Baurecht

Erfolglose Klage auf Baugenehmigung zum Wiederaufbau einer abgebrannten Lagerhalle – Veränderungssperre

Aktenzeichen  M 1 K 15.1825

Datum:
19.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 1 Abs. 3 S. 1, § 13a, § 14 Abs. 1 Nr. 1
BayBO BayBO Art. 55 Abs. 1
GG GG Art. 14 Abs. 1 S. 2
VwGO VwGO § 75

 

Leitsatz

Die gesetzliche Voraussetzung des § 14 Abs. 1 BauGB, dass die Veränderungssperre “zur Sicherung der Planung” erforderlich sein muss, ist nur erfüllt, wenn die mit dem Aufstellungsbeschluss eingeleitete Planung im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Veränderungssperre ein Mindestmaß dessen erkennen lässt, was Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans sein soll. (redaktioneller Leitsatz)
Eine Planung, die sich darin erschöpft, einzelne Vorhaben auszuschließen, ohne dass die nach den Darstellungen bzw. Festsetzungen zulässigen Nutzungen in Wirklichkeit gewollt sind, sondern nur vorgeschoben werden, um andere Nutzungen zu verhindern, ist unzulässig. (redaktioneller Leitsatz)
Im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle einer Veränderungssperre wird der in Aussicht genommene Bebauungsplan nicht nach der Art eines vorgezogenen Normenkontrollverfahrens geprüft. Es reicht vielmehr aus, wenn die planerische Konzeption mit den Mitteln des Städtebaurechts nicht schlechthin unerreichbar ist. (redaktioneller Leitsatz)

Gründe

Aktenzeichen: M 1 K 15.1825
Gericht: VG München
Urteil
19. Januar 2016
1. Kammer
Sachgebiets-Nr. 920
Hauptpunkte: Genehmigungsantrag für Wiederaufbau einer abgebrannten Lagerhalle; Zurückstellungsbescheid; Hauptsacheerledigung; Veränderungssperre; Dauer des Bauleitplanverfahrens; Sicherungsbedürfnis der Planungsziele
Rechtsquellen:
In der Verwaltungsstreitsache

