, damit Regenwasser abfließen könne. Nötig sei zudem noch der Einbau einer Dachrinnenheizung mit einem elektronischen Regler, damit sich auch bei längerem Frost nicht Schnee oder Eis aufstaue, sondern zeitnah als Wasser abgeleitet werde. Von oben sei ein Taubenschutznetz anzubringen, damit sich nicht in diesem kleinen Freiraum Tauben einnisteten. Die gesamte Maßnahme sei wesentlich teurer, als wenn die Beigeladene direkt eine Mauer vor die Fenster des Anwesens der Antragstellerin setzen würde. Das Landratsamt habe signalisiert, dass auch eine solche Mauer genehmigungsfähig wäre. Dann wäre der Innenhof auch deutlich größer, ferner würde einfach der ganze Innenhof überdacht und die Spenglerarbeiten würden komplett entfallen. Die Beigeladene habe freiwillig das absolut mildeste Mittel gewählt und nur durch die Errichtung der Brandschutzmauer mit Abstand werde die Antragstellerin in die Lage versetzt, ihre beiden Fenster zu behalten und diese auch weiterhin öffnen zu können. Die Behauptung der Antragstellerin, zwei Wohnungen würden unbrauchbar, sei daher falsch. Es gehe um zwei Fenster in zwei Zimmern. Welche Funktion diese Zimmer hätten, sei der Beigeladenen nicht bekannt. Die Zimmer stünden jedenfalls seit vielen Jahren leer. Sicherlich handle es sich nicht um die einzigen Zimmer und damit die einzigen Fenster einer Wohnung. Außerdem habe das Zimmer, in dem sich das linke Fenster befinde, ein weiteres Fenster, das in den Innenhof des Anwesens der Antragstellerin gehe. Es sei also nicht einmal das einzige Fenster dieses Zimmers betroffen. Es handle sich ferner bei beiden Fenstern um Fenster für Zimmer, die im obersten Stockwerk des Anwesens der Antragstellerin lägen. Die Antragstellerin könne sicher auch ohne Probleme Dachfenster in diese Räume einbauen. Die Räume stünden auch derzeit leer. Ferner dürfte eine Vermietung mit brandschutzwidrigen Fenstern derzeit sowieso unzulässig sein. Das Argument, die Wohnungen würden unbrauchbar, greife schon deshalb nicht. Die jetzige bauliche Situation der Antragstellerin sei zu keinem Zeitpunkt in irgendeiner Form genehmigungsfähig gewesen. Die Antragstellerin könne sich deshalb nicht auf Bestandsschutz berufen (vgl. OVG Schleswig-Holstein, B.v. 22.9.2017 – 1 MB 13/17). Die Fenster seien heute unzulässig und sie seien es auch nach früheren Bauordnungen gewesen. Sie seien unzulässig, egal ob der Innenhof überdacht werde oder nicht. Sie seien 1963 oder 1964 errichtet worden. Die Fenster hätten auch in den sechziger Jahren nicht eingebaut werden dürfen. Auch das Verwaltungsgericht Würzburg habe in einem Urteil vom 15.5.2014, 5 K 12.728, einen Bestandsschutz für unzulässige Fenster in einer Brandwand verneint. Der Brandschutz sei sowohl für die Beigeladene als auch für die Antragstellerin immens wichtig. Die Beigeladene könne nicht verpflichtet werden, bei ihrer Baumaßnahme brandschutzrechtlich unzulässige Fenster in einer Brandwand zu dulden. Es gebe keine andere Möglichkeit als die gewählte, damit die Antragstellerin ihre Fenster zum Öffnen behalten könne.
Mit Beschluss vom 15.3.2019 lehnte das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ab, da das Vorhaben das Gebot der Rücksichtnahme nicht verletze. Die Einhaltung einer Abstandsfläche sei nicht erforderlich, da nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden müsse oder dürfe. Es liege in der näheren Umgebung geschlossene Bauweise vor. Selbst bei Annahme einer nicht zulässigen Grenzbebauung könne sich die Antragstellerin auf einen etwaigen Verstoß gegen die Abstandsflächen nicht berufen, da sie ihrerseits mit ihrem Bestandsgebäude die Abstandsflächen zum Grundstück der Beigeladenen nicht einhalte. Eine Berufung auf das Abstandsflächenrecht sei rechtsmissbräuchlich, da nichts dafür ersichtlich sei, dass ihr Rechtsvorgänger auf Grundlage einer bau- bzw. denkmalschutzrechtlichen Genehmigung oder mit Zustimmung der Beigeladenen die Fenster zum Innenhof eingebaut habe. Aufgrund der Notwendigkeit einer Brandwand hätten die Rechtsvorgänger der Antragstellerin somit einen bauordnungswidrigen Zustand selbst herbeigeführt. Im Übrigen wird auf den Beschluss vom 15.3.2019, RN 6 S 19.346, verwiesen.
