Baurecht

Erfolglose Nachbarklage gegen Nutzungsänderung eines Gebäudes in eine Schule

Aktenzeichen  M 8 K 14.5084

Datum:
25.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 34 Abs. 1 S. 1, Abs. 2
BauNVO BauNVO § 15 Abs. 1 S. 2
BayBO BayBO Art. 2 Abs. 3 Nr. 5
BImSchG BImSchG § 3 Abs. 1, § 5 Nr. 1, § 48

 

Leitsatz

Als “nähere Umgebung” im Sinn von § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB ist der das Baugrundstück umgebende Bereich anzusehen, soweit sich die Ausführung des Vorhabens auf ihn auswirken kann und soweit er seinerseits den bodenrechtlichen Charakter des zur Bebauung vorgesehenen Grundstücks prägt oder doch beeinflusst. (redaktioneller Leitsatz)
Das Bundesimmissionsschutzrecht und damit auch die auf der Grundlage von § 48 BImSchG erlassene TA Lärm legen die Grenzen der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen für den Nachbarn und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme mit Wirkung auch für das Baurecht im Umfang seines Regelungsbereichs grundsätzlich allgemein fest. (redaktioneller Leitsatz)
Überschreiten die bei der Nutzung der Anlage entstehenden Immissionen bei regelmäßigem Betrieb die für die Nachbarschaft maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze, dann genügt es zur Sicherung der Nachbarrechte nicht, in der Baugenehmigung den maßgeblichen Immissionsrichtwert als Grenzwert festzulegen und weitere Nebenbestimmungen vorzubehalten. Vielmehr muss die genehmigte Nutzung schon in der Baugenehmigung durch konkrete Regelungen eingeschränkt werden. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Die streitgegenständliche Baugenehmigung verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
1. Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade auch dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (BayVGH, B. v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris, Rn. 20). Eine Verletzung drittschützender Normen durch die Entscheidung der Bauaufsichtsbehörde kommt nur insoweit in Betracht, als die Feststellungswirkung dieser Entscheidung reicht. Soweit das Prüfprogramm der Behörde aufgrund entsprechender gesetzlicher Vorgaben eingeschränkt ist, scheidet eine Verletzung von außerhalb dieses Prüfprogramms liegender drittschützender Normen zulasten eines Nachbarn aufgrund der entsprechenden Beschränkung der Feststellungswirkung der baubehördlichen Entscheidung aus.
1.1 Ob das streitgegenständliche Vorhaben zu Recht gemäß Art. 2 Abs. 3 Nr. 5 Bayerische Bauordnung (BayBO) als Gebäude der Gebäudeklasse 5 eingestuft wurde, ohne dass das umfassende Prüfprogramm des Art. 60 BayBO zur Anwendung gekommen ist, kann offenbleiben, da durch die hier streitgegenständliche Nutzungsänderungsgenehmigung keine drittschützenden Bestimmungen des Bauordnungsrechts betroffen werden.
2. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens beurteilt sich nach § 34 Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB), soweit es sich bei der näheren Umgebung um ein faktisches Baugebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. §§ 2 ff. BauNVO handelt, nach diesen Maßgaben.
