Baurecht

Erflgoser Antrag auf Zulassung der Berufung. Kein Anspruch auf Baugenehmigung zur Nutzungsänderung von einem Asia-Shop/Kiosk zu einer Spielothek

Aktenzeichen  9 ZB 15.2181

Datum:
5.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 30444
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 9 Abs. 6, § 30 Abs. 3, § 34 Abs. 1 S. 1
BauNVO § 8 Abs. 3 Nr. 3
VwGO § 86 Abs. 3, § 124 Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Das Verwaltungsgericht ist vom Vorliegen einer Gemengelage ausgegangen und hat zu Recht darauf abgestellt, dass es in der maßgeblichen näheren Umgebung an dem erforderlichen Vorbild im Sinne einer prägenden Vergnügungsstätte fehlt. Der Zulässigkeit des Bauvorhabens steht somit entgegen, dass das Vorhaben eine solche Rolle einnehmen würde. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Stützt das Verwaltungsgericht seine Entscheidung auf mehrere selbständig tragende Gründe, kommt eine Zulassung der Berufung nur dann in Betracht, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Zulassungsgrund dargelegt wird und vorliegt (vgl. VGH München BeckRS 2019, 7250). (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei der Geltendmachung eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz muss substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 4 K 14.1087 2015-08-04 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 61.116,– Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung zur Nutzungsänderung von einem Asia-Shop/Kiosk in ein Freizeit- und Eventcenter mit acht Geldspielgeräten (Spielothek) auf dem Grundstück S…straße, FlNr. … Gemarkung A…, welches sich im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. … „… …“ in einem Bereich befindet, der als „Fläche für den überörtlichen Verkehr und für die örtlichen Hauptverkehrszüge“, „Bahnanlagen“ festgesetzt ist. Mit Bescheid vom 13. November 2014 lehnte die Beklagte die beantragte Baugenehmigung ab. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 4. August 2015 abgewiesen. Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel des Klägers.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die Berufung ist nicht wegen geltend gemachter ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) oder einem Verfahrensfehler (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) zuzulassen.
1. Ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was der Kläger als Rechtsmittelführer innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel nicht.
a) Das Verwaltungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Genehmigung der Nutzungsänderung zu einer Spielothek aus mehreren Gründen verneint. Es hat u.a. selbständig tragend darauf abgestellt, dass sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nach § 30 Abs. 3 i.V.m. § 34 BauGB richte, weil der Bebauungsplan Nr. … im Bereich des Baugrundstücks die Art der baulichen Nutzung nicht regele, sondern die Ausweisung als Bahngelände im Sinne des § 9 Abs. 6 BauGB zeichnerisch übernehme. Die beantragte Spielothek füge sich nach der Art der Nutzung nicht in die Eigenart der näheren Umgebung, die faktisch dem Bereich des Bebauungsplans Nr. … entspreche und keinem Baugebiet der BauNVO zugeordnet werden könne, ein, weil dort Spielotheken oder Vergnügungsstätten bisher nicht vorhanden seien.
aa) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung ergeben sich entgegen dem Zulassungsvorbringen nicht hinsichtlich der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Bestimmung der näheren Umgebung des Vorhabens (§ 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB).
Das Verwaltungsgericht hat als nähre Umgebung zutreffend das Plangebiet des Bebauungsplans Nr. … angesehen, wobei es sowohl der S…straße im Norden als auch der Bahnlinie im Süden trennende Wirkung beigemessen hat. Hinsichtlich dieser als maßgeblich angesehenen Umgebung ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass das Verwaltungsgericht sie keinem der Baugebiete der BauNVO zugeordnet hat. Es hat hierzu nachvollziehbar darauf verwiesen, dass das Baugrundstück und das dieses umgebende Grundstück FlNr. … innerhalb des Bebauungsplans Nr. … bezüglich der Art der baulichen Nutzung einen eng umgrenzten, nicht überplanten Bereich bilden würden, an den im Planbereich im Westen Gewerbegebiete und im Osten ein Mischgebiet anschließen.
Dieser Beurteilung wird im Zulassungsvorbringen nicht substantiiert entgegengetreten. Mit dem Hinweis, das Verwaltungsgericht lege mit der Betrachtung nur noch des Baugrundstücks FlNr. … und des umgebenden Grundstücks 6493/78 einen zu engen Maßstab an und berücksichtige nicht, dass sich im Bahnhofsgebäude selbst bereits bisher gewerbliche Nutzungen (Gaststätte und Kiosk) befunden hätten, verkennt der Kläger den Umfang der vom Verwaltungsgericht angenommenen näheren Umgebung des Vorhabens, den es nicht in der vom Kläger beschriebenen Weise auf zwei Grundstücke beschränkt hat. Insoweit geht auch sein Vorbringen ins Leere, die beantragte Nutzungsänderung liege in einem Gewerbegebiet und könne nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 8 Abs. 3 Nr. 3 BauNVO zugelassen werden. Dabei wird übersehen, dass ein im Bebauungsplan Nr. … festgesetztes Mischgebiet im Osten an das Baugrundstück angrenzt und dieses nach der Einschätzung des Verwaltungsgerichts auch durch dieses Mischgebiet (mit-)geprägt wird.
