Baurecht

Erfolglose Klage wegen Sperrung eines öffentlichen Wegs

Aktenzeichen  W 4 K 19.1104

Datum:
10.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 5642
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 43
BGB § 858, § 903 S. 1
BayStrWG Art. 6, Art. 14, Art. 67 Abs. 4

 

Leitsatz

1. Der Begriff des tatsächlich-öffentlichen Wegs wurde von der Rechtsprechung entwickelt. Ein solcher liegt vor, wenn der Eigentümer einer privaten Wegefläche entweder ausdrücklich oder durch schlüssiges Handeln auf dieser Fläche den allgemeinen Verkehr eröffnet (Anschluss an VGH München VerwRspr 1951, 597). (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die dem Eigentümer kraft seines Eigentumsrechts mögliche Entziehung seines Grundstücks vom öffentlichen Verkehr muss in einer äußerlich erkennbaren Weise erfolgen. (Rn. 18 – 19) (redaktioneller Leitsatz)
3. Voraussetzung für die Sperrung eines tatsächlich-öffentlichen Wegs in Ausübung des Eigetumsrechts ist, dass der Grundstückseigentümer zunächst die erforderlichen behördlichen oder gerichtlichen Schritte ergreift und sich einen entsprechenden Rechtstitel verschafft. (Rn. 24 – 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Der Kläger begehrt vorliegend zunächst die Feststellung, dass die Verkehrsfläche auf dem Grundstück Fl.Nr. …0, Gemarkung E. …, auf der Grenze zu dem Grundstück Fl.Nr. …9 keine tatsächlich öffentliche Verkehrsfläche ist. Unter Auslegung dieses Klageantrags sowie der klägerischen Schriftsätze und seinem Vortrag in der mündlichen Verhandlung (§ 88 VwGO) geht es dem Kläger offensichtlich darum, dass das Verwaltungsgericht feststellt, dass der Lacheweg, soweit er über das klägerische Grundstück mit der Fl.Nr. …0, Gemarkung E. …, geht, kein tatsächlich-öffentlicher Weg ist.
Streitgegenstand ist des Weiteren die vom Kläger begehrte Feststellung, dass die Beklagte nicht befugt ist, dem Kläger eine Sperrung der Grundstücksgrenze zwischen den Fl.Nrn. …0 und …9 nach den Grundsätzen über die tatsächlich-öffentliche Nutzung von nicht gewidmeten Verkehrsflächen zu untersagen.
1. Soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass der L.-weg, soweit er über das Grundstück mit der Fl.Nr. …0, Gemarkung E. …, welches im Eigentum des Klägers steht, führt, keine tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche ist, kann dahingestellt bleiben, ob die erhobene Feststellungsklage überhaupt zulässig ist und ob dem Kläger für eine solche Klage überhaupt ein Rechtsschutzbedürfnis zusteht. Sie ist jedenfalls unbegründet, da der L.-weg entgegen der Auffassung des Klägers nach Überzeugung der Kammer ein tatsächlich-öffentlicher Weg ist.
Der Begriff des tatsächlich-öffentlichen Wegs findet sich zwar nicht im Gesetz und insbesondere nicht im Bayer. Straßen- und Wegegesetz. Er wurde von der Rechtsprechung entwickelt (vgl. BayObLGSt. 9, 133; vgl. Schmied in Zeitler, Bayer. Straßen- und Wegegesetz, Kommentar, Stand März 2019, Art. 53, 36 m.w.N.). In seinem Beschluss vom 15. März 1951, VGH n.F. 4, 19/26, hat der Bayer. Verwaltungsgerichtshof hierzu ausgeführt, dass der Eigentümer einer privaten Wegefläche entweder ausdrücklich oder durch schlüssiges Handeln auf dieser Fläche den allgemeinen Verkehr eröffnen könne. Der Weg werde dann zu einem tatsächlich-öffentlichen Weg. Mit andern Worten: Duldet der Eigentümer einer privaten Wegefläche ausdrücklich oder durch schlüssiges Handeln den öffentlichen Verkehr, ist von einem tatsächlich-öffentlichen Weg auszugehen.
