Baurecht

Erfolglose Drittanfechtungsklage gegen eine Baugenehmigung – keine Verletzung drittschützeder Normen

Aktenzeichen  AN 17 K 19.01467

Datum:
29.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 30746
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 1a Abs. 2, § 31
BauNVO § 3, § 15 Abs. 1
BayBO Art. 6

 

Leitsatz

1. Voraussetzung für die Annahme eines speziellen Gebietsprägungserhaltungsanspruchs gem. § 15 Abs. 1 S. 1 BauNVO ist, dass nicht nur ein Widerspruch zur bisherigen Prägung des Baugebiets besteht, sondern dass durch die Dimension der Anlage eine neue Art der baulichen Nutzung ins Baugebiet hineingetragen wird (vorliegend verneint). (Rn. 33 – 35) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Kläger gegen eine Baugenehmigung ist nicht schon dann in seinen schützenswerten Belangen im Rahmen des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots verletzt, wenn eine Einsichtnahmemöglichkeit in seinen Grundstücksbereich durch das beklagte Bauvorhaben von dort aus geschaffen wird, beispielsweise durch die geplante Dachterrasse, hinzukommen muss eine Unzumutbarkeit der so geschaffenen neuen Sichtbeziehungen. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.  Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die jeweilige Kostengläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet. Die mit der Klage angegriffene Baugenehmigung verletzt den Kläger nicht in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten, so dass die Klage abzuweisen war (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von Normen beruht, die dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20; B.v. 24.7.2020 – 15 CS 20.1332 – BeckRS 2020, 18670 Rn. 20). Es genügt daher nicht, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht – auch nicht teilweise – dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke zu dienen bestimmt sind. Dabei ist zu beachten, dass ein Nachbar eine Baugenehmigung zudem nur dann mit Erfolg anfechten kann, wenn die Genehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit sich aus einer Verletzung von Vorschriften ergibt, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren (BayVGH, B.v. 24.3.2009, a.a.O.).
Demnach hängt auch bei Befreiungen von den Festsetzungen eines Bebauungsplans (§ 31 Abs. 2 BauGB) der Umfang des Rechtsschutzes des Nachbarn davon ab, ob die Festsetzungen, von deren Einhaltung dispensiert wird, dem Nachbarschutz dienen oder nicht. Bei einer Befreiung von einer nachbarschützenden Festsetzung führt jeder Fehler bei der Anwendung des § 31 Abs. 2 BauGB zur Aufhebung der Baugenehmigung. Bei einer Befreiung von einer nicht nachbarschützenden Festsetzung richtet sich der Nachbarschutz hingegen nach den Grundsätzen des bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme, das aufgrund der gemäß § 31 Abs. 2 BauGB gebotenen „Würdigung nachbarlicher Interessen“ Eingang in die bauplanungsrechtliche Prüfung findet (zum Ganzen: BVerwG, B.v. 8.7.1998 – 4 B 64.98 – NVwZ-RR 1999, 8 = juris Rn. 5; U.v. 9.8.2018 – 4 C 7.17 – BVerwGE 162, 363 = juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 21.5.2019 – 1 CS 19.474 – juris Rn. 4; B.v. 7.10.2019 – 1 CS 19.1499 – juris Rn. 16; B.v. 3.3.2020 – 9 CS 19.1514 – juris Rn. 14; B.v. 24.7.2020 – 15 CS 20.1332, BeckRS 2020, 18670 Rn. 21).
Im vorliegenden Fall rügt der Kläger ausschließlich eine Verletzung bauplanungsrechtlicher Vorschriften, denen aus seiner Sicht Drittschutz beizumessen sei. Er macht geltend, das Bauvorhaben der Beigeladenen verstoße gegen Festsetzungen des maßgeblichen Bebauungsplans, die jedenfalls für sein Grundstück als direkter Nachbar des Bauvorhabengrundstücks Drittschutz entfalteten und von denen die Beklagte hiervon in rechtswidriger Weise Befreiungen erteilt habe. Dies betreffe namentlich eine Befreiung von der im Bebauungsplan absolut festgesetzten Geschossflächenzahl, darüber hinaus aber auch die Art des Bauvorhabens, das als Mehrfamilienhaus gegen den Plangeberwillen verstoße, nur Ein- und Zweifamilienhäuser zuzulassen. Diese Festsetzung des Plangebers gebe dem Gebiet ein Gepräge, das sich als drittschützend erweise. Ungeachtet dessen erweise sich das Bauvorhaben auch als rücksichtslos im Hinblick auf eine abriegelnde Wirkung der gemeinsamen Grundstücksgrenze zum Bauvorhabengrundstück.
Mit diesem Vortrag kann der Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch das Gericht insgesamt rechtlich nicht durchdringen.