Entgegen der Ansicht der Klagepartei findet sich im Quartier … Straße/… Straße/…-straße/… Straße nicht bis auf die Nutzung des streitgegenständlichen Grundstücks ausschließlich Wohnnutzung. Vielmehr werden auch die Grundstücke … Str. 15 (Fl.Nrn. … und …) ausschließlich gewerblich genutzt, wobei dieser gewerblichen Nutzung aufgrund der Dimension des Gebäudekomplexes … Str. 15 eine erhebliche Bedeutung im Quartier zukommt. Auch kann vorliegend die dem Vorhaben und dem klägerischen Grundstück gegenüberliegende Seite der …-straße – die hier südlich und nördlich der … Straße ausschließlich massiv gewerblich genutzt wird – nicht außer Betracht bleiben. Nach der übereinstimmenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und auch des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist als „nähere Umgebung“ im Sinn von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB der das Baugrundstück umgebende Bereich anzusehen, soweit sich die Ausführung des Vorhabens auf ihn auswirken kann und soweit er seinerseits den bodenrechtlichen Charakter des zur Bebauung vorgesehenen Grundstücks prägt oder doch beeinflusst (BVerwG, U. v. 26.5.1978 – IV C 9.77 – BVerwGE 55, 369/380; B. v. 20.8.1988 – 4 B 79/98 – NVwZ-RR 1999, 105; BayVGH, U. v. 28.7.2004 – 2 B 03.54 – juris; U. v. 2.5.2006 – 2 B 05.787 – juris). Die Grenzen der näheren Umgebung lassen sich allerdings nicht schematisch festlegen, sondern sind nach der städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist (BVerwG, B. v. 28.8.2003 – 4 B 74/03 – juris). Grundsätzlich gelten als Bereich gegenseitiger Prägung das Straßengeviert und die gegenüberliegenden Straßenseiten (vgl. BayVGH, U. v. 10.7.1998 – 2 B 96.2819 – juris; B. v. 27.9.2010 – 2 ZB 08.2775 – juris; B. v. 30.1.2013 – 2 ZB 12.198 – juris).
Ausgehend von diesen Überlegungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die …-straße vorliegend trennende Wirkung hat. Zwar weist die …-straße eine Breite von insgesamt 15 m auf, jedoch handelt es sich um eine nicht besonders dicht befahrene Erschließungsstraße, die nur zweispurig ausgerichtet ist, da sie beidseits über 2 m breite Gehwege, sowie ebenso breite Parkbuchten im Wechsel mit dazwischen gesetzten Grüninseln verfügt. Auch findet sich zwischen der Ostseite und der Westseite der …-straße kein entsprechender Strukturschnitt hinsichtlich des vorzufindenden Bauvolumens, da das Gebäude auf dem streitgegenständlichen Grundstück als ehemaliges Bürogebäude und auch der Gebäudekomplex … Str. 15 vergleichbare Dimensionen aufweisen wie die Gewerbebetriebe östlich der …-straße. Hierbei spielt es keine Rolle, dass ein Teil des Gebäudekomplexes … Str. 15 im Bereich eines qualifizierten Bebauungsplanes liegt, da auch insoweit die entsprechende räumliche Nähe im maßgeblichen Quartier besteht, zumal die Grenze des Bebauungsplangebietes durch den östlichen Teil des Gebäudekomplexes … Str. 15 verläuft.
Die Klägerin kann daher keinen so genannten „Gebietserhaltungsanspruch“ geltend machen, da es sich bei der maßgeblichen näheren Umgebung des Bauvorhabens und auch des klägerischen Grundstücks nicht um ein Allgemeines Wohngebiet im Sinne von § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 4 Baunutzungsverordnung (BauNVO) handelt.
Vielmehr ist vorliegend von einer so genannten „Gemengelage“ von Wohnen und Gewerbe auszugehen.
3. Da die streitgegenständliche Nutzungsänderungsgenehmigung die übrigen Parameter des § 34 Abs. 1 BauGB wegen des jedenfalls in seinem äußeren Erscheinungsbild unverändert bleibenden Bestandsgebäudes nicht in Frage stellt, ist die streitgegenständliche Baugenehmigung ausschließlich am bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebot zu messen, das sich insoweit aus dem Begriff des „Einfügens“ des § 34 Abs. 1 BauGB ergibt.
Inhaltlich zielt das Gebot der Rücksichtnahme darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen können, möglichst zu vermeiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugute kommt, umso mehr kann er eine Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Bei der Interessengewichtung spielt es eine maßgebliche Rolle, ob es um ein Vorhaben geht, das grundsätzlich zulässig und nur ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen nicht zuzulassen ist, oder ob es sich – umgekehrt – um ein solches handelt, das an sich unzulässig ist und nur ausnahmsweise zugelassen kann. Bedeutsam ist ferner, inwieweit derjenige, der sich gegen das Vorhaben wendet, eine rechtlich geschützte wehrfähige Position inne hat (vgl. BVerwG, B. v. 6.12.1996 – 4 B 215/96 – juris Rn. 9 m. w. N.). Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalls kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist, an (vgl. BVerwG, U. v. 18.11.2004 – 4 C 1/04 – juris Rn. 22; U. v. 29.11.2012 – 4 C 8/11 – juris Rn. 16; BayVGH, B. v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris Rn. 4).
