Baurecht

Erfolglose Nachbarklage gegen Befreiung von Festsetzungen des Bebauungsplans mangels Nachbarschutz der Vorschriften

Aktenzeichen  W 5 K 15.173

Datum:
21.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO BayBO Art. 71 S. 1, Art. 68 Abs. 1 S. 1
BauGB BauGB § 31 Abs. 2
BauNVO BauNVO § 15 Abs. 1

 

Leitsatz

Wird von nicht nachbarschützenden Festsetzungen des Bebauungsplans eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB erteilt, so hat der Nachbar über die das Rücksichtnahmegebot konkretisierende „Würdigung nachbarlicher Interessen“ hinaus keinen Anspruch auf eine Einhaltung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB. Drittschutz im Falle einer Befreiung von einer nicht nachbarschützenden Festsetzung besteht vielmehr nur dann, wenn seine nachbarlichen Interessen nicht hinreichend berücksichtigt worden sind. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Aufwendungen der Beigeladenen als Gesamtschuldner zu tragen.
III.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Klage ist unbegründet, da der angefochtene Vorbescheid des Landratsamts Main-Spessart vom 28. Januar 2015 die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Der Nachbar eines Bauvorhabens kann einen baurechtlichen Vorbescheid nur dann mit Erfolg anfechten, wenn die in diesem Verfahren zu prüfenden öffentlichrechtlichen Vorschriften verletzt sind, die auch seinem Schutz dienen oder wenn es das Vorhaben an der gebotenen Rücksichtnahme auf seine Umgebung fehlen lässt und dieses Gebot im Einzelfall Nachbarschutz vermittelt. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht gegeben.
1.
Der Bauherr kann zu einzelnen Fragen des Bauvorhabens vor Einreichung eines Bauantrags auf Antrag einen Vorbescheid begehren (Art. 71 Satz 1 BayBO). Nach Art. 71 Satz 4 i. V. m. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO ist der Vorbescheid zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlichrechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Nach Art. 59 BayBO ist im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren der Prüfungsrahmen beschränkt. Die Übereinstimmung des Vorhabens mit den Vorschriften der Bayer. Bauordnung wird grundsätzlich nicht mehr geprüft. Nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO hat die Bauaufsichtsbehörde aber die Übereinstimmung mit den Vorschriften über die baulichen Anlagen nach §§ 29 bis 38 BauGB zu prüfen. Im Übrigen ist die rechtliche Überprüfung seitens des Gerichts im vorliegenden Fall durch die Antragstellung („Im Rahmen der Antrags auf Vorbescheid soll geprüft werden: Prinzipielle Bebaubarkeit des Grundstückes außerhalb der Baugrenzen des Bebauungsplanes mit eingeschossigen Gebäuden wie dargestellt“, vgl. Antrag auf Vorbescheid vom 18.8.2014 unter „2. Vorhaben“) und den Bescheid („Gegenstand des Vorbescheides: Grundsätzliche bauplanungsrechtliche Zulässigkeit einschließlich Erschließung für die o. g. Bebauung“, vgl. Vorbescheid vom 28.1.2015, S. 1) auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens einschließlich der Erschließung beschränkt. Unter Zugrundelegung dieses Prüfungsrahmens ist im vorliegenden Fall nichts ersichtlich, was für eine Rechtsverletzung der Kläger sprechen würde. Im Einzelnen:
2.
Das streitgegenständliche Vorhaben erweist sich als bauplanungsrechtlich zulässig.
2.1.
Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit richtet sich hier nach § 30 Abs. 1 BauGB, da das Vorhaben im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans „M.“ der früheren Gemeinde …, jetzt Stadt … vom 19. Juli 1967, ergänzt am 23. Juli 1970 und in Kraft getreten am 25. Juli 1971, liegt.
Nach diesem qualifizierten Bebauungsplan erweist sich das streitgegenständliche Vorhaben zwar nicht als allgemein zulässig nach § 30 Abs. 1 BauGB, denn es verstößt gegen die Festsetzungen dieses Bebauungsplans, da es zum überwiegenden Teil außerhalb der festgesetzten Baugrenzen liegt. Allerdings hat das Landratsamt Main-Spessart für die abweichende Ausführung die erforderliche Befreiung erteilt.
Nach § 31 Abs. 2 BauGB kann von den Festsetzungen des Bebauungsplans befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und
1. Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern oder
2. die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3. die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
2.2.