Unter Berücksichtigung dieser allgemeinen Ausführungen ist der L.-weg, soweit er über das klägerische Grundstück mit der Fl.Nr. …0, Gemarkung E. …, führt, ein tatsächlich-öffentlicher Weg. Der Kläger selbst führt in seinem Schreiben vom 18. August 2019 an das Verwaltungsgericht Würzburg hierzu aus, dass die Eigentümer und Bewohner der Hinterliegergrundstücke Fl.Nrn. …10 und …08 diesen Weg nutzen würden über das Grundstück des Klägers quasi als Erschließungsstraße, als Zugang und Zufahrt zu deren Grundstücken. Der Kläger hat dies, was von ihm auch nicht bestritten wird, bisher offensichtlich geduldet und führt in dem eben genannten Schriftsatz weiterhin aus, dass sogar er von der Eigenschaft der tatsächlich-öffentlichen Nutzung des Weges ausgehe, jedenfalls soweit dies die Zufahrt zu den Kundenparkplätzen auf den klägerseitigen Grundstücken Fl.Nrn. …98, …0 und …2, sowie über die Fl.Nrn. …1, …79 und …78 betreffe. Für die Kammer ist es unter Berücksichtigung der Argumentation des Klägers nicht nachvollziehbar, dass er einerseits den L.-weg als tatsächlich-öffentlichen Weg ansieht, andererseits aber diesen Umstand in Abrede stellt und festgestellt haben möchte, dass es sich vorliegend um keinen tatsächlich-öffentlichen Weg handelt.
Nicht unberücksichtigt bleiben darf bei der Frage, ob es sich bei dem L.-weg um einen tatsächlich-öffentlichen Weg handelt, auch der Umstand, dass der L.-weg im Ortsplan der Beklagten offiziell als Wegefläche geführt wird, welche für jedermann zur Benutzung zugelassen ist.
Letztendlich spricht aber auch der Umstand, dass der Kläger selbst im Rahmen einer Gesprächsrunde zur weiteren Nutzung des L.-wegs am 27. Juni 2018 im Rathaus der Beklagten der Nutzung des L.-wegs auf die bisherige Art und Weise zugestimmt hat, jedenfalls solange, bis der Stadtrat eine Entscheidung zur Herausnahme der Grundstücke „… ” aus dem beabsichtigten Umgriff des Bebauungsplans „L.-weg Süd“ getroffen habe dafür, dass vorliegend von einem tatsächlich-öffentlichem Weg auszugehen ist.
Zwar verkennt die Kammer nicht, dass der Eigentümer eines tatsächlich-öffentlichen Weges kraft seines Eigentumsrechts nicht gehindert ist, nach seiner freien Entschließung sein Grundstück dem öffentlichen Verkehr wieder zu entziehen. Von dem Augenblick an, in dem der Eigentümer der Wegefläche in ernstlicher Weise die Öffnung der Wegefläche für den öffentlichen Verkehr zurücknimmt, verliert der Weg die Eigenschaft eines tatsächlich-öffentlichen Wegs mit der Folge, dass die durch die tatsächlich-öffentliche Natur des Weges bewirkten öffentlich-rechtlichen Beschränkungen des Eigentums wieder in Wegfall kommen.
Allerdings ist Voraussetzung für einen solchen Widerruf, da nichts anderes gelten kann, wie bei der Zulassung des allgemeinen Verkehrs durch den Verfügungsberechtigten, dass dies „in der äußeren Erscheinung erkennbarer Weise“ (vgl. BayObLG, U.v. 22.2.1934 Nr. II 11/34 in JW 1934, 1 673) erfolgt. Mit anderen Worten: die Allgemeinheit muss aus dem Verhalten des Verfügungsberechtigten erkennen können, dass die Straßenbenutzung nicht mehr dem ernstlichen Willen des Verfügungsberechtigten entspricht. Ein solcher Wille des Klägers ist vorliegend für die Kammer nicht erkennbar, zumal, wie bereits dargelegt, der Kläger selbst in seinem Klageschriftsatz an das Verwaltungsgericht Würzburg vom 18. August 2019 davon ausgeht, dass die tatsächlich-öffentliche Nutzung des Weges, soweit dies die Zufahrt zu den Kundenparkplätzen auf die klägerseitigen Grundstücke Fl.Nrn. …8, …0 und …2 sowie über die Fl.Nrn. …1, …79 und …78 betreffe, unstreitig gegeben sei.
2. Soweit der Kläger des Weiteren die Feststellung begehrt, dass die Beklagte nicht befugt sei, dem Kläger eine Sperrung der Grundstücksgrenze zwischen den Fl.Nrn. …0 und …9 nach den Grundsätzen über die tatsächlich-öffentliche Nutzung von nicht gewidmeten Verkehrsflächen zu untersagen, hat auch diese Klage keine Aussicht auf Erfolg.
Zwar ist eine solche Feststellungsklage nach Auffassung der Kammer zulässig und insbesondere hat der Kläger ein hinreichendes Feststellungsinteresse, denn zwischen den Beteiligten ist streitig, ob und gegebenenfalls inwieweit der Kläger berechtigt ist, den L.-weg an der Grundstücksgrenze zwischen den Fl.Nrn. …0 und …9 für die öffentliche Verkehrsnutzung zu sperren.