Mit Schriftsatz vom 21.7.2019 ließ die Antragstellerin einen Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO mit dem Ziel der Abänderung des Beschlusses vom 15.3.2019 stellen. Zur Begründung wurde unter Vorlage einer Befunduntersuchung/Bauforschung von Juli 2019 vorgebracht, dass die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Fenster in der Ostwand der Antragstellerin erst im Jahr 1963 oder 1964 eingebaut worden seien, nach dem vorliegenden Gutachten eindeutig unzutreffend sei. Demnach stammten die Fenster bereits aus dem Jahr 1850 bzw. seien sogar noch älter. Somit sei die Rechtslage von 1850 maßgeblich. Zu diesem Zeitpunkt habe es sich bei dem nördlichen Grundstücksteil der Beigeladenen um ein landwirtschaftliches Anwesen gehandelt, welches dem Bärenwirt Ignaz Koller gehört habe. Das Gebäude der Antragstellerin sei hingegen im Besitz des Landarztes Josef Wolfgang gewesen. Es wurde ein Urkatasterblatt aus dem Jahr 1826 vorgelegt. Das rechtmäßig errichtete Gebäude inklusive der spätestens im Jahr 1850 rechtmäßig errichteten Fenster der Antragstellerin genössen somit Bestandsschutz. Da der Brandschutz zur damaligen Zeit bereits überaus wichtig gewesen sei, hätten die damaligen Polizeigesetze auch bei der Errichtung von Gebäuden die Brandentwicklungen genau geregelt. Die damaligen Vorschriften seien eingehalten worden. Da das Gericht bei seiner Beschlussfassung noch keine Kenntnis von dem mittlerweile vorliegenden Gutachten gehabt habe, habe es dieses auch nicht beachten können. Nunmehr bestünden jedoch ernsthafte Bedenken an der Richtigkeit des Beschlusses, da die Antragstellerin selbst keine Grenzabstände verletzt habe und sie sich somit auf die Verletzung von Abstandsflächen berufen könne. Die Rechtsausübung sei somit auch nicht schikanös und verstoße nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Als Eigentümerin eines mehr als 200 Jahre alten Hauses könne sie sich zulässigerweise darauf berufen, wenn ihr Eigentum durch ein Nachbarvorhaben derart massiv beeinträchtigt und zum Teil sogar zerstört werde. Demnach sei die Wand nicht als Brandwand auszubilden gewesen, da Art. 28 BayBO im Jahr 1850 noch nicht bestanden habe. Auch könne dem Gericht nicht gefolgt werden, dass eine ausreichende Belichtung und Belüftung über Dachfenster gewährleistet werden könne, da Dachfenster aus denkmalrechtlichen Gründen nicht zulässig seien. Zudem scheide eine Belichtung und Belüftung der unteren Zimmer durch Dachfenster bereits dem Grunde nach aus. Die Antragstellerin werde von dem Vorhaben eingemauert, da die Mauer in einem Abstand von ca. 35 cm bei einer Höhe von 4 m über zwei Geschosse verlaufe. Da die jeweiligen Zimmer nur jeweils über ein Fenster verfügten, könne keinerlei Licht oder Luft mehr in diese gelangen. Eine künftige Wohnnutzung sei dadurch nicht mehr möglich. Das Zumauern habe zudem die Bildung von Feuchtigkeit sowie Schwammbildung zur Folge. Aufgrund fehlenden Zugangs zu ihrer Fassade könne sie zudem nicht mehr ihrer gesetzlichen Pflicht zur Instandhaltung nachkommen. Zudem bestehe der Verdacht, dass der Anbau der Beigeladenen (Umbau der Scheune sowie weiterer Anbau der Waschküche) ohne Baugenehmigung errichtet worden sei. In diesem Falle werde ein Einschreiten des Antragsgegners beantragt.
Hinsichtlich der Ausführungen des Gerichts zur Zulässigkeit der geschlossenen Bauweise sei anzuführen, dass im Bereich der Altstadt und auch der …gasse die Gebäude so zueinander angereiht seien, dass sich im hinteren Bereich Innenhöfe bildeten, welche den dort befindlichen Zimmern zur Belichtung und Belüftung dienten. Diese Innenhöfe seien als Freifläche ausgestaltet, die nicht überbaut werden dürften. Eine Grenzbebauung sei daher an diesen Freiflächen unzulässig. Ließe man eine komplette Schließung durch eine durchgängige Grenzbebauung zu, könnten die hinteren Bereiche der historischen Gebäude nicht bewohnt werden. Es handle sich somit um eine Gegend, die lediglich von einer straßenseitigen Blockrandbebauung mit im Wesentlichen nicht überbauten Freiflächen im Blockinneren geprägt sei. Dem Gutachten sei zudem zu entnehmen, dass sich neben dem Gebäude der Antragstellerin eine Scheune befunden habe. Diese stelle ein untergeordnetes Gebäude dar, welches abstandsflächenmäßig keine Beachtung gefunden habe. Da eine Genehmigung für die Umnutzung der Scheune im Staatsarchiv nicht auffindbar gewesen sei, könne man davon ausgehen, dass diese ungenehmigt erfolgt und somit baurechtswidrig sei. Die hinter den Fenstern liegenden Räume, die infolge der Verwirklichung des Vorhabens nicht mehr als Wohnräume nutzbar seien, seien auch schutzwürdig. Deren Schutzwürdigkeit entfiele auch nicht aufgrund des Umstandes, dass diese renovierungsbedürftig seien. Im Jahr 2015 sei vom Voreigentümer ein Antrag auf Erteilung einer denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis beantragt worden, um das Gebäude zu renovieren. Aus den dort eingereichten Plänen lasse sich auch der Grundriss des Gebäudes erkennen, aus dem sich ergebe, dass es sich bei den streitigen Räumen um Zimmer handele. Der Gutachter habe ausgeführt, dass die Vorgängerfenster samt Stöcke 1960 entfernt und neue Fenster eingebaut worden seien. Dies belege, dass Fensteröffnungen bereits vor 1960 vorhanden gewesen seien und damit die Aussage der Mutter der Beigeladenen, es hätte sich um eine geschlossene Wand gehandelt, nicht richtig sei.