2. Bei den hier maßgeblichen Festsetzungen des Bebauungsplans … handelt es sich nicht um solche, die dem Kläger Drittschutz vermitteln bzw. scheidet ein nachbarrechtsrelevanter Verstoß des Bauvorhabens gegen drittschützende Festsetzungen aus. Auch eine Verletzung eines möglichen Gebietsprägungserhaltungsanspruches scheidet vorliegend aus.
a) Das Bauvorhaben der Beigeladenen erweist sich hinsichtlich seiner Art als bebauungsplangerecht und damit als bauplanungsrechtlich zulässig.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die Festsetzung von Baugebieten durch einen Bebauungsplan nachbarschützende Funktion zu Gunsten der Grundstückseigentümer im jeweiligen Baugebiet hat (BVerwG, U.v. 16.9.1993 – 4 C 28/91 – NJW 1994, 1546; U.v. 23.8.1996 – 4 C 13/94 – NJW 1997, 2127 Ls.; B.v. 2. 2. 2000 – 4 B 87/99 – NJW 2000, 3799 Ls.). Ein Nachbar im Baugebiet soll sich auch dann gegen die Zulassung einer gebietswidrigen Nutzung wenden können, wenn er durch sie selbst nicht unzumutbar beeinträchtigt wird. Dieser bauplanungsrechtliche Nachbarschutz beruht auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses. Weil und soweit der Eigentümer eines Grundstücks in dessen Ausnutzung öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er deren Beachtung grundsätzlich auch im Verhältnis zum Nachbarn durchsetzen (BVerwG, U.v. 11.5.1989 – 4 C 1/88 – NVwZ 1989, 1163). Der Hauptanwendungsfall im Bauplanungsrecht für diesen Grundsatz sind die Festsetzungen eines Bebauungsplans über die Art der baulichen Nutzung. Durch sie werden die Planbetroffenen im Hinblick auf die Nutzung ihrer Grundstücke zu einer rechtlichen Schicksalsgemeinschaft verbunden. Die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten des eigenen Grundstücks wird dadurch ausgeglichen, dass auch die anderen Grundeigentümer diesen Beschränkungen unterworfen sind (BVerwG, U.v. 16.9.1993, a.a.O.). Im Rahmen dieses nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses soll daher jeder Planbetroffene im Baugebiet das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung verhindern können.
Der für das vorliegende Klageverfahren maßgebliche Bebauungsplan … legt ein reines Wohngebiet fest. Sowohl gemäß § 3 Abs. 1 BauNVO 1964 als auch gemäß § 3 BauNVO in der derzeit gültigen Fassung dienen reine Wohngebiete dem Wohnen. Das Bauvorhaben der Beigeladenen widerspricht dem nicht, denn genehmigt ist allein die Errichtung von Wohneinheiten. Dem gegenüber stellt Wohnen in einem Mehrfamilienwohnhaus ohne entsprechende planerische Festsetzungen keine bauplanungsrechtlich andere (Unter-)Art der baulichen Nutzung im Vergleich zum Wohnen in einem Ein- oder Zweifamilienwohnhaus dar (VGH Kassel, B.v. 31.10.2012 – 3 B 1876/12 – NJOZ 2013, 423). An entsprechenden planerischen Festsetzungen, aufgrund der dies im Sinne des Klägers anders zu beurteilen wäre, fehlt es hier. Der Bebauungsplan selbst differenziert nicht nach Wohneinheiten. Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass sie als Plangeberin seinerzeit gemäß § 3 Abs. 4 BauNVO 1964 die Möglichkeit gehabt hätte, im Bebauungsplan festzusetzen, dass in dem Gebiet oder in bestimmten Teilen des Gebietes nur Wohngebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen zulässig sind. Davon hatte die Beklagte im Zeitpunkt der Planaufstellung ausweislich des Wortlauts der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans und auch ausweislich des zeichnerischen Teils keinen Gebrauch gemacht. Etwas Anderes lässt sich auch nicht aus der Festsetzung von Einzel- und Doppelhäusern als zulässige Bauweise ableiten. Soweit das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 24. Februar 2000 (Az. 4 C 12/98 – NVwZ 2000, 1055) den Begriff des „Doppelhauses“ im bauplanungsrechtlichen Sinne konkretisiert hat, stellt es dabei ebenfalls auf das äußere Erscheinungsbild der Bauweise ab und nimmt keinen Bezug zur Anzahl der Nutzungseinheiten in einem Doppelhaus. In der vorerwähnten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts wird dabei auch Bezug zu historischen Interpretationen des Doppelhaus-Begriffs genommen, wobei auch jene nicht auf das Merkmal der Anzahl an Nutzungseinheiten abstellten, sondern sich an der Kubatur, Traufen, Dachformen und Dachneigungen etc. orientierten. Insoweit fehlt es an Anknüpfungspunkten, dass die Beklagte bei der Aufstellung des hier maßgeblichen Bebauungsplans entsprechende Festsetzungen zu den Nutzungseinheiten pro Einzel- oder Doppelhaus treffen wollte. Ebenso wenig lassen sich entsprechende Anknüpfungspunkte aus der Begründung zum Bebauungsplan oder der Historie seiner Aufstellung herleiten, da es in der Begründung schlicht heißt: „Die Bebauung soll ausschließlich mit 1 – 2 geschossigen Familienwohnhäusern in offener Bauweise erfolgen.“. Dass aber Familienwohnen in Einzel- und Doppelhäusern auch durch mehr als eine Nutzungseinheit, d.h. nicht lediglich als Einfamilienwohnhaus, realisiert werden kann, liegt auf der Hand. Die Frage der konkreten Nutzungsausgestaltung des Bauvorhabens der Beigeladenen kann daher für den Kläger nur im Hinblick auf die Prüfung des allgemeinen bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots beachtlich sein, verstößt aber im Hinblick auf die Anzahl der Wohneinheiten noch nicht gegen die drittschützende Festsetzung der Art der baulichen Nutzung im Plangebiet. Der Gebietswahrungsanspruch des Klägers wird nicht verletzt.
