Baurecht

Baurechtliche Genehmigung einer doppelseitigen unbeleuchteten Werbeanlage zur Fremdwerbung in einem faktischen Mischgebiet

Aktenzeichen  AN 17 K 19.01092

Datum:
2.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 33444
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 56 S. 1 Nr. 5, Art. 59 Abs. 1 Nr. 3
BauNVO § 6, § 15 Abs. 1 S. 2
BauGB § 34 Abs. 2
FStrG § 9 Abs. 3, Abs. 3a
StVO § 33 Abs. 2 S. 1, S. 2

 

Leitsatz

1. Die straßenrechtlichen Belange des § 9 Abs. 3 FStrG sind gem. Art. 59 S. 1 Nr. 3 BayBO iVm § 9 Abs. 3a FStrG auch bei der Erteilung von Baugenehmigungen innerhalb der zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmten Teile der Ortsdurchfahrten von Bundesstraßen zu beachten (Anschluss an VGH München BeckRS 2009, 43791 Rn. 4; BeckRS 2011, 34255 Rn. 3; VGH Kassel BeckRS 2007, 23733). (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Regelung des § 9 Abs. 3 FStrG liegt nicht der polizeiliche Gefahrenbegriff zugrunde, der ein Eingreifen rechtfertigt, wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, dass ein Schaden eintritt. Die Vorschrift geht vielmehr über das Ziel hinaus, eine im Einzelfall bestehende gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren. Es kann nicht allein darauf ankommen, ob Gefahren oder Schäden für die Verkehrsteilnehmer eintreten können; geschützt werden soll auch ein normaler Verkehrsablauf, ohne dass die Wahrscheinlichkeit von Verkehrsunfällen bestehen muss. Der reibungslose und ungehinderte Verkehr soll ebenfalls sichergestellt werden (Anschluss an VGH München BeckRS 2011, 34255 Rn. 3 mwN). (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3. Zur bauplanungsrechtlichen Unzulässigkeit einer in einem faktischen Mischgebiet geplanten Werbeanlage. (Rn. 19 – 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1.    Die Klage wird abgewiesen.
2.    Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. 
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3.    Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung  oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden,  wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher  Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Verpflichtungsklage hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Rechtschutzbedürfnis gegeben, da eine Baugenehmigung erforderlich ist. Es liegt kein Fall von Art. 56 Satz 1 Nr. 5 BayBO i.V.m. § 33 Abs. 2 Satz 1, 2 StVO vor, wonach bei Werbeanlagen keine Baugenehmigung zu erteilen ist, wenn sie einer Ausnahmegenehmigung nach Straßenverkehrsrecht bedürfen. Nach § 33 Abs. 2 Satz 1 StVO ist es verboten, „Einrichtungen“, die u.a. die Wirkung von Zeichen oder Verkehrseinrichtungen (§§ 36 – 43 StVO) beeinträchtigen können, dort anzubringen oder zu verwenden, wo sie sich auf den Verkehr auswirken können. § 33 Abs. 2 Satz 2 StVO verbietet Werbung und Propaganda in Verbindung mit Verkehrszeichen und -einrichtungen. Ausnahmen können gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 StVO von der zuständigen obersten Landesbehörde oder der nach Landesrecht bestimmten Stelle – hier der Regierung … gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 b, c der Verordnung über die Zuständigkeiten im Verkehrswesen (ZustVVerk) – für bestimmte Einzelfälle genehmigt werden. § 33 Abs. 2 Satz 1 StVO ist vorliegend nicht einschlägig, denn die beantragte Werbetafel beeinträchtigt die Lichtzeichenanlage an der Kreuzung … Straße/ … nicht, da insbesondere der Abstand des geplanten Standortes der Tafel zur Ampel mit ca. 42 m (* … Richtung …*) bzw. mit mindestens 55 m (Ausfahrt … auf die …*) zu groß ist (vgl. auch: VG München, U.v. 26.4.2017 – M 9 K 16.1946 – juris Rn. 26). Dies gilt erst recht für die Regelung des § 33 Abs. 2 Satz 2 VwGO (vgl. Koehl in Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, StVO, 2. Aufl. 2017, § 33 Rn. 21).
