Baurecht

Bestimmtheit der Beseitigungsanordnung für Grenzbau

Aktenzeichen  M 1 K 17.3953

Datum:
23.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 29595
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 2 Abs. 1 S. 4, Art. 6 Abs. 9 S. 1 Nr. 1, Art. 76 S. 1
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Es begegnet hinsichtlich der nötigen Bestimmtheit keinen Bedenken, wenn die Bauaufsichtsbehörde vom Adressaten einer Beseitigungsanordnung verlangt, eine an eine vorhandene Grenzgarage angebaute Pkw-Vorplatzüberdachung und einen Wohnwagenabstellplatz so zu beseitigen, dass nach Beseitigung der bestehenbleibende Grenzbau den Maßgaben des Art. 6 Abs. 9 Nr. 1 BayBO entspricht. Die Festlegung eines Finalprogramms (hier: Einhaltung der Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 9 Nr. 1 BayBO) ist in Verwaltungsakten möglich und stellt keinen Mangel hinreichender Bestimmtheit dar (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Regelung ist aus Gründen der Verhältnismäßigkeit sogar geboten, weil die Beseitigungsanordnung dadurch auf das unzulässige Maß beschränkt wird und dem Adressaten der Beseitigungsanordnung die Entscheidung überlassen wird, welchen Teil der Anbauten er beseitigt. Der Verweis auf Art. 6 Abs. 9 Nr. 1 BayBO ist ebenfalls nicht zu beanstanden, weil die damit an den Adressaten der Beseitigungsanordnung  gestellten Anforderungen hinsichtlich des Umfangs der Beseitigung nachlesbar und allgemein zugänglich sind. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet und hat daher keinen Erfolg.
Die Beseitigungsanordnung in Nr. 1 und die Zwangsgeldandrohung in Nr. 2 des Bescheids vom 20. Juli 2017 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1. Die Beseitigungsanordnung ist rechtmäßig, weil sie hinreichend bestimmt ist (vgl. unter 1.1.), die Voraussetzungen des Art. 76 Satz 1 BayBO erfüllt sind und die Maßnahme weder ermessensfehlerhaft noch unverhältnismäßig ist (1.2.).
1.1. Die Beseitigungsanordnung ist hinreichend bestimmt i.S.v. Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG, obwohl in Nr. 1 des Bescheids sowohl das Grundstück FlNr. 1486/2 als auch das Grundstück FlNr. 1486/1 genannt ist, die Beseitigung jedoch nur die bauliche Anlage auf dem Grundstück FlNr. 1486/2 erfasst.
Der Grundsatz der hinreichenden Bestimmtheit einer Einzelfallregelung bedeutet zum einen, dass deren Adressat in der Lage sein muss zu erkennen, was von ihm gefordert wird, und zwar in dem Sinne, dass der behördliche Wille keiner unterschiedlichen subjektiven Bewertung zugänglich ist; zum anderen folgt daraus, dass der Verwaltungsakt Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein kann (vgl. BVerwG, U.v. 2.7.2008 – 7 C 38/07 – BVerwGE 131, 259). Der Regelungsgehalt muss sich dabei nicht unmittelbar und ausschließlich aus dem Entscheidungssatz ergeben. Es reicht, wenn sich die Regelung aus dem gesamten Inhalt des Bescheids, insbesondere seiner Begründung sowie den weiteren, den Beteiligten bekannten oder ohne weiteres erkennbaren Umständen unzweifelhaft erkennen lässt (vgl. BVerwG, U.v. – 6 C 6/00 – BVerwGE 114, 160). Entscheidend sind die konkreten Umstände des Einzelfalles (vgl. BVerwG, U.v. 15.2.1990 – 4 C 41/87 – BVerwGE 84, 335; BayVGH, U.v. 15.12.1992 – 2 B 92.88 – BayVBl 1993, 274; Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Auflage 2018, § 37 Rn. 6).