3.1 Hinsichtlich der Zumutbarkeit von Belästigungen kann grundsätzlich auf die Begriffsbestimmungen des BImSchG zurückgegriffen werden (vgl. BayVGH, B. v. 15.11.2011 – 14 AS 11.2305 – juris Rn. 29). Ebenso ist für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Lärm als Maßstab die TA Lärm heranzuziehen (BVerwG, U. v. 29.11.2012 – 4 C 8/11 BVerwGE 145, 145 – juris Rn. 17). Nach § 3 Abs. 1 Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) sind schädliche Umwelteinwirkungen Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Nach § 5 Nr. 1 BImSchG sind Anlagen so zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können. Immissionen, die das immissionsschutzrechtlich zulässige Maß nicht überschreiten, begründen keine Verletzung des baurechtlichen Rücksichtnahmegebots, das insoweit keinen andersartigen oder weitergehenden Nachbarschutz vermittelt (BVerwG, U. v. 30.9.1983 – 4 C 74/78 – juris Rn. 11/14).
3.2 Da nach der schalltechnischen Verträglichkeitsuntersuchung vom 1. Juli 2014 – an deren Richtigkeit das Gericht keine Zweifel hat – die in der Baugenehmigung vom … Oktober 2014 festgelegten Immissionsrichtwerte, die nach Ziff. 6.1 TA-Lärm für ein Allgemeines Wohngebiet gelten an den klägerischen Gebäuden nicht über-, sondern unterschritten werden, ist das Rücksichtnahmegebot gegenüber der Klägerin nicht verletzt.
3.3 Normkonkretisierende Richtwerte für die Beurteilung der Zumutbarkeit von Lärm enthält grundsätzlich die Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum BImSchG vom 26. August 1998 (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm – TA Lärm, GMBl. 1998 S. 503). Grundsätzlich kommt der TA Lärm als normkonkretisierender Verwaltungsvorschrift, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert, eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu. Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräuschen ist jedenfalls insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt. Für eine einzelfallbezogene Beurteilung der Schädlichkeitsgrenze aufgrund tatrichterlicher Würdigung lässt das normkonkretisierende Regelungskonzept der TA Lärm nur insoweit Raum, als es insbesondere durch Kann-Vorschriften (z. B. Nr. 6.5 Satz 3 und Nr. 7.2) und Bewertungsspannen (z. B. A.2.5.3) Spielräume eröffnet (BVerwG, U. v. 29.8.2007 – 4 C 2.07 – BVerwGE 129, 209 – juris Rn. 12; U. v. 29.11.2012 – 4 C 8/11 BVerwGE 145, 145 – juris Rn. 18). Diese Bindungswirkung besteht in gleicher Weise bei der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze in Nachbarkonflikten, wie sie das in § 15 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BauNVO konkretisierte bzw. aus § 34 Abs. 1 BauGB folgende Rücksichtnahmegebot fordert. Denn das Bundesimmissionsschutzrecht und damit auch die auf der Grundlage von § 48 BImSchG erlassene TA Lärm legen die Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen für den Nachbarn und damit das Maß der gebotenen Rücksichtnahme mit Wirkung auch für das Baurecht im Umfang seines Regelungsbereichs grundsätzlich allgemein fest (vgl. BVerwG, U. v. 23.9.1999 – 4 C 6.98, BVerwGE 109, 314 – juris Rn. 22; U. v. 29.11.2012 – 4 C 8/11, BVerwGE 145, 145 – juris Rn. 19).