b) Ein Verstoß gegen die im Bebauungsplan festgesetzte offene Bauweise, denen im Hinblick auf die Anforderungen des § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO bezüglich Doppelhäuser und Hausgruppen Drittschutz ausnahmsweise zukommen kann (Blechschmidt, in: Ernst/Zinkahn/Bielen-berg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand: 138. EL Mai 2020, BauNVO § 22 Rn. 50), liegt ebenfalls nicht vor. Unter Beachtung der gefestigten Rechtsprechung zum Begriff des „Doppelhauses“ wäre ein Verstoß gegen die Festsetzung der offenen Bauweise im vorliegenden Fall nur denkbar, wenn sich das klägerische Wohnhaus und das geplante Wohnhaus der Beigeladenen funktionell als Doppelhaus darstellen würde. Das ist jedoch nicht der Fall. Diese beiden Gebäude stehen sich zueinander vielmehr als Einzelhäuser gegenüber. Auf die Frage, ob sich die Kubatur des Bauvorhabens der Beigeladenen, das im Prinzip aus zwei separaten, hinsichtlich der Dachneigung um 90 Grad zueinander versetzt stehenden Gebäuden mit einem Zugang zu den Gebäuden besteht, als Verstoß gegen die Festsetzung der offenen Bauweise darstellt, kommt es hier nicht maßgeblich an. Denn Drittschutz vermitteln die Festsetzungen des Bebauungsplans insoweit nicht (vgl. auch: Blechschmidt, in: Ernst/ Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand: 138. EL Mai 2020, BauNVO § 22 Rn. 51).
c) Auch die Festsetzungen zur Geschossflächenzahl und zur westlichen Baugrenze vermitteln dem Kläger keinen Anspruch auf Abwehr des Vorhabens der Beigeladenen. Derartige Festsetzungen sind in der Beurteilung der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung weitgehend einheitlich nicht nachbarschützend, sondern dienen ohne besondere Anhaltspunkte im Bebauungsplan grundsätzlich nur städtebaulichen Zielen der planenden Gemeinde (Simon/Busse/Dirnberger, 137. EL Juli 2020, BayBO Art. 66 Rn. 365, 366 zur GFZ und Rn. 370 zu vorderen Baugrenzen). Dem folgt auch die erkennende Kammer in steter Rechtsprechung und hat die Kammer keine Veranlassung, diese Rechtsprechung zu ändern (vgl. z.B. jüngst: VG Ansbach, B.v. 25.3.2020 – AN 17 S 20.00118 – BeckRS 2020, 7218 Rn. 28, 29).
Anhaltspunkte aus dem Bebauungsplan, seiner Begründung oder dem Aufstellungsbeschluss des Stadtrates für eine anderweitige Betrachtung des Drittschutzes der festgesetzten Geschossflächenzahl und der vorderen Baugrenzen sind nicht ersichtlich. Der anderweitigen Interpretation des Klägers im Hinblick auf die örtlichen Umstände, die der historische Plangeber seinerzeit vor Augen gehabt habe, folgt die Kammer nicht, denn sie haben keinen Niederschlag wenigstens in der Begründung zum Bebauungsplan gefunden.