Für die Antragstellerin wird sinngemäß beantragt,
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 15.3.2019, RN 6 S 19.346, abzuändern und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 8.1.2019 anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Frage, ob die streitgegenständlichen Fenster der Antragstellerin zugemauert werden können, sei bereits Gegenstand des ursprünglichen Eilverfahrens gewesen. Das Gericht habe in seinem Beschluss vom 15.3.2019 festgestellt, dass die Bebauung zwischen …platz und …gasse in … eine geschlossene Bauweise aufweise. Bereits schon aus diesem Grunde sei das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass die beantragte Überdachung an der Grundstücksgrenze errichtet werden könne. Lediglich hilfsweise habe das Gericht darauf abgestellt, dass sich die Antragstellerin nicht auf die Einhaltung von Abstandsflächen berufen könne, da sie diese selbst nicht einhalte. Daran ändere auch das nunmehr vorgelegte Gutachten nichts. Mangels zugrundeliegender neuer Sach- und Rechtslage sei der Antrag daher bereits unzulässig. Rein vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass das vorgelegte Gutachten nicht die Annahme des Antragsgegners und des Verwaltungsgerichts widerlege, dass die Wand der Antragstellerin mit den derzeitigen Fenstern in dieser Form nicht genehmigt und wegen fehlender Brandwand unzulässig sei. Zwar gehe das Gutachten davon aus, dass wohl in früheren Jahrhunderten bereits Fensteröffnungen vorhanden gewesen seien. Ihm könne aber auch entnommen werden, dass in den 1960er Jahren im Fensterbereich Verputzarbeiten vorgenommen worden seien und auch die Fenster aus dieser Zeit stammten. Dies bestätige die Aussage der Mutter der Beigeladenen, dass im Jahr 1962 die Fenster im Anwesen der Antragstellerin nicht vorhanden gewesen seien und sich dort eine geschlossene Wand befunden habe. Demzufolge seien die Fensteröffnungen, selbst wenn sie in früheren Jahrhunderten zu irgendeinem Zeitpunkt einmal vorhanden gewesen sein, im Laufe der Zeit einmal geschlossen worden. Nach der Bayerischen Bauordnung zum Zeitpunkt der Öffnung der Fenster in den 1960er Jahren sei dies nicht genehmigungsfrei gewesen. Es sei auch davon auszugehen, dass die damals geltenden Brandschutzbestimmungen die Fensteröffnungen nicht erlaubt hätten. Untermauert werde die Auffassung des Antragsgegners auch durch die Pläne aus dem Verfahren über die Erteilung einer denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis, in welchen zumindest auch ein verschlossenes Fenster dargestellt worden sei. Demnach könne nicht von einer anzuwendenden Rechtslage um das Jahr 1850 ausgegangen werden. Sofern überhaupt irgendwann einmal Bestandsschutz für die Fensteröffnungen bestanden habe, so sei dieser spätestens mit dem Schließen der Fenster erloschen. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin könne das größere Zimmer auch durch ein Dachflächenfenster belichtet werden. Dies sei auch nicht unbedingt aus denkmalrechtlichen Gründen ausgeschlossen. Das zweite kleinere Zimmer werde derzeit auch aus dem danebenliegenden Zimmer belichtet, da es von diesem durch ein Glaselement getrennt sei. Hinzu komme das die Beigeladene durch das geringfügige Abrücken von der Grundstücksgrenze eine Belichtung und Belüftung in gewissem, wenn auch eingeschränktem Umfang sichergestellt habe. Im Übrigen seien auch bereits jetzt durch die Zimmeraufteilung viele Durchgangszimmer entstanden, welche ebenfalls Probleme mit der Belichtung aufwiesen. Es könne auch keine Verletzung des Rücksichtnahmegebots angenommen werden, weil das Gebäude der Antragstellerin „eingemauert“ werde. Bei geschlossener Bauweise liege es in der Natur der Sache, dass Gebäude aneinander gebaut würden. Nach der Rechtsprechung könne dies sogar dazu führen, dass genehmigte Fenster zugebaut würden. Der Einwand der Antragstellerin, sie könne ihre Mauer nicht mehr mangels Zugänglichkeit instand halten, greife nicht. Eine gewisse Instandhaltung sei weiterhin möglich. Zudem sei eine Instandhaltung bei geschlossener Bauweise nicht mehr erforderlich. Dies gelte umso mehr, als die Beigeladene die Ableitung von Regenwasser technisch sichergestellt habe.
Die mit Beschluss vom 22. Juli 2019 beigeladene Bauherrin beantragt ebenfalls sinngemäß, den Antrag abzulehnen. Es lägen bereits die formellen Voraussetzungen von § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO nicht vor, sodass der erneute Antrag der Antragstellerin keinen Erfolg haben könne. Sie trage in diesem Zusammenhang schon nicht ansatzweise vor, dass veränderte oder im Ursprungsverfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachte Umstände vorlägen. Das jetzt vorgelegte Gutachten habe die Antragstellerin bereits im Ursprungsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO einführen können. Diese Säumnis sei somit nicht ohne Verschulden erfolgt. Unabhängig davon ergäben sich auch inhaltlich bzw. materiellrechtlich keine veränderten Umstände. Bestritten werde, dass das Gutachten überhaupt von Herrn … erstellt worden sei, da es nicht mit einer Unterschrift versehen sei. Auch werde die Richtigkeit des Gutachtens bestritten. Nicht erkennbar sei zudem die nötige Sachkunde des Erstellers, da es sich um einen Kirchenmalermeister und Restaurator handele, nicht jedoch um einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen.
Abgesehen davon bestätige der Gutachter gerade nicht, dass die Fenster bereits im Jahr 1850 eingebaut worden wären. Unzulässig wäre nämlich der wissenschaftliche Schluss, dass aus dem Vorliegen bestimmter Laibungsputze ein Rückschluss auf das vermeintliche Alter der Fenster gezogen werden könne. Das Gutachten sei in sich widersprüchlich und nicht nachvollziehbar.
Hinsichtlich des Tatbestands im Übrigen wird auf den Inhalt der wechselseitig ausgetauschten Schriftsätze in den Verfahren RN 6 S 19.346, RN 6 K 19.347 und RN 6 S 19.1294 sowie den vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag auf Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 15.3.2019 im Verfahren RN 6 S 19.346 ist unbegründet.
I. Der Abänderungsantrag der Antragsgegnerin ist zulässig.
§ 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO räumt jedem Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit ein, einen Antrag auf Änderung eines Beschlusses zu stellen, und zwar mit dem Vortrag, die für den ursprünglichen Beschluss maßgeblichen Umstände hätten sich zu seinen Gunsten verändert.
Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Durch die Vorlage der Befunduntersuchung von Juli 2019 ergibt sich eine neue Sachlage, aus der sich zumindest die Möglichkeit einer Abänderung der nach § 80 Abs. 5 VwGO getroffenen Eilentscheidung ergibt.
