Baurecht

Erfolglose Nachbarklage gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Erweiterung einer Biogasanlage

Aktenzeichen  M 1 K 16.147

Datum:
10.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 34070
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 58 Abs. 2, § 61 Nr. 1, § 113 Abs. 1 S. 1
BImSchG § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, § 19, § 20
UVPG § 2 Abs. 6, § 3a S. 4, § 3c
UmwRG § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 lit. a, § 4 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1
BauGB § 35 Abs. 3 S. 1
4. BImSchV § 1 Abs. 4
12. BImSchV § 1 Abs. 1 S. 1
GIRL Nr. 3.1, Nr. 5

 

Leitsatz

1 Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Rahmen der Nachbaranfechtung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Behördenentscheidung. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die gerichtliche Überprüfung des Ergebnisses einer UVP-Vorprüfung beschränkt sich nach § 3a S. 4 UVPG aF auf eine Plausibilitätskontrolle (BVerwG BeckRS 2012, 48062). (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
3 Sinn und Zweck sowie Systematik der GIRL und deren Auslegungshinweise rechtfertigen nicht die Annahme, der in den Auslegungshinweisen zu Nr. 3.1 GIRL genannte Wert von 0,25 sei eine Obergrenze, die in keinem Fall überschritten werden dürfe (hier im speziellen Einzefall 0,47 noch als zumutbar für den Nachbarn angesehen). (Rn. 52 und 55) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet und ist daher abzuweisen. Die immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheide vom 11. November 2013 und vom 9. April 2018 verletzen den Kläger nicht in eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I.
Die Klage ist zulässig.
1. Sie wurde gegen beide Bescheide fristgerecht i.S.d. § 74 Abs. 1 VwGO erhoben. Der Bescheid vom 11. November 2013 gelangte erst am 15. Dezember 2015 zur Kenntnis des Klägers, so dass die Klageerhebung am 13. Januar 2016 innerhalb der Monatsfrist ab Kenntnis erfolgt ist. Da Gegenstand der Genehmigung die Erweiterung der elektrischen Leistung der Biogasanlage ist, musste der Kläger auch nicht ohne weiteres als Nachbar „optische“ Kenntnis haben, weshalb es auf die Jahresfrist entsprechend § 58 Abs. 2 VwGO nicht ankommt.
Von der Genehmigung vom 9. April 2018 hat der Kläger am 26. April 2018 Kenntnis erhalten, so dass die Einbeziehung in das laufende Gerichtsverfahren mit am 25. Mai 2018 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz rechtzeitig erfolgt ist. Der Beklagte und die Beigeladene haben der Einbeziehung dieses Bescheids in das laufende Verfahren zugestimmt.
2. Der Klage gegen den Bescheid vom 11. November 2013 fehlt nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Dieser Bescheid ist weder überholt noch hat er sich in der Sache erledigt. Vielmehr haben die Bescheide vom 11. November 2013 und vom 9. April 2018 unterschiedliche Regelungsgegenstände. Mit Bescheid vom 11. November 2013 wird die Erweiterung der Biogasanlage auf eine von insgesamt zwei Blockheizkraftwerken erzeugte Gesamtfeuerungswärmeleistung von 1.438 kW genehmigt. Die Genehmigung vom 9. April 2018 setzt hierauf auf und genehmigt zusätzlich noch zwei weitere Blockheizkraftwerke mit jeweils 1.358 kW Gesamtfeuerungswärmeleistung. Durch beide Bescheide wird somit insgesamt eine von vier Blockheizkraftwerken erzeugte Gesamtfeuerungswärmeleistung von 4.154 kW genehmigt.
II.
Die Klage ist im Hinblick auf beide angefochtenen Bescheide unbegründet.
Der Kläger wird weder durch die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 11. November 2013 (2.) noch durch die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 9. April 2018 (3.) in eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt. Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage im Rahmen der Nachbaranfechtung ist grundsätzlich jeweils der Zeitpunkt der Behördenentscheidung.
1. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BImSchG besteht ein Anspruch auf eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung, wenn sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer aufgrund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen. Diese Vorschriften finden auch im vereinfachten Verfahren Anwendung.
Die Erweiterungen der Biogasanlage der Beigeladenen bedürfen der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG. Dabei ist das Blockheizkraftwerk zur Stromerzeugung als Biogasverwertungsanlage gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 der 4. BImSchV in der zur Zeit der Genehmigung vom 11. November 2013 geltenden Fassung die Hauptanlage. Die Biogaserzeugungsanlage dagegen ist Nebenanlage i.S.d § 1 Abs. 2 Nr. 2 der 4. BImSchV. Gemäß Nr. 1.2.2.2 Anhang 1 der Vierten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes – Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BImSchV) in der am 11. November 2013 gültigen Fassung sind Anlagen zur Erzeugung von Strom in einer Verbrennungseinrichtung durch den Einsatz von gasförmigen Brennstoffen (insbesondere auch Biogas) mit einer Feuerungswärmeleistung von 1 Megawatt bis weniger als 10 Megawatt, bei Verbrennungsmotoranlagen oder Gasturbinenanlagen im vereinfachten Verfahren gemäß § 19 BImSchG zu genehmigen. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, die Gesamtfeuerungswärmeleistung nach der Genehmigung vom 11. November 2013 beträgt 1,438 kW = 1.438 MW, diejenige infolge der Genehmigung vom 9. April 2018 4,154 kW = 4.154 MW. Die Biogaserzeugung ist nach Nr. 8.6.3.2 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV in der am 11. November 2013 geltenden Fassung ebenfalls im vereinfachten Verfahren gemäß § 19 BImSchG zu genehmigen. Hiernach bedürfen Anlagen zur biologischen Behandlung von Abfällen und sonstigen Stoffen, u.a. von Gülle, soweit die Behandlung ausschließlich zur Verwertung durch anaerobe Vergärung (Biogaserzeugung) erfolgt, mit einer Durchsatzkapazität von weniger als 100 Tonnen je Tag, soweit die Produktionskapazität von Rohgas 1,2 Mio. Normkubikmetern je Jahr oder mehr beträgt, einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung im vereinfachten Verfahren. Die Biogasanlage erfüllt mit einer zulässigen Biogasmenge von 2,045 Millionen Nm³ Rohgas pro Jahr diese Voraussetzung. Gemäß § 1 Abs. 4 der 4. BImSchV bedarf es für Haupt- und Nebenanlage lediglich einer einheitlichen Genehmigung.
Ein Dritter kann die Aufhebung einer den Bescheidsadressaten begünstigenden Genehmigung nicht bereits dann verlangen, wenn diese objektiv rechtswidrig ist, sondern nur dann, wenn sie ihn darüber hinaus in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt, die zumindest auch gerade seinem Schutz zu dienen bestimmt sind (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 28.10.1993 – 4 C 5.93 – juris Rn. 19 – NVwZ 1994, 686 ff.; BayVGH, B.v. 6.2.2017 – 15 ZB 16.398 – juris Rn. 17).
Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Diese Bestimmung vermittelt grundsätzlich ebenso Drittschutz wie § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB (zu schädlichen Umwelteinwirkungen eines Bauvorhabens), der über § 6 Abs. 1 Nr. 2 BauGB als „andere öffentlich-rechtliche Vorschrift“ einschlägig ist, weil die streitige Biogasanlage im Außenbereich liegt. Aus diesen grundsätzlich auch seinem Schutz als Nachbarn dienenden Vorschriften kann der Kläger hier aber keinen Prozesserfolg herleiten, weil die Erweiterung der Biogasanlage der Beigeladenen ihm gegenüber keine schädlichen Umwelteinwirkungen, sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteile oder erheblichen Belästigungen hervorruft.
2. Gemessen an diesen Grundsätzen verletzt die Genehmigung vom 11. November 2013 den Kläger nicht in eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten; er hat keinen Anspruch auf deren Aufhebung.
a) Die Berufung auf ein Fehlen der UVP oder auf Mängel bei der Durchführung der UVP-Vorprüfung verhilft der Klage nicht zum Erfolg. Die UVP-Vorprüfung und ihr Ergebnis begegnen keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken (§ 3a Satz 4 UVPG in der am 11. November 2013 geltenden Fassung – im Folgenden a.F.).
aa) Der Kläger kann sich auf die Durchführung einer UVP grundsätzlich berufen (§ 4 UmwRG).
Nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG kann die Aufhebung einer Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 2b verlangt werden, wenn eine nach den Bestimmungen des Gesetzes über die UVP, nach der Verordnung über die Umweltverträglichkeitsprüfung bergbaulicher Vorhaben oder nach entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften erforderliche UVP oder erforderliche Vorprüfung des Einzelfalls zur Feststellung der UVP-Pflichtigkeit weder durchgeführt noch nachgeholt worden ist. Die Aufhebung kann gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 1 UmwRG grundsätzlich jeder Beteiligte i.S.d. § 61 Nr. 1 VwGO verlangen, somit auch der Kläger. Dies war zwar nach der zum Zeitpunkt der Genehmigung geltenden Fassung von § 4 UmwRG noch nicht der Fall. Da aber die Vorschrift des § 4 UmwRG insoweit auch prozessrechtlichen Charakter hat, ist von deren Geltung auszugehen, obwohl sie zum materiell-rechtlich maßgeblichen Zeitpunkt nicht galt.
Nach § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchst. a) UmwRG ist dieses Gesetz u.a. anzuwenden auf Rechtsbehelfe gegen Zulassungsentscheidungen im Sinne von § 2 Absatz 6 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung über die Zulässigkeit von Vorhaben, für die nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Pflicht zur Durchführung einer UVP bestehen kann. Dies ist hier der Fall.
bb) Durchzuführen war eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls (§ 3c Satz 2 UVPG a.F.). Dass die Behörde ab Juli 2012 von der Notwendigkeit einer allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls i.S.d. § 3c Satz 1 UVPG a.F. ausging, ist unschädlich, denn diese stellt die weiter gehenden Anforderungen. Zu dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses war im Übrigen wieder die standortbezogene Prüfung des Einzelfalls ausreichend.
In der Zeit zwischen Antragstellung am 1. März 2012 und Genehmigungserteilung am 11. November 2013 gab es insgesamt sieben Änderungen des UVPG und seiner Anlagen. Auch die einschlägige Anlage 1, aus der sich ergibt, welche Art von Prüfung für unterschiedliche Vorhaben vorzunehmen ist, hat mehrere Änderungen erfahren, ohne dass es hierfür eine Übergangsvorschrift gäbe. Ursprünglich ist die Genehmigungsbehörde nach Nr. 1.3.2 und Nr. 8.4.2 der Anlage 1 zum UVPG in der Fassung, die am 1. März 2012 galt, zu Recht davon ausgegangen, dass es lediglich einer standortbezogenen Vorprüfung des Einzelfalls bedarf. Mit E-Mail vom 5. Juli 2012 hat sie zu Recht darauf hingewiesen, dass mit der am 1. Juni 2012 in Kraft getretenen Änderung nunmehr gemäß Nr. 1.11.1.1 der Anlage 1 zum UVPG eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls nötig war. Hierbei blieb es bis 1. Mai 2013. Zum 2. Mai 2013 trat die Fassung des UVPG in Kraft, die auch noch zum Zeitpunkt der Genehmigung vom 11. November 2013 galt. Nach deren Anlage 1 Nr. 1.2.2.2 war für die Biogasverwertungsanlage mit einer Stromerzeugung von 1,438 MW nunmehr wieder bloß eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls i.S.d. § 3c Satz 2 UVPG a.F. durchzuführen. Dasselbe gilt gemäß Nr. 8.4.2.2 des Anhangs 1 für die Biogaserzeugungsanlage mit einem Gülleeinsatz von weniger als 50, nämlich 12 Tonnen je Tag und einer Produktionskapazität von 2,045 Millionen Normkubikmeter Rohgas je Jahr.
cc) Die Vorprüfung wurde durchgeführt, entspricht den Anforderungen an eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3c UVPG und ist in Verfahren und Ergebnis nicht zu beanstanden.
(1) Gemäß § 3c UVPG a.F. ist, sofern in der Anlage 1 für ein Vorhaben eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls vorgesehen ist, ist eine UVP durchzuführen, wenn das Vorhaben nach Einschätzung der zuständigen Behörde aufgrund überschlägiger Prüfung unter Berücksichtigung der in der Anlage 2 aufgeführten Kriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann, die nach § 12 zu berücksichtigen wären. Sofern – wie hier – für ein Vorhaben mit geringer Größe oder Leistung eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls vorgesehen ist, gilt Gleiches, wenn trotz der geringen Größe oder Leistung des Vorhabens nur aufgrund besonderer örtlicher Gegebenheiten gemäß den in der Anlage 2 Nr. 2 aufgeführten Schutzkriterien erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen zu erwarten sind. Bei der Vorprüfung ist zu berücksichtigen, inwieweit Umweltauswirkungen durch die vom Träger des Vorhabens vorgesehenen Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen offensichtlich ausgeschlossen werden. Die Durchführung und das Ergebnis der Vorprüfung sind zu dokumentieren. Diese Vorgaben für die Vorprüfung wurden erfüllt.
Der Genehmigungsbehörde steht im Rahmen einer UVP-Vorprüfung des Einzelfalls für ihre prognostische Beurteilung möglicher Umweltauswirkungen eines Vorhabens ein Einschätzungsspielraum zu. Die gerichtliche Überprüfung des Ergebnisses der Vorprüfung beschränkt sich deshalb nach § 3a Satz 4 UVPG a.F. auf eine Plausibilitätskontrolle (BVerwG, U.v. 20.12.2011 – 9 A 31.10 – juris Ls.1 – BVerwGE 141, 282 ff.). Die Einschätzung der zuständigen Behörde ist in einem gerichtlichen Verfahren betreffend die Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens nur darauf zu überprüfen, ob die Vorprüfung entsprechend den Vorgaben von § 3c UVPG a.F. durchgeführt worden ist und ob das Ergebnis nachvollziehbar ist.
Die Genehmigungsbehörde darf nicht bereits mit einer der UVP vergleichbaren Prüfungstiefe „durchermitteln“ und damit die eigentliche UVP unter Missachtung der für diese obligatorischen Öffentlichkeitsbeteiligung vorwegnehmen, sondern ist vielmehr auf eine überschlägige Vorausschau beschränkt. Die Vorprüfung darf sich aber auch nicht in einer oberflächlichen Abschätzung spekulativen Charakters erschöpfen, sondern muss auf der Grundlage geeigneter und ausreichender Informationen erfolgen. Hierzu zählen auch vom Vorhabenträger eingeholte Fachgutachten, die gegebenenfalls durch zusätzliche Ermittlungen der Planfeststellungsbehörde ergänzt werden können (BVerwG, U.v. 24.5.2018 – 4 C 4/17 – juris Rn. 17f. – NVwZ 2018, 1647 ff.).
(2) Gemessen an diesen Grundsätzen ist die UVP-Vorprüfung des streitigen Vorhabens in Verfahren und Ergebnis nicht zu beanstanden.
Die Genehmigungsbehörde hat die zur Beurteilung der Standortkriterien von Nr. 2 der Anlage 2 zum UVPG a.F. berufenen Stellen von dem Vorhaben und der Notwendigkeit der Vorprüfung in Kenntnis gesetzt und diese um Stellungnahme gebeten. Die Stellungnahmen sind erfolgt. Konkret wendet der Kläger ein, die Naturschutzbehörde habe die erforderlichen Unterlagen nicht gehabt und habe deshalb auch keine fachliche Stellungnahme abgeben können. Das Vorhaben verursache Ammoniakemissionen und vor allem Stickstoffoxide, die sich durch die Erweiterung deutlich erhöhen würden. Diese Einwände führen nicht zum Erfolg der Klage.
Es kann unterstellt werden, dass die abschließende Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde vom 11. April 2013 in Unkenntnis des dem Landratsamt erst am 25. März 2013 übermittelten Gutachtens der … vom 28. November 2012 erfolgt ist, denn dies hat nicht zur Folge, dass das Ergebnis der Vorprüfung im Sinne von § 3c UVPG unrichtig wäre und eine UVP hätte durchgeführt werden müssen.
Die untere Naturschutzbehörde hat in der Stellungnahme vom 11. April 2013 insbesondere Mitteilung über die Belastbarkeit der Schutzgüter unter besonderer Berücksichtigung der im Einzelnen aufgeführten, ausdrücklich ausgewiesenen schutzwürdigen Gebiete i.S.d. Nr. 2.3 der Anlage 2 zum UVPG gemacht. Im Einzelnen wurden drei Biotope in einem Abstand zwischen 370 und 500 Metern zum Vorhaben, eine Wasserschutzgebietszone ca. 650 Meter östlich des Vorhabenstandorts sowie weiterer Biotope in 730 und 750 Meter Entfernung benannt. Sie kam zu dem Ergebnis, dass von dem beantragten Vorhaben allein wohl keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen zu erwarten seien. Ergänzend hat sie angemerkt, dass „keine Unterlagen zur Verfügung“ gestanden hätten, „die nachvollziehbare Aussagen zu den bereits bestehenden Emissionsbelastungen machen“. Damit wird angesprochen, dass die Vorbelastung des Gebiets nicht in die naturschutzfachliche Betrachtung einbezogen werden konnte, was aber im Ergebnis unschädlich ist.
Ob die Vorbelastung im Rahmen der Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3c UVPG überhaupt zu berücksichtigen ist, lässt sich der Vorschrift selbst nicht eindeutig entnehmen; ist aber im Ergebnis zu bejahen. Dem Wortlaut nach ist zu untersuchen, ob „das Vorhaben“ erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann. Dies spricht zunächst für eine isolierte Betrachtung des Vorhabens selbst. Da die UVP aber genehmigungsorientiert in dem Sinne ist, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des Fachrechts den Prüfungshorizont darstellen, und im Rahmen der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung die entstehende Gesamtbelastung unter Einschluss der vorhandenen Vorbelastungen maßgeblich ist, wird man von einer Relevanz auch der Vorbelastungen ausgehen müssen (vgl. BVerwG, U.v. 20.8.2008 – 4 C 11.70 – juris Rn.33; Schink, Die Vorprüfung in der UVP nach § 3c UVPG, NVwZ 2004, 1182 ff./1186; wohl auch Spannowsky, Der Ausschlussgrund für die Anwendung des beschleunigten Verfahrens der Bebauungsplanung nach § 13a Abs. 1 S. 4 BauGB am Beispiel des Neubaus oder der Erweiterung eines großflächigen Einzelhandelsbetriebs ZfBR 2018, 544 ff./553).
Jedoch ist zum einen die Prüfungstiefe in der UVP-Vorprüfung eingeschränkt und zum anderen letztlich die Einschätzung der Genehmigungsbehörde und nicht die der zu beteiligenden Behörden ausschlaggebend (vgl. oben und BVerwG, U.v. 24.5.2018 – 4 C 4/17 – juris Rn. 17f.).
Vor diesem Hintergrund ist im zu entscheidenden Fall die Feststellung der Genehmigungsbehörde durch Aktenvermerk vom 17. April 2013, dass keine Pflicht zur Durchführung einer UVP besteht, nachvollziehbar und plausibel. Denn diese Einschätzung ist gerade keine oberflächliche Spekulation, sondern beruht auf den eingeholten Fachgutachten (zu Lärm und Geruch) sowie hinsichtlich der vom Kläger ins Feld geführten Luftschadstoffe insbesondere auf der Stellungnahme des Sachgebiets Umwelttechnik des Landratsamts vom 18. März 2013. Hieraus durfte die Genehmigungsbehörde, in Zusammenschau mit der Anlagen- und Betriebsbeschreibung, die die Beigeladene mit ihrem Antrag eingereicht hat, den Schluss ziehen, dass vor allem auch im Hinblick auf Ammoniak und Stickstoffoxid keine erheblichen schädlichen Umwelteinwirkungen durch das streitige Vorhaben hervorgerufen werden. Das Sachgebiet Umwelttechnik kommt zu dem Ergebnis, dass die Ammoniakemissionen als gering einzustufen seien, weil die Endläger als potentielle Emissionsquellen ganzjährig abgedeckt seien. Ammoniakemissionen seien lediglich an 18 Tagen im Jahr beim Abtanken der Gärreste in geringem Umfang zu erwarten. Da die externe Schweinegülle über einen festen Anschluss in den Sammelbehälter 2 geleitet werde, würden Ammoniak- sowie Geruchsemissionen verhindert. Ebenso werde die Rindergülle über eine Rohrleitung in den Sammelbehälter 2 und von dort direkt in den Fermenter unter den Flüssigkeitsspiegel abgeleitet. Die Beschreibung der Anlagen und des Betriebsablaufs in den Antragsunterlagen sowie die in den Bescheid aufgenommenen Anlagenkenn- und -leistungsdaten belegen, dass diese Annahmen des Sachgebiets für Umwelttechnik zutreffen. Eine detaillierte Berechnung nach Nr. 4.8 TA Luft i.V.m. Anhang 1 und deren Abb. 4 ist nach dem Sinn und Zweck der UVP-Vorprüfung, die nicht „durchermitteln“ und damit die eigentliche UVP vorwegnehmen darf (BVerwG, U.v. 24.5.2018 – 4 C 4/17 – juris Rn. 17f. – NVwZ 2018, 1647 ff.), nicht nur nicht erforderlich, sondern sogar unzulässig. Aus Nr. 4.8. TA Luft i.V.m. deren Anhang 1 ist im Übrigen ersichtlich, dass nicht die Lagerung von Gülle in geschlossenen Systemen, sondern eher die Tierhaltung selbst in Bezug auf Ammoniakemissionen kritisch ist.
Auch die Bagatellmassenströme der Immissionswerte nach der TA Luft für Schwefeldioxid und Stickoxid werden nach der Einschätzung des Sachgebiets Umwelttechnik in den Stellungnahmen vom 18. März 2013 durch die Abgase der Blockheizkraftwerke sicher eingehalten. Der Hersteller garantiere die Abgasgrenzwerte der TA Luft. Die Annahme, dass die Immissionswerte nach der TA Luft eingehalten werden, wird durch die Nebenbestimmungen Nr. III. 1.1 und Nr. 1.2. im Bescheid vom 11. November 2013 abgesichert, wonach die Bestimmungen der TA Luft gelten und maximal 0,50 g/m³ Stickstoffoxide (NOx) emittiert werden dürfen.
Bestätigt werden die Ergebnisse auch unter Würdigung des …-Gutachtens vom 28. November 2012 nochmals in der Stellungnahme des Sachgebiets Umwelttechnik vom 16. Oktober 2013.
(3) Die nach § 3a Abs. 2 Satz 2 UVPG a.F. am 19. April 2013 erfolgte Bekanntmachung des Ergebnisses der UVP-Vorprüfung bezieht sich ausdrücklich auf die Notwendigkeit einer allgemeinen Vorprüfung des Einzelfalls was von 1. Juni 2012 bis 1. Mai 2013 auch zutraf. Erst mit der Gesetzesänderung ab 2. Mai 2013 änderte die Rechtslage sich wieder in Richtung auf eine standortbezogene Vorprüfung (s.o. II.2. a) bb). Im Übrigen würde sogar das völlige Fehlen einer Bekanntgabe entgegen § 3a Satz 2 UVPG nicht zur Rechtswidrigkeit der Genehmigungsentscheidung führen (BVerwG, U.v. 20.8.2008 – 4 C 11/07 – Juris Ls. 2 – BVerwGE 131, 352 ff.).
b) Auch das Vorbringen bezüglich unzumutbarer Geruchsimmissionen auf das klägerische Anwesen führt die Klage nicht zum Erfolg.
aa) Das streitige Vorhaben und das Anwesen des Klägers liegen im Außenbereich i.S.d. § 35 BauGB. H. ist ein typischer landwirtschaftlicher Weiler, geprägt durch vier Tierhaltungsbetriebe mit zugeordneter Wohnnutzung. Weder vom Gewicht der Bebauung noch von der Siedlungsstruktur kann von einem Ortsteil i.S.d § 34 BauGB ausgegangen werden.
bb) Der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen durch Geruchsimmissionen wird in der TA Luft nach deren Nr. 1 Abs. 3 nicht geregelt. Die Schwelle der Erheblichkeit von Geruchseinwirkungen ist nicht durch Gesetz, Rechtsverordnung oder normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften bestimmt. Es kommt deshalb darauf an, ob die Immissionen das nach der gegebenen Situation erhebliche und zumutbare Maß überschreiten. Die Zumutbarkeitsgrenze ist aufgrund einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und der speziellen Schutzwürdigkeit des jeweiligen Baugebiets zu bestimmen. Bei der tatrichterlichen Bewertung der Erheblichkeit von Geruchsbelästigungen können nach ständiger Rechtsprechung technische Regelwerke wie die sogenannte Geruchsimmissions-Richtlinie (GIRL) als Orientierungshilfe herangezogen werden, wenngleich diese keine Bindungswirkung entfalten (BVerwG B.v. 28.7.2010 – 4 B 29.10 – juris Rn. 3 – BauR 2010, 2083; BayVGH B.v. 27.3.2014 – 22 ZB 13.692 – juris Rn. 10). Zwar ist es richtig, dass die Beurteilung von Geruchsbelästigungen anhand der GIRL auch nach deren Überarbeitung im Jahr 2008 aus den bekannten Gründen zu einer „Überzeichnung“ von Gerüchen aus der Landwirtschaft führen kann. Genau aus diesem Grund bietet sich die GIRL dann an, wenn es darum geht, eine unzumutbare Belästigung von Nachbarn durch Gerüche aus der Landwirtschaft im Grundsatz dann auszuschließen, wenn (sogar) die nach GIRL maßgeblichen Jahresgeruchsstunden eingehalten werden. Mangels anderweitiger Orientierungshilfen und gerade wegen der immensen geruchlichen Vorbelastungen kann daher auf die GIRL als maßgebliche Erkenntnisquelle zurückgegriffen werden, weil sie als „komfortables worst-case-Szenario“ im Sinne einer konservativen Prognosesicherheit einen Berechnungsweg aufzeigt, der jedenfalls dem Rücksichtnahmegebot gerecht wird und daher „auf der sicheren Seite“ liegt (BayVGH, B.v. 15.10.2012 – 1 ZB 12.1021 – juris Rn. 10). Diese Erwägungen gelten entsprechend auch im Rahmen der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach § 19 BImSchG, zumal gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG i.V.m. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB auch das Rücksichtnahmegebot hier einschlägig ist.
cc) Nr. 3.1 der GIRL in der Fassung vom 29. Februar 2008 und der Ergänzung vom 10. September 2008 kennt grundsätzlich Immissionswerte für drei verschiedene Nutzungsgebiete und legt in Tabelle 1 fest, welche Geruchsstundehäufigkeit jeweils in welchem Gebiet zulässig ist. Der Außenbereich als Nutzungsgebiet ist hierbei nicht vorgesehen. Für Dorfgebiete gilt eine Geruchsstundenhäufigkeit von 0,15. Es würde jedoch dem Sinn und Zweck insbesondere von § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB sowie der planartigen Zuweisung der Landwirtschaft in den Außenbereich zuwiderlaufen, diesen Wert unverändert auch auf landwirtschaftliche Nutzungen im Außenbereich anzuwenden. Begründung und Auslegungshinweise zu Nr. 3.1 der GIRL stellen deshalb klar, dass unter Prüfung der speziellen Randbedingungen des Einzelfalls bei der Geruchsbeurteilung im Außenbereich ein Wert bis zu 0,25% Geruchsstundenhäufigkeit für landwirtschaftliche Gerüche heranzuziehen ist. Auch dieser Wert ist nur als Anhaltspunkt, nicht aber als starre Obergrenze anzusehen.
Sinn und Zweck sowie Systematik der GIRL und deren Auslegungshinweise rechtfertigen nicht die Annahme, der in den Auslegungshinweisen zu Nr. 3.1 GIRL genannte Wert von 0,25 sei eine Obergrenze, die in keinem Fall überschritten werden dürfe. Allerdings berücksichtigt Nr. 3.1 i.V.m. Nr. 5 GIRL, dass zur Beurteilung der Erheblichkeit der Belästigung ein Vergleich mit den Immissionswerten der Tabelle 1 mitunter nicht ausreichen kann, so dass im Anschluss an die Bestimmung der Geruchshäufigkeit eine Einzelfallprüfung stattzufinden hat, die nach der Berücksichtigung weiterer, gegebenenfalls einer Vielzahl von Kriterien zu einem Ergebnis führen kann, das von den Werten in Tabelle 1 (Nr. 3.1 GIRL) nach oben oder nach unten abweicht. Hieraus ergibt sich, dass bereits den in der GIRL genannten Immissionswerten keine abschließend geregelte Verbindlichkeit zukommen soll. Die Auslegungshinweise zu Nr. 3.1 GIRL bestätigen diesen Befund. Denn dort werden die „speziellen Fälle“, zu denen auch die Möglichkeit der Erhöhung des Immissionswerts auf bis zu 0,25 bei Geruchsimmissionen und schutzbedürftigen Objekten im Außenbereich gehört, ausdrücklich als „Beispiele“ bezeichnet; die Auslegungshinweise schließen die Erhöhung der unter Nr. 3.1 GIRL, Tabelle 1, genannten Immissionswerte auch in andern geeigneten Ausnahmefällen somit nicht aus. Zudem sieht Nr. 5 GIRL in begründeten Einzelfällen die Zulässigkeit weiterer Abweichungen von den in Tabelle 1 festgelegten Immissionswerten vor. Die Auslegungshinweise zu Nr. 5 GIRL nennen als einen der möglichen, beispielhaft genannten Ausnahmefälle das Nebeneinander von geruchsemittierenden landwirtschaftlichen Betrieben und verweisen insoweit auf die Auslegungshinweise zu Nr. 1 GIRL „Vorgehen im landwirtschaftlichen Bereich“. Wie der im Unterabschnitt „Betrachtung benachbarter Tierhaltungsanlagen“ enthaltene Hinweis auf einen ungewöhnlichen, vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen entschiedenen Fall des „landwirtschaftsbezogenen Wohnens“ zeigt (B.v. 18.3.2002 – 7 B 315/02 – NVwZ 2002, 1390), kann unter besonderen Umständen sogar eine Geruchshäufigkeit von 50% noch zumutbar sein. Zutreffend ist zwar, dass bei der Annahme, eine Geruchshäufigkeit von mehr als 25% sei noch zumutbar, auch im Außenbereich große Zurückhaltung geboten ist und eine Geruchshäufigkeit von 50% nicht zur regelmäßigen Beurteilung solcher Fälle herangezogen werden soll. Das bedeutet aber umgekehrt, dass bei einem Nebeneinander mehrerer emittierender landwirtschaftlicher Tierhaltungsbetriebe in besonderen Einzelfällen auch derartige Geruchshäufigkeiten zumutbar sein können (zum Ganzen BayVGH, B.v. 27.3.2014 – 22 ZB 13.692 – juris Rn. 10 ff.).
Aus der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 1. Juni 2015 (8 A 1760/13 – juris Rn. 82 und 93 ff.) ergibt sich nichts anderes. Sie geht von den Auslegungshinweisen zu Nr. 1 der GIRL, Punkt „Vorgehen im landwirtschaftlichen Bereich“, Unterpunkt „Betrachtung benachbarter Tierhaltungsanlagen“ aus, wonach Wohnnutzungen im Außenbereich, die im Zusammenhang mit Tierhaltungsanlagen stehen, ein geringerer Schutzanspruch zukommen kann. Insoweit sei generalisierend davon auszugehen, dass eine wechselseitige Rücksichtnahme im Hinblick auf die Geruchssituation im Sinne eines „Gebens und Nehmens“ erfolgt und eine Hinnahme der Gerüche anderer Tierhaltungen in dem Wissen erfolgt, dass auch umgekehrt geruchliche Belastungen hingenommen werden. Reinen Wohnnutzungen ohne diese wechselbezügliche Belastung könne mithin ein höherer Schutzanspruch gegenüber Tiergerüchen zukommen. Der Wert einer Geruchsstundenhäufigkeit von 0,25% für landwirtschaftliche Gerüche im Außenbereich stelle allerdings entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keine absolute Obergrenze dar. Die Auslegungshinweise zu Nr. 1 der GIRL gingen davon aus, dass unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls auch Immissionen über einem Wert von 0,25 nicht ausnahmslos zur Unzumutbarkeit führen müssten. Die Bestimmung eines Immissionswertes von über 0,25 komme allerdings nur in sehr seltenen Ausnahmefällen bei Vorliegen ganz außergewöhnlicher Einzelfallumstände in Betracht.
Mit Urteil vom 27. Juni 2017 schließlich hat das Bundesverwaltungsgerichts (4 C 3.16 – juris Rn. 13 m.w.N.) bekräftigt, dass bei der Bestimmung der Zumutbarkeit von Belästigungen etwaige Vorbelastungen schutzmindernd zu berücksichtigen sind, die eine schutzbedürftige Nutzung an einem Standort vorfindet, der durch eine schon vorhandene emittierende Nutzung vorgeprägt ist. Im Umfang der Vorbelastung sind Immissionen zumutbar, auch wenn sie sonst in einem vergleichbaren Gebiet nicht hinnehmbar wären. Soll in einem erheblich vorbelasteten Gebiet ein weiteres emittierendes Vorhaben zugelassen werden, ist das hiernach jedenfalls dann möglich, wenn dadurch die vorhandene Immissionssituation verbessert oder aber zumindest nicht verschlechtert wird, sofern die Vorbelastung die Grenze zur Gesundheitsgefahr noch nicht überschritten hat (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG).
dd) Gemessen an diesen Erwägungen ist die im zu entscheidenden Fall beim Kläger gegebene Geruchsstundenhäufigkeit von 47% im speziellen Einzelfall noch als zumutbar anzusehen.
Das von der Genehmigungsbehörde (nicht vom Beigeladenen) in Auftrag gegebene Geruchsgutachten der … vom 28. November 2012 ist überzeugend und nachvollziehbar, so dass die dortigen Ausbreitungsberechnungen und Ergebnisse zugrunde zu legen sind. Das Anwesen des Klägers wird dort als Immissionsort betrachtet. Die Vorbelastungen werden einbezogen. Der Erholung eines weiteren Fachgutachtens bedarf es daher nach Auffassung der Kammer nicht. Daraus ergibt sich folgendes:
Der Geruchsbeitrag der genehmigten Biogasanlage am Anwesen des Klägers im Zustand vor der streitgegenständlichen Erweiterung beträgt bei einer Füllhöhe von 5 Metern 5% der Jahresstunden an der Nordseite und 4% an der der Biogasanlage abgewandten Südseite des klägerischen Wohnhauses (Abbildung A1-7). Der Geruchsbeitrag der genehmigten Biogasanlage bei einer Füllhöhe von 5 Metern mit dem Beitrag der vorhandenen Tierhaltungen beträgt an der Nordseite 47% und 69% an der der Biogasanlage abgewandten Südseite des klägerischen Anwesens (Abbildung A1-8).
Der Geruchsbeitrag der am 1. März 2012 beantragten Biogasanlage am Anwesen des Klägers E beträgt bei einer Füllhöhe von 5 Metern ebenfalls 5% der Jahresstunden an der Nordseite und 4% an der der Biogasanlage abgewandten Südseite des klägerischen Wohnhauses (Abbildung A1-10). Der Geruchsbeitrag der beantragten Biogasanlage bei einer Füllhöhe von 5 Metern mit dem Beitrag der vorhandenen Tierhaltungen beträgt gleichfalls an der Nordseite 47% und 69% an der der Biogasanlage abgewandten Südseite des klägerischen Anwesens (Abbildung A1-11).
Hieraus lässt sich eindeutig der Befund der Gutachter begründen, wonach der Geruchsimmissionsbeitrag der Biogasanlage der Beigeladenen im Verhältnis zu den Tierhaltungen kaum ins Gewicht fällt. Ferner lässt sich erkennen, dass die – inzwischen genehmigte – eigene Pferdehaltung des Klägers einen erheblichen Beitrag zu seiner Geruchsbelastung leistet; anders wäre nicht erklärbar, dass die Belastung auf der der Biogasanlage abgewandten Südseite des klägerischen Anwesens so deutlich steigt. Schließlich wird plausibel aufgezeigt, dass die Geruchsbelastung des Klägers durch die mit Bescheid vom 11. November 2013 genehmigte Erweiterung im Verhältnis zum Zustand infolge der Baugenehmigung vom 12. September 2012 nicht verschlechtert wird.
Weil der 47% der Jahresstunden übersteigende Wert an der Südseite des klägerischen Wohnhauses durch die von ihm selbst betriebene Tierhaltung verursacht sein muss, wird der Einzelfallprüfung nach der GIRL der an der Nordseite ermittelte Wert einer Geruchsstundenhäufigkeit von 47% der Jahresstunden zugrunde gelegt. Dieser Wert ist angesichts der Gesamtumstände als ausnahmsweise noch zumutbar zu erachten, weil sich durch das streitige Erweiterungsvorhaben keine nennenswerte Zusatzbelastung ergibt und der Kläger mit seiner Tierhaltung selbst einen erheblichen Beitrag zu seiner Geruchsbelastung leistet.
c) Ein Verstoß gegen die 12. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Störfall-Verordnung – 12. BImSchV) ist nicht gegeben. Aus der abschließenden immissionsschutzfachlichen Stellungnahme des technischen Umweltschutzes vom 16. Oktober 2013 ergibt sich, dass die Mengenschwelle von § 1 Abs. 1 Satz 1 der 12. BImSchV i.V.m. Anhang 1 Nr. 5 Spalte 4 (10.000 kg für das produzierte Gas als explosionsgefährlicher Stoff) nicht erreicht ist.
3. Auch die Genehmigung vom 9. April 2018 verletzt den Kläger nicht in drittschützenden subjektiv-öffentlichen Rechten.
Die Beigeladenen hat am 24 März 2016, zuletzt modifiziert mit den Unterlagen vom 16. Dezember 2017, erneut einen Antrag auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für eine Erweiterung der Biogasanlage gestellt. Beabsichtigt sind zwei weitere Blockheizkraftwerke mit je einer Gesamtfeuerungswärmeleistung von 1.358 kW und einer elektrischen Leistung von 550 kW. Die Gesamtfeuerungswärmeleistung der Biogasanlage wird somit von 1.438 kW auf insgesamt 4.154 kW gesteigert, die elektrische Leistung auf 1.651 kW. Die Biogasmenge von 2,045 Millionen Nm³ Rohgas pro Jahr steigt auf 2,291 Millionen Nm³ Rohgas. Der Einsatz von Rindergülle steigt von 2 Tonnen auf 3,9 Tonnen jährlich, die Menge der eingesetzten Schweinegülle bleibt gleich. Die errechnete Masse an Biogas beträgt 9.940,12 kg pro Jahr. Ferner ist eine Erweiterung des Generatorgebäudes um knapp 67 m² geplant.
a) Zwar kann der Kläger sich auch hier grundsätzlich auf § 4 UmwRG berufen (s.o. II.2.a) aa). Jedoch ist die Umweltverträglichkeitsprüfung auch hier zu Recht unterblieben. Die gemäß Nr. 1.2.2.2 und Nr. 8.6.3.2 des Anhangs 1 zur 4. BImSchV erforderliche standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalls nach § 3c UVPG wurde im Sinne der erforderlichen überschlägigen Prüfung durchgeführt, entspricht den gesetzlichen Vorgaben und ist im Ergebnis nachvollziehbar und plausibel. Ihr lag unter anderem die Anlage 5 des immissionsschutzrechtlichen Antrags vom 24. März 2016 zugrunde, mit der die Beigeladene Unterlagen zur UVP-Vorprüfung vorgelegt hat. Ferner wurden in die UVP-Vorprüfung u.a. die Stellungnahmen des Sachgebiets Umwelttechnik im Landratsamt vom 28. Februar 2018 und der unteren Naturschutzbehörde vom 17. Juli 2017 einbezogen. Auch in diesem Verfahren liegt eine gutachtliche Stellungnahme zur Luftreinhaltung der … vom 20. Dezember 2017 vor. Mit Aktenvermerk vom 27. März 2018 kam die Genehmigungsbehörde beanstandungsfrei zu dem Ergebnis, dass das Vorhaben keiner Umweltverträglichkeitsprüfung bedarf. Das Ergebnis wurde im Amtsblatt vom 6. April 2018 bekannt gemacht. Wegen der rechtlichen Erwägungen im Einzelnen wird auf die Ausführungen zur Genehmigung vom 11. November 2013 verwiesen.
b) Auch bezogen auf die Genehmigung vom 9. April 2018 sind die auf das Wohnhaus des Klägers einwirkenden Geruchsimmissionen ausnahmsweise im speziellen Einzelfall zumutbar. Insoweit wird für die rechtlichen Erwägungen auf die obigen Ausführungen unter II.2.b) dieses Urteils verwiesen. Die gutachtliche Stellungnahme zur Luftreinhaltung der … vom 20. Dezember 2017 berücksichtigt die Genehmigungsunterlagen, sämtliche Betriebsteile und Betriebsabläufe wie auch die Vorbelastungen durch die bestehenden Tierhaltungsbetriebe. Es ist plausibel und nachvollziehbar, so dass auch insoweit die Einholung eines weiteren Fachgutachtens nicht erforderlich erscheint. Das …-Gutachten berücksichtigt auch den Umstand, dass mit der zuletzt beantragten Erweiterung auch eine Separation von Gülle und Gärresten ermöglicht und hierdurch eine neue Emissionsquelle geschaffen wird. Die zentrale Emissionsquelle ist nach dem Gutachten die Anschnittfläche des Fahrsilos. Deren Verkleinerung führt nach dem Ergebnis des Gutachtens zu einer Reduzierung der Geruchsbelastung am Wohnhaus des Klägers. Der Gutachter stellt den bestandskräftig genehmigten Ist-Zustand der Biogasanlage dem nunmehr geplanten Erweiterungszustand gegenüber. Weder die Baugenehmigung vom 12. September 2012 noch die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 11. November 2013 ist bestandskräftig. Als Ist-Zustand wird hier somit die Biogasanlage mit einem Blockheizkraftwerk und einer Gesamtfeuerungswärmeleistung von 492 kW und einer Stromerzeugungsleistung von 170 kW angenommen. Dieser wird verglichen mit dem beantragten Zustand (Gesamtfeuerungswärmeleitung 4.154 kW, elektrische Leistung 1.651 kW, 2,291 Millionen Nm³ Rohgas) jeweils unter Berücksichtigung der eigenen Tierhaltung. Beim Kläger ergibt sich damit in beiden Zuständen die gleiche Geruchsbelastung. Die sich ergebende Geruchsstundenhäufigkeit von 32 bis 33% am Wohnhaus des Klägers ist unter denselben Erwägungen, wie sie bezüglich der Genehmigung vom 11. November 2013 angestellt wurden, ausnahmsweise zumutbar.
Die die Geruchsbelastung deutlich verbessernde Verkleinerung der Anschnittfläche ist in der Nebenbestimmung Nr. IV. 1.29 zur Genehmigung vom 9. April 2018 festgeschrieben. In den Nebenbestimmungen Nr. IV. 1.23 bis IV. 1.28 sind weitere Vorkehrungen enthalten, die einen möglichst wenig geruchsintensiven Betrieb des Fahrsilos und die größtmögliche Vermeidung von Platzgerüchen sicherstellen sollen.
c) Ein Verstoß gegen die 12. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Störfall-Verordnung – 12. BImSchV) ist nicht gegeben. Die Mengenschwelle von § 1 Abs. 1 Satz 1 der 12. BImSchV i.V.m. Anhang 1 Nr. 5 Spalte 4 (10.000 kg für das produzierte Gas als explosionsgefährlicher Stoff) ist mit einer Produktionsmenge von 9.940,12 kg pro Jahr nicht erreicht.
Abschließend bleibt darauf hinzuweisen, dass ein etwaig von den Genehmigungen abweichender Betrieb der Biogasanlage jederzeit zu Maßnahmen, z.B. gemäß § 20 BImSchG führen kann, jedoch die Rechtmäßigkeit der Genehmigung selbst nicht berührt.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 i.V.m. § 154 Abs. 3 VwGO. Nachdem die Beigeladene einen eigenen Sachantrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, ihre außergerichtlichen Kosten dem Kläger aufzuerlegen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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