Unter Zugrundelegung der genannten Maßstäbe ist die Beseitigungsanordnung als hinreichend bestimmt i.S.v. Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG anzusehen. Aus dem Entscheidungssatz in Verbindung mit den Bescheidsgründen ergibt sich für die Klägerin klar und unzweideutig, welche Anbauten in welchem Umfang zu beseitigen sind.
Aus Nummer II.2.a Absatz 2 und 5 der Bescheidsgründe ergibt sich, dass die Beseitigungsanordnung nur das Grundstück FlNr. 1486/2 betreffen soll. So heißt es in Nummer II.2.a Absatz 5, dass der 2,30 m lange Teil der Pkw-Vorplatzüberdachung, der auf dem Grundstück FlNr. 1486/1 liegt, keinen Grenzbau darstellt. Dieser Teil der Mauer wurde im weiteren Verlauf auch nicht bei der Berechnung der Länge des Grenzbaus berücksichtigt. Soweit demgegenüber in der Beseitigungsanordnung in Nr. 1 neben dem Grundstück FlNr. 1486/2 das Grundstück FlNr. 1486/1 genannt wurde, handelt es sich daher um eine offenbare Unrichtigkeit i.S.v. Art. 42 Satz 1 BayVwVfG. Hierzu hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung klargestellt, dass sich der Bescheid ausschließlich auf das Grundstück FlNr. 1486/2 beziehen soll. Von einer Beschränkung der Anordnung auf dem Grundstück FlNr. 1486/2 ging auch die Klägerin aus. So hat sie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass es aus ihrer Sicht nicht sinnvoll bzw. aufgrund der baulichen Konstruktion der Pkw-Vorplatzüberdachung nicht möglich sei, die 2,30 m lange Wand auf dem Grundstück FlNr. 1486/1 stehen zu lassen, wenn Teile der unmittelbar südlich anschließenden Mauer beseitigt werden. Gerügt wurde von der Klägerin auch nicht die hinreichende Bestimmtheit der Beseitigungsanordnung, sondern lediglich die Handlungspflicht selbst und die bei deren Erfüllung entstehenden Folgen.
Die Verwendung der Begriffe „Pkw-Vorplatzüberdachung“ und „Wohnwagenabstellplatz“ in Nr. 1 des Bescheids führen ebenfalls nicht zur Unbestimmtheit der Anordnung. Die Beseitigung der Pkw-Vorplatzüberdachung umfasst neben dem Vordach selbst auch die Mauern und Wände im nordöstlichen Bereich des Grundstücks FlNr. 1486/2; die des Wohnwagenabstellplatzes den südlichen Garagenanbau. Der Beklagte hat bei seinem Bescheid die von der Klägerin in deren Bauantrag unter dem 13. Oktober 2014 selbst gewählte Terminologie für den südlichen und nördlichen Garagenanbau übernommen, in dem es hieß: „Errichtung von Überdachungen, eines Geräte-Holzlegeschuppens, Balkonerweiterung, Pkw-Vorplatzüberdachungen, Wohnwagenabstellplatz, Garagenumbau“. Die Begriffe werden zudem in den Bescheidsgründen präzisiert. Dort wird der Wohnwagenabstellplatz in Nummer I. Absatz 4 als südlicher Anbau an die klägerische Garage bezeichnet. Die Pkw-Vorplatzüberdachung wird in Nummer I Absatz 5 als Vordach definiert. Da in dem entsprechenden Absatz explizit auch auf die nach Nordosten an die Garage unmittelbar anschließenden Mauern und Wände genannt werden, ist für die Klägerin erkennbar, worauf sich die Beseitigungsanordnung bezieht.
Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass der Beklagte von der Klägerin verlangt, die Pkw-Vorplatzüberdachung sowie den Wohnwagenabstellplatz so zu beseitigen, dass nach Beseitigung der bestehenbleibende Grenzbau den Maßgaben des Art. 6 Abs. 9 Nr. 1 BayBO entspricht. Die Festlegung eines Finalprogramms (hier: Einhaltung der Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 9 Nr. 1 BayBO) ist in Verwaltungsakten möglich und stellt keinen Mangel hinreichender Bestimmtheit dar (vgl. NdsOVG, B.v. 4.9.2018 – 10 LA 45/18 – NuR 2019, 127). Die Regelung ist aus Gründen der Verhältnismäßigkeit sogar geboten, weil die Beseitigungsanordnung dadurch auf das unzulässige Maß beschränkt wird und der Klägerin die Entscheidung überlassen wird, welchen Teil der Anbauten sie beseitigt. Der Verweis auf Art. 6 Abs. 9 Nr. 1 BayBO ist ebenfalls nicht zu beanstanden, weil die damit an die Klägerin gestellten Anforderungen hinsichtlich des Umfangs der Beseitigung nachlesbar und allgemein zugänglich sind (vgl. Tiedemann in Bader/Ronellenfitsch, BeckOK VwVfG, Stand: 1.7.2020, § 37 Rn. 7).
1.2. Die Voraussetzungen des Art. 76 Satz 1 BayBO für den Erlass einer Beseitigungsanordnung sind erfüllt. Die Beseitigungsanordnung ist auch nicht ermessensfehlerhaft oder unverhältnismäßig.
Nach Art. 76 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde bezüglich Anlagen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet werden, die teilweise oder vollständige Beseitigung anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Der Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften setzt dabei wegen des Eingriffs in die Bausubstanz nach ganz herrschender Meinung voraus, dass die genehmigungsbedürftige Anlage sowohl formell als auch materiell illegal ist (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.1982 – 4 C 52/78 – NVwZ 1983, 472; BayVGH, B.v. 20.1.2003 – 20 ZB 99.3616 – juris Rn. 3).
Die Klägerin hat mit der Pkw-Vorplatzüberdachung und dem Wohnwagenabstellplatz Anlagen errichtet (vgl. unter 1.2.1.), die formell (1.2.2.) und materiell (1.2.3.) illegal sind und damit in Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften stehen. Die Beseitigungsanordnung ist zudem ermessenfehlerfrei ergangen und verhältnismäßig (1.2.4.).
1.2.1. Mit dem Anbau der Pkw-Vorplatzüberdachung und dem Wohnwagenabstellplatz wurden Anlagen i.S.v. Art. 2 Abs. 1 Satz 4 BayBO errichtet.
Bei der Pkw-Vorplatzüberdachung und dem Wohnwagenabstellplatz handelt es sich jeweils um Garagen i.S.v. Art. 2 Abs. 8 Satz 2 BayBO. Unter den Begriff der Garage fallen sowohl geschlossene als auch offene Garagen (vgl. § 1 Abs. 1 und 2 GaStellV; Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, 137. EL Juli 2020, Art. 2 Rn. 686 und 697), sodass auch die nach Norden hin offene Pkw-Vorplatzüberdachung als Garage anzusehen ist. Da Garagen stets Gebäude sind, handelt es sich bei den beiden Anbauten auch um Gebäude i.S.v. Art. 2 Abs. 2 BayBO. Aufgrund ihrer baulich-konstruktiven Verbindung mit der Doppelgarage sowie deren einheitlichen Nutzungszwecks (Abstellmöglichkeit für Kraftfahrzeuge) sind die Anbauten nicht als selbständige Gebäude, sondern als Teile eines einheitlichen Gebäudes zu qualifizieren, das sich aus Pkw-Vorplatzüberdachung, Doppelgarage und Wohnwagenabstellplatz zusammensetzt.