Die TA Lärm findet vorliegend auch Anwendung, da es sich bei der Schule nicht um eine Anlage für soziale Zwecke, bei der gemäß Nr. 1 Buchst. h TA Lärm deren Anwendung ausgeschlossen wäre, handelt. Vielmehr fallen Schulen als selbstständige Anlagen aus dem Bereich Bildung und Kultur unter den Begriff „Anlage für kulturelle Zwecke“ (vgl. Ernst-Zinkahn/Bielenberg, Komm. zur BayBO, Stand: 1.8.2015, § 4 Rn. 86).
Bei der Lösung einer Immissions-Konfliktlage, reicht es in der Regel aus, wenn dem Emittenten aufgegeben wird, beim Betrieb seiner Anlage näher bestimmte Richtwerte einzuhalten (BVerwG, U. v. 5.11.1968 – I C 29.67 – BVerwGE 31, 15 – juris Rn. 11; U. v. 24.6.1971 – I C 39.67 – BVerwGE 38, 209 – juris Rn. 8; BayVGH, B. v. 15.11.2011 – 14 AS 11.2305 – juris Rn. 31) Überschreiten die bei der Nutzung der Anlage entstehenden Immissionen bei regelmäßigem Betrieb die für die Nachbarschaft maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze, dann genügt es zur Sicherung der Nachbarrechte nicht, in der Baugenehmigung den maßgeblichen Immissionsrichtwert als Grenzwert festzulegen und weitere Nebenbestimmungen vorzubehalten; vielmehr muss die genehmigte Nutzung schon in der Baugenehmigung durch konkrete Regelungen eingeschränkt werden (BayVGH, U. v. 18.7.2002 – 1 B 98.2945 – BayVBl. 2003, 503 – juris Rn. 53 – 61; B. v. 15.11.2011 – a. a. O.).
3.3.1 Mit der Auflage (Nr. 3.2.1 der Baugenehmigung), dass die vom Schulzentrum ausgehenden Geräusche an den maßgeblichen Immissionsorten nach Ziff. 2.3 TA Lärm an der südlich und westlich gelegenen Wohnbebauung (…-str.20/20 a und … Str. 27/27 a),
tagsüber (6.00 – 22.00 Uhr) 55 dB(A)
nachts (22.00 – 6.00 Uhr) 40 dB(A)
nicht überschreiten dürfen, ist die Beklagte dem Maß der Schutzwürdigkeit der Wohnnutzung auf dem klägerischen Grundstück in jedem Fall gerecht geworden.
Im Hinblick auf die oben (2.) festgestellte Gemengelage ist dieser Ansatz objektiv-rechtlich gesehen für die Beigeladene eher zu restriktiv und damit günstig für die Klagepartei, da sich in den Fällen des Aufeinandertreffens von Gebieten unterschiedlicher Qualität und Schutzwürdigkeit in der Rechtsanwendung die Bildung einer „Art von Mittelwert“ etabliert hat (BVerwG, U. v. 16.4.1991, Buchholz 406.11, § 19 BBauG, Nr. 26, S. 16/23 und U. v. 12.12.19785, BVerwGE 50, 49/54 f.). In Nr. 6.7 der TA Lärm 1998 hat diese Entwicklung einen beispielhaften Niederschlag gefunden. Hiernach können, wenn gewerblich, industriell oder hinsichtlich ihrer Geräuschauswirkungen vergleichbar genutzte und zum Wohnen dienende Gebiete aneinander grenzen (Gemengelage), die für die zum Wohnen dienenden Gebiete geltenden Immissionsrichtwerte auf einen geeigneten Zwischenwert erhöht werden, soweit dies nach der gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme erforderlich ist.