Zwar können nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung auch dann drittschützende Wirkung entfalten, wenn der Bebauungsplan aus einer Zeit stammt, in der man ganz allgemein an einen nachbarlichen Drittschutz aus Festsetzungen eines Bebauungsplans noch nicht gedacht hat (sog. „Wannsee-Entscheidung“, BVerwG, U.v. 9.8.2018 – 4 C 7.17 – NVwZ 2018, 1808 Rn. 12 ff.). Der Umstand, dass ein Plangeber die Rechtsfolge einer nachbarschützenden Wirkung der Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung zum Zeitpunkt der Planaufstellung nicht in seinen Willen aufgenommen hatte, verbietet es dann nicht, die Festsetzungen nachträglich subjektivrechtlich aufzuladen (BVerwG, U.v. 9.8.2018 a.a.O. Rn. 16; vgl. bereits BVerwG U.v. 23.8.1996 – 4 C 13.94 – BVerwGE 101, 364 = juris Rn. 52 ff.). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof neigt nach neuerer Rechtsprechung – wenn auch in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes – dazu, sich dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anzuschließen, allerdings mit der Maßgabe, ein solches nachträgliches subjektiv-rechtliches Aufladen auf übergeleitete Bebauungspläne zu beschränken (vgl. BayVGH, B.v. 24.7.2020 – 15 CS 20.1332 – BeckRS 2020, 18670 Rn. 25, 26). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof führt dazu weiter aus, dass unabhängig von sich hieraus ergebenden verfassungsrechtlichen Fragen Festsetzungen nach der „Wannsee-Entscheidung“ des Bundesverwaltungsgerichts jedenfalls nur dann über eine nachträgliche subjektivrechtliche Aufladung als nachbarschützend angesehen werden können, wenn der Plangeber – unabhängig von einem Willen oder einem Bewusstsein, subjektivrechtlichen Nachbarschutz zu begründen – die Planbetroffenen mit der betroffenen Festsetzung tatsächlich in ein wechselseitiges nachbarliches Austauschverhältnis eingebunden hat (BayVGH, a.a.O. Rn. 27). Im vorliegenden Fall scheidet die Anwendung der „Wannsee-Urteil“-Rechtsprechung unter Beachtung der Maßgabe des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs schon deshalb aus, weil es sich bei dem Bebauungsplan der Beklagten nicht um einen übergeleiteten Plan handelt.
Aber selbst bei unterstellter Anwendbarkeit der vorzitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf den Fall des Klägers fehlte es zumindest an einer objektiven Einbindung der planbetroffenen Grundstücke in ein wechselseitiges Austauschverhältnis. Das wechselseitige Austauschverhältnis im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, in dem der nachbarliche Interessenkonflikt durch Merkmale der Zuordnung zum selben Baugebiet, der Verträglichkeit und der Abstimmung benachbarter Nutzungen geregelt und ausgeglichen ist, etwa für die Frage der Verschattungswirkung von Gebäuden auf Nachbargrundstücke, wurde durch den Bebauungsplan … bezüglich des klägerischen Grundstücks und des Grundstücks der Beigeladenen schon deswegen nicht in besonderer Weise geprägt, weil der Bebauungsplan insoweit für diese Grundstücke keine Neuordnung schuf, sondern die vorhandene Bebauung als Bestand vermerkte. Dass sich an diesem Bestand, wie er auf dem zeichnerischen Planteil erkennbar ist, in zeitlichem Zusammenhang zum Planaufstellungsverfahren etwas ändern sollte, das durch die Planfestsetzungen dann eine Neuordnung erfahren könnte, ist weder vorgetragen, noch ersichtlich. Vielmehr hat die Beweisaufnahme des Gerichts ergeben, dass der seinerzeit vermerkte Gebäudebestand wohl auch heute noch unverändert vorhanden ist, insbesondere bezüglich der Lage und der Größe der Bebauung auf dem Grundstück der Beigeladenen einerseits und des klägerischen Grundstücks andererseits. Eine Neuordnung der nachbarlichen Verhältnisse in bauplanungsrechtlicher Hinsicht durch den Bebauungsplan ist daher schon partiell für die hier betroffenen Grundstücke nicht erkennbar. Die Kammer verkennt allerdings nicht, dass es allein auf die Situation dieser Grundstücke bei der Bewertung, ob der Plangeber die planbetroffenen Grundstücke tatsächlich in ein wechselseitiges Austauschverhältnis eingebunden hat, nicht maßgeblich ankommt. Eine allumfassende Einbindung der planbetroffenen Nachbargrundstücke in wechselseitige Austauschverhältnisse mit bauplanungsrechtlichen Mitteln sieht die Kammer aber auch unter Gesamtbeurteilung des Planinhaltes nach objektiven Gesichtspunkten nicht. Zum einen ist weder dem Aufstellungsbeschluss des Stadtrates noch der (weitgehend inhaltsgleichen) Begründung zum Bebauungsplan zu entnehmen, dass in dem zukünftig zu überplanenden Gebiet besondere Konfliktlagen zutage getreten seien, die einer Ordnung mit bauplanungsrechtlichen Mitteln bedürften, was sich zumindest als Anhaltspunkt für wechselseitige Austauschverhältnisse der planbetroffenen Grundstücksnachbarn deuten lassen könnte. Entgegen dem klägerischen Vortrag ist der Sitzungsniederschrift des Stadtrates nicht zu entnehmen, dass es dem Plangeber im Besonderen darauf ankam, nur Einfamilienhäuser zuzulassen oder Fragen des Wohnfriedens etc. durch die Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung zu entschärfen. Bei objektiver Betrachtung des zeichnerischen Planteils liegt es vielmehr nahe, dass die Geschossflächenzahl und die Baugrenzen als Teil der planerischen Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung unter Berücksichtigung der Größe und Zuschnitte der Flurstücke, der vorhandenen Höhenunterschiede des Geländes und vorhandener Bebauung, die sich im Plangebiet bereits damals zahlreich vorfand, städtebauliche Zielen einer geordneten Struktur innerhalb des Plangebietes bei Schaffung weiteren Wohnraums unter möglichst homogenen Lückenschlusses zwischen vorhandenen Baubeständen dienten. Dann aber kommt den Fragen einer bauplanungsrechtlichen Lenkung der einzelnen Nachbarschaftsverhältnisse, etwa im Rahmen schutzbietender Abstände zwischen Gebäuden oder bestimmter innerer Baugrenzen oder Baulinien, die sich ohnedies kaum bzw. gar nicht im Bebauungsplan finden, nur marginale Bedeutung zu. Die äußere städtebauliche Gestaltung stand unter entsprechender Würdigung des zeichnerischen Planteils und unter Heranziehung der nur spärlichen textlichen Festsetzungen nach der Beurteilung durch die Kammer klar im Vordergrund. Damit fehlt es letztlich an objektiven Kriterien, die nun gerade der Geschossflächenzahl und den äußeren Baugrenzen Bedeutung für die Einbindung der planbetroffenen Grundstücke in ein wechselseitiges Austauschverhältnis beimessen. Ein nachträglich subjektiv-rechtliches „Aufladen“ der hier nicht drittschützenden Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung und zu den äußeren Baugrenzen kommt nach alledem nicht in Betracht.