1.2.2. Die Pkw-Vorplatzüberdachung und der Wohnwagenabstellplatz sind formell illegal.
Für die genehmigungsbedürftigen Anbauten liegt keine Baugenehmigung vor. Die Baugenehmigung vom 11. Januar 2008 umfasste weder die Pkw-Vorplatzüberdachung noch den Wohnwagenabstellplatz. Genehmigt wurde nach dem Eingabeplan lediglich die Doppelgarage mit folgenden Maßen: 6,49 m Länge, 6,99 m Breite, 3,00 m mittlere Wandhöhe. Im Eingabeplan wurde darüber hinaus zwar eine Mauer mit 1,50 m Länge an der Nordostecke der Doppelgarage eingezeichnet. In dem genehmigten Eingabeplan fehlt jedoch eine Höhenangabe für die Mauer. Die Genehmigung ist daher insoweit unbestimmt, weshalb die Mauer nicht vom Genehmigungsumfang umfasst ist.
Die streitgegenständlichen Anbauten sind nicht nachträglich genehmigt worden. Der unter dem 13. Oktober 2014 von der Klägerin eingereichte Bauantrag wurde vom Landratsamt im Hinblick auf die Errichtung der Pkw-Vorplatzüberdachung und des Wohnwagenabstellplatzes mit Bescheid vom 21. Juli 2014 abgelehnt.
Es handelt sich nicht um verfahrensfreie Bauvorhaben nach Art. 57 BayBO. Die Anbauten sind insbesondere nicht nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und b BayBO verfahrensfrei, weil der Bruttorauminhalt des aus Pkw-Vorplatzüberdachung, Doppelgarage und Wohnwagenabstellplatz bestehenden (einheitlichen) Gebäudes (vgl. oben unter 1.2.1.) mehr als 75 m3 beträgt.
1.2.3. Die Pkw-Vorplatzüberdachung und der Wohnwagenabstellplatz sind materiell illegal, weil sie die Abstandsflächen zum östlich gelegenen Grundstück FlNr. 1486/3 nicht einhalten.
Durch die Anbauten an die bestehende Doppelgarage ist ein neuer Baukörper entstanden, der in seiner Gesamtheit die abstandsflächenrechtlichen Regelungen in Art. 6 BayBO einhalten muss. Die neu entstehenden Außenwände sind in ihrer gesamten Ausdehnung einschließlich des Altbestands den abstandsflächenrechtlichen Anforderungen unterworfen (vgl. BayVGH, U.v. 20.12.1988 – 20 B 88.00137 – BayVBl 1989, 721; Kraus in Simon/Busse, BayBO, 137. EL Juli 2020, Art. 6 Rn. 25). Für die Frage der Einhaltung der Abstandsflächen i.S.v. Art. 6 BayBO sind daher nicht nur die Anbauten, sondern der gesamte Grenzbau auf dem Grundstück FlNr. 1486/2 bestehend aus Pkw-Vorplatzüberdachung, Doppelgarage und Wohnwagenabstellplatz zu betrachten.
Bei dem Grenzbau handelt es sich um keine nach Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO privilegierte Grenzbebauung. Die Vorschrift setzt voraus, dass die Garage höchstens eine Gesamtlänge von 9 m je Grundstücksgrenze aufweist. Die Garage weist tatsächlich eine Gesamtlänge von 13,56 m (4,01 m Länge des Wohnwagenabstellplatzes; 6,50 m Länge der Doppelgarage; 1,49 m Länge der ersten Mauer; 1,56 m Länge der zweiten, zum Teil aus Glas bestehenden Mauer; vgl. S. 31 der Behördenakte) an der Grundstücksgrenze zum Grundstück FlNr. 1486/3 auf. Folglich sind die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO nicht erfüllt. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass auf Höhe der Doppelgarage auf der anderen Seite der Grundstücksgrenze ebenfalls eine Garage steht. Die Vorschrift stellt bereits nach ihrem Wortlaut lediglich auf die Grenzbebauung selbst und nicht auf eine etwaige Bebauung auf der gegenüberliegenden Seite der Grundstücksgrenze ab. Die 6,50 m Länge der Doppelgarage können daher entgegen dem klägerischen Vorbringen bei der Berechnung der Gesamtlänge der Grenzbebauung nicht außer Betracht bleiben.