3.3.2 Weiterhin wurde in nicht zu beanstandender Weise im Rahmen der Ermittlung des Störpotentials der beantragten Nutzung sowohl eine Betriebsbeschreibung, eine Verkehrsuntersuchung (PSLV v. 18.6.2014) als auch eine schalltechnische Verträglichkeitsuntersuchung erstellt, die Bestandteil der Baugenehmigung vom … Oktober 2014 sind. Soweit in Abs. 2 auf S. 2 der Baugenehmigung vom … Oktober 2014 bei der Erfassung der Bestandteile die Betriebsbeschreibung übersehen wurde, hat dies die Beklagte mit einer entsprechenden, mit Einverständnis der Beigeladenen abgegebenen Erklärung zu Protokoll in der mündlichen Verhandlung vom 25. Januar 2016 wirksam nachgeholt.
3.3.2.1 Die von der Klagepartei erhobenen Einwendungen gegen die Betriebsbeschreibung vom 3. Juli 2014 greifen nicht durch.
Vielmehr beinhaltet diese die wesentlichen Abläufe des Schul- und Hortbetriebes, die so auch der schalltechnischen Verträglichkeitsuntersuchung zugrunde gelegt wurden.
Soweit die Klagepartei bemängelt, dass Abendveranstaltungen in der Betriebsbeschreibung keinen Niederschlag gefunden hätten, ist dieser Einwand sachlich richtig. Allerdings hat dies nicht die Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung vom … Oktober 2014 zur Folge, vielmehr umfasst die streitgegenständliche Nutzungsänderungsgenehmigung den Schulbetrieb ohne Abendveranstaltungen. Soweit die Beigeladene dennoch beabsichtigt, solche durchzuführen, wird sie gehalten sein, einen entsprechenden Tekturantrag auf der Basis einer insoweit ergänzten schalltechnischen Verträglichkeitsuntersuchung bei der Beklagten zu stellen.
3.3.2.2 Die Verkehrsuntersuchung vom 18. Juni 2014 ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
Soweit die hier angenommene Hol- und Bringverkehrsquote von 30% im Verfahren bezweifelt wurde und von der Klagepartei noch angezweifelt wird, ist festzustellen, dass in der ergänzenden Stellungnahme der … GmbH vom 26. September 2014 diese Annahme sowohl mit wissenschaftlichen Daten als auch mit einschlägigen Erfahrungen nachvollziehbar belegt wurde. Gerade bei einem großen Einzugsgebiet mit größeren Entfernungen ist davon auszugehen, dass die Schüler öffentliche Verkehrsmittel nutzen, da die Eltern kaum zwei Mal täglich lange Fahrten durch das Stadtgebiet auf sich nehmen werden. Dementsprechend entspricht es der Lebenserfahrung, dass sich mit dem Ausbau des Gymnasiums der Anteil des Hol- und Bringverkehrs verringert, zumal bei einem achtjährigen Gymnasium wohl auch nur wenige Schüler einen eigenen Pkw nutzen können.
Die von der Klagepartei behauptete und von der Beigeladenen als zwischenzeitlich jedenfalls als abgestellt erklärte Praxis der Nutzung der Tiefgaragenzufahrt als „Be- und Entladeplatz für Schüler“ ist nicht relevant, weil diese Praxis nicht Inhalt des Verkehrskonzeptes vom 18. Juni 2014 (S. 9) ist.
3.2.2.3 Die Behauptungen der Klagepartei, in der schalltechnischen Verträglichkeitsuntersuchung würden weder Reflexionen noch die Schallschutzwand auf der südlichen Grenze des Vorhabengrundstücks berücksichtigt, treffen nicht zu (vgl. jeweils S. 11 des Gutachtens); vielmehr berücksichtigt das Gutachten die Pegelzunahme durch Reflexionen bis zur dritten Reflexion und setzt bei der Holzschallschutzwand ein Lärmdämm-Maß von 25 dB(A) bei einer flächenbezogenen Masse von 15 kg/m² an, die üblicherweise bereits bei einer Holzdicke von etwa 25 mm erreicht wird, wobei darauf verwiesen wird, dass nach dem Gutachten des Büros … die Wand so zu konstruieren sei, dass dieses Schalldämm-Maß erreicht wird.