d) Der Kläger ist auch nicht in einem Gebietsprägungserhaltungsanspruch durch das Bauvorhaben der Beigeladenen verletzt.
Der räumliche Umfang des streitgegenständlichen Bauvorhabens und die Tatsache einer Mehrparteienwohnnutzung führen vorliegend nicht dazu, dass dem Kläger ein Abwehranspruch in Gestalt des sogenannten „speziellen Gebietsprägungserhaltungsanspruch“ zur Seite steht, der – sofern seine Existenz angenommen wird (zweifelnd etwa BayVGH v. 9.10.2012 – 2 B 11.2653 – juris; offengelassen BayVGH v. 3.2.2014 – 9 CS 13.1916 – juris) – auf § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO gestützt wird (BVerwG, B.v. 13.5.2002 – 4 B 86/01 – NVwZ 2002, 1384). Nach dieser Vorschrift sind die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Gebietsart widersprechen.
Nach diesem speziellen Gebietsprägungserhaltungsanspruch (BVerwG, B.v. 13. Mai 2002- 4 B 86.01 -, juris; VGH Baden-Württemberg, B.v. 27.7.2001 – 5 S 1093.00 -, juris; VG Ansbach, B.v. 13.1.2016 – AN 3 S 15.02436-, juris) könnte ein allgemein oder ausnahmsweise zulässiges, also im Einklang mit den Vorgaben der Baunutzungsverordnung zur Gebietsart stehendes Vorhaben dennoch unzulässig sein wegen Widerspruchs des Vorhabens zur allgemeinen Zweckbestimmung des maßgeblichen Baugebiets (vgl. Decker, JA 2007, S. 55/57). Ein an sich zulässiges, aber gebietsunverträgliches Vorhaben könnte damit vom Nachbarn ohne konkrete und individuelle Betroffenheit abgewehrt werden.
Voraussetzung für die Annahme eines derartigen Anspruchs wäre aber, dass nicht nur ein Widerspruch zur bisherigen Prägung des Baugebiets besteht, sondern dass durch die Dimension der Anlage eine neue Art der baulichen Nutzung ins Baugebiet hineingetragen wird. Dies kann dann der Fall sein, wenn – in Ansehung des in § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO genannten Kriteriums „Umfang“ – im Einzelfall „Quantität in Qualität“ umschlägt (vgl. VG München, B.v. 31.7.2014 – M 8 SN 14.2877-, juris Rn. 55), d. h., wenn die Größe der baulichen Anlage die Zulässigkeit der Nutzungsart erfassen und beeinflussen kann (BayVGH, B.v. 6.11.2008 – 14 ZB 08.2327-, juris), was nur in seltenen Einzelfällen denkbar sein dürfte. Beispielsweise kann dies angenommen werden, wenn das neue Bauvorhaben geeignet ist, den Charakter eines allgemeinen Wohngebietes nach § 4 BauNVO, in dem neben Wohnnutzung auch weitere (nicht störende) Nutzungsarten allgemein zulässig sind, in ein reines Wohngebiet nach § 3 BauNVO, in dem solche anderen Nutzungsarten nur ausnahmsweise zulässig sind, umschlagen zu lassen. Zusammenfassend gesagt kann sich der Gebietsprägungserhaltungsanspruch also allein auf die Art der baulichen Nutzung im Sinne der Baunutzungsverordnung beziehen (vgl. BayVGH U.v. 3.2.2014 – 9 CS 13.1915; BVerwG BeckRS 2002, 22896; VG Ansbach, B.v. 13.1.2016 – AN 3 S 15.02436, BeckRS 2016, 40663).
Das ist im vorliegenden Fall schon nicht gegeben, weil das Bauvorhaben der Beigeladenen nur Wohnnutzung realisieren soll, wofür das überplante Gebiet gerade gedacht ist. Ein Umschlagen der Gebietsart droht durch das Bauvorhaben nicht.
