Baurecht

Eilantrag des Nachbarn gegen Nutzungsänderung in Hundezentrum – Genuss vorhandener Naturschönheiten

Aktenzeichen  15 CS 21.691

Datum:
12.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 9450
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
BV Art. 141 Abs. 3 S. 1

 

Leitsatz

Art. 141 Abs. 3 S. 1 BV ist dahingehend zu verstehen, dass nur der Genuss der vorhandenen Naturschönheiten und die Erholung in der vorhandenen freien Natur gestattet werden, die Bestimmung dem Einzelnen aber keinen grundrechtlichen Anspruch auf unveränderten Fortbestand der freien Natur und kein Abwehrrecht gegen hoheitliche Maßnahmen mit naturverändernder Wirkung gewährt. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 6 S 20.2653 2021-02-09 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich als Grundstücksnachbar im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes – in Bezug auf das im Außenbereich (§ 35 BauGB) gelegene und bebaute (Wohn-)Grundstück des Beigeladenen – gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur „Nutzungsänderung in ein Hundezentrum mit Hunde- und Katzenpension, Trainingsplatz für Hunde“ (Bescheid des Landratsamts vom 2.4.2020).
Das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg hat mit Beschluss vom 9. Februar 2021 den sinngemäß gestellten Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung (§ 80 Abs. 5 VwGO) der gegen die Baugenehmigung erhobenen Klage (RN 6 K 20.681) und den ebenfalls sinngemäß gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 123 VwGO) abgelehnt. Der Antragsteller sei durch die Baugenehmigung nicht in eigenen Rechten verletzt. Die Baugenehmigung sei entgegen der Ansicht des Antragstellers weder unbestimmt noch verletze das streitgegenständliche Bauvorhaben das bauplanungsrechtliche Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme. Ebenso liege trotz der (mit) genehmigten „Zaunanlage für Auslauf und Trainingsplatz“ keine Verletzung des Rechts auf Betreten der freien Natur vor. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des Beschlusses Bezug genommen.
Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Rechtsschutzziel weiter. Wegen der Einzelheiten der im Wesentlichen das erstinstanzliche Vorbringen wiederholenden Beschwerdebegründung wird auf den Schriftsatz des Bevollmächtigten des Antragstellers vom 12. März 2021 verwiesen.
Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen (Schriftsatz der Landesanwaltschaft Bayern vom 30.3.2021). Der Beigeladene hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten in diesem Verfahren sowie im Klageverfahren (RN 6 K 20.681) und auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Das Vorbringen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren rechtfertigt keine vom angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts abweichende Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat aufgrund der im Eilverfahren vorzunehmenden Abwägung der widerstreitenden Interessen den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers ebenso zu Recht abgewiesen wie den geltend gemachten Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Der Senat folgt den ausführlichen Gründen des erstinstanzlichen Beschlusses (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Lediglich ergänzend ist zu bemerken:
Der Einwand des Antragstellers, es bleibe „unklar, in welchem Umfang wann welche Tiere – neben Hunden insbesondere auch Katzen – in der Einrichtung betreut werden“ und das Betriebskonzept scheine „nicht klar und ausreichend zu sein“, ist nicht stichhaltig. Der angefochtene Bescheid des Landratsamts hat alle vom Beigeladenen eingereichten Antragsunterlagen einschließlich der ausführlichen Betriebsbeschreibung des Antragstellers vom 17. August 2019 sowie die schalltechnische Untersuchung des Ingenieurbüros vom 29. Oktober 2019 zum Bestandteil der Baugenehmigung erklärt. Der Bescheid enthält ferner umfangreiche Auflagen insbesondere zur Bauausführung, zum Betriebsablauf (einschließlich der zahlenmäßigen Begrenzung der Hundehaltung und -betreuung, der zeitlichen Nutzung des Auslaufs für die Hundepension sowie des Trainingsplatzes), zum anlagenbezogenen Fahrverkehr und zu den einzuhaltenden Immissionsrichtwerten an den vorliegend maßgeblichen (nächstgelegenen) Immissionsorten, zu denen das etwa 100 m entfernte und ebenfalls im Außenbereich gelegene Wohnanwesen des Antragstellers nicht gehört. Das Verwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung dargelegt, dass nach alledem keine Anhaltspunkte ersichtlich sind, aus denen sich eine für den Antragsteller (nachbarlich) relevante Unbestimmtheit der Baugenehmigung ergeben könnte.
Der Antragsteller hat die Ausführungen des Verwaltungsgerichts im Beschwerdeverfahren nicht substantiiert in Zweifel gezogen. Dies gilt auch für den nicht näher begründeten Hinweis des Antragstellers „auf eine erhebliche Lärmbelastung durch die Tiere selbst sowie durch den mit dem gewerblichen Vorhaben verbundenen An- und Abfahrtsverkehr“ sowie auf „Geruchs- oder gar Keim-, Bakterien- oder Virenbelastungen zu Lasten der Nachbarn“. Der Antragsteller hat im Beschwerdeverfahren auch nicht dargelegt, weshalb aus der (mit-)genehmigten Katzenpension (nach der Betriebsbeschreibung werden „lediglich Wohnungskatzen aufgenommen, die in dem vorgesehenen Katzenzimmer unterkommen oder max. auf eine eingezäunte Terrasse dürfen“) eine für den Antragsteller relevante Beeinträchtigung zu befürchten wäre. Es gibt deshalb für den Senat keinen Anlass, von der vom Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Entscheidung vorgenommenen Interessenabwägung abzuweichen.
Schließlich ist auch der Einwand des Antragstellers unbegründet, das Verwaltungsgericht komme „zu einer falschen Rechtsgüterabwägung“, weil es nicht beachtet habe, dass das Recht auf freies Betreten der Natur Verfassungsrang habe und der Antragsteller das im Außenbereich planungsrechtlich nicht zulässige und rechtswidrige Vorhaben des Beigeladenen nicht zu dulden habe. Der vom Antragsteller in Bezug genommene Art. 141 Abs. 3 Satz 1 BV ist nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs dahingehend zu verstehen, dass nur der Genuss der vorhandenen Naturschönheiten und die Erholung in der vorhandenen freien Natur gestattet werden, die Bestimmung dem Einzelnen aber keinen grundrechtlichen Anspruch auf unveränderten Fortbestand der freien Natur und kein Abwehrrecht gegen hoheitliche Maßnahmen mit naturverändernder Wirkung gewährt (vgl. z.B. BayVerfGH, E.v. 21.3.2016 – Vf. 21-VII-15 – juris Rn. 41 m.w.N.). Auf Art. 141 Abs. 3 Satz 1 BV kann sich der Antragsteller deshalb nicht berufen, um die vorliegend streitgegenständliche Baugenehmigung anzufechten. Ebenso hat der Antragsteller auch keinen Abwehranspruch gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung, selbst wenn dessen Vorhaben im Außenbereich nicht privilegiert zulässig sein sollte. Er hat keinen Anspruch auf Bewahrung des Außenbereichs, sondern kann lediglich einen Anspruch auf Wahrung des bauplanungsrechtlichen Gebots gegenseitiger Rücksichtnahme geltend machen (vgl. z.B. BVerwG, B.v. 28.7.1999 – 4 B 38/99 – juris Rn.5 f. m.w.N.). Für eine Verletzung dieses Gebots ist vorliegend jedoch – wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat – nichts ersichtlich.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Beigeladene trägt billigerweise seine außergerichtlichen Kosten selbst, weil er im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt und sich damit auch keinem Prozesskostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nrn. 1 und 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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