Baurecht

Erfolglose Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Versagung einer Teilungsgenehmigung

Aktenzeichen  M 9 K 17.34

Datum:
9.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 13908
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 91 Abs. 1 Alt. 1, § 113 Abs. 1 S. 4, § 173 S. 1
BauGB § 22
ZPO § 264 Nr. 3
BGB § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1
BayVwVfG Art. 31 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Einen Antrag gemäß § 22 BauGB kann nur ein am betroffenen Grundstück dinglich Berechtigter, insbesondere der Eigentümer, stellen. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2 Bei der Beurteilung, ob ein Vorhaben die Zweckbestimmung des Gebiets für den Fremdenverkehr und dadurch die städtebauliche Entwicklung und Ordnung iSv § 22 Abs. 4 S. 1 BauGB beeinträchtigt, kommt es entscheidend auf die Planungskonzeption der Gemeinde an, d.h. auf den jeweiligen Bebauungsplan bzw. die Fremdenverkehrssatzung. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3 In der Rechtsprechung ist hinreichend geklärt, dass insbesondere die sog. Fremdenverkehrsdienstbarkeit nicht geeignet ist, die Vermutung der Beeinträchtigung der Fremdenverkehrsfunktion auszuräumen. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
1. Die Klage ist zulässig.
Der Wideraufruf der Verwaltungsstreitsache beinhaltet gleichzeitig eine Klageänderung in eine Fortsetzungsfeststellungsklage, die wegen des bereits anhängigen Verfahrens auch zulässig ist. Ob die Zulässigkeit der Klageänderung wegen Sachdienlichkeit auf § 91 Abs. 1 Var. 1 VwGO oder auf § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 3 ZPO zu stützen ist, kann dahinstehen, weil sie in beiden Fällen zulässig ist.
Die erforderliche Erledigung des ursprünglichen Klagebegehrens ist eingetreten. Anders als z.B. beim Bauantrag kann den Antrag gemäß § 22 BauGB nur ein dinglich Berechtigter, insbesondere der Eigentümer, stellen (vgl. Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 22 Rn. 54 m.w.N.). Der Kläger ist nicht mehr Eigentümer der Grundstücke, weswegen er nicht mehr tauglicher Antragsteller für den Antrag auf Erteilung der Teilungsgenehmigung ist. Da somit die Erteilung der Genehmigung auf den Antrag des Klägers hin nicht mehr möglich ist, ist Erledigung eingetreten und die Umstellung auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag ist möglich.
Zu Gunsten des Klägers wird auch das Vorliegen eines besonderen Feststellungsinteresses angenommen, und zwar die Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses. Diese Fallgruppe für das besondere Interesse an einer Fortsetzungsfeststellungsklage greift nur bei Erledigung nach Klageerhebung, was hier gegeben ist. Der Kläger hat sich in der mündlichen Verhandlung auf das Vorliegen dieser Fallgruppe berufen. Zwar hat der Beklagtenvertreter eingewandt, dass es hierfür erforderlich ist, dass der angestrebte Amtshaftungsprozess nicht völlig aussichtslos erscheint. Da das hier aber auch eine zumindest kursorische Prüfung der inhaltlichen Fragen erfordern würde, wird zu Gunsten des Klägers davon ausgegangen, dass die Schwelle der Zulässigkeit überschritten ist, um die inhaltlichen Fragen umfassend prüfen zu können.
2. Die Klage ist unbegründet. Der Ablehnungsbescheid vom 19. Oktober 2007 ist rechtmäßig gewesen und verletzte den Kläger daher nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit ist hier, ausgehend vom streitgegenständlichen Klageantrag, der Zeitpunkt des Bescheiderlasses. Die Ablehnung der Erteilung der beantragten Teilungsgenehmigung auf der Grundlage des damals geltenden § 22 BauGB (i.d.F. v. 23.9.2004) unterliegt keinen rechtlichen Bedenken, weil das Landratsamt zu Recht davon ausging, dass der Kläger keinen Anspruch auf die Genehmigung hatte.
a) Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Genehmigungsfiktion gemäß § 22 Abs. 5 Satz 4 BauGB nicht eingetreten. Danach gilt die Genehmigung als erteilt, wenn sie nicht innerhalb der Monatsfrist gemäß § 22 Abs. 5 Satz 2 BauGB versagt wird. Die Monatsfrist beginnt gemäß § 22 Abs. 5 Satz 2 BauGB mit dem Eingang des Antrags bei der Baugenehmigungsbehörde zu laufen. Ausweislich der vorgelegten Behördenakten ging der Antrag am 20. September 2007 beim Landratsamt ein. Der 13. September 2007, auf den der Kläger verweist, ist der Tag des Eingangs des Antrags bei der Beigeladenen, der für den Fristbeginn aber nicht relevant ist, weil die Beigeladene nicht Baugenehmigungsbehörde ist. Fristablauf ist gemäß Art. 31 Abs. 1 BayVwVfG, § 187 Abs. 1 BGB, § 188 Abs. 2 Var. 1 BGB der Ablauf des 20. Oktober 2007 gewesen. Durch den Zugang des Versagungsbescheids beim Kläger am 20. Oktober 2007 (vgl. die Postzustellungsurkunde auf Bl. 16 der vorgelegten Behördenakte) ist die Monatsfrist eingehalten. Da bereits deswegen die Genehmigungsfiktion nicht eingetreten ist, kommt es nicht mehr darauf an, ob der Antrag mit Schreiben vom 10. September 2007, in dem nicht einmal die genaue Zahl der Einheiten, für die der Antrag gestellt wird, genannt ist, überhaupt geeignet war, den Fristbeginn auszulösen, was nur im Fall von bescheidungsfähigen Anträgen gilt (vgl. Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 22 Rn. 54a).
b) Die betroffenen Grundstücke liegen ohne Zweifel im Geltungsbereich der Satzung und unterliegen deswegen dem Genehmigungserfordernis gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Das ergibt sich aus der im Gerichtsverfahren vorgelegten Satzung der Beigeladenen über die Sicherung der Zweckbestimmung für den Fremdenverkehr (Fremdenverkehrssatzung) vom 18. September 2003 samt der beigefügten Lagepläne, die gemäß § 1 Abs. 2 Fremdenverkehrssatzung deren Bestandteil sind. Aus § 1 Abs. 1 Nr. 7 der Fremdenverkehrssatzung i.V.m. dem Lageplan Bl. 35 der Gerichtsakte geht eindeutig und unzweifelhaft hervor, dass die beiden Grundstücke FlNrn. 800/5 und 800/7 Teil des Geltungsbereichs der Satzung sind. Soweit von der Klägerseite ein Widerspruch zwischen der textlichen und der zeichnerischen Festsetzung geltend gemacht wird, besteht dieser nicht. Die textliche Festsetzung in § 1 Abs. 1 Nr. 7 der Fremdenverkehrssatzung bezeichnet das hier fragliche Gebiet als „Gebiet an der A. S. Straße zwischen Neureuthstraße, Riedersteinstraße und Bodenschneidstraße“. Diese Bezeichnung widerspricht nicht der zeichnerischen Festsetzung auf dem zugehörigen Lageplan, sondern umschreibt ausreichend bestimmt die Lage u.a. der streitgegenständlichen Grundstücke. Die zeichnerische Festsetzung dient gerade dazu, die textliche Festsetzung, die eine Vielzahl von Grundstücke erfassen soll und damit notwendigerweise nicht „grundstücksscharf“ sein kann, auf einzelne Grundstücke zu beziehen, ohne diese im Satzungstext einzeln aufzählen zu müssen und so eine hinreichende Bestimmtheit herzustellen. Auch in materieller Hinsicht unterliegt die Satzung keinen Bedenken.
c) Das damalige Vorhaben, die Genehmigung zur Umwandlung der Hotelzimmer zu Eigentumswohnungen, § 22 Abs. 1 Satz 1 BauGB, hätte die Zweckbestimmung des Gebiets für den Fremdenverkehr und dadurch die städtebauliche Entwicklung und Ordnung beeinträchtigt i.S.v. § 22 Abs. 4 Satz 1 BauGB. Gemäß Bei der Beurteilung, ob das der Fall ist, kommt es entscheidend auf die Planungskonzeption der Gemeinde an, d.h. auf den jeweiligen Bebauungsplan bzw., wie hier, die Fremdenverkehrssatzung. Dabei gilt: Die Begründung von Rechten nach dem Wohnungseigentumsgesetz in Gebieten mit Fremdenverkehrsfunktionen indiziert die Beeinträchtigung selbst (Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 22 Rn. 45-48a). Das folgt daraus, dass die Formulierung der Voraussetzungen gemäß § 22 Abs. 4 Satz 1 BauGB, bei deren Vorliegen die Genehmigung zu versagen ist, mit der Formulierung in § 22 Abs. 1 Satz 2 BauGB (bzw. § 22 Abs. 1 Satz 3 BauGB a.F.) korrespondiert, wo die Voraussetzungen geregelt sind, unter denen die zuständige Gemeinde überhaupt nur von der in § 22 Abs. 1 Satz 1 BauGB eingeräumten Befugnis Gebrauch machen darf. Nach der Rechtsprechung insbesondere des Bundesverwaltungsgerichts (grundlegend U.v. 27.9.1995 – 4 C 12.94 – juris Leitsätze 1 – 3 und Rn. 11ff.; weitere Nachweise bei Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 22 Rn. 46) kann das Entstehen von Nutzungen oder Verhältnissen, durch die Gebiete mit Fremdenverkehrsfunktionen gefährdet werden, angenommen werden, wenn in den Gebieten für den Fremdenverkehr eine eigentumsrechtlich selbstständig nutzbare Wohnung entsteht, weil nach der Vermutung des Gesetzgebers in diesen Fällen die so entstandene Wohnung als Nebenwohnung genutzt wird, was i.d.R. die Zweckbestimmung des Gebiets für den Fremdenverkehr und dadurch die städtebauliche Entwicklung und Ordnung beeinträchtigt.