Ebenso unrichtig ist die Behauptung, dass die Vorbelastung des Grundstücks durch den Fahrverkehr zur Tiefgarage auf der Fl.Nr. … nicht berücksichtigt wird. Ausführungen hierzu finden sich auf S. 6 Ziff. 4.1 des Gutachtens. Angesetzt werden hierbei 72 Fahrbewegungen/Stunde während der Tageszeit, wobei von einer Geschwindigkeit von 30 km/h unter Berücksichtigung der Höhenentwicklung des Geländes und einer Zufahrtsstraße mit Plattenbelag (ebenes Pflaster) ausgegangen wird. Das Gutachten weist allerdings auf S. 7 oben richtigerweise darauf hin, dass die 72 Fahrbewegungen/Stunde während der Tageszeit als Ansatz überhöht sind, da diese Fahrbewegungen pro Stunde lediglich in der Zeit von 6.00 – 8.00 Uhr und von 17.00 – 19.00 Uhr (somit über 4 Stunden) und nicht wie im …-Gutachten – und insoweit übernommen – über 16 Stunden anzusetzen seien. Es ergibt sich somit bei dem gewählten Emissionsansatz eine um etwa 3 dB(A) zu hoch angesetzte Vorbelastung. Da darüber hinaus bei der Berechnung die Geschwindigkeit von 30 km/h zugrunde gelegt wird, obwohl – wie beim Augenschein festgestellt – die zulässige Ein- und Ausfahrtsgeschwindigkeit auf 5 km/h beschränkt ist, besteht kein Zweifel daran, dass die Vorbelastung im Gutachten des Ingenieurbüros … vom 1. Juli 2014 eher zu hoch und keinesfalls zu niedrig angesetzt worden ist. Dies gilt auch im Hinblick auf die von der Klagepartei geltend gemachten und beim Augenschein zum Teil verifizierten Mängel des Zufahrtsweges infolge geringfügiger Hebungen. Zwar konnte beim Augenschein festgestellt werden, dass beim Überfahren der Hebung im mittleren Bereich des Plattenweges leichte Klappergeräusche entstehen; dies jedoch nur dann, wenn sich das betreffende Fahrzeug beim Ein- und Ausfahren nordseitig orientiert, nicht jedoch soweit es an der Südseite der Ein- und Ausfahrt entlang fährt. Beim Überfahren der am westlichen Ende der Ein- und Ausfahrt in der Kurve befindlichen leichten Plattenhebungen waren ähnliche Klappergeräusche praktisch nicht wahrnehmbar, was vermutlich darauf zurückzuführen ist, dass im Kurvenbereich die Geschwindigkeit nochmals verringert wird. Da diese Klappergeräusche somit allenfalls vereinzelt beim Ein- und Ausfahren entstehen, steht zur Überzeugung des Gerichts im Hinblick auf die für die Klagepartei günstigen, aber nicht realistischen Emissionsansätze hinsichtlich der Geschwindigkeit und der Fahrbewegungen fest, dass der im Gutachten angenommene Emmissionspegel von Lm,E = 49,1 dB(A) während der Tageszeit keinesfalls über- sondern eher unterschritten wird.
Die geltend gemachte Beschädigung der Lärmschutzwand – leichte Neigung nach Süden – stellt sich so marginal dar, dass insofern keine Beeinträchtigung des Lärmdämm-Maßes zu erwarten ist.
Die gegen den in Ansatz gebrachten Lärm auf dem Pausenhof und den Freiflächen erhobenen Einwendungen wurden nicht substantiiert. Die auf S. 9 des Gutachtens vom 1. Juli 2014 dargelegten Schallemissionsansätze sind nachvollziehbar; insbesondere wurde für das Ziel einer größtmöglichen Sicherheitsbeurteilung eine Differenzierung der Schallemissionen auch innerhalb der Ruhezeiten vor 7.00 Uhr vorgenommen, obwohl in der Regel keine Schüler vor 7.00 Uhr zu erwarten sind. Die Hortnutzung in der Zeit von 15.30 – 18.30 Uhr findet einschließlich der Ferienbetreuung ebenfalls Berücksichtigung, obwohl nach Auffassung des Gerichts an der Notwendigkeit der Berücksichtigung dieser Nutzung aufgrund der Vorschrift des § 22 Abs. 1 a BImSchG durchaus Zweifel bestehen. Es ist somit auch im Rahmen der Lärmbeurteilung auf Pausenhof und Frei-flächen zu konstatieren, dass der Gutachter einen überpflichtgemäßen Sicherheitsansatz gewählt hat.
Die Verkehrsgeräusche werden im Gutachten ebenfalls korrekt beurteilt.
Soweit sie auf dem Baugrundstück sowie bei der Ein- und Ausfahrt entstehen, wurden sie gemäß Nr. 7.4 Abs. 1 der TA Lärm der Schulnutzung zugerechnet. Bezüglich der Fahrzeuggeräusche des An- und Abfahrtsverkehrs auf öffentlichen Straßen begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass hier – basierend auf den Feststellungen des Verkehrsgutachtens vom 18. Juni 2014 – organisatorische Maßnahmen zur Verminderung der Geräusche des An- und Abfahrtsverkehrs auf öffentlichen Verkehrsflächen in einem Abstand von bis zu 500 m von dem Betriebsgrundstück nicht für notwendig erachtet wurden, weil durch die vergleichsweise geringe zusätzlich ausgelöste Verkehrsmenge in der …-straße von weit unter 1.000 Fahrzeugen der Beurteilungspegel rechnerisch nicht um mindestens 3 dB(A) erhöht wird (Nr. 7.4 Abs. 2 TA Lärm, vgl. Gutachten v. 1.7.2014, S. 13 unten und S. 14 oben).
Da das Gutachten mit in nachbarrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstandenden Emissionsansätzen zu dem Ergebnis kommt, dass die Gesamtbelastung durch Zufahrtsweg (Vorbelastung) und Schulnutzung mit Hort den für Allgemeine Wohngebiete geltenden Immissionsrichtwert an den Gebäuden bei der Klagepartei um 1,3 dB(A) bzw. 1,8 dB(A) unterschreitet, ist mit der streitgegenständlichen Baugenehmigung für das klägerische Grundstück kein unzumutbarer Lärm verbunden.
Sonstige Gesichtspunkte, die eine Rücksichtslosigkeit der Baugenehmigung gegenüber der Klagepartei begründen könnte, sind nicht ersichtlich.
Insbesondere ist die Behauptung der Klagepartei, parkende Fahrzeuge im Straßenbereich auf Höhe des zwischen dem streitgegenständlichen Grundstück und dem klägerischen Grundstück liegenden 3,50 m breiten Grünstreifens, würden die Ein- und Ausfahrt in die klägerische Garage unzumutbar erschweren, irrelevant. Diese Parkmöglichkeit ist der Schulnutzung nicht zugeordnet; vielmehr kann diese auch von Mitarbeitern oder Besuchern der umliegenden Gewerbebetriebe wahrgenommen werden. Insoweit mögliche oder nötige Anordnungen nach dem Straßenverkehrsrecht entbehren schon des kausalen Zusammenhangs mit der streitgegenständlichen Baugenehmigung und können erst recht nicht zu deren Inhalt gehören.
4. Da eine Verletzung sonstiger, bauplanungsrechtlicher oder bauordnungsrechtlicher drittschützender Normen weder behauptet noch ersichtlich ist, war die Klage sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag abzuweisen. Der Hilfsantrag ist bereits unzulässig, da ein irgendwie geartetes Rechtschutzbedürfnis eines Nachbarn für eine Neuverbescheidung eines Bauantrages nach Aufhebung der dem Bauherren zunächst erteilten Baugenehmigung nicht ersichtlich ist (vgl. § 42 Abs. 2 VwGO).
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Es entspricht billigem Ermessen im Sinne von § 162 Abs. 3 VwGO, dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten erstattet erhält, da diese einen Sachantrag gestellt und sich damit gemäß § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 7.500,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG- i. V. m. Ziff. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.


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