Die Feststellungsklage ist jedoch in der Sache nicht begründet.
Der Kläger ist im Rahmen seiner aus dem privaten Eigentumsrecht folgenden Rechtsmacht (Art. 14 Abs. 1 GG, § 903 BGB) nicht berechtigt, die Allgemeinheit von der Nutzung des L.-wegs auszuschließen und diesen Weg zu sperren.
Nach § 903 Satz 1 BGB kann der Eigentümer einer Sache, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jedweder Einwirkung ausschließen. Grundstücksflächen sind als unbewegliche Sachen i.S.v. § 903 BGB zu qualifizieren (vgl. Bassenge in Palandt, BGB, 79. Aufl. 2020, § 903 Rn. 2). Das Recht des Eigentümers zum Ausschluss der Allgemeinheit von der Nutzung eines Wegs durch Sperrung der Flächen kann jedoch im Einzelfall durch einen Gemeingebrauch (Art. 14 BayStrWG) infolge einer öffentlich-rechtlichen Widmung nach Art. 6 BayStrWG oder Art. 67 Abs. 4 BayStrWG eingeschränkt sein. Diese Bestimmungen stellen der Ausübung der Eigentümerbefugnisse entgegenstehende Gesetze i.S.v. § 903 Satz 1 BGB dar (vgl. zum Ganzen, BayVGH, U.v. 26.2.2013 – 8 B 11.1708 – juris Rn. 24).
Liegt eine Wegefläche hingegen auf einem nicht gewidmeten Grund, da weder von einer wirksamen Widmungsfiktion nach Art. 67 Abs. 3 und 4 BayStrWG auszugehen ist noch eine Widmung nach Art. 6 BayStrWG vorliegt, handelt es sich um eine tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche. Hat der Verfügungsberechtigte – wie oben dargelegt – aufgrund ausdrücklicher oder stillschweigender Duldung die Benutzung durch die Allgemeinheit zugelassen oder ist zumindest aus der Sicht der Verkehrsteilnehmer nach objektiv erkennbaren äußeren Umständen von einer konkludenten Freigabe zur Verkehrsnutzung auszugehen, unterliegt die Fläche dem Straßenverkehrsrecht mit der Folge, dass der Berechtigte keine Verkehrshindernisse errichten darf (vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 27 i.V.m. § 32 Abs. 1 Satz 1 StVO; BayVGH, B.v. 11.5.2006 – 18 ZB 06.485 – ZMR 2006, 729; B.v. 14.7.2010 – 8 ZB 10.475 – juris Rn. 8; B.v. 7.2.2011 – 11 CS 10.3000 – juris Rn. 20; U.v. 26.2.2013 – 8 B 11.1708 – juris Rn. 32).
Auch dann, wenn die Nutzung der Fläche durch die Allgemeinheit ohne Zustimmung des Grundstückseigentümers oder des sonstigen Berechtigten erfolgt oder die Zustimmung nach ihrer Erteilung widerrufen wird, ist der Grundstückseigentümer nicht ohne Weiteres berechtigt, den Weg zu beseitigen oder zu sperren. Dies würde eine unzulässige Selbsthilfe i.S.v. § 229 BGB und eine verbotene Eigenmacht i.S.v. § 858 BGB darstellen (vgl. BayVGH, B.v 11.1.2005, 8 CS 04.3275 – NuR 2005, 463/464). Er kann zur Wahrnehmung seiner Rechte jedoch die von der Rechtsordnung vorgesehenen behördlichen und gerichtlichen Mittel ergreifen (BayVGH, B.v. 11.1.2005 – 8 CS 04.3275 – NuR 2005, 463/464; B.v. 7.2.2011 – 11 CS 10.3000 – juris Rn. 20; B.v. 14.7.2010 – 8 ZB 10.475 – juris Rn. 10; B.v. 10.1.2013 – 8 B 12.305 – juris Rn. 20) und auf diesem Weg seine Befugnis zur Ausübung seiner Eigentümerrechte durch Beseitigung oder Sperrung der Wegefläche auf eigene Kosten durchsetzen. Voraussetzung ist jedoch, dass der Grundstückseigentümer zunächst die erforderlichen behördlichen oder gerichtlichen Schritte ergreift und sich einen entsprechenden Rechtstitel verschafft.
Unter Berücksichtigung dieser allgemeinen Ausführungen fehlt es dem Kläger vorliegend offensichtlich an einem solchen Rechtstitel, so dass der Beklagte auch in seiner Eigenschaft als Sicherheitsbehörde befugt war, dem Kläger eine Sperrung der Grundstücksgrenze zwischen den Fl.Nrn. …0 und …9 zu untersagen.
3. Die Feststellungsklagen waren daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.


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