– Kläger –
bevollmächtigt: Rechtsanwälte …
gegen

vertreten durch: Landratsamt E., A-S-Platz …, E.
– Beklagter –
beigeladen: …
bevollmächtigt: Rechtsanwälte …
wegen Zurückstellungsbescheids und Baugenehmigung
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 1. Kammer, durch die Präsidentin des Verwaltungsgerichts …, die Richterin am Verwaltungsgericht …, den Richter am Verwaltungsgericht …, den ehrenamtlichen Richter …, den ehrenamtlichen Richter … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. Januar 2016 am 19. Januar 2016 folgendes
Urteil:
I.
Soweit sich das Verfahren in der Hauptsache erledigt hat, wird es eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Erteilung einer Baugenehmigung für den Ersatzbau eines abgebrannten Lagerhauses und für die Überdachung eines Lagerplatzes. Ferner richtet sich die Klage gegen die Zurückstellung des beantragten Bauvorhabens.
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. … Gemarkung …, welches im Stadtgebiet der Beigeladenen liegt. Darauf befand sich seit Mitte der 1930er Jahre ein landwirtschaftliches Lagerhaus, in welchem zuletzt der Kläger ein …unternehmen für Getreide, Bau- und Brennstoffe betrieben hat. Am …. Dezember 2013 wurde dieses Lagerhaus durch Brand zerstört.
Der Kläger beantragte am …. Mai 2014 eine Baugenehmigung für einen Ersatzbau des abgebrannten Lagerhauses sowie für eine Überdachung des Lagerplatzes auf seinem Grundstück. Die Beigeladene, die am 10. Dezember 2013 die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. … „südlich der …straße“ – im Norden von der …straße und im Südwesten von der … Straße begrenzt – beschlossen hatte, in dessen Umgriff neben dem Grundstück des Klägers mehrere andere, zum Teil bewohnte Grundstücke liegen, verweigerte mit Beschluss vom 11. Juni 2014 zu diesem Bauantrag das Einvernehmen und beantragte beim Landratsamt E. (Landratsamt) den Erlass eines Zurückstellungsbescheids.
Am 23. Mai 2014 machte die Beigeladene den Aufstellungsbeschluss bekannt und übersandte dem Landratsamt am 18. Februar 2015 Unterlagen zum Aufstellungsbeschluss. Als Planungsziele werden darin u. a. die Entwicklung eines hochwertigen innerstädtischen Wohnstandorts durch Festsetzung eines allgemeinen Wohngebiets und die Ergänzung mit Wohnraum für spezielle Bevölkerungsgruppen genannt. Unpassende Nutzungen („gewerblich, landwirtschaftlich“) sollen verlagert werden (Bl. 44 ff. der Behördenakten – BA). Das Landratsamt erließ daraufhin am 13. April 2015 den beantragten Zurückstellungsbescheid für einen Zeitraum von vier Monaten ab Bescheidszustellung und ordnete hierzu den Sofortvollzug an. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dieser Bescheid sei zur Sicherung der Planungsziele der Beigeladenen erforderlich. Der Bescheid wurde dem Kläger am 14. April 2015 bekannt gegeben.
Der Kläger erhob am …. Mai 2015 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragte zunächst die Aufhebung des Zurückstellungsbescheids vom 13. April 2015 sowie die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung der beantragten Baugenehmigung. Nachdem die Beigeladene im November 2015 mitgeteilt hatte, sie habe – noch vor Ablauf des Geltungsdauer des Zurückstellungsbescheids am 14. August 2015 – am 8. Juli 2015 zur Sicherung der Planungsziele des Bebauungsplans Nr. 107 eine Veränderungssperre beschlossen, deren Umgriff mit dem des beabsichtigten Bebauungsplans identisch sei, änderte der Kläger seinen Antrag und beantragt zuletzt,
den Beklagten zu verpflichten, seinen Bauantrag unter Ersetzung des Einvernehmens der Beigeladenen zu genehmigen,
hilfsweise,