2. Die Ablehnung der beantragten Baugenehmigung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Diese hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung.
Voraussetzung für einen Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung ist nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO, dass dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Nachdem es sich bei dem Vorhaben der Klägerin um keinen Sonderbau im Sinne des Art. 2 Abs. 4 BayBO handelt und auch keine Verfahrensfreiheit (Art. 57 Abs. 1 Nr. 12 a – g, Abs. 2 Nr. 6 BayBO) oder Genehmigungsfreistellung (Art. 58 BayBO) in Frage kommt, sind vom Prüfungsumfang grundsätzlich nur die im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften erfasst. Allerdings gewährt Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 BayBO den Bauaufsichtsbehörden eine erweiterte Ablehnungsmöglichkeit, wenn das Vorhaben gegen sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt. Auf die außerhalb des Prüfprogramms stehende Vorschrift des Art. 8 Satz 2 BayBO hat sich die Beklagte nicht, auch nicht im gerichtlichen Verfahren (vgl. zum maßgeblichen Zeitpunkt: BayVGH, U.v. 30.5.2018 – 2 B 18.681 – juris Rn. 17), berufen, so dass Art. 8 Satz 2 BayBO, obwohl dieser voraussichtlich einschlägig gewesen wäre, der Baugenehmigung vorliegend nicht im Wege steht.
a) Die geplante Werbeanlage der Klägerin widerspricht der Regelung des § 9 Abs. 3a i.V.m. Abs. 3 FStrG. Offenbleiben kann daher, ob die geplante Werbeanlage, wie es die Beklagte ausführt, auch gegen Art. 14 Abs. 2 BayBO verstößt und die Sicherheit und Leichtigkeit des öffentlichen Verkehrs gefährdet.
Die in § 9 Abs. 3 FStrG genannten Belange der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs sind gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO i.V.m. § 9 Abs. 3a FStrG auch bei der Erteilung von Baugenehmigungen innerhalb der zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmten Teile der Ortsdurchfahrten von Bundesstraßen zu beachten (vgl. BayVGH, B.v. 29.9.2009 – 14 ZB 08.3159 – juris Rn. 4, B.v. 15.10.2011 – 15 ZB 10.2590 – juris; HessVGH, B.v. 26.3.2007 – 3 UZ 3100/06). Bei der … handelt es sich im maßgeblichen Bereich ganz offensichtlich um einen innerhalb der zur Erschließung der anliegenden Grundstücke bestimmten Teil der Ortsdurchfahrt einer Bundesstraße (§ 9 Abs. 3a FStrG), der B … Der Regelung des § 9 Abs. 3 FStrG liegt nicht der polizeiliche Gefahrenbegriff zugrunde, der ein Eingreifen rechtfertigt, wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, dass ein Schaden eintritt. Eine konkrete Verkehrsgefährdung ist nicht erforderlich. Die Vorschrift geht vielmehr über das Ziel hinaus, eine im Einzelfall bestehende gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren. Es kommt nicht allein darauf an, ob Gefahren oder Schäden für die Verkehrsteilnehmer eintreten können; geschützt werden soll auch ein normaler Verkehrsablauf, ohne dass die Wahrscheinlichkeit von Verkehrsunfällen bestehen muss. Der reibungslose und ungehinderte Verkehr soll sichergestellt werden. Es darf nicht nur eine theoretische Möglichkeit, sondern es muss die erkennbare Möglichkeit der Beeinträchtigung eines reibungslosen und ungehinderten Verkehrsablaufs durch die Werbeanlage bestehen (vgl. BayVGH, B.v. 25.10.2011 – 15 ZB 10.2590 – juris).