Auch soweit der Kläger, sinngemäß seinem Vortrag entnehmend, meint, durch die Kubatur des Bauvorhabens der Beigeladenen und der Anzahl an Nutzungseinheiten schlage hier „Quantität in Qualität“ um, folgt dem die Kammer im Ergebnis des gewonnenen Eindrucks im Ortstermin und unter Betrachtung der genehmigten Bauvorlagen der Beigeladenen nicht. Eine Anlage widerspricht danach hinsichtlich ihres Umfangs der Eigenart eines Gebiets dann, wenn sie offensichtlich (signifikant) aus dem Rahmen fällt, so dass die Unangemessenheit augenscheinlich ist (Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 138. EL Mai 2020, § 15 BauNVO Rd. 17). Jedenfalls kann die Errichtung von Mehrfamilienhäusern nicht mit der Begründung abgewehrt werden, eine derartige Nutzung passe nicht in das Wohngebiet, weil das Vorhaben einem für das Baugebiet charakteristischen harmonischen Erscheinungsbild, etwa im Sinne einer vorrangigen Bebauung mit Einzel- oder Doppelhäusern mit geringer Grundflächenzahl nicht entspreche (bspw. auch: VG Schleswig, U.v. 21.7.2016 – 8 A 132/15, BeckRS 2016, 52226). So liegt der Fall letztlich hier. Das Gericht sieht zwar durchaus das Argument, dass mit dem Bauvorhaben der Beigeladenen nunmehr erstmals Mehrparteienwohnnutzung in größerem Umfang in das ansonsten überwiegend durch Einfamilienwohnhäuser geprägte Plangebiet hineingetragen wird. Allerdings gibt es in dem Plangebiet bereits ein weiteres Beispiel, bei dem in einem einzelnen Gebäude nicht bloß ein Hausstand zu wohnen scheint, sondern eine solche Mehrparteienwohnnutzung bereits existiert oder möglich ist. Das legt die im Ortsaugenschein wahrgenommene Situation der Klingelschilder und Briefkästen am Grundstück … nahe. Darüber hinaus überschreitet das Bauvorhaben der Beigeladenen, das letztlich „nur“ sieben Wohneinheiten umfassen soll, jedoch nach Überzeugung der Kammer noch nicht ein Maß, das ausnahmsweise ein Umschlagen von Quantität in Qualität im Hinblick darauf, was das Gebiet seiner Art nach prägt, augenscheinlich werden lässt. Denn jedenfalls hält sich das Bauvorhaben ausweislich der Bauvorlagen an die Vorgaben des Bebauungsplans zu den Vollgeschossen und erreicht auch dem optischen Eindruck nach, wie er sich den Bauzeichnungen entnehmen lässt, keine der Gebietsprägung widersprechenden Dimensionen, etwa in Form eines Wohnhochhauses. Auch sind die beiden Wohnhäuser des Vorhabens, die über einen gemeinsamen Eingang verfügen, von der … aus betrachtet hintereinanderliegend und bilden keine breite Front auf dem Vorhabengrundstück in Richtung des öffentlichen Weges. Auch diese Stellung der Gebäude auf dem Grundstück ist in der Gesamtschau der vorgefundenen Bebauung, wie sie das Gericht von den öffentlichen Wegen aus wahrnehmen konnte, optisch gebietsverträglich. Falls sich vom klägerischen Grundstück aus, das an seiner Nordseite über keinen öffentlich zugänglichen Weg verfügt, eine andere Sicht bildet, mag dies für die Frage einer möglichen Rücksichtslosigkeit des Bauvorhabens beachtlich sein, nicht aber für den Gebietsprägungserhaltungsanspruch. Eine augenscheinliche Unangemessenheit des Bauvorhabens im hier maßgeblichen Plangebiet erkennt die Kammer daher nicht und kann dem Kläger demnach selbst ein allenfalls ausnahmsweise heranzuziehender spezieller Gebietsprägungserhaltungsanspruch gegen das Bauvorhaben der Beigeladenen nicht zum Erfolg verhelfen.
3. Schließlich erweist sich das Bauvorhaben der Beigeladenen aus Sicht der Kammer auch nicht als bauplanungsrechtlich rücksichtlos gegenüber dem Kläger.
a) Das allgemeine Rücksichtnahmegebot wird bei durch Bebauungsplänen geordneten Baugebieten aus § 15 Abs. 1 BauNVO entnommen. Das Rücksichtnahmegebot ergänzt insoweit die Festsetzungen des Bebauungsplanes. Eine Konfliktbewältigung auf der Grundlage des Rücksichtnahmegebots setzt dabei voraus, dass der Bebauungsplan für sie noch offen ist. Das ist insbesondere der Fall ist, wenn die Festsetzungen eines Bebauungsplans auch Ausdruck einer „planerischen Zurückhaltung“ sind (BVerwG, U.v. 5.8.1983 – 4 C 96/79 – NJW 1984, 138; U.v. 12. 9. 2013 – 4 C 8/12 – NVwZ 2014, 69).