den Beklagten zu verpflichten, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, sein …unternehmen, das er 1971 von seinem Vater übernommen habe, bestehe bereits seit 1938. Für den Wiederaufbau des im Jahr 2013 abgebrannten Lagerhauses habe er vereinbarungsgemäß ein schlüssiges Brandschutzkonzept vorgelegt. Dennoch habe ihm das Landratsamt die beantragte Baugenehmigung nicht erteilt, obwohl er hierauf einen Rechtsanspruch habe. Durch die faktische Bausperre erleide er schwere Nachteile hinsichtlich seines …unternehmens. Sein Grundstück sei sowohl von der …straße als auch von der … Straße erschlossen, sein Bauvorhaben füge sich in die nähere Umgebung ein. Gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse seien insbesondere durch das Brandschutzkonzept gesichert, das Ortsbild werde nicht beeinträchtigt. Der von der Beigeladenen beabsichtigte Bebauungsplan diene in Wahrheit nur dem Zweck, den von ihm beantragten Ersatzbau und die Überdachung zu verhindern. Eine positive Zielsetzung sei nicht vorhanden. Die Voraussetzungen für die Aufstellung eines Bebauungsplanes der Innenentwicklung im beschleunigten Verfahren lägen nicht vor, zudem werde das Aufstellungsverfahren von der Beigeladenen nicht betrieben. Die Umgebung seines Grundstücks sei sowohl von Wohnnutzung als auch von gewerblicher Nutzung geprägt. Auf dem Nachbargrundstück „…straße …“ befinde sich ein …unternehmen und auf den südlich angrenzenden Nachbargrundstücken („… Straße …“) ein Geschäftshaus. Angrenzende Wohnhäuser seien flächenmäßig untergeordnet. Mit Schriftsatz vom …. Januar 2016 führt er ergänzend aus, seit nunmehr über zwei Jahren habe die Beigeladene keine konkreten Schritte unternommen, um den Bebauungsplan zur Planreife oder gar zur Rechtskraft zu bringen; es liege weder eine Beteiligung der Öffentlichkeit noch der Behörden vor. Deshalb stelle die von der Veränderungssperre gesicherte Bauleitplanung eine Verhinderungsplanung dar, weshalb diese Sperre unwirksam sei.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er wiederholt zur Begründung im Wesentlichen die im Zurückstellungsbescheid genannten Entscheidungsgründe. Ob sich das beantragte Vorhaben in die maßgebliche nähere Umgebung einfüge, sei nicht entscheidend, ebenso wenig, dass es sich um einen Ersatzbau handle. Es seien keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Beigeladene ihre Planungshoheit rechtsmissbräuchlich anwende. Sie habe glaubhaft die Sicherungsbedürftigkeit ihrer Planung dargelegt. Der vom Kläger geltend gemachte eigentumsrechtliche Bestandsschutz könne ebenso wenig Beachtung finden wie ein Recht auf freie Persönlichkeitsentfaltung oder auf Gleichbehandlung mit ähnlich gelagerten Fällen.
Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
die Klage abzuweisen.
Sie führt im Wesentlichen aus, am 8. Juli 2015 habe sie zur Sicherung der Planungsziele des Bebauungsplans Nr. 107 eine Veränderungssperre beschlossen, deren Umgriff mit dem des beabsichtigten Bebauungsplans identisch sei. Für deren Zulässigkeit sei nach der Rechtsprechung ein Mindestmaß an konkreten planerischen Vorstellungen erforderlich, aber auch ausreichend. Eine Negativplanung liege nicht vor, vielmehr verfolge sie das positive Planungsziel, das Gebiet zu einem innerstädtischen Wohngebiet zu entwickeln. Es sei Ausfluss der gemeindlichen Planungshoheit, dass eine Bauleitplanung von einem konkreten Bauvorhaben angestoßen und dieses dann gegebenenfalls nicht verwirklicht werden könne. Das Bauvorhaben des Klägers stehe mit ihren Planungszielen nicht in Einklang.
Einen Eilantrag des Klägers nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bezüglich des Zurückstellungsbescheids lehnte das Gericht mit Beschluss vom 21. Juli 2015 ab (M 1 S 15.1826).