bb) Entgegen dem Zulassungsvorbringen kann auch nicht angenommen werden, dass es auf das Vorhandensein einer weiteren Spielothek in der näheren Umgebung nicht ankommt. Das Verwaltungsgericht ist hier vom Vorliegen einer Gemengelage ausgegangen und hat zu Recht darauf abgestellt, dass es in der maßgeblichen näheren Umgebung, also im Plangebiet des Bebauungsplans Nr. … an dem erforderlichen Vorbild im Sinne einer prägenden Vergnügungsstätte fehlt. Der Zulässigkeit des Bauvorhabens steht somit entgegen, dass das Vorhaben eine solche Rolle einnehmen würde (vgl. OVG NW, U.v. 9.8.2018 – 7 A 2554/16 – juris Rn. 45; BayVGH, U.v. 14.12.2017 – 1 B 15.2795 – juris Rn. 18 m.w.N.).
b) Soweit sich das weitere Zulassungsvorbringen auf die sonstigen Ablehnungsgründe des Verwaltungsgerichts bezieht, kommt es darauf im Rahmen der Prüfung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht mehr an. Stützt das Verwaltungsgericht seine Entscheidung – wie hier – auf mehrere selbständig tragende Gründe, kommt eine Zulassung der Berufung nur dann in Betracht, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Zulassungsgrund dargelegt wird und vorliegt (vgl. BayVGH, B.v. 2.4.2019 – 9 ZB 16.597 – juris Rn. 6). Dies ist hier nach den obigen Ausführungen nicht der Fall.
2. Die geltend gemachten besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegen nicht vor.
Der Kläger geht mit seinem diesbezüglichen Vorbringen nicht über das hinaus, was er zur Begründung seiner Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils aus-geführt hat, sondern verweist hierauf. Besondere Schwierigkeiten im Sinn offener Erfolgsaussichten eines Berufungsverfahrens haben sich nach den obigen Ausführungen nicht ergeben (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 124 Rn. 27).
3. Der Antrag auf Zulassung der Berufung kann auch nicht erfolgreich auf einen Verfahrensmangel gestützt werden (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
Indem der Kläger in Bezug auf die Bestimmung der näheren Umgebung sowie ihrer baulichen Nutzung das Unterlassen einer Beweiserhebung durch Augenschein und das Vorliegen einer Überraschungsentscheidung rügt, weil in der mündlichen Verhandlung über dieses Thema auch nicht gesprochen worden sei, macht er die Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (vgl. § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 103 Abs. 1 GG) wegen Verletzung der Hinweispflicht nach § 86 Abs. 3 VwGO geltend. Beides kann vorliegend schon deshalb nicht zur Zulassung der Berufung führen, weil das Verwaltungsgericht seine ablehnende Entscheidung auf mehrere selbständig tragende Gründe, nämlich zumindest noch auf einen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme und gegen die Pflicht, Stellplätze in ausreichender Zahl nachzuweisen, gestützt hat und es auf die Frage des Einfügens des Vorhabens in die nähere Umgebung nach der Art seiner baulichen Nutzung entsprechend dem Rechtsstandpunkt des Verwaltungsgerichts für das Ergebnis somit nicht ankam.
Abgesehen davon, dass Beweise nur insoweit zu erheben sind, als es für die Rechtsansicht des Gerichts hierauf ankommt (vgl. BVerwG, B.v. 18.12.2006 – 4 BN 30.06 – juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 24.5.2016 – 9 ZB 13.2539 – juris Rn. 25), müsste bei der Geltendmachung eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) aber auch substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären (vgl. BVerwG, B.v. 30.7.2010 – 8 B 12 5.09 – juris Rn. 23 m.w.N.). Dem wird das Zulassungsvorbringen, mit dem lediglich (unzutreffend) kritisiert wird, dass das Verwaltungsgericht ausschließlich das Vorhabengrundstück als bauplanungsrechtliche „Insel“ und Gebiet „sui generis“ beurteile und die vorhandene Nutzung im Bebauungsplangebiet unberücksichtigt lasse, nicht gerecht.
Ein Verfahrensfehler wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs im Sinne des Vorliegens einer Überraschungsentscheidung käme im Übrigen nur dann in Betracht, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen braucht (vgl. BVerwG, B.v. 15.5.2014 – 9 B 57.13 – juris Rn. 19 m.w.N.). Die Frage der Bestimmung der maßgeblichen näheren Umgebung des Bauvorhabens und der insoweit zulässigen Nutzungsart ist im erstinstanzlichen Verfahren zwischen den Beteiligten kontrovers diskutiert worden. Hierbei hat der Kläger – anders als die Beklagte – im Übrigen die Auffassung vertreten, dass es sich bei der näheren Umgebung des Baugrundstücks, welches sich innerhalb des Umgriffs eines Bebauungsplans befinde, um ein (faktisches) Misch- oder Gewerbegebiet handeln könne. Er musste sich darüber im Klaren sein, dass das Verwaltungsgericht die Frage beantworten würde, jedenfalls soweit es ihr Entscheidungserheblichkeit beimessen würde. Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör folgt auch in der Ausprägung, die er in § 86 Abs. 3 VwGO gefunden hat, keine Pflicht des Gerichts, vor der Entscheidung auf seine (vorläufige) Rechtsauffassung hinzuweisen (vgl. BVerwG, B.v. 4.8.2016 – 8 B 31.15 – juris Rn. 9).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG; sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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