Nach Überzeugung des Gerichts besteht durch das Aufstellen der geplanten Werbetafel die erkennbare Möglichkeit der Beeinträchtigung eines reibungslosen und ungehinderten Verkehrsablaufs. Die von der Werbetafel vermittelte Werbebotschaft würde sich in verstärktem Maße auf die auf der B … Richtung … (Richtung Nordwest) fahrenden Verkehrsteilnehmer und auch auf die von der … in Richtung … (Richtung Südost) auf die B … auffahrenden Fahrzeuge auswirken. Doch auch die schon auf der B … in Richtung … fahrenden Verkehrsteilnehmer würden durch die Werbebotschaft beeinträchtigt. Ablenkungen mit Aufmerksamkeitsteilung wären zwangsläufige Folge der beantragten Werbeanlage. Wie aus der Stellungnahme der Polizeiinspektion … vom 17. Mai 2019 ersichtlich, ergibt sich bereits ohne die geplante Werbeanlage an dem durch Lichtzeichen geregelten Kreuzungsbereich der … Straße/ …eine Unfallhäufung bei insgesamt 26 Unfallhäufungen im gesamten Landkreis … Bei dem Kreuzungsbereich handelt es sich um eine Kreuzung mit hohem Verkehrsaufkommen. Im Jahr 2015 ergab sich ein tägliches Pkw-Aufkommen von 10.046 Fahrzeugen und eine tägliche Inanspruchnahme durch Schwerlastverkehr von 1.309 Fahrzeugen (DTV-Wert). Der durchschnittliche DTV-Wert lag im Landkreis … bei 8.038 Fahrzeugen (Pkw und Lkw) im Jahr 2015. Aufgrund des stetig wachsenden Verkehrs ist mittlerweile mit einem jedenfalls vergleichbaren, wahrscheinlich aber sogar höheren Verkehrsaufkommen zu rechnen.
Zudem würde die Werbetafel in den Kreuzungsbereich hineinwirken und unmittelbar im Blickfeld der aus der … in Richtung … fahrenden Verkehrsteilnehmer liegen, welche an dieser Stelle auch die an der Ampel wartenden Fahrzeuge, eine Ausfahrt aus dem Grundstück der Bundesagentur für Arbeit, einen Fußgängerüberweg und den auf der B … passierenden Verkehr im Blick behalten müssen. Die Werbetafel ist außerdem geeignet, die Aufmerksamkeit der Richtung … in nordwestlicher Richtung fahrenden Verkehrsteilnehmer in besonderem Maße auf sich zu ziehen, welche in diesem Bereich sowohl die Lichtzeichenlage, gegebenenfalls an der Ampel wartende Fahrzeuge, die Verkehrsführung (Abbiegespur Richtung Innenstadt) als auch eine Vielzahl von Grundstücksausfahrten wahrnehmen müssen. Für die auf der B … Richtung … fahrenden Verkehrsteilnehmer kommt die Werbetafel aufgrund des kurvigen Verlaufes der B … relativ spät ins Blickfeld und ist auch hier geeignet, die Aufmerksamkeit der Verkehrsteilnehmer in besonderem Maße auf sich zu ziehen. Hinzu kommt, dass sich im Umgriff des geplanten Standortes der Werbetafel etliche stetig frequentierte Grundstücksausfahrten auf die B … befinden. So findet sich direkt gegenüber dem geplanten Vorhaben die Ausfahrt des u.a. von der Bundesagentur für Arbeit, von einer Arztpraxis und von einer Ergotherapiepraxis genutzten Gebäudes, direkt daneben ist eine Zahnarztpraxis. Auf dem Grundstück neben dem Vorhabengrundstück Richtung Südosten kommt die stark frequentierte Kfz-Zulassungsstelle zum Liegen. Ebenfalls dort findet sich eine schulvorbereitende Einrichtung mit ebenfalls höherem Publikumsverkehr, außerdem u.a. die Außenstelle des Gesundheitsamtes des Landratsamtes … und die Landwirtschaftsschule. Auch das nördlich des Vorhabengrundstückes stehende Mehrfamilienhaus besitzt eine Ausfahrt