Nachbarrechte werden im Lichte des Rücksichtnahmegebots aber nur dann verletzt, wenn durch das Bauvorhaben unzumutbare Auswirkungen auf die Nachbargrundstücke entstehen (vgl. z.B. BayVGH B.v. 14.6.2007 – 1 CS 07.265 – BeckRS 2010, 45289).
Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hängen die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BVerwG U.v. 18.11.2004 – 4 C 1/04 – juris; BayVGH B.v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris).
Ein Bauvorhaben kann sich beispielsweise als rücksichtslos erweisen, wenn ihm gegenüber einem Nachbargrundstück eine abriegelnde Wirkung beizumessen ist. Eine Gesamtschau der Umstände des konkreten Einzelfalles ist maßgeblich dafür, ob einem Vorhaben „abriegelnde“ oder „erdrückende“ Wirkung zukommt (vgl. BayVGH B.v. 25.1.2013 – 15 ZB 13.68 – juris; B.v. 23.4.2014 – 9 CS 14.222 – juris). Eine solche Wirkung kommt nach der Rechtsprechung vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (vgl. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1.78 – juris: zwölfgeschossiges Gebäude in Entfernung von 15 m zum Nachbarwohnhaus; U.v. 23.5.1986 – 4 C 34.85 – juris: drei 11,50 m hohe Siloanlagen im Abstand von 6 m zu einem Wohnanwesen; BayVGH B.v. 13.3.2014 – 15 ZB 13.1017 – juris).
Sind die landesrechtlichen Abstandsflächen eingehalten, indiziert dies regelmäßig, dass eine „erdrückende Wirkung“ nicht eintritt. Das Gebot der Rücksichtnahme gibt dem Nachbarn nicht das Recht, von jeglicher Beeinträchtigung der Belichtung, Belüftung oder von Einsichtsmöglichkeiten in sein Grundstück verschont zu bleiben. Eine Rechtsverletzung ist erst zu bejahen, wenn die Beeinträchtigung unzumutbar ist (vgl. z.B. BayVGH B.v. 6.10.2012 – 1 CS 12.2036 – juris; v. 23.9.2009 – 15 ZB 09.98 – juris; BVerwG U.v. 11.1.1999 – 4 B 128-98 – NVwZ 1999, 879).
b) Im vorliegenden Fall erkennt das Gericht in dem Bauvorhaben der Beigeladenen keine Verletzung des Rücksichtnahmegebots in Richtung des klägerischen Grundstücks. Eine abriegelnde oder erdrückende Wirkung kommt dem Bauvorhaben nicht zu. Zum einen ergibt sich dies schon aus der Einhaltung der Abstandsvorschriften des Art. 6 BayBO, die den Planunterlagen zu entnehmen ist. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass bereits jetzt und schon seit Aufstellung des hier maßgeblichen Bebauungsplans die Grenzsituation zwischen den Grundstücken des Klägers und der Beigeladenen durch eine grenznahe Bebauung „auf gleicher Höhe“, d.h. etwa gleichen Firsthöhen, gekennzeichnet ist, obgleich das klägerische Gebäude etwas höher ist. Eine etwa höhengleiche Situation sieht aber auch das Bauvorhaben der Beigeladenen vor. Zudem weisen die Bauvorlagen auf dem Grundstück der Beigeladenen in der „Ansicht Nord“ keine wesentlichen vom vorhandenen Niveau abweichenden Geländehebungen bzw. Aufschüttungen auf.
Zwar ist dem Kläger zuzugestehen, dass sich gerade von seinem Grundstück aus die konkrete Gestalt des geplanten Bauvorhabens als ein gegenüber dem vorhandenen Baubestand verlängerter Baukörper auf die Sichtbeziehungen der beiden Grundstücke anders als die bestehende Situation auswirkt. Insbesondere ist dabei auch in die Gesamtbetrachtung einzustellen, dass der Kläger nun erstmals mit einer Dachterrasse und einem Balkonanbau am östlichen Ende des geplanten Baukörpers konfrontiert wird. Gerade die geplante Dachterrasse kann dabei nach Überzeugung der Kammer gegenüber der auf dem Beigeladenengrundstück ebenfalls heute schon vorhandenen Terrasse am östlichen Ende des Bestandsbaus eine nachteiligere Sichtbeziehung für den Kläger begründen und sich auch auf den Wohnfrieden auswirken. Ein Zustand der Unzumutbarkeit wird dadurch für den Kläger aber unter Berücksichtigung der weiteren konkreten Umstände des Einzelfalles noch nicht erreicht. Denn im Vergleich zwischen dem heutigen Bestandsbau auf dem Grundstück der Beigeladenen und dem geplanten Bauvorhaben nach Auswertung des Schnitt- und Abstandsflächenplans der Bauvorlagen rückt das neue Bauvorhaben insgesamt etwas weiter von der Grundstücksgrenze zum Kläger ab – jedenfalls im Bereich des klägerischen Wohnhauses – und liegt dabei auch die bezeichnete Dachterrasse mit gut fünf Metern Abstand zur Grundstücksgrenze. Auch weist die Dachterrasse lediglich eine Breite von etwa 2,5 m auf und ist in Richtung des Klägers beidseitig von den Wänden der Wohngebäude des geplanten Bauvorhabens eingefasst. Dadurch dürfte sich der zu überblickende Raum von der Dachterrasse auf das klägerische Grundstück in Maßen halten, zumal der hiervon zu überblickende Raum auf das klägerische Grundstück dem Augenschein nach keine Einblicksmöglichkeiten in Räumlichkeiten des Wohngebäudes des Klägers umfasst. Das klägerische Wohnhaus steht nämlich giebelseitig zur Grenze des Beigeladenengrundstücks und weist an der Giebelseite nur kleine Fenster auf.
Zudem ist das Grundstück des Klägers im rückwärtigen, d.h. östlichen Grundstücksbereich im Bereich der Grenze zum Grundstück der Beigeladenen stark mit Pflanzen und Bäumen bewachsen, wie sich die Kammer im Augenschein einen Eindruck verschaffen konnte. Auch, wenn sich ein Teil des vorhandenen Pflanzenbewuchses, dem ein erheblicher Sichtschutz zum Nachbargrundstück beizumessen ist, auf dem Beigeladenengrundstück befindet und im Zuge der Realisierung des streitigen Bauvorhabens entfernt werden wird, steht doch auf dem klägerischen Grundstück vor der Stützmauer zum Beigeladenengrundstück immerhin ein ausladender Nadelbaum und findet sich auch weiterer Kleinbaumbewuchs, der nach dem gewonnen Eindruck hinreichend Sichtschutz zum nachbarlichen Grundstück vermittelt. Im Hinblick auf die Abwägung der gegenseitigen Interessen beim Rücksichtnahmegebot ist in diesem Zusammenhang auch noch mit einzustellen, dass der Kläger seinen rückwärtigen Grundstücksbereich – abgesehen von seiner sich unmittelbar an sein Wohnhaus anschließenden Terrasse – augenscheinlich kaum und nur unspezifisch nutzt, sich aber keine Nutzung vorfinden lässt, die auch nach sozialadäquaten Gesichtspunkten einem besonderen Schutz vor Einblicken aus benachbarten Grundstücken fordert, etwa ein Swimmingpool-Bereich. Eine entsprechende Nutzungsabsicht in der Zukunft ist ebenfalls nicht vorgetragen worden oder für das Gericht ersichtlich in Vorbereitung gewesen.
Demnach ist, wie die Beklagte zutreffend vorgetragen hat, der Kläger nicht schon dann in seinen schützenswerten Belangen im Rahmen des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots verletzt, wenn eine Einsichtnahmemöglichkeit in seinen Grundstücksbereich durch das beklagte Bauvorhaben von dort aus geschaffen wird, beispielsweise durch die geplante Dachterrasse. Sondern hinzutreten muss, dass sich die so geschaffenen neuen Sichtbeziehungen für den Kläger als unzumutbar, d.h. schwere und unerträgliche Beeinträchtigung seiner Interessen, etwa durch die Schaffung kurzer Sichtbeziehungen in Wohnräume des Klägers, darstellen muss (vgl. auch: VG Würzburg, B.v. 14.12.2016 – 5 S 16.1233, BeckRS 2016, 127290; BayVGH, B.v. 6.4.2018 – 15 ZB 17.36, BeckRS 2018, 6995 Rn. 26; VG München, U.v. 15.7.2019 – 8 K 19.1250, BeckRS 2019, 28053 Rn. 72). Das ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme für die Kammer schlechterdings nicht erkennbar.
Anhaltspunkte für eine zusätzliche, erhebliche Verschattungswirkung, die vom geplanten Bauvorhaben auf das klägerische Grundstück ausgehen könnte, ergibt sich ebenfalls nicht. Das Beigeladenengrundstück schließt sich nördlich an das Grundstück des Klägers an.
Die Beklagte hat schließlich die öffentlichen und privaten nachbarlichen Belange bei der Erteilung der Befreiungen von den – nicht drittschützenden – Festsetzungen des Bebauungsplans … ausreichend gewichtet und in ihre Entscheidung eingestellt. Dies ergibt sich aus den Gründen des angefochtenen Baugenehmigungsbescheids, auf die das Gericht zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt und sich diese Gründe ergänzend zu den vorstehenden Ausführungen zu eigen macht (§ 117 Abs. 5 VwGO), insbesondere, soweit die Beklagte auch von den festgesetzten Baugrenzen Ausnahmen zugunsten des Bauvorhabens der Beigeladenen zugelassen hat.
Eine Verletzung sonstiger drittschützender, v.a. bauordnungsrechtlicher Normen hat der Kläger nicht geltend gemacht.
4. Somit war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren aus Billigkeitsgründen für erstattungsfähig zu erklären, da sich die Beigeladene mit eigenen Ausführungen in den Prozess eingebracht und einen eigenen Antrag in der mündlichen Verhandlung gestellt hat, so dass sie auch ein Prozessrisiko eingegangen ist, §§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit und zur Abwendungsbefugnis beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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