Hinsichtlich des Unterlassens einer früher möglichen Geltendmachung trifft die Antragstellerin auch kein Verschulden i.S.v. § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO. Es gilt hier nämlich in analoger Anwendung der Verschuldensmaßstab des § 60 Abs. 1 VwGO (VGH Mannheim, B.v. 6.12.2001 – 13 S 1824/01 – DÖV 2002, S. 486). Nach der Rechtsprechung des BVerfG setzt Verschulden stets den Verstoß gegen eine individuelle Sorgfaltspflicht voraus, auf die der Beteiligte sich einstellen konnte (BVerfG, B.v. 2.6.1992 – 2 BvR 1401/91 – BeckRS 1992, 08097). Nach diesen Maßstäben ist der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO, RN 6 S 19.346, nicht rechtsanwältlich vertretenen Antragstellerin kein Sorgfaltspflichtverstoß dahingehend vorzuwerfen, dass diese die Relevanz der zeitlichen Einordnung der Fenster für die Frage des Bestandsschutzes nicht vollumfassend einordnen konnte. Sie handelte folglich schuldlos.
Der Antragstellerin fehlt auch nicht etwa das Rechtsschutzbedürfnis. Dass der Beschluss, dessen Abänderung sie begehrt, mit der Beschwerde nach § 146 VwGO angegriffen werden konnte, ändert daran nichts. So war die Antragstellerin nicht gehalten, eine Beschwerde gegen den von Beschluss vom 15.3.2019 einzulegen, um auf diesem Wege eine Veränderung der maßgeblichen Umstände durchzusetzen. Vielmehr stellt § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO das – hier gewählte – Abänderungsverfahren unabhängig von der nach § 146 VwGO bestehenden Möglichkeit der Beschwerdeeinlegung zur Verfügung. (vgl. ebenso OVG Koblenz, B.v. 23.9.2004 – 8 B 11561/04 – juris, Rn. 4; VG Münster, B.v. 30.12.2005 – 3 L 1060/05 – juris, Rn. 3; Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 16. Aufl. 2015, § 80, Rn. 190; VG Düsseldorf, B.v. 25.9.2017 – 28 L 3809/17 – juris, Rn. 15 ff; OVG Bautzen, B.v. 2.3.1999 – 2 S 200/98 – juris).
II. Der Abänderungsantrag ist jedoch unbegründet.
Im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO hat das Gericht ebenso wie im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zu prüfen, ob das Interesse der Beigeladenen am sofortigen Gebrauch der Baugenehmigung das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Baugenehmigung überwiegt, wobei maßgeblich auch auf die Erfolgsaussichten im Klageverfahren abzustellen ist.
Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage unter Berücksichtigung der von der Antragstellerin angeführten veränderten Umstände wird die Klage der Antragstellerin in der Sache voraussichtlich erfolglos bleiben, da die angefochtene Tekturgenehmigung vom 8.1.2019 die Antragstellerin nicht in drittschützenden Rechten verletzt.
Die Anfechtungsklage eines Nachbarn gegen eine dem Bauherrn erteilte Baugenehmigung hat grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 212a Abs. 1 BauGB), er kann jedoch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Anfechtungsklage nach § 80 Abs. 5 VwGO beantragen. Ein derartiger Antrag hat nur dann Erfolg, wenn das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin das öffentliche Interesse am Sofortvollzug des streitgegenständlichen Verwaltungsakts überwiegt. Da an der Umsetzung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts kein öffentliches Interesse besteht, richtet sich diese Interessenabwägung in der Regel nach den Erfolgsaussichten in der Hauptsache bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO. Sind die Erfolgsaussichten einer Klage offen, findet eine Abwägung der gegenseitigen Interessen statt.
Vorliegend überwiegt weiterhin das Interesse am Vollzug der angefochtenen Baugenehmigung das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin, da die Klage nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage keine Erfolgsaussichten besitzt. Die Antragstellerin wird durch die Erteilung der Baugenehmigung vom 8.1.2019 nicht in eigenen Rechten im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt.
1. Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 59 BayBO ist eine Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlichrechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind.
Einem Nachbarn des Bauherrn steht ein Anspruch auf Versagung der Baugenehmigung grundsätzlich nicht zu. Er kann eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg anfechten, wenn Vorschriften verletzt sind, die auch seinem Schutz dienen, oder wenn das Vorhaben es an der gebotenen Rücksichtnahme auf das Grundstück des Nachbarn fehlen lässt und dieses Gebot im Einzelfall Nachbarschutz vermittelt. Nur daraufhin ist das genehmigte Vorhaben in einem nachbarrechtlichen Anfechtungsprozess zu prüfen (vgl. OVG Münster, B.v. 5.11.2013 – 2 B 1010/13 – juris; BVerwG, B.v. 28.7.1994 – 4 B 94/94 – juris; BVerwG, U.v. 19.9.1986 – 4 C 8.84; BVerwG, U.v. 13.6.1980 – IV C 31.77 – juris; VG Würzburg, U.v. 11.8.2016 – W 5 K 15.830 – juris Rn. 51). Es ist daher unerheblich, ob die Baugenehmigung einer vollständigen Rechtmäßigkeitsprüfung standhält.
2. Die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 8.1.2019 wurde – zu Recht – im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO erteilt, da ihr kein Sonderbau i.S.v. Art. 2 Abs. 4 BayBO zu Grunde liegt.
Im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren prüft die Bauaufsichtsbehörde nach Art. 59 Satz 1 BayBO die Übereinstimmung mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 bis 38 BauGB (Nr. 1 a), mit den Vorschriften über Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO (Nr. 1 b) und mit den Regelungen örtlicher Bauvorschriften im Sinn des Art. 81 Abs. 1 BayBO (Nr. 1 c), beantragte Abweichungen im Sinn des Art. 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 BayBO (Nr. 2) sowie andere öffentlichrechtliche Anforderungen, soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach anderen öffentlichrechtlichen Vorschriften entfällt, ersetzt oder eingeschlossen wird (Nr. 3).
