Baurecht

Berufungszulassung bei Beseitigungsanordnung bezüglich eines Wochenendhauses im Außenbereich wegen Bestandsschutzes

Aktenzeichen  9 ZB 14.2173

Datum:
4.10.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 53253
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 3
BayBO Art. 76 S. 1
GG Art. 14 Abs. 1
BGB § 900 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Die Rechtsfrage, ob „sogar rechtswidrig errichtete Bauwerke nach langer Zeit Bestandsschutz genießen können, analog der im Zivilrecht möglichen Ersitzung nach 30 Jahren“, lässt sich  auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne Weiteres verneinen. Ein Bestandsschutz für rechtswidrige bauliche Anlagen liegt nur dann vor, wenn der bauliche Bestand zu irgendeinem Zeitpunkt genehmigt worden oder jedenfalls genehmigungsfähig gewesen ist (vgl. BVerfG BeckRS 2000, 30123922). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

4 K 13.1245 2014-08-19 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 14.500,– Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin wendet sich gegen den Bescheid der Beklagten vom 15. November 2013, mit dem die Baugenehmigung vom 5. April 1956 zur Errichtung einer Einfriedung des Grundstücks FlNr. …, Gemarkung D., widerrufen wurde und sie zwangsgeldbewehrt verpflichtet wurde, sämtliche Anlagen auf dem Grundstück innerhalb von drei Monaten nach Bestandskraft dieses Bescheids vollständig zu beseitigen. Die Beseitigungsanordnung umfasst insbesondere das errichtete Wochenendhaus, inclusive der angebauten Überdachung und Pflasterung, das Schwimmbecken, sowie die Einfriedung mit Eingangstor und den Brunnen. Das Verwaltungsgericht hat die dagegen erhobene Klage mit Urteil vom 19. August 2014 abgewiesen. Hiergegen richtet sich der Antrag auf Zulassung der Berufung der Klägerin.
Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Die Kläger beruft sich auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Klägerin innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel nicht.
Die Klägerin macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils geltend, weil die Untersagung der Nutzung des vorhandenen Gebäudes zu Wohnzwecken gegenüber der Beseitigung ein milderes Mittel darstelle. Ferner hätte im Rahmen des Ermessens berücksichtigt werden müssen, dass sie beabsichtige, den Betrieb einer Bienenzucht aufzunehmen. Diese privilegierte Nutzung sei vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigt worden. Damit kann der Antrag jedoch keinen Erfolg haben.
Das Zulassungsvorbringen setzt sich nicht damit auseinander, dass nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts der gesamte vorhandene bauliche Bestand bauplanungsrechtlich unzulässig ist. Dementsprechend würde die Untersagung der ohnehin unzulässigen Wohnnutzung zu kurz greifen, so dass diese kein gleich geeignetes, milderes Mittel gegenüber der vollständigen Beseitigungsanordnung darstellen kann. Entgegen der Darstellung im Zulassungsvorbringen hat das Verwaltungsgericht im Urteil vom 19. August 2014 auch darauf hingewiesen, dass die Klage auf Nutzungsänderung zu einem imkerlichen Wirtschaftsgebäude mit Urteil vom selben Tag abgewiesen wurde. Dementsprechend bedurfte es keiner weiteren Auseinandersetzung mit der von der Klägerin behaupteten privilegierten Bienenzucht im Rahmen der Beseitigungsanordnung.
2. Die Rechtssache ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen wird. Erforderlich ist die Formulierung einer konkreten Tatsachen- oder Rechtsfrage und das Aufzeigen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich und klärungsbedürftig ist, sowie weshalb dieser Frage eine allgemeine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36; Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 124 Rn. 10 und § 132 Rn. 10). Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
Soweit dem Zulassungsvorbringen die Rechtsfrage entnommen werden kann, ob „sogar rechtswidrig errichtete Bauwerke nach langer Zeit Bestandsschutz genießen können, analog der im Zivilrecht möglichen Ersitzung nach 30 Jahren“, lässt sich dies auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne weiteres verneinen (vgl. BVerwG, B. v. 8.10.2015 – 4 B 28.15 – juris Rn. 4). Ein Bestandsschutz für rechtswidrige bauliche Anlagen kann allein durch Zeitablauf nicht entstehen. Ein durch Art. 14 Abs. 1 GG bewirkter Bestandsschutz liegt vielmehr nur dann vor, wenn der bauliche Bestand zu irgendeinem Zeitpunkt genehmigt worden oder jedenfalls genehmigungsfähig gewesen ist (vgl. BVerfG, B. v. 24.7.2000 – 1 BvR 151/99 – juris Rn. 8).
Eine formelle oder materielle Legalität der baulichen Anlagen zu irgendeinem Zeitpunkt – unabhängig vom Widerruf der Baugenehmigung vom 5. April 1956 zur Errichtung der Einfriedung – wird hier nicht dargelegt. Eine Vermutung dahin, dass ein seit langen Jahren vorhandener Baubestand bei seiner Errichtung oder während irgendeiner Zeitspanne seines Bestehens einmal materiell legal war, besteht nicht. Vielmehr geht die fehlende Nachweisbarkeit eines etwaigen Bestandsschutzes aufgrund des Einwendungscharakters zulasten des von der Beseitigung Betroffenen (vgl. Decker in Simon/Busse, BayBO, Stand Jan. 2016, Art. 76 Rn. 130). Es entspricht zudem ständiger Rechtsprechung, dass der bloße Zeitablauf allein die Bauaufsichtsbehörden nicht hindert, gegen einen auch seit langen Jahren bestehenden rechtswidrigen Baubestand einzuschreiten (vgl. BayVGH, B. v. 29.5.2015 – 9 ZB 14.2580 – juris Rn. 19). Einen von diesen Grundsätzen abweichenden Rechtssatz hat das Bundesverwaltungsgericht weder aufgestellt noch ernstlich in Betracht gezogen. Auch im Hinblick auf den im Zulassungsvorbringen angeführten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. März 2001 besteht damit keine Veranlassung, die Frage eines Bestandsschutzes rechtswidriger baulicher Anlagen analog der zivilrechtlichen Vorschriften der Ersitzung als grundsätzlich bedeutsam anzusehen, zumal das Bundesverwaltungsgericht diese Frage mangels Entscheidungserheblichkeit offen gelassen hat und sich inhaltlich in keiner Weise damit auseinandergesetzt hat (vgl. BVerwG, B. v. 21.3.2001 – 4 B 18.01 – juris Rn. 12). Das Verhältnis der baurechtlichen Regelungen für den Außenbereich zum Eigentumsschutz gemäß Art. 14 Abs. 1 GG ist höchstrichterlich geklärt (vgl. BVerwG, B. v. 22.5.2007 – 4 B 14.07 – juris Rn. 9 m. w. N.; siehe auch: BayVGH, B. v. 11.6.2012 – 9 ZB 09.271 – juris Rn. 16).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 9.5 und 9.1.2.6 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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