in Nähe der geplanten Werbetafel, ein Stück weiter südöstlich. Ein größerer Teil der Zufahrten im Umgriff des Vorhabens dient zudem den weiteren in zweiter Reihe errichtenden Mehrfamilienhäusern beidseitig der … Durch die Werbetafel würden die Verkehrsteilnehmer abgelenkt und es bestünde vermehrt die Gefahr, dass die auf die B … ein- und ausfahrenden Fahrzeuge übersehen bzw. zu spät gesehen werden und zwar in beiden Fahrtrichtungen. Außerdem ist die Kreuzung als Unfallschwerpunkt auffällig. Dort ereigneten sich, wie sich dem von der Polizeiinspektion … vorgelegten Datenmaterial entnehmen lässt, im Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis 31. Dezember 2017 zehn Unfälle mit sieben Leichtverletzten und einem Schwerverletzten. Vom 1. Januar 2018 bis 31. März 2019 sind drei Unfälle mit zwei Leichtverletzten zu verzeichnen. Offenbleiben kann, wie die Beklagte auf die genannten 27 bzw. sieben Unfälle in den genannten Zeiträumen kommt. Die Verkehrsabläufe im Umgriff der Kreuzung erfordern auch bei Zugrundelegung der von der Polizeiinspektion … gelieferten Zahlen die ungeteilte Aufmerksamkeit der Fahrzeugführer. Eine Ablenkung der Verkehrsteilnehmer durch die beantragte Werbetafel ist auch angesichts der Unfallträchtigkeit der Örtlichkeit nicht hinnehmbar.
In Zusammenschau der genannten Faktoren besteht damit nicht nur eine theoretische, sondern die erkennbare Möglichkeit der Beeinträchtigung eines reibungslosen und ungehinderten Verkehrsablaufs durch die Werbeanlage. Zwar mögen Anlagen der Außenwerbung unter anderem an Ein- und Ausfallstraßen seit langem zum Straßenbild gehören und den Verkehrsteilnehmern vertraut sein. Allerdings ist die geplante doppelseitige Werbeanlage vor allem durch ihren geplanten Standort in besonderer Weise geeignet, die Aufmerksamkeit der Verkehrsteilnehmer vom Verkehrsgeschehen abzulenken (vgl. BayVGH, B.v. 25.10.2011 – 15 ZB 10.2590 – juris). Die nähere Umgebung zwischen der Kreuzung … Straße/ …-straße/ … und der örtlichen Polizeiinspektion/ … in südöstlicher Richtung zeichnet sich gerade durch Wohnnutzung und einer Nutzung für nicht störendes Gewerbe/Freiberuflicher sowie als Ämterstandort aus. Eine großflächige erhöhte Fremdwerbeanlage wäre in dieser Umgebung einmalig. Allein dieses Alleinstellungsmerkmal führt nach Überzeugung des Gerichts dazu, dass die Aufmerksamkeit der Verkehrsteilnehmer besonders abgelenkt wird. Anders als in belebten Geschäftsstraßen, wo der durchschnittliche Verkehrsteilnehmer wegen der Fülle der Werbung diese nur unbewusst wahrnimmt, wird hier gerade auf Grund der vorhandenen Gesamtsituation die Aufmerksamkeit bewusst auf die große, über 4 m hohe Plakatwand gelenkt. Genau dies ist auch der Zweck von (Fremd-)Werbeanlagen und macht den vorliegenden Standort gerade aufgrund der Einmaligkeit einer Fremdwerbetafel in der näheren Umgebung für die Klägerin besonders attraktiv. Unerheblich ist, dass es sich bei der beantragten Werbeanlage nicht, wie die Klägerin ausführt, um eine sog. Entscheidungswerbung handelt, denn jedenfalls gerät die streitgegenständliche Werbetafel gerade aufgrund ihres Standortes und ihrer Gestaltung verstärkt in das Blickfeld der Verkehrsteilnehmer und führt zur Beeinträchtigung eines reibungslosen und ungehinderten Verkehrsflusses.