Da die Höchstmaße einer nach Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO privilegierten Grenzbebauung überschritten sind, gelten die allgemeinen Abstandsflächen nach Art. 6 Abs. 4 bis 7 BayBO. Gemäß Art. 6 Abs. 4 Satz 1 BayBO bemisst sich die Abstandsfläche nach der Wandhöhe und wird senkrecht zur Wand gemessen. Die Wandhöhe ist gemäß Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayBO das Maß von der Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand. Die Wandhöhe beträgt nach den Messungen bei der Baukontrolle am 8. Dezember 2016 mindestens 3,17 m für den Wohnwagenabstellplatz, 3,00 m für die Doppelgarage und mindestens 3,55 m für die Pkw-Vorplatzüberdachung. Da sowohl die Neigung der Pultdächer der beiden Anbauten als auch die Neigung des Satteldachs der Doppelgarage weniger als 45 Grad betragen, ist die Höhe der Dächer nicht gemäß Art. 6 Abs. 4 Satz 3 BayBO hinzuzurechnen. Die Tiefe der Abstandsfläche beträgt somit gemäß Art. 6 Abs. 4 und 5 BayBO 3,17 m für den Wohnwagenabstellplatz, 3,00 m für die Doppelgarage und 3,55 m für die Pkw-Vorplatzüberdachung.
Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO müssen die Abstandsflächen auf dem Grundstück selbst liegen. Ausnahmsweise können sie gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO auf dem Nachbargrundstück liegen. Dies setzt jedoch voraus, dass der Nachbar schriftlich gegenüber der Bauaufsichtsbehörde erklärt, dass er die Abstandsfläche in einer bestimmten Breite und Tiefe auf seinem Grundstück übernimmt und sich zugleich verpflichtet, diese Fläche nicht zu überbauen (vgl. Schönfeld in Spannowsky/Manssen, BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, Stand: 1.6.2020, Art. 6 Rn. 113). Eine solche Erklärung haben die Eigentümer des Grundstück FlNr. 1486/3 nicht gegenüber dem Landratsamt abgegeben. Sie haben vielmehr selbst den Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten gestellt und damit zu erkennen gegeben, dass sie mit den klägerischen Anbauten nicht einverstanden sind. Eine Abstandsflächenübernahme i.S.v. Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO war auch nicht Gegenstand des Vergleichs vor dem Amtsgericht M* … … … vom … Mai 2016. Eine Übernahme könnten die Nachbarn im Übrigen hinsichtlich der Abstandsfläche des Grenzbaus, die auf den mit einer Garage bebauten Bereich des Grundstück FlNr. 1486/3 fällt, wegen der Verpflichtung zur Freihaltung der Fläche nicht erklären. Die Abstandsfläche der östlichen Außenwand des auf dem Grundstück FlNr. 1486/2 liegenden Grenzbaus liegt somit vollständig auf dem Grundstück FlNr. 1486/3 und verstößt damit gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO. Die Gesamtüberschreitung des Grenzbaus beträgt ca. 42,5 m2, von denen ca. 12 m2 auf den Wohnwagenabstellplatz, ca. 19,5 m2 auf die Doppelgarage und ca. 11 m2 auf die Pkw-Vorplatzüberdachung entfallen.
1.2.4. Auch die weiteren Voraussetzungen für den Erlass der Beseitigungsanordnung sind erfüllt. Die Beklagte hat ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt und verhältnismäßig gehandelt.
Der Beklagte hat sein Ermessen im Hinblick auf Adressaten und Frist der Beseitigungsanordnung ordnungsgemäß ausgeübt. Gegenüber der Bauaufsichtsbehörde ist bislang nur die Klägerin aufgetreten. Als Bauherrin und Eigentümerin des Grundstücks FlNr. 1486/2 hat sie sowohl den Bauantrag für die Errichtung des Einfamilienhauses mit Doppelgarage als auch den nachträglichen Bauantrag für die Errichtung der Pkw-Vorplatzüberdachung und des Wohnwagenabstellplatzes gestellt. Daher war die Beseitigungsanordnung gegenüber ihr zu erlassen, weil sie sowohl Verhaltens- als auch Zustandsstörerin ist (vgl. Art. 9 LStVG). Die Frist für die Beseitigung wurde mit einem Monat nach Unanfechtbarkeit des Bescheids ausreichend lang bemessen.
Das von der Beklagten ausgeübte Ermessen ist auch sonst fehlerfrei ausgeübt worden. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Beklagte im Rahmen seiner Abwägungsentscheidung dem Interesse der Allgemeinheit an rechtmäßigen Bauzuständen sowie dem der Nachbarn auf Einhaltung der Abstandsflächen den Vorrang vor dem privaten Interesse der Klägerin auf Erhalt des Grenzbaus im gegenwärtigen Umfang eingeräumt hat. Der Beklagte hat bei der Ermessensentscheidung insbesondere berücksichtigt, dass das Maß der zulässigen Grenzbebauung nicht bloß unwesentlich überschritten wurde. Ein Einverständnis der östlich gelegenen Grundstückseigentümer mit dem Grenzbau – wie von der Klägerin vorgetragen – kann zudem weder den Behördenakten noch dem Vergleich vor dem Amtsgericht M* … … … vom … Mai 2016 entnommen werden. Der nach dem gerichtlichen Vergleich gestellte Antrag der östlich gelegenen Grundstückseigentümer auf bauaufsichtliches Einschreiten zeigt vielmehr, dass sie mit dem Grenzbau der Klägerin nicht einverstanden sind und ein erhebliches Interesse an der Einhaltung der Abstandsflächen haben.
Die Befugnis zu einem behördlichen Einschreiten ist nicht aufgrund des Schreibens vom 21. Juli 2016 an die östlichen Grundstückseigentümer in entsprechender Anwendung des § 242 BGB verwirkt worden. Denn zum einen wurde das Schreiben nicht auch an die Klägerin zugestellt. Zum anderen heißt es in dem Schreiben lediglich, dass derzeit von einer Beseitigung abgesehen werde. Eine rechtlich bindende Zusicherung der Beklagten i.S.v. Art. 38 BayVwVfG, dass von einer Beseitigungsanordnung gegenüber der Klägerin abgesehen werde, wurde daher zu keinem Zeitpunkt gegeben.
Die Beseitigungsanordnung verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass die aufgenommenen Bezugsfälle (vgl. S. 42 ff. der Behördenakte) die Grundlage für die Erstellung eines Konzepts für ein etwaiges bauaufsichtliches Aufgreifen seien und er den Ausgang dieses Verfahrens als Musterverfahren abwarte, um dann gegebenenfalls eine abstandsflächenrechtliche Bereinigung vorzunehmen. Hiergegen ist nichts einzuwenden.
Die Beseitigungsanordnung ist verhältnismäßig. Sie ist insbesondere auf das nach Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO zulässige Maß beschränkt worden. Ferner ist es der Klägerin ins Belieben gestellt, welche Teile der Garagenanbauten sie hierzu entfernt. Ein milderes, gleich geeignetes Mittel zur Wiederherstellung rechtmäßiger Bauzustände ist nicht ersichtlich. Auch die Angemessenheit der Maßnahme ist zu bejahen, weil der zu erwartende Schaden nicht erkennbar außer Verhältnis zum beabsichtigten Erfolg steht.
2. Gegen die Zwangsgeldandrohung in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids bestehen keine rechtlichen Bedenken (Art. 29, 31, 36 VwZVG). Insbesondere ist die Frist sowie die Höhe des Zwangsgeldes angemessen.
3. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die sofortige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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