3. Im vorliegenden Fall ist ein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des im Baugenehmigungsverfahren nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) BayBO zu prüfenden Bauplanungsrechts nicht gegeben. Insoweit ergeben sich durch die Vorlage der Befunduntersuchung von Juli 2019 keine neuen Aspekte, die geeignet wären, eine Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 15.3.2019 im Verfahren RN 6 S 19.346 zu rechtfertigen.
a) Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes ist weiterhin nicht ersichtlich.
aa) In Bezug auf bauplanungsrechtliche Belange kann sich die Antragstellerin – abgesehen von der hier unproblematischen Art der baulichen Nutzung – nur auf die Einhaltung des Rücksichtnahmegebots berufen, weil die Regelungen über das Maß der baulichen Nutzung, über die Bauweise und die Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in der Regel nicht nachbarschützend sind (BayVGH, B.v. 5.12.2012 – 2 CS 12.2290 – juris; BayVGH, B.v. 30.9.2014 – 2 ZB 13.2276 – juris). Das Gebot der Rücksichtnahme ist im nicht beplanten Innenbereich entweder Bestandteil des Tatbestandsmerkmals des Einfügens i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB (vgl. BVerwG, U.v. 26.5.1978 – IV C 9.77) oder es findet in den Fällen des § 34 Abs. 2 BauGB Anwendung über § 15 Abs. 1 BauNVO, der eine Ausprägung des baurechtlichen Gebots der Rücksichtnahme ist und Anlagen für unzulässig erklärt, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt nach der Rechtsprechung wesentlich von den jeweiligen Umständen ab (vgl. BVerwG, U.v. 28.10.1993 – 4 C 5/93 – juris). Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, welcher das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen (BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1/78 – juris). Bei diesem Ansatz kommt es für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalls wesentlich auf die Abwägung zwischen dem an, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BayVGH, B.v. 25.10.2010 – 2 CS 10.2137 – juris). Das Gebot der Rücksichtnahme ist demnach nur dann verletzt, wenn die der Antragstellerin aus der Verwirklichung des geplanten Vorhabens resultierenden Nachteile das Maß dessen übersteigen, was ihr als Nachbarin billigerweise noch zumutbar ist.
bb) Für eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots ist vorliegend jedoch nichts ersichtlich. Insbesondere ist der Antragstellerin das Verbauen ihrer beiden Fenster hier nicht unzumutbar.
(1) In der Rechtsprechung ist zwar anerkannt, dass eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots auch dann in Betracht kommt, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens ein in der unmittelbaren Nachbarschaft z.B. befindliches Wohngebäude „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1/78; B.v. 20.9.1984 – 4 B 181/84; U.v. 23.5.1986 – 4 C 34/85 – alle juris). Ob dies der Fall ist, hängt ganz wesentlich von der konkreten Situation im Einzelfall ab. Eine erdrückende Wirkung wird nur in Ausnahmefällen angenommen, wenn die genehmigte Anlage das Nachbargrundstück aufgrund einer außergewöhnlichen Dimension regelrecht abriegelt, d.h. dort ein Gefühl des „Eingemauertseins“ oder eine „Gefängnishofsituation“ hervorruft, so dass dem Grundstück gleichsam die „Luft zum Atmen“ genommen wird (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 18.2.2009 – 1 ME 282/08 – NordÖR 2009, 179; OVG Lüneburg, B.v. 15.1.2007 – 1 ME 80/07 – BauR 2007, 758; OVG Münster, U.v. 9.2.2009 – 10 B 1713/08 – NVwZ-RR 2009, 374). Eine solche Wirkung hat die Rechtsprechung vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden angenommen (vgl. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1/78: 11-geschossiges Hochhaus des Beigeladenen an der engsten Stelle nur 15 m von 2½geschossigem Gebäude des Klägers entfernt; BVerwG, U.v. 23.5.1986 – 4 C 34/85: 11,5 m hohe Siloanlage im Abstand von 6 m zu einem 2-geschossigen Wohnanwesen auf lediglich 7 m breitem Grundstück; vgl. auch BayVGH, B.v. 8.8.2007 – 14 AS 07.1855 – juris). Das Rücksichtnahmegebot ist dagegen im Hinblick auf eine ausreichende Belichtung, Besonnung und Belüftung im Regelfall nicht verletzt, wenn die Abstandsvorschriften eingehalten sind (BVerwG, B.v. 11.1.1999 – 4 B 128.99 – BayVBl 1999, 568; BayVGH, B.v. 4.5.2011 – 15 ZB 10.201 – juris).
(2) Ein Abstandsflächenverstoß liegt nicht vor; die Errichtung der Brandwand stellt sich gegenüber der Antragstellerin nicht als rücksichtslos dar.
(a) Gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO sind zwar grundsätzlich Abstandsflächen von oberirdischen Gebäuden einzuhalten. Die Tiefe der Abstandsfläche wird als H bezeichnet (Art. 6 Abs. 4 Satz 6 BayBO) und bemisst sich nach der Wandhöhe, also dem Maß von der Geländeoberfläche bis zum oberen Abschluss der Wand, Art. 6 Abs. 4 Satz 1 und Satz 2 BayBO.
Da die Brandwand vorliegend im Abstand von 0,35 bis 0,50 m zur Grundstücksgrenze hin errichtet werden soll, kann H hier offensichtlich nicht eingehalten werden.
(b) Vorliegend war gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO eine Abstandsfläche jedoch nicht erforderlich, da nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder gebaut werden darf.
In unbeplanten Gebieten innerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile bestimmt sich die Bauweise nach der Eigenart der in der näheren Umgebung vorherrschenden Bebauung (§ 34 Abs. 1 BauGB). Setzt der Bebauungsplan die geschlossene Bauweise (§ 22 Abs. 2 BauNVO) fest oder hat sich im nicht überplanten Innenbereich eine geschlossene Bauweise entwickelt, so sind – abgesehen von der Ausnahme in § 22 Abs. 3 BauNVO – die Gebäude ohne Abstand zu den seitlichen Grundstücksgrenzen zu errichten (Simon/Busse/Dhom/Franz/Rauscher, 133. EL April 2019, BayBO Art. 6 Rn. 36). Von einer geschlossenen Bebauung kann nur dann ausgegangen werden, wenn in der näheren Umgebung die Gebäude überwiegend derart an die Grundstücksgrenze gebaut sind, dass in ihnen ein einigermaßen ablesbares organisch gewachsenes bauplanerisches Ordnungssystem zum Ausdruck kommt. Stellt sich die vorhandene Bebauung in dem maßgeblichen Bereich als regellos dar, verbleibt es bei dem Grundsatz der Abstandsflächenpflicht (BayVGH, U.v. 16.7.1997 – 2 B 96.201 – juris, Rn. 14 f.).