b) Die beantragte Werbeanlage ist aber auch in bauplanungsrechtlicher Hinsicht nicht genehmigungsfähig. Ausgangspunkt der bauplanungsrechtlichen Beurteilung ist § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Danach ist ein – wie hier – im unbeplanten Innenbereich gelegenes Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden (§ 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB). Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der aufgrund des § 9a BauGB erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Baunutzungsverordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Abs. 1 BauGB, im Übrigen ist § 31 Abs. 2 BauGB entsprechend anzuwenden (§ 34 Abs. 2 BauGB). Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass die Eigenart der näheren Umgebung einem Mischgebiet, § 6 BauNVO, entspricht. In der näheren Umgebung findet sich Wohnnutzung, eine Nutzung durch die Verwaltung, durch freie Berufe sowie nicht störende gewerbliche Nutzung, so dass auch das Gericht davon ausgeht, dass es sich hier um ein faktisches Mischgebiet handelt. Im Mischgebiet ist Wohnnutzung und die Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören, allgemein zulässig, § 6 Abs. 1 BauNVO. Damit richtet sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der BauNVO in dem Baugebiet allgemein zulässig ist, § 34 Abs. 2 BauGB. Es bedarf diesbezüglich gerade keiner Prüfung mehr, ob sich das Vorhaben in seine Umgebung einfügt (vgl. BVerwG, B.v. 12.2.1990 – 4 B 240/89 – juris). Bei der geplanten Werbetafel handelt es sich zwar nicht um einen Gewerbebetrieb, sondern um eine Anlage für gewerbliche Zwecke, für die eine Regelung in den Nutzungskatalogen der Baugebietsvorschriften der Baunutzungsverordnung fehlt. Diese Regelungslücke wird aber geschlossen, indem eine selbstständige Werbeanlage bauplanungsrechtlich wie ein Gewerbebetrieb behandelt wird (vgl. BayVGH, U. v. 11.12.2007 – 14 B 06.2880 – juris Rn. 14).
Es kann offenbleiben, ob die strittige Werbeanlage nach § 6 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 BauNVO besonders aufdringlich wirkt und ihre Umgebung optisch dominiert und daher als das Wohnen im Mischgebiet störende Anlage unzulässig wäre. Selbst wenn man dies verneinen wollte und damit die Werbeanlage im faktischen Mischgebiet für allgemein zulässig hält, ist sie bauplanungsrechtlich unzulässig, denn das Vorhaben scheitert an den Anforderungen des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO. § 34 Abs. 2 BauGB nimmt auf die BauNVO im Ganzen und damit auch auf dessen § 15 BauNVO Bezug.
Die geplante Werbeanlage ist im hier vorliegenden Einzelfall unzulässig, da von ihr Belästigungen und Störungen ausgehen, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst unzumutbar sind, § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO. Dabei umfasst der Begriff Störung nicht nur schädliche Umwelteinwirkungen im Sinn des § 3 Abs. 1 BImSchG, sondern jede städtebaulich erhebliche, die Umgebung beeinträchtigende Einwirkung. Auch eine massive optische Einwirkung kann eine Störung sein (vgl. BayVGH, B.v. 22.1.2004 – 1 ZB 03.294 – juris Rn. 11). Zu einer solchen würde die geplante Werbeanlage nach Überzeugung des Gerichts führen.