Vor diesem Hintergrund ist die damalige Ablehnung nicht zu beanstanden, zumal weder der Antrag vom 10. September 2007 noch die damalige Klagebegründung geschweige denn die jetzige Klagebegründung diese Vermutung widerlegen können. Soweit darauf verwiesen wird (vgl. insbesondere den Antrag vom 10. September 2007), dass die Eigentumswohnungen weiter dem Fremdenverkehr dienen und dem Hotel zur Verfügung stehen sollen mit „der bekannten begrenzten Nutzung durch den Eigentümer“ und das schuldrechtlich und dinglich gesichert werden soll, genügt das nicht. In der Rechtsprechung ist seit langem geklärt (vgl. die zahlreichen Nachweise bei Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 22 Rn. 47), dass insbesondere die sog. Fremdenverkehrsdienstbarkeit, auf die sich der Kläger beruft, nicht geeignet ist, die Vermutung der Beeinträchtigung der Fremdenverkehrsfunktion auszuräumen. Das gilt erst recht für bloße schuldrechtliche Sicherungen. Auch ansonsten ist weder etwas vorgetragen noch ersichtlich, was belegen würde, dass im Entscheidungszeitpunkt die Vermutung, dass das zur Genehmigung gestellte Vorhaben die Zweckbestimmung des Gebiets für den Fremdenverkehr und dadurch die städtebauliche Entwicklung und Ordnung beeinträchtigt, widerlegt gewesen wäre.
d) Die Genehmigung war auch nicht gemäß § 22 Abs. 4 Satz 3 BauGB zu erteilen. Danach kann die Genehmigung erteilt werden, um wirtschaftliche Nachteile zu vermeiden, die für den Eigentümer eine besondere Härte bedeuten. Zum Entscheidungszeitpunkt fehlte es bereits am Vorliegen des Tatbestands der Vorschrift. Die durch die Fremdenverkehrsbindung allein ausgelöste wirtschaftliche Härte, mag sie auch durchaus schwer wiegen, reicht nicht aus. Darüber hinausgehende besondere Gesichtspunkte sind in dem damaligen Antrag nicht nachgewiesen. Die geltend gemachte schlechte wirtschaftliche Situation des Hotels genügt nicht. Außerdem ist nicht ersichtlich, weshalb die für die Erteilung der Genehmigung auf dieser Grundlage erforderliche Ermessensreduzierung auf Null vorgelegen haben sollte.
e) Die – von der Beigeladenen als Verschwörungstheorien bezeichneten – Motive, die der Kläger der Beigeladenen unterstellt, beruhen, unabhängig davon, dass der Kläger seine Behauptungen in keiner Weise nachvollziehbar belegen kann und die Vorwürfe über das Maß einer sachlichen Auseinandersetzung weit hinausgehen, auf Vorgängen, die erst im Nachhinein aufgetreten sind. Sie können daher einen Anspruch des Klägers auf Erteilung der Teilungsgenehmigung zum damaligen Zeitpunkt unter keinem Gesichtspunkt begründen.
f) Ebenso wenig ändert sich durch das noch vor der Niederlegung des Urteils eingegangene Schreiben des Klägers vom 17. Mai 2018 etwas. Insbesondere war dem Antrag auf Aussetzung des Verfahrens nicht zu entsprechen, weil die Voraussetzungen gemäß § 94 VwGO nicht vorliegen.
Nach alledem wird die Klage abgewiesen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO sowie aus § 162 Abs. 3 VwGO. Der Kläger hat der Beigeladenen deren außergerichtliche Kosten zu erstatten. Das entspricht der Billigkeit, weil die Beigeladene einen Antrag gestellt und sich dadurch selbst einem Kostenrisiko ausgesetzt hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO, § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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