Nach diesen Grundsätzen kann vorliegend von einer geschlossenen Bauweise ausgegangen werden. Die nähere Umgebung erstreckt sich vorliegend von der Oberen Vorstadt im Westen bis zum …platz im Osten und wird nach Norden hin von der …gasse und nach Süden hin vom …platz begrenzt. Bei der Betrachtung der näheren Umgebung anhand der Luftbilder ist festzustellen, dass in der näheren Umgebung auf der gesamten Grundstückstiefe an den seitlichen Grenzen nach Westen und Osten überwiegend Grenzbebauung vorliegt, soweit nicht in wenigen Fällen die Abstände bis zur Grundstücksgrenze nur wenige Zentimeter betragen. Eine von der Bevollmächtigten der Antragstellerin dargelegte Systematik dahingehend, dass in regelhafter Weise Innenhöfe zur Belichtung und Belüftung vorhanden seien, ist nicht erkennbar. Somit ist eine städtebauliche Systematik im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB zu erkennen, die eine Unterschreitung der nach Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO geforderten Tiefe der Abstandsflächen zulässt.
(3) Selbst wenn man jedoch entgegen der Ansicht des zur Entscheidung berufenen Gerichts nicht von einer zulässigen Grenzbebauung nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO ausginge, kann sich die Antragstellerin auf einen etwaigen Verstoß gegen die Abstandsflächen nicht berufen, da sie ihrerseits mit ihrem Bestandsgebäude die Abstandsflächen zum Grundstück der Beigeladenen nicht einhält, sondern dieses direkt an die Grenze gebaut hat.
(a) Dem Rechtsbehelf des Nachbarn steht in einem solchen Fall der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen, wenn die Rechtsausübung z. B. gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstößt oder ohne jedes schutzwürdige Interesse und damit schikanös erfolgt. Das ist häufig der Fall, wenn und soweit der Nachbar selbst unter Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften gebaut hat. Er kann sich dann prinzipiell nicht gegen eine gleichartige Bebauung des Nachbargrundstücks wehren. So muss der Nachbar oder dessen Rechtsvorgänger, der selbst auf seinem Grundstück an die gemeinsame Grundstücksgrenze gebaut hat – wobei die Errichtung eines Gebäudes in einem Abstand bis zu 0,5 m zur gemeinsamen Grenze dem gleichsteht (BayVGH, U.v. 8.12.1975 – Nr. 246 I 72 – BayVBl. 1976, 146) – grundsätzlich dulden, dass der Nachbar anbaut, auch wenn dadurch Fenster in der Grenzwand verbaut werden (BayVGH, U.v. 24.4.1970 Nr. 16 I 70 – BayVBl. 1970, 366; vgl. Dirnberger in: Simon/Busse/Dirnberger, Bayerische Bauordnung, 133. EL April 2019, Art. 66 Rn. 558). Anderes gilt nur, wenn besondere Umstände vorliegen, aus denen er ausnahmsweise einen im öffentlichen Recht begründeten Anspruch auf Freihaltung seiner Grenze herleiten kann. Die Duldungspflicht ist nur ein Gesichtspunkt neben anderen des konkreten Falles, die bei der Ermessensentscheidung über einen Anbau nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO zu würdigen sind (BayVGH, B.v. 19.4.1994 – 2 CS 94. 755 – BayVBl. 1995, 22). Danach sind in die Ermessenserwägung die beiderseitigen Interessen einzustellen. Von entscheidender Bedeutung kann dabei sein, ob der vorhandene Grenzanbau (mit Fenstern) mit Zustimmung des Nachbarn und legitimiert durch eine Baugenehmigung errichtet wurde. In diesem Fall können sich, insbesondere wenn den Neubaubelangen auch unter Einhaltung der gesetzlichen Abstandsflächen Rechnung getragen werden kann, die Belange des Nachbarn auf Verschonung vor einem Grenzanbau durchsetzen (BayVGH, U.v. 27.1.1986 – 14 B 84 A.3022 – BayVBl. 1987, 52; Simon/Busse/Dhom/Franz/Rauscher, 133. EL April 2019, BayBO Art. 6, Rn. 63). Ein Nachbar, der selbst sein Grundstück abweichend von der vorgegebenen Grundstückssituation bebaut hat oder baulich nutzt, wird durch ein Bauvorhaben, das dieser Bebauung oder Nutzung angepasst ist, nicht in seinem verfassungsrechtlich geschützten Eigentumsrecht verletzt, auch wenn es gegen nichtnachbarschützende bauplanungsrechtliche Vorschriften verstößt (BayVGH, U.v. 8.2.1978 – 84 II 77 – BayVBl. 1978, 762).