Wie bereits ausgeführt, handelt es sich bei dem Gebiet um ein faktisches Mischgebiet. Dieses befindet sich aber in einem erkennbaren Wandel. Zu den an der … vorhandenen Gebäuden sind in zweiter Reihe auf beiden Seiten der Straße in den letzten Jahren einige Mehrfamilienkomplexe entstanden. Die reine Wohnnutzung nimmt zu. Doch auch in der ersten Reihe sind die Gebäude zum überwiegenden Teil auch der Wohnnutzung vorbehalten, hinzu kommen ältere, ausschließlich Wohnzwecken dienende Gebäude in der zweiten Reihe. Insgesamt betrachtet macht das Gebiet, trotz des erheblichen Verkehrs auf der Bundesstraße, einen optisch ansprechenden und ruhigen Eindruck. Es handelt sich um ein Gebiet, dass durch zwar anzutreffende, aber zurückhaltend wirkende gewerbliche Nutzung geprägt ist. Die Errichtung der Werbeanschlagstafel an der geplanten Stelle ist unzumutbar und damit unzulässig. Sie würde zu einer Verdichtung der gewerblichen Nutzung führen, wo sie aus optischen Gründen einer solchen Verdichtung nicht zugänglich ist. Die geplante Werbeanlage würde auch aufgrund ihrer Einzigartigkeit so deutlich in den Blick fallen und aufgrund ihrer Höhe und Lage in den durch Wohnnutzung geprägten Bereich des Mischgebiets massiv hineinwirken. Zudem handelt es sich bei der … im maßgeblichen Bereich nicht um eine typische Einfall straße, wie sie sich in jeder (größeren) Stadt finden lässt und in deren Verlauf typischerweise Werbeanlagen anzutreffen sind. Vielmehr vermittelt sich im maßgeblichen Bereich zwischen der Kreuzung … Straße/ …l und der Polizeiinspektion/ … in südöstlicher Richtung der Eindruck einer innerstädtischen Straße, wo der unbefangene Betrachter eine solche Werbeanlage gerade nicht erwartet (vgl. auch: BayVGH, U.v. 19.2.2004 – 26 B 03.1688 – juris Rn. 13 – 16).
Des Weiteren stört das geplante Vorhaben insbesondere die auf dem Baugrundstück vorhandene Wohnnutzung in unzumutbarer Art und Weise. Gleiches gilt auch für die nördlich und westlich angrenzenden Grundstücke FlNr. … und FlNr. …, jeweils Gemarkung …, in denen ebenfalls Wohnnutzung stattfindet. Zwar handelt es sich vorliegend, anders bei dem vom Verwaltungsgericht Ansbach in seinem Urteil vom 26. Mai 2017 (AN 9 K 16.00184) entschiedenen Fall, nicht um eine beleuchtete, sondern um eine unbeleuchtete Werbetafel, die zudem nicht 5,42 m, sondern 4,27 m in die Höhe ragt. Dennoch bedeutet die 11,16 m2 große Werbeanlage vor allem für das auf dem Vorhabengrundstück vorhandene Gebäude, das in Richtung der geplanten Werbetafel eine Vielzahl von Fenstern besitzt und zudem einen ebenfalls in diese Richtung ausgerichteten Wintergarten, aufgrund seiner Größe und Nähe sowie seiner immer noch über ein Stockwerk hinausgehenden Höhe von 4,27 m eine in optischer Hinsicht bedrängende Wirkung. Der Blick aus den nach Westen ausgerichteten Fenstern und dem Wintergarten führt zwangsläufig zu den – dem Zweck einer Werbeanlage entsprechend – farbigen, die Werbebotschaft transportierenden Bildern und Texten der Plakattafel. Im Ergebnis ist eine unzumutbare Störung zu bejahen und die geplante Werbetafel auch deshalb unzulässig. Dass keine Beleuchtung geplant ist, ändert an der Unzumutbarkeit nichts, denn diese ist bereits tagsüber gegeben. Wie das Gericht in seinem Urteil vom 26. Mai 2017 zutreffend ausgeführt hat, kommt es auf die zivilrechtliche Zustimmung des Grundstückseigentümers des Vorhabengrundstückes nicht an, da die hervorgerufene Störung der genehmigten Wohnnutzung auf das Baugrundstück hierdurch nicht ausgeglichen werden kann, zumal die Störung den jeweiligen tatsächlichen Bewohner des Grundstückes trifft. Unschädlich ist weiter, dass das Vorhabengrundstück, das offensichtlich als Mietobjekt dient, beim Ortstermin einen ungepflegten und verlassenen Eindruck macht, denn es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass es (dauerhaft) nicht (mehr) zu Wohnzwecken genutzt wird.
3. Die Klage hat keinen Erfolg und ist mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben