Baurecht

eigenmächtige Niveauangleichung einer Ortsstraße an die Höhe der Grundstückszufahrt, Keine Sondernutzung, Duldungspflicht, Selbstbindung der Verwaltung, treuwidriges Verhalten

Aktenzeichen  AN 10 K 20.00033

Datum:
5.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 46022
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 3 Abs. 1
BayStrWG Art.18

 

Leitsatz

Gründe

1. Die Klage bleibt mit dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen ohne Erfolg.
1.1 Die Klage ist im Hauptantrag als Versagungsgegenklage statthaft (§ 88 VwGO) und auch im Übrigen zulässig.
1.2 Die Klage ist im Hauptantrag auf Aufhebung des Bescheids vom 6. Juni 2019 mit Ergänzung vom 13. November 2019 sowie vom 4. Dezember 2019 und Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung der Sondernutzungserlaubnis sowie im Hilfsantrag zu 1 auf Aufhebung des Bescheids vom 6. Juni 2019 mit Ergänzung vom 13. November 2019 sowie vom 4. Dezember 2019 und Verpflichtung der Beklagten zu erneuter Verbescheidung unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der mit Schreiben vom 30. April 2019 beantragten Sondernutzungserlaubnis, da die durch den Kläger vorgenommene Veränderung der öffentlichen Straße bereits mangels Benutzung der öffentlichen Straße keine Sondernutzung i.S.v. Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG, sondern ein Eingriff in die Straßenbaulast der Beklagten darstellt.
Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG erfordert eine Benutzung der öffentlichen Straße über den Gemeingebrauch hinaus. Die durch den Kläger durchgeführte Angleichung des Straßenniveaus der öffentlichen Straße an das Niveau seines Grundstücks stellt bereits keine Benutzung dar. Dies folgt bereits aus dem allgemeinen Sprachgebrauch des Wortes „Benutzung“, das so viel wie „Verwenden“ oder „Gebrauchmachen“ von einer Sache bedeutet (vgl. BayVGH, B.v. 15.12.2017 – 8 ZB 16.1806, NVwZ 2018, 511). Mithin fällt das Verändern einer Sache nicht unter eine erlaubnispflichtige Sondernutzung. Selbst bei Annahme einer erlaubnispflichtigen Sondernutzung könnte das klägerische Begehren der dauerhaften Beibehaltung des von ihm geschaffenen Zustandes nicht über Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG erreicht werden, da eine Sondernutzungserlaubnis nur auf Zeit oder auf Widerruf erteilt wird, vgl. Art. 18 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG. Demnach wurde der Antrag auf Erteilung der Sondernutzungserlaubnis von der Beklagten zu Recht abgelehnt.
1.3 Die Klage ist im Hilfsantrag zu 2 auf Verurteilung der Beklagten zur Duldung des vorhandenen Straßenzustandes als allgemeine Leistungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Leistungsklage ist jedoch mangels Vorliegens einer Duldungspflicht der Beklagten unbegründet.
Der Kläger hat in das – gewidmete – Straßengrundstück, das im Eigentum und in der Baulast der Beklagten steht, eingegriffen, ohne dass dies erlaubt worden wäre. Nach Aktenlage hat die Beklagte sogar den eindeutigen Willen dahingehend geäußert, den Eingriff bzw. die Baumaßnahme am Straßengrund zu unterlassen. Dem Gericht ist nicht erkennbar, dass die Beklagte dies zu dulden hätte.
Die Duldungspflicht der Beklagten ergibt sich nicht aus dem Rechtsinstitut des Anliegergebrauchs.
Der Anliegergebrauch sichert die Erreichbarkeit eines (Innerorts-)Grundstücks nicht uneingeschränkt, sondern nur in seinem Kern. Der gegenüber dem schlichten Gemeingebrauch gesteigerte Anliegergebrauch reicht nur so weit, wie eine angemessene Nutzung des Grundeigentums die Benutzung der Straße erfordert und der Anlieger auf das Vorhandensein der Straße in spezifischer Weise angewiesen ist. Beispielsweise gehört die uneingeschränkte Anfahrmöglichkeit mit Kraftfahrzeugen bei einem innerörtlichen Wohngrundstück selbst mit potenziellen Garagen oder Stellplätzen nicht zum geschützten Kernbereich des Anliegergebrauchs (vgl. BayVGH, U.v. 15.3.2006 – 8 B 05.1356, IBRRS 2006, 1162).
Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich eine Duldungspflicht der Beklagten auch nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte dem Plan hinsichtlich der Bebauung des klägerischen Grundstücks im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens zugestimmt hat.
Eine Baugenehmigung für ein innerörtliches Grundstück begründet nicht von vorneherein einen Anspruch auf Einräumung der in den genehmigten Plänen konkret vorgesehenen Zufahrt. Denn mit der Baugenehmigung ist grundsätzlich keine straßen- und wegerechtliche Erlaubnis verbunden. Auch eine Baugenehmigung im Innenbereich berechtigt regelmäßig nur zur Verwirklichung des Bauvorhabens auf dem Baugrundstück, nicht zur Inanspruchnahme des öffentlichen Straßenraums (vgl. BayVGH, U.v. 1.12.2009 – 8 B 09.1980, BeckRS 2010, 46947), erst recht nicht zur eigenmächtigen Inanspruchnahme des öffentlichen Straßenraums.
Eine Duldungspflicht der Beklagten ergibt sich auch nicht aus einer Selbstbindung der Verwaltung i.S.v. Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV.
Aus dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 BV) kann sich eine Selbstbindung der Verwaltung ergeben. Hat die Verwaltung ihr Ermessen bislang nach einem bestimmten Muster ausgeübt oder ist bei der Auslegung einer Norm einer bestimmten Praxis gefolgt, kann sie davon in einem weiteren Einzelfall ohne besondere sachliche Rechtfertigung nicht abweichen. Aus dieser Selbstbindung folgt regelmäßig eine Bindung an eine ausgeübte Verwaltungspraxis, da davon ausgegangen wird, dass sich die Verwaltung an sie hält. Eine Abweichung kommt nur in Betracht, wenn eine wesentliche Besonderheit des Einzelfalls die Abweichung rechtfertigt (vgl. BayVGH, U.v. 15.3.2006 – 8 B 05.1356, IBRRS 2006, 1162; BVerwG, U.v. 13.9.1973, BVerwGE 44, 72).
Gemessen daran fehlt es bereits an den Voraussetzungen der Selbstbindung der Verwaltung, da die Beklagte von Anfang an gegen eine Veränderung der öffentlichen Straße war und ihren Willen dem Kläger gegenüber auch ausdrücklich kundgetan hat. Aus den in der mündlichen Verhandlung vom Prozessbevollmächtigten des Klägers vorgelegten Bildern ergeben sich für das Gericht entgegen der Auffassung des Klägers keine vergleichbaren Situationen. Der Kläger hat hierzu auch nicht substantiiert vorgetragen. Aus den vorgelegten Bildern wird bereits nicht ersichtlich, wie die entsprechenden Grundstücksbesitzer mit der Beklagten verblieben sind und ob, wie im vorliegenden Fall, auch eine eigenmächtige Veränderung der Straße vorlag.
Unabhängig davon, kann sich ein Kläger, der erst eigenmächtig eine öffentliche Straße verändert, im Nachhinein nicht auf eine Selbstbindung der Verwaltung berufen. Dies stellt einen Verstoß gegen Treu und Glauben i.S.v. § 242 BGB dar. Das Rechtsinstitut der Selbstbindung der Verwaltung kann vorliegend nicht dazu dienen, einen rechtswidrigen Zustand zu perpetuieren.
Demnach steht dem Kläger kein Anspruch auf Duldung zu.
2. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.


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