(b) Eine Berufung der Antragstellerin auf ihre Rechte aus Art. 6 BayBO wäre vorliegend im obigen Sinne rechtsmissbräuchlich, da sie von sich aus als Rechtsnachfolgerin eines früheren Bauherrn nicht zur Schaffung eines bauordnungsmäßigen Zustandes beigetragen hat. So ist auch nach Vorlage der Befunduntersuchung bzw. Bauforschung des Kirchenmalermeisters und Restaurators … vom Juli 2019 nicht ersichtlich, dass die beiden Fenster zum Innenhof der Antragstellerin jemals mit Zustimmung der Rechtsvorgänger der Antragstellerin errichtet oder gar bau- bzw. denkmalschutzrechtlich genehmigt worden sind. Diese beiden Fenster in einer Grenzmauer stellen darüber hinaus auch einen Verstoß gegen brandschutzrechtliche Vorschriften dar. Die Gebäudeabschlusswand der Antragstellerin wäre vorliegend nämlich als eine auch unter mechanischer Belastung hochfeuerhemmende Wand auszubilden gewesen. Gemäß Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayBO sind Brandwände als Gebäudeabschlusswand erforderlich, wenn diese an oder mit einem Abstand von weniger als 2,50 m gegenüber der Grundstücksgrenze errichtet werden, es sei denn, dass ein Abstand von mindestens 5 m zu bestehenden oder nach den baurechtlichen Vorschriften zulässigen künftigen Gebäuden gesichert ist. Die östliche Außenwand der Antragstellerin, bei der es sich um eine Gebäudeabschlusswand i. S. d. Art. 28 BayBO handelt, befindet sich in einem Abstand von weniger als 2,50 m gegenüber der Grenze zum Grundstück der Beigeladenen und es ist dinglich kein Abstand von 5 m zu künftig zulässigen Gebäuden der Beigeladenen gesichert. Nach den geringeren Anforderungen des Art. 28 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BayBO ist die Gebäudeabschlusswand der Beigeladenen aufgrund des Vorliegens eines Gebäudes der Gebäudeklasse 4 zwar nicht als Brandwand, sondern als auch unter mechanischer Belastung hochfeuerhemmende Wand auszubilden. Gemäß Art. 28 Abs. 11 BayBO gelten Art. 28 Abs. 4 bis 10 BayBO aber auch entsprechend für Wände, die an Stelle von Brandwänden zulässig sind. Im Sinne von Art. 28 Abs. 8 BayBO sind Brandwände – und ihnen nach Art. 28 Abs. 11 BayBO gleichgestellte Wände – grundsätzlich öffnungslos zu errichten. Eine Brandwand verhindert nämlich dann nicht das Übergreifen des Feuers, wenn sie Öffnungen hat, durch die Feuer und Rauch übertragen werden können. Art. 28 Abs. 8 Satz 1 BayBO verbietet deshalb grundsätzlich Öffnungen (Fenster, Türen usw.) in Brandwänden. Die Möglichkeit nach Art. 28 Abs. 8 Satz 2 BayBO, Öffnungen zuzulassen, besteht nur für innere Brandwände oder Wände, die anstelle innerer Brandwände errichtet werden, nicht für äußere Brandwände (VG Würzburg, U.v. 15.5.2014 – W 5 K 12.728 – juris, Rn. 30). Auch eine Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 BayBO kommt bei Öffnungen in Brandwänden, insbesondere in Anbetracht der Wertigkeit der von der Vorschrift des Art. 28 Abs. 8 Satz 1 BayBO geschützten Rechtsgüter Leib, Leben und Eigentum des Nachbarn, nicht in Betracht.
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht durch die von der Antragstellerseite vorgelegte Befunduntersuchung. Zweifel bestehen bereits an der gerichtlichen Verwertbarkeit, da aufgrund der inhaltlich äußerst knappen Ausführungen die Nachvollziehbarkeit der Befunduntersuchung nur teilweise gewährleistet und vom Verfasser auch nicht unterzeichnet worden ist; im Ergebnis kann dies aber dahinstehen. Ebenfalls dahinstehen kann, ob entsprechend den Einwendungen des Bevollmächtigten der Beigeladenen der gutachtlich stellungnehmende Beauftragte der Antragstellerin eine ausreichende Befähigung aufweist. Aus dessen Feststellungen ergeben sich nämlich keine neuen Erkenntnisse, die eine abweichende Bewertung des Gerichts im Vergleich zum Beschluss vom 15.3.2019 im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zulassen. Ausweislich der Zusammenfassung auf Seiten 4 und 5 der gutachtlichen Stellungnahme und dem beigefügten Bildmaterial untersuchte der Verfasser ausschließlich die Fensterlaibungen. Daraus schließt Herr …, dass aufgrund des gleichen Ziegelformates, der Schräglaibung und der vorgefundenen Fassungen der Fensterbestand der Ostwand zeitlich etwa um das Jahr 1850 einzuordnen sei. Zugleich stellt er aber für den mittleren Raum und damit u.a. für das derzeit immer noch bzw. wieder bestehende nördliche Fenster im ersten Obergeschoss fest, dass „diese Fenster im 19. Jahrhundert teilweise zugesetzt und als Nische verwendet [wurden]. Um 1900 wurde diese Nische dann wieder zugemauert und verputzt.“ Herr … bestätigt damit, dass jedenfalls im mittleren Zimmer keine Fensteröffnungen in Richtung des Baugrundstücks durchgängig vorlagen. Nicht entscheidungserheblich für das vorliegende Verfahren ist jedoch der Umstand, dass Mitte des 19. Jahrhunderts entsprechende Fensterlaibungen angelegt worden waren. Dass ein Verschließen der Fenster im mittleren Zimmer in der Vergangenheit stattgefunden hat, ergibt sich auch aus einem vorliegenden Grundrissplan, welchen der Voreigentümer des Grundstücks der Antragstellerin im Rahmen eines Antrags auf Erteilung einer denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis mit Formblättern vom 1.9.2015 eingereicht hat. Daraus ergibt sich der von dem Hersteller der Befunduntersuchung beschriebene Zustand, dass die drei nördlichen Fenster des ersten Obergeschosses verschlossen worden sind; zwei davon in Form einer erkennbaren Wandnische, eines davon vollständig zugemauert, wie auf Seiten 8 und 16 der Fotodokumentation des Herrn … ersichtlich. Aus dem Grundrissplan des denkmalschutzrechtlichen Erlaubnisverfahrens ergibt sich auch, dass selbst im zweiten Obergeschoss die Fenster in der östlichen Außenwand in Richtung Grundstück der Beigeladenen verschlossen gewesen sind. Insoweit ist der Schlussfolgerung der Antragstellerseite nicht zu folgen, dass aus dem Vorhandensein von Fensterlaibungen davon ausgegangen werden könne, es habe durchgängig Fenster in Richtung Osten gegeben. Ein derartiges Ergebnis bescheinigt auch der Hersteller der Befunduntersuchung nicht. Da aufgrund der Vorlage eines entsprechenden Grundrisses durch den Voreigentümer des Grundstücks der Antragstellerin und auch der damit weitgehend in Einklang stehenden schriftlichen Bestätigung der Mutter der Beigeladenen vom 7.11.2018 über den baulichen Zustand der Ostfassade des Gebäudes der Antragstellerin in den frühen 1960er Jahren das Fehlen der maßgeblichen Fenster feststeht, kann keinesfalls davon ausgegangen werden, dass durchgängig seit Mitte des 19. Jahrhunderts die Belichtung und Belüftung von Fenstern in der östlichen Außenwand stattgefunden hat.