In der mündlichen Verhandlung am 19. Januar 2016 erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit in Hinblick auf den Zurückstellungsbescheid vom 13. April 2015 übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt. Der Beklagte gab an, dass ihm von einer Genehmigung eines …betriebs auf dem zum Grundstück des Klägers benachbarten Grundstück FlNr. …/7 nichts bekannt sei. Aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen sei ein solches Unternehmen dort wohl auch nicht genehmigungsfähig. Ferner gebe es auf den sonstigen zum Klägergrundstück benachbarten Grundstücken überwiegend Wohnnutzung; auf FlNrn. … und …/2 befinde sich ein Wohn- und Geschäftshaus mit Nebenanlagen. Die Beigeladene gab an, sie habe am 13. Januar 2016 die vorbereitenden Untersuchungen für eine Sanierungssatzung betreffend den Stadtkern beschlossen; im kommenden Februar werde hierzu die Öffentlichkeitsanhörung und Behördenbeteiligung stattfinden. Dieses Vorhaben sei auch der Grund dafür, warum das Bauleitplanverfahren für den Bebauungsplan Nr. … noch nicht weiter gediehen sei. Man habe die Erkenntnisse für die Vorbereitung der Sanierungssatzung abwarten wollen.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakten und insbesondere auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung am 19. Januar 2016 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Soweit die Beteiligten in Hinblick auf den vom Kläger ursprünglich angefochtenen Zurückstellungsbescheid vom 13. April 2015 in Anbetracht des im August 2015 abgelaufenen Geltungszeitraums die Hauptsache einvernehmlich für erledigt erklärt haben, war das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
2. Im Übrigen war die Klage abzuweisen. Zwar hat der Kläger eine als Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO zulässige Verpflichtungsklage erhoben, doch ist diese mangels Rechtsanspruchs des Klägers auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung nach § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO unbegründet. Auch der hilfsweise erhobene Verbescheidungsanspruch (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) besteht nicht.
2.1 Der Kläger hat zum – für die erhobene Verpflichtungsklage relevanten – Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung keinen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung zur Wiedererrichtung der auf seinem Grundstück abgebrannten Lagerhalle und zur Errichtung einer Überdachung eines Lagerplatzes. Dem steht § 14 Abs. 1 Nr. 1 Baugesetzbuch (BauGB) entgegen, wonach Vorhaben im Sinne von § 29 BauGB (somit auch das vom Kläger beantragte Bauvorhaben) nicht durchgeführt werden können, wenn eine Gemeinde einen Beschluss über die Aufstellung eines Bebauungsplans gefasst und zur Sicherung dieser Planung eine Veränderungssperre u. a. mit dem in Nr. 1 dieser Bestimmung genannten Inhalt beschlossen hat. Die Beigeladene hat am 10. Dezember 2013 einen solchen Aufstellungsbeschluss sowie am 8. Juli 2015 einen Beschluss über eine entsprechende Veränderungssperre gefasst und beide Beschlüsse auch bekanntgemacht.
2.2. Die gesetzliche Voraussetzung des § 14 Abs. 1 BauGB, dass die Veränderungssperre „zur Sicherung der Planung“ erforderlich sein muss, ist nur erfüllt, wenn die mit dem Aufstellungsbeschluss eingeleitete Planung im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Veränderungssperre ein Mindestmaß dessen erkennen lässt, was Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans sein soll (vgl. BVerwG, U.v. 19.2.2004 – 4 CN 13.03 – NVwZ 2004, 984 – juris Rn. 15) und wenn diese Planung nicht an schon zu diesem frühen Zeitpunkt des Verfahrens erkennbaren, nicht behebbaren Mängeln leidet (vgl. BVerwG, B.v. 21.12.1993 – 4 NB 40.93 – NVwZ 1994, 685 – juris Rn. 2). Die mit der Veränderungssperre wirksam werdenden Verbote des § 14 Abs. 1 BauGB sind dem Grundstückseigentümer – auch im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) – nicht zumutbar, wenn die Sperre eine Planung sichern soll, deren Inhalt sich noch in keiner Weise absehen lässt (vgl. BVerwG, U.v. 10.9.1976 – IV C 39.74 – BVerwGE 51, 121/128 – juris Rn. 29) oder die auf nicht ausräumbare rechtliche Hindernisse stößt. Auch aus § 14 Abs. 2 BauGB ergibt sich das Erfordernis eines Mindestmaßes an konkreter planerischer Vorstellung, denn nach dieser Vorschrift kann eine Ausnahme von der Veränderungssperre zugelassen werden, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Ob jedoch der in der Praxis wichtigste öffentliche Belang – die Vereinbarkeit des Vorhabens mit der beabsichtigten Planung – beeinträchtigt ist, kann nur dann beurteilt werden, wenn die planerischen Vorstellungen der Gemeinde nicht noch völlig offen sind (vgl. BVerwG, U.v. 19.2.2004 – 4 CN 13.03 – NVwZ 2004, 984 – juris Rn. 15).