Hinsichtlich des Nachbarschutzes bei Befreiungen von Festsetzungen des Bebauungsplans muss unterschieden werden, ob die Vorschrift, von der befreit wird, ihrerseits unmittelbar nachbarschützend ist oder nicht. Im ersten Fall kann das Fehlen einer der objektiven Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB für die Gewährung einer Befreiung zu einer Verletzung von Nachbarrechten führen, da ein Verstoß gegen eine unmittelbar nachbarschützende Vorschrift vorliegt. Im zweiten Fall fehlt es an einer solchen Verletzung einer nachbarschützenden Vorschrift aufgrund unzutreffender Annahme der Befreiungsvoraussetzungen. Nachbarschutz kommt hier nur im Rahmen des Rücksichtnahmegebots in Betracht (BVerwG, U. v. 19.9.1986 – 4 C 8/84 – juris). Grundsätzlich vermitteln Bebauungsplanfestsetzungen keinen allgemeinen auf Plangewährleistung gerichteten Anspruch. Die nachbarschützende Wirkung ist für jede einzelne Festsetzung zu überprüfen und durch Auslegung des jeweiligen Bebauungsplans sowie der Begründung zu ermitteln.
Hinsichtlich der nachbarschützenden Wirkung von Festsetzungen eines Bebauungsplans ist zu beachten, dass diese – mit Ausnahme der Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung – nicht schon kraft Gesetzes nachbarschützende Wirkung entfalten. Dies gilt namentlich für die Regelungen zu überbaubaren Grundstücksflächen (vgl. BVerwG, B. v. 19.10.1995 – 4 B 215/95 – BauR 1996, 82; U. v. 19.9.1986 – 4 C 8/84 – BauR 1987, 70; Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, Stand Sept. 2015, Art. 66 Rn. 368 ff.) und zum Maß der baulichen Nutzung (vgl. BVerwG, B. v. 19.10.1995 – 4 B 215/95 – BauR 1996, 82; B. v. 11.3.1994 – 4 B 53/94 – NVwZ 1994, 1008; Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, Art. 66 Rn. 356 ff.), da sie grundsätzlich ausschließlich im öffentlichen Interesse zur städtebaulichen Ordnung erlassen werden. Die Frage der drittschützenden Wirkung solcher Regelungen hängt damit wesentlich von der Auslegung des Bebauungsplans und damit vom Willen der planenden Gemeinde ab. Ob eine Festsetzung nicht nur der Gestaltung des jeweiligen Ortsbilds, sondern auch dem Schutz eines bestimmbaren und von der Allgemeinheit abgrenzbaren Personenkreises dient, kann sich deshalb (nur) aus dem Bebauungsplan selbst oder aus seiner Begründung ergeben (vgl. BVerwG, B. v. 9.10.1991 – 4 B 137/91 – juris). Wie weit die drittschützende Wirkung einer Festsetzung reicht, muss sich mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Inhalt der erlassenen Vorschrift oder aus den übrigen, objektiv erkennbaren Umständen ergeben. Lässt sich daraus eine solche Zweckbestimmung nicht hinreichend erkennen, ist eine nachbarschützende Wirkung abzulehnen.
Will man hinsichtlich der Lage der Baugrenzen differenzieren, so bleibt festzuhalten, dass vordere – also zur Straßenseite hin festgesetzte – Baugrenzen prinzipiell nicht nachbarschützend sind, während eine nachbarschützende Funktion nur bei der seitlichen Baugrenze diskutiert wird. Vorliegend wurde aber eine seitliche Baugrenze auf dem Baugrundstück schon durch den Bebauungsplan „„M.“ nicht festgesetzt, sondern nur eine vordere und eine hintere Baugrenze (an der der Straßenseite abgewandten Grundstücksgrenze). Hintere – wie auch seitliche – Baugrenzen haben nur dann nachbarschützende Funktion, wenn sich aus dem Bebauungsplan ein besonderer Anhalt hierfür ergibt (vgl. Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, Art. 66 Rn. 368).
2.3.
Dem Bebauungsplan „M.“ lässt sich entnehmen, dass die (Wohn-) Gebäude, die zum Zeitpunkt seiner Aufstellung bereits vorhanden waren, lediglich in ihrem tatsächlichen Bestand in Länge und Breite angepasst wurden, also lediglich den Bestand wiedergeben. Es spricht nichts dafür, dass der Satzungsgeber mit der bloßen Wiedergabe der tatsächlichen Bebauung einen Nachbarschutz hätte bezwecken wollen. Im Übrigen bleibt festzuhalten, dass der Bebauungsplan im Bereich des jetzigen rückwärtigen Baugrundstücks keine Wohnbebauung vorgesehen hat, sondern eine bis zur westlichen Grundstücksgrenze reichende Freifläche. Insoweit ist aber kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass der (damalige) Satzungsgeber einen Nachbarn – und gar den seitlichen Nachbarn – hätte schützen wollen. Das Vorbringen der Klägerseite spricht eher dafür, dass die westlich an das Baugrundstück angrenzenden (früheren) Eigentümer sich gegen eine Verlängerung der Stichstraße nach Süden und damit eine Erschließung im fraglichen Bereich gewandt und so erfolgreich die Schaffung einer Baufläche verhindert haben. Dies wird noch verstärkt durch die übereinstimmenden Aussagen aller Beteiligten in der mündlichen Verhandlung. So wurde zur Erschließung der Wohngebäude auf den – westlich des Grundstückes der Beigeladenen und der Kläger gelegenen – Grundstücken Fl.Nrn. …6/…2 und …6/…3 zunächst an der gemeinsamen Grundstücksgrenze zwischen dem klägerischen Grundstück Fl.Nr. …6/…6 und dem Beigeladenengrundstück Fl.Nr. …6/…1 ein Sandweg angelegt. Durch diesen erfolgte bereits seit der Bebauung spätestens zu Beginn der 60iger Jahre des letzten Jahrhunderts die wegemäßige Erschließung dieser Grundstücke, aber auch die Erschließung für Wasser und Abwasser (letztere getrennt auf den Grundstücken Fl.Nrn. …6/…6 und …6/…3). Erst danach wurde – so die Beteiligten übereinstimmend – der Bebauungsplan „M.“ aufgestellt und erst nach Abschluss des Bebauungsplanverfahrens erfolgte im Jahr 1983 eine notarielle Vereinbarung.
Es spricht jedenfalls nichts dafür, dass es bei der Festsetzung der (engen) Baugrenzen des Bebauungsplans auf dem Grundstück der Beigeladenen um einen nachbarlichen Interessenausgleich zur Schaffung von Ruhezonen gegangen wäre. Nach allem lassen sich dem Gesamtinhalt des Plans keine Anhaltspunkte entnehmen, die für eine nachbarschützende Wirkung sprechen würden. Gleiches gilt für die Begründung zum Bebauungsplan. Der Bebauungsplan enthält mithin keine Hinweise dafür, dass die Festsetzung der Baugrenzen über rein städtebaulichen Anforderungen hinaus auch dem Nachbarschutz dienen soll (vgl. BayVGH, B. v. 4.9.1984 – 2 CS 84 A.1559 BayVBl 1984, 726; Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, Art. 66 Rn. 373).
2.4.
Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten der Kläger wird auch das Gebot der Rücksichtnahme durch die erteilte Befreiung nicht verletzt.
Die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB von – wie hier – nicht nachbarschützenden Festsetzungen des Bebauungsplans die Rechte des Nachbarn verletzen kann, ist im Rahmen der Würdigung nachbarlicher Belange nach den Maßstäben zu beantworten, die das Bundesverwaltungsgericht zum Gebot der Rücksichtnahme i. V. m. § 15 Abs. 1 BauNVO entwickelt hat (vgl. BVerwG, B. v. 8.7.1998 – 4 B 64/98 – juris; BayVGH, B. v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris). Wird von nicht nachbarschützenden Festsetzungen des Bebauungsplans eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB erteilt, so hat der Nachbar über die das Rücksichtnahmegebot konkretisierende „Würdigung nachbarlicher Interessen“ hinaus keinen Anspruch auf eine Einhaltung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB (vgl. BVerwG, B. v. 8.7.1998 – 4 B 64/98 – juris). Drittschutz im Falle einer Befreiung von einer nicht nachbarschützenden Festsetzung besteht vielmehr nur dann, wenn seine nachbarlichen Interessen nicht hinreichend berücksichtigt worden sind.
Das Gebot der Rücksichtnahme (grundlegend BVerwG, U. v. 25.2.1977 – IV C 22/75 – BVerwGE 52, 122) soll einen angemessenen Interessenausgleich gewährleisten. Die an das Gebot der Rücksichtnahme zu stellenden Anforderungen hängen im Wesentlichen von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Die vorzunehmende Interessenabwägung hat sich daran zu orientieren, was dem Rücksichtnahmebegünstigten und dem Rücksichtnahmeverpflichteten jeweils nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Dies beurteilt sich nach der jeweiligen Situation der benachbarten Grundstücke. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung des Rücksichtnahmeberechtigten ist, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die Interessen des Bauherrn sind, die er mit dem Vorhaben verfolgt, desto weniger muss er Rücksicht nehmen (z. B. BVerwG, U. v. 13.3.1981 – 4 C 1/78 – juris). Das Gebot der Rücksichtnahme ist demnach nur dann verletzt, wenn die dem Kläger aus der Verwirklichung des geplanten Vorhabens resultierenden Nachteile das Maß dessen übersteigen, was ihm als Nachbarn billigerweise noch zumutbar ist (Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl. 2014, § 35 Rn. 78).
In der Rechtsprechung ist zudem anerkannt, dass eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots auch dann in Betracht kommt, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens ein in der unmittelbaren Nachbarschaft z. B. befindliches Wohngebäude „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 13.3.1981 – 4 C 1/78; B. v. 20.9.1984 – 4 B 181/84; U. v. 23.5.1986 – 4 C 34/85 – alle juris). Ob dies der Fall ist, hängt ganz wesentlich von der konkreten Situation im Einzelfall ab.
Bei Anwendung dieser Grundsätze erweist sich das Bauvorhaben der Beigeladenen in seinen Auswirkungen auf das Grundstück der Kläger im Ergebnis nicht als rücksichtslos. Von einer unzumutbaren Beeinträchtigung kann nicht gesprochen werden. Dafür, dass hier durch die von den Beigeladenen geplante Bebauung des nördlich der Kläger liegenden Grundstücks mit einem Doppelhaus in eingeschossiger Bauweise, in einem Abstand von mehreren Metern und getrennt durch den an der Grundstücksgrenze vorhandenen asphaltierten Weg ein Grad der Unzumutbarkeit erreicht wäre, der von den Klägern als Nachbarn nicht mehr hingenommen werden kann, ist weder etwas substanziiert vorgetragen noch sonst wie ersichtlich.
3.
Die von Klägerseite vorgebrachte Rüge, dass die Erschließung des Bauvorhabens nicht gesichert sei, kann der (Nachbar-)Klage ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen.
So spricht schon vieles dafür, dass jedenfalls zum – für die nachbarliche Anfechtungsklage – maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung die gesicherte Erschließung des Baugrundstücks zu bejahen war. Denn hierfür ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass das Baugrundstück in ausreichender Breite an das Straßengrundstück angrenzt. Der Anschluss der notwendigen Erschließungseinrichtungen (Versorgung mit Strom und Wasser sowie Abwasserbeseitigung) muss bis unmittelbar an das Baugrundstück heranreichen. Das gleiche gilt für die Anbindung an das öffentliche Straßennetz (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 30 Rn. 24). Zu dem Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Vorbescheids lag jedenfalls kein anderes Grundstück zwischen dem geplanten Bauvorhaben und der östlich angrenzenden Erschließungsstraße („…-straße“), so dass die Baugenehmigungsbehörde zutreffender Weise von der gesicherten Erschließung des Baugrundstücks Fl.Nr. …6/…1 ausgehen durfte.
Darüber hinaus ergibt sich auch aus der Dienstbarkeitsurkunde des Notars Dr. A. vom 19. November 2010 die gesicherte Erschließung. Denn aus bundesrechtlicher Sicht bestehen keine Bedenken, eine gesicherte Erschließung nicht nur anzunehmen, wenn die Zufahrt zum öffentlichen Straßennetz öffentlichrechtlich, durch Baulast, gesichert ist, sondern beispielsweise auch dann, wenn sie dinglich, durch eine Grunddienstbarkeit, gesichert ist (vgl. BVerwG, U. v. 3.5.1988 – 4 C 54.85 – NVwZ 1989, 353). So lässt sich hier im Wege der Auslegung bereits dem Wortlaut der in der Behördenakte enthaltenen Dienstbarkeitsurkunde vom 19. November 2010 eindeutig entnehmen, dass der Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. …6/…6 – dies sind die Kläger – dem jeweiligen Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. …6/…1 – dies ist die Beigeladene – das Recht einräumt, über das dienende Grundstück zu gehen und mit Fahrzeugen aller Art zu fahren, und zwar auf dem im Lageplan rot gekennzeichneten Streifen von 1,50 m Breite von der Grundstücksgrenze aus gemessen. Sinn und Zweck dieser Regelung kann es insoweit aber nur gewesen sein, dass die westliche Teilfläche – also der rückwärtige Bereich – des Grundstücks FlNr. …6/…1 einer Bebauung bzw. gesicherten Erschließung unabhängig von seinem östlichen Bereich zugeführt wird. Denn der östliche Bereich dieses Grundstücks benötigt eine solche Dienstbarkeit nicht, er ist – durch die Lage an der Straße „…-straße“ – bereits erschlossen und diese Erschließung auch gesichert.
Dafür, dass das Geh- und Fahrtrecht – entgegen der Meinung der Klägerseite – (auch) einer Bebauung des rückwärtigen Bereichs des Grundstücks der Beigeladenen (wie auch des rückwärtigen Bereichs des klägerischen Grundstücks) dienen soll, spricht maßgeblich auch die in der Urkunde enthaltene Regelung zu den Kosten der Unterhaltung, Instandhaltung und Instandsetzung des Weges. Danach werden die Kosten, solange die „Wegefläche von den Vorderliegergrundstücken Fl.Nr. …6/…1 und …6/…6 oder von Teilen hiervon nicht als Hauptzufahrt genutzt wird“ zwischen den Grundstücken Fl.Nr. …6/…2 und …6/…3 hälftig aufgeteilt. „Sobald und solange die Wegefläche von dem jeweiligen Vorderliegergrundstück Fl.Nr. …6/…1 bzw. …6/…6 oder von Teilen hiervon (im Falle der Grundstücksteilung) als Hauptzufahrt genutzt wird“, ist das jeweilige Vorderliegergrundstück bzw. dessen jeweiliger Teil (im Falle der Grundstücksteilung) zu gleichen Teilen wie ein Hinterliegergrundstück (Fl.Nr. …6/…2 und …6/…3) an den vorgenannten Kosten zu beteiligen“ (S. 6 der Dienstbarkeitsurkunde). Hieraus ergibt sich eindeutig, dass die bei der Bestellung der Dienstbarkeit beteiligten Parteien nicht nur von einer künftigen Bebauung des rückwärtigen Bereichs des Baugrundstücks, sondern auch von einer Grundstücksteilung und insbesondere auch von einer künftigen Erschließung des rückwärtigen Grundstücksteils über den „gemeinsamen“ Weg ausgegangen sind.
Selbst wenn aber mit den Klägern von einer gesicherten Erschließung nicht gesprochen werden könnte – wovon nach den vg. Ausführungen nicht die Rede sein kann – bleibt darauf hinzuweisen, dass die Regelungen über die Anforderungen an die Erschließung grundsätzlich nicht nachbarschützend sind (BayVGH, U. v. 22.3.1999 – 15 B 98.207 – BayVBl. 1999, 662; Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, Art. 66 Rn. 406).
Ausnahmsweise kann der Nachbar die fehlende Erschließung nur geltend machen, – weil das Eigentumsgrundrecht nach Art. 14 GG verletzt wird – wenn mangels gesicherter öffentlichrechtlicher Erschließung ein Notwegerecht entstehen würde, wenn also die Durchführung des Bauvorhabens zu einem Notwegerecht nach § 917 BGB zu seinen Lasten führen würde (Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, Art. 66, Rn. 406, 254 f.). Für ein solches ist hier aber nichts ersichtlich.
Nach allem war die Klage abzuweisen.
4.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Da sich die Beigeladene durch eigene Antragstellung am Kostenrisiko des Verfahrens beteiligt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO), entsprach es der Billigkeit, ihre außergerichtlichen Aufwendungen den Klägern aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg,
Hausanschrift: Burkarderstraße 26, 97082 Würzburg, oder
Postfachanschrift: Postfach 11 02 65, 97029 Würzburg,
schriftlich zu beantragen. Hierfür besteht Vertretungszwang.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München,
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach,
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte, Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder die in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1, 63 Abs. 2 Satz 1 GKG und orientiert sich an Ziffer 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (BayVBl 2014, Sonderbeilage Januar). Demnach ist bei Nachbarklagen gegen eine Baugenehmigung von einem Streitwert von 7.500,00 EUR bis 15.000,00 EUR auszugehen, soweit nicht ein höherer wirtschaftlicher Schaden feststellbar ist. Die Kammer hält im vorliegenden Fall in der Hauptsache bei einer Baugenehmigung einen Streitwert von 10.000,00 EUR für angemessen. Für den vorliegende Verfahren, das gerichtet ist gegen einen Vorbescheid, reduziert sich dieser Betrag auf die Hälfte, also auf 5.000,00 EUR.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Für die Streitwertbeschwerde besteht kein Vertretungszwang.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg,
Hausanschrift: Burkarderstraße 26, 97082 Würzburg, oder
Postfachanschrift: Postfach 11 02 65, 97029 Würzburg,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.
Der Beschwerdeschrift sollen 4 Abschriften beigefügt werden.


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