Selbst bei nicht lebensnaher, aber für die Antragstellerin günstiger Unterstellung, dass eine Öffnung der um das Jahr 1900 verschlossenen Fenster bereits zeitnah danach stattgefunden hätte, hätte es sich nach dem damals geltenden Bauordnungsrecht nicht um eine rechtmäßige Errichtung der Fensteröffnungen gehandelt. Bei naheliegender Annahme einer Feuerstätte in dem laut Antragstellerin ehemaligen Landarztsitz, wäre schon nach § 40 Abs. 1 der allgemeinen Bauordnung für Bayern rechts des Rheins (mit Ausnahme von München) vom 31. Juli 1890 nach Osten hin eine Brandmauer auszubilden gewesen. Gemäß § 16 Ziff. 4 waren Öffnungen in Brandmauern allgemein unzulässig. Lediglich im „Bedürfnißfalle“ konnte demnach eine Gestattung für eine derartige Öffnung durch die Baupolizeibehörde erteilt werden. Eine entsprechende Gestattung kann die Antragstellerin jedoch nicht nachweisen. Keine entscheidungserhebliche Änderung der Vorschriften ergibt sich aus der Bayerischen Bauordnung aus dem Jahr 1901 sowie den Neufassungen von 1910 und 1953. Für das Gericht steht daher jedenfalls auch unter Zugrundelegung der vorgelegten Befunduntersuchung fest, dass eine legale Errichtung der Fensteröffnungen nicht stattgefunden hat und sich die Antragstellerin folglich nicht auf Bestandsschutz berufen kann.
(4) Für eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots ist auch darüber hinaus nichts ersichtlich, zumal die Belichtung und Belüftung der betroffenen Zimmer durch den Einbau von Dachflächenfenstern sowie über weitere Fensteröffnungen weiterhin gewährleistet werden könnte. Dies gilt jedenfalls für das südliche noch vorhandene Fenster im ersten Obergeschoss, da bei dem an dieser Stelle befindlichen Zimmer entsprechend des Grundrissplanes aus dem Verfahren über die Erteilung einer denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis bereits im südlichen Bereich die Dachschräge teilweise die Decke bildet. Die von der Antragstellervertreterin vorgebrachte Behauptung, aus denkmalschutzrechtlichen Gründen sei der Einbau eines Dachfensters ausgeschlossen, erfolgt unsubstantiiert und ohne Bezugnahme auf eine fachliche Stellungnahme. Der Antragsgegner und zugleich Rechtsträger der unteren Denkmalschutzbehörde sieht es in seiner Stellungnahme vom 12.8.2019 jedenfalls aus denkmalrechtlichen Gründen nicht als ausgeschlossen, Dachflächenfenster zu errichten. Dies gilt selbst nach dem Ortstermin der Antragstellerin, des Antragsgegners und laut Vertreterin der Antragstellerin dem Landesamt für Landschaftspflege (gemeint wohl Landesamt für Denkmalpflege) am 8.8.2019. Trotz Kenntnis von der vorliegenden Problematik hat der zuständige Hauptkonservator gegenüber der Antragstellerseite nicht die Unzulässigkeit von Dachflächenfenstern bestätigt. Auf Grundlage von Lichtbildern ist zudem zu erkennen, dass in der näheren Umgebung zahlreiche Bezugsfälle von Dachflächenfenstern vorhanden sind. Darüber hinaus erfolgt eine Belichtung des südlichen Zimmers dem Antragsgegner folgend auch jetzt schon über ein Glaselement, welches über einen weiteren Raum zum Innenhof der Antragstellerin führt. Dies ergibt sich auch aus dem Grundrissplan, welcher beim Antragsgegner im Verfahren auf Erteilung einer denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis durch den Voreigentümer des Anwesens der Antragstellerin eingereicht worden ist.
Aus diesem Grundrissplan ergibt sich zudem, dass auch für das nördlichere Zimmer ein Zugang zu Tageslicht über den an der …gasse gelegenen Raum weiterhin gewährleistet ist.
Kein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme ergibt sich aus der Behauptung der Antragstellerin, die Instandhaltung der Außenwand werde ihr durch das Vorhaben unmöglich gemacht. In diesem Zusammenhang verkennt das Gericht nicht, dass die entstehende Brandwand zu einer Erschwernis von Renovierungsarbeiten führen wird. Bloße Erschwernisse führen jedoch noch nicht zu einer Verletzung in eigenen Rechten. Dass die Ertüchtigung der Außenwand durch die Baumaßnahme unmöglich werde, bestätigt auch das Landesamt für Denkmalpflege in seiner Stellungnahme nicht. Der Vortrag der Antragstellerseite erschöpft sich daher insoweit in einer bloßen Behauptung.
b) Im vorliegenden Fall ist demnach ein Verstoß gegen die nunmehr im vereinfachten Genehmigungsverfahren wieder zu prüfenden Abstandsflächenvorschriften, auf den sich die Antragstellerin berufen könnte, nach dem oben Gesagten nicht gegeben. Ebenso scheidet ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme aus.
Nach alledem war der Antrag auf Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 15.3.2019 im Verfahren RN 6 S 19.346 abzulehnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Es entsprach der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen der Antragstellerin aufzuerlegen, weil die Beigeladene einen eigenen Antrag gestellt und sich damit auch einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nrn. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.