2.3. Nach diesen Kriterien ist die von der Beigeladenen beschlossene Veränderungssperre wirksam. Insbesondere stellt die hierdurch gesicherte Planung keine gegen den Erforderlichkeitsgrundsatz des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB verstoßende und daher unzulässige Verhinderungs- oder Negativplanung dar. Auch fehlt ihr nicht das erforderliche Mindestmaß an Konkretisierung.
2.3.1 Der künftige Planinhalt ist in einem Mindestmaß bestimmt und absehbar. Die Beigeladene hat in der Sitzung ihres Gemeinderats vom 10. Dezember 2013 mehrere Planungsziele festgelegt. Die angestrebte Art der baulichen Nutzung im Plangebiet, auf die es zur Beurteilung des Konkretisierungsgrads besonders ankommt, wurde als beabsichtigter Planinhalt festgelegt, ebenso planerische Festsetzungen etwa zur Verbesserung der Fuß- und Radwegeverbindung vom Bahnhof zur historischen Innenstadt und zur Aufwertung des Ortsbilds und bestimmter, näher gekennzeichneter Platzflächen, ferner auch zur Schaffung von privaten Grünflächen auf den Baugrundstücken.
Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die planerischen Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung der vorhandenen baulichen Prägung des Gebiets widersprechen. In der mündlichen Verhandlung hat die Beigeladene nachvollziehbar und schlüssig auf die im Plangebiet bereits vorhandene Wohnnutzung auf mehreren Nachbargrundstücken zum Grundstück des Klägers verwiesen. Die vom Kläger eingewandte gewerbliche Nutzung des Nachbargrundstücks FlNr. …/7 durch ein …unternehmen hat sich als ungenehmigt herausgestellt und ist deshalb bei der Beurteilung des derzeitigen Gebietscharakters nicht zu berücksichtigen. Demgegenüber stellen sich sowohl die gewerbliche Nutzung des klägerischen Grundstücks als auch die im gemischt genutzten Gebäude auf FlNr. … und …/2 festgestellten gewerblichen Nutzungen (u. a. eine Praxis für …heilkunde) nicht als so beherrschend dar, dass sie der Verwirklichung des von der Beigeladenen beabsichtigten Planungsziels „Allgemeines Wohngebiet“ von vornherein entgegenstünden.
2.3.2 Die durch die Veränderungssperre gesicherte Planung stellt keine gegen den Erforderlichkeitsgrundsatz des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB verstoßende und daher unzulässige Verhinderungs- oder Negativplanung dar. Hierunter wird eine Planung verstanden, die sich darin erschöpft, einzelne Vorhaben auszuschließen, ohne dass die nach den Darstellungen bzw. Festsetzungen zulässigen Nutzungen in Wirklichkeit gewollt sind, sondern nur vorgeschoben werden, um andere Nutzungen zu verhindern (vgl. BayVGH, U.v. 19.11.2007 – 1 N 05.2521 – juris Rn. 25). Dabei ist zu berücksichtigen, dass mit jeder Regelung in einem Bauleitplan neben der zulassenden (positiven) Wirkung grundsätzlich auch eine ausschließende (negative) Wirkung verbunden ist. Eine Regelung kann selbst dann unbedenklich sein, wenn ihr Hauptzweck in der Verhinderung bestimmter städtebaulich relevanter Nutzungen besteht (vgl. BVerwG, B.v. 18.12.1990 – 4 NB 8.90 – DVBl 1991, 445 – juris Rn. 14). Im Übrigen können positive Planungsziele auch durch negative Festsetzungen erreicht werden (vgl. BayVGH, U.v. 3.11.2015 – 2 N 14.2790 – juris Rn. 23 m. w. N.).
Aus der Vielzahl der im Aufstellungsbeschluss festgelegten planerischen Ziele kann nicht geschlossen werden, dass die Beklagte diese Planungsziele nicht wirklich und ernsthaft verfolgen würde. Zwischen den einzelnen Zielen bestehen keine offensichtlichen Widersprüche. Die Ziele lassen sich in Hinblick auf die in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Erläuterungen und Klarstellungen städtebaulich begründen. Im Übrigen wird im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle einer Veränderungssperre der in Aussicht genommene Bebauungsplan nicht nach Art eines vorgezogenen Normenkontrollverfahrens geprüft. Es reicht aus, wenn die planerische Konzeption der Beigeladenen mit den Mitteln des Städtebaurechts nicht schlechthin unerreichbar ist (BayVGH, U.v. 3.11.2015 – 2 N 14.2790 – juris Rn. 23). Das ist bei der Planung der Beigeladenen der Fall.
Der Kläger will unter anderem aus dem Zeitablauf des Planungsprozesses ein Indiz für eine Verhinderungsplanung ableiten. Ihm ist zuzugeben, dass zur Umsetzung des – erst im Mai 2014 bekanntgegebenen – Aufstellungsbeschlusses vom 10. Dezember 2013 bis Ende 2015 keine wesentlichen Schritte und Maßnahmen zur Förderung des Planungsprozesses erkennbar sind. Andererseits hat die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung schlüssig und nachvollziehbar ihre Absicht bekundet, für ihren Ortskern eine Sanierungssatzung zu erlassen. Hierzu habe sie vorbereitende Untersuchungen in Auftrag gegeben. Deren Ergebnis und die hierzu durchzuführende Beteiligung der Öffentlichkeit und Behörden habe man abwarten wollen. In Anbetracht des Aufwands zur Vorbereitung einer solchen Sanierungssatzung, die sich auf den gesamten Ortskern der Beigeladenen und nicht nur auf das Planungsgebiet des Bebauungsplans Nr. … beziehen soll, ist dieser Vortrag eine zur Erläuterung des bislang verstrichenen Planungszeitraums genügende Erklärung und dieser Zeitraum deshalb kein Indiz für das Vorliegen einer Verhinderungsplanung.
2.4 Auch die übrigen Einwände des Klägers greifen nicht durch und führen nicht zur Annahme eines Rechtsanspruchs auf die begehrte Baugenehmigung. Auf Bestandsschutz gegenüber der Veränderungssperre könnte sich der Kläger gemäß § 14 Abs. 3 BauGB nur dann berufen, wenn sein nach Art. 55 Abs. 1 Bayerische Bauordnung (BayBO) genehmigungspflichtiges Bauvorhaben vor Inkrafttreten der Veränderungssperre genehmigt worden wäre. Über eine solche Baugenehmigung verfügt er jedoch nicht. In Anbetracht der wirksamen Veränderungssperre der Beigeladenen ist auch ohne Belang, ob sich das vom Kläger beantragte Vorhaben in die nähere Umgebung einfügt, ob gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gesichert sind, weil ein ausreichendes Brandschutzkonzept vorliegt oder ob das Ortsbild beeinträchtigt wird. Auf die Wahl des richtigen Bauleitplanverfahrens hat der Kläger ebenfalls keinen Anspruch, so dass auch sein Einwand, das beschleunigte Verfahren für Bebauungspläne der Innenentwicklung gemäß § 13a BauGB sei unzulässig, zu keinem Rechtsanspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung führt.
Aus denselben Gründen kann er auch nicht gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO die Verbescheidung seines Antrags unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verlangen.
3. Deshalb war die Klage, soweit das Verfahren nicht einzustellen war, abzuweisen und dem Kläger insoweit gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Auch hinsichtlich des erledigten Verfahrensteils ist es gemäß § 161 Abs. 2 VwGO angemessen, dass er die Verfahrenskosten trägt, da in Anbetracht des nicht zu beanstandenden Planungsprozesses der Beigeladenen und des sich hieraus ergebenden Sicherungsbedürfnisses auch seine Klage auf Aufhebung des Zurückstellungsbescheids vom 13. April 2015 erfolglos geblieben wäre. Da die Beigeladene einen Antrag gestellt und sich einem Kostenrisiko ausgesetzt hat, ist es gemäß § 162 Abs. 3 VwGO angemessen, dass der Kläger auch deren außergerichtliche Kosten trägt. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 10.000,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz – GKG – i. V. m. Nr